Beiträge von Phaeneas

    Na ja, aber von – manchmal - anstrengenden Salutationes abgesehen, meistens lag ihm doch an seiner Aufgabe. Antias war so stolz darauf, dass er trotz seiner jungen Jahre eine nicht üble Position erreicht hatte. Indem er eben bei den Salutationes viel zu sagen hatte. Davon hatte er immer geträumt. Jetzt hatte er es.


    Aber manchmal war manches eben doch lästig. Wie eben immer im Leben.
    Ein professioneller Sklave zeichnete sich aber dadurch aus, dass er sich nichts davon anmerken ließ, von eben diesen Härten, die er zuweilen – in seinem Fall ganz selten - erlebte. Nein, Antias wirkte immer frisch und ausgeruht und war natürlich stets äußerst dienstbeflissen.
    Einladend deutete der Diener dorthin, wo die Kissen frisch aufgeschüttelt waren: „Die Klinen stehen für dich bereit, Herr! Einen Moment musst du dich nur gedulden, ich melde meinem Herrn sofort, dass du hier bist.“ Mit einer leichten Verbeugung verabschiedete er sich.

    Antias war noch ein wenig erschlagen von der Salutatio. So ein Ansturm an Klienten war nicht immer leicht zu bewältigen. Während vielen Salutationes war er quasi – Antias fuhr sich durchs Haar – ununterbrochen am Koordinieren, in Bahnen leiten, organisieren. Und dazu wollten die Höhergestellten auch noch angemessen behandelt werden. Also, manchmal – manchmal! – waren diese verwöhnten, selbstgefälligen ... irgendwas schon anstrengend! Wenn man sie jedes Mal mit Samthandschuhen anfassen musste.


    Auf das Klopfen hin öffnete Antias und hörte sich ungerührt den absolut klassischen Spruch an.
    „Der ehrenwerte Consular Tiberius Durus ist herzlich willkommen in diesem Haus, genauso wie sein Anhang, und er möge nur eintreten, dann wird sein Wunsch nach einem privaten Gespräch erfüllt werden“, sagte er seinerseits herunter, wenn auch nicht in der Betonung, in der unwillige Senatorensprösslinge die Ilias aufsagten.

    Ja, das war das, was Phaeneas in dieser Situation für angebracht hielt. Ein schuldbewusst gesenkter Kopf. Schließlich hatte der Nubier sich ihm gegenüber da eine ziemliche Unverschämtheit geleistet. Auch Cimons Blick konnte ihn da nicht erweichen. Das ... Funkeln allerdings schaffte es doch, ihn kurz etwas zu irritieren. Wieder verringerte sich die Distanz zwischen ihnen ... und der aurelische Sklave brachte es ein weiteres Mal zuwege, dem Bithynier fast schon so etwas wie eine scheue Blässe aufs Gesicht zu treiben. Wer sonst schaffte es schließlich (man merkte, dass Phaeneas‘ Erfahrungen auf wenige Menschen beschränkt waren), diese Thematik noch mit einem Kompliment zu verbinden? Davon abgesehen, dass er damit nicht umgehen konnte, zumal unter diesen Umständen. Wo er doch gerade wieder mit sich selbst überfordert war.
    Aber eines merkte Phaeneas im Moment ganz genau: Dass er Cimon gern hatte, wie sehr er ihn doch gern hatte, obwohl er doch ein solcher Schwerenöter war. Dass er ihn wirklich nur so sehr mögen konnte, diesen in seiner Art absolut unfassbaren Nubier.
    Der Anflug eines Lächelns erschien auf seinem Gesicht.
    Trotzdem fand Phaeneas, dass es angebracht gewesen war, einmal ganz klar (in Anführungszeichen) zu sagen, was Cimon bei Zuwiderhandlung erwartete.
    „Aber hast du auch verstanden, was ich dir gesagt habe? Frage nicht nach Dingen, die noch gar nicht aktuell sind.“ Gar nicht aktuell sein durften.
    „Und“, fügte er eine Spur kälter hinzu, „frage nicht nach Dingen, die dir nicht zustehen. Momentan jedenfalls nicht.“ Wenn Phaeneas alle Welt küssen würde, wäre es schließlich nichts besonderes mehr. Dann wäre es etwas, was jeder Mensch leicht bekommen konnte. Es hätte keinen symbolischen Wert mehr. So aber war eine Auszeichnung. Von Phaeneas geküsst zu werden. Eine seltene Belohnung.


    Plötzlich – der Bithynier schreckte fast auf - stob Charmis auf sie beide zu, aus der ganz falschen Richtung, er sollte doch im Atrium darauf achten, wann Aurelius Ursus aufbrechen wollte? „Ähm ja“, setzte der Junge an und seine Augen erfassten sichtlich irritiert die Situation – die des ungewöhnlicherweise etwas aufgebracht wirkenden Phaeneas und der doch ziemlich nah voreinanderstehenden Erwachsenen, „wir Sklaven wurden aus dem Atrium geschickt, damit die beiden Herrn etwas unter vier Augen besprechen können. Das ist jetzt schon etwas her ... Vielleicht solltet ihr mal nachschauen, ob die zwei schon fertig sind ...“ Dabei zuckte er verlegen mit den Achseln, weil er seinen Auftrag nicht so ausfüllen hatte können, wie er gedacht gewesen war.

    Phaeneas hielt die Luft an. Ganz bestimmt wollte er nicht hören, was Cimon zu sagen im Begriff war. Wenn der Nubier selbst es schon kaum über die Lippen brachte. Es konnte nur etwas ganz fürchterliches, unheilbringendes sein.
    Cimon sprach es aber trotzdem aus. Warum, um aller Götter Willen, musste er es aussprechen? Und das noch mit einer Ruhe, die ... beruhigend war. Und betörend. Sein Name ... mit dieser Stimme ... die ihn innerlich vibrieren ließ.
    Jeden Wortfetzten erwartete er mit Spannung. Mit zum Zerreißen gespannten Nerven.
    Nein, er sagte Cimon jetzt nicht, wie gern er ihn küssen würde. Nein, er ließ ihn nicht wissen, was er dafür geben würde, ihm die Arme um den Nacken schlingen zu dürfen. Genauso wenig wie er ihm mitteilte, dass alles in ihm danach verlangte, sich an diesen wunderbaren, absolut unwiderstehlichen Mann zu pressen. Nicht einmal, wie sehr er danach lechzte, überhaupt nur einen Schritt auf ihn zuzugehen. Überhaupt nur eine Hand nach ihm auszustrecken. Nicht mehr auf seine Blicke aufzupassen. Nein, mit keinem Ton erwähnte er gegenüber Cimon, wie viel Selbstbeherrschung es ihn kostete, vor ihm zu stehen und nicht die Nägel der einen Hand in das Fleisch der anderen zu krallen, um nur still an seinem Platz bleiben zu können.
    Er blickte auf die zitternden Lippen. Auf die gesenkten Lider.
    Dann musste er plötzlich fast lachen. Eines musste man Cimon lassen, Mut hatter er .. diese beinahe unverschähmte Bitte an ihn – Phaeneas! – zu richten. Nein, diese freche Vorgehensweise wagte fast niemand mehr, nachdem Phaeneas ihn oder sie abgewiesen hatte. Ein Nein war bei dem Bithynier schließlich nicht umsonst ein Nein und wer ihn kannte, sprich, ihn im Alltag erlebte, wusste das aus bester Erfahrung.
    Nein, es war ja nicht einmal eine Bitte, es war ja fast schon ein Vorschlag, den Cimon ihm unterbreitete. Ein großzügiges Angebot sozusagen.
    Phaeneas schnappte nach Luft. Mit so etwas hatte er nun wirklich nicht im geringsten gerechnet. „Cimon, ich will dir etwas sagen“, begann er mit erstaunlich viel Bestimmtheit in der Stimme. „Werd dir über deine Gefühle für mich klar und ich werde dich küssen. Und solange du nicht weißt, was du hier für wen empfindest, liegt eine Wiederholung der Vorgänge im Park in nun wirklich ziemlich weiter Ferne.
    Du weißt, dass du nicht darfst, das ist gut, merk es dir – denn andernfalls wirst du dir wünschen, nie die Gelegenheit gehabt zu haben, zu lernen, wie wenig du es darfst!“
    , blitzten Phaeneas‘ Augen ihn an, unerbittlich und strafend.
    Trotz des brisanten Themas und der Aufgebrachtheit, die bei dieser Angelegenheit nun doch – seltenerweise – in Phaeneas entstanden war, war er geistesgegenwärtig genug, um die Stimme gedämpft zu halten. Wenn das jemand mitbekam – nicht auszudenken.
    Wer war er denn, dass er mit dem Nächstbesten rummachte, wer war er denn, dass er irgendwen einfach mal so mir nichts dir nichts an seinen Lippen knabbern ließ? Wer war er, dass er sich eben mal sonstwem an den Hals warf? Dass x-beliebige Leute einfach mal so anfragen könnten, irgendwelche Dahergelaufenen! Wer, bei allen Göttern, war er!?

    Phaeneas spürte die musternden Blicke auf sich. (Bei jedem anderen Typen – oder jeder Frau – wäre er sofort angewidert gewesen.) Sie fühlten sich nach genau dem an, was gerade in ihm vorging. Sprich, sie waren richtig, sie passten genau und waren kein bisschen fremd oder fehl am Platz.
    Als Cimon allerdings näher kam, sah der Bithynier ihn etwas verunsichert an, abschätzend, abwägend. Auch wenn es sich, wie gesagt, vollkommen passend und angemessen anfühlte, wusste er doch, dass von dieser neuentstandenen Situation eine Gefahr ausging, wenn er sie so hinnahm. Es war ihm klar, dass er sie nicht zulassen durfte. Deshalb machte er einen kleinen Schritt zurück. Ein kleiner nur, aber symbolträchtig. Dabei klebten Phaeneas‘ Augen allerdings immer noch unablösbar an denen des Nubiers.


    Zwei Menschen, in denen so viel vor sich ging, standen einander nahezu so unbewegt wie Statuen gegenüber. Als sich Cimons Gesichtszüge aber dem anzugleichen begannen, irritierte er den vinicischen Sklaven ein weiteres Mal, der ihn sofort versicherungsheischend ansah, von wegen, das würde doch nichts schlechtes bedeuten. Doch die Augen, die Augen wischten jeden Zweifel weg. Ihr Götter, wann hatte man ihn zuletzt so angesehen? Es musste ewig her sein.


    Und, ihr Götter, wie oft konnte man sinnlose Besorgnis empfinden, nur weil man ... jemanden mochte ... Erneut beruhigte ihn Cimons Blick und sein etwas schief gelegter Kopf. Fast hätte er in beinahe kindlicher Erleichterung gelächelt, zumindest ein Anflug davon erschien auf Phaeneas‘ Gesicht. Cimon sah zu liebenswert aus.
    Für einen kurzen Moment dachte er schon, der Nubier würde ihn küssen wollen, als sich näher zu ihm beugte, und sein Herz setzte aus. Als die Berührung allerdings ausblieb und Cimon doch einen gewissen Abstand einhielt, begann es aufgeregt zu schlagen, wie vorhin.
    Was er sagte und wie er es sagte, salbte Phaeneas‘ Seele. Einsam ... ja, so fühlte der Bithynier sich abends, wenn er sich zum Schlafen hinlegte. Wenn er keine Möglichkeit mehr hatte, sich irgendwie abzulenken. Dann schob sich Cimon von ganz alleine in Phaeneas‘ Gedanken und ließ ihn sich ... nicht sonderlich erfreulich fühlen. Einsam eben. Und es gab nur eine Methode, um die Gedanken an ihn wieder zu verbannen.
    „Ja ...“ Er musste sich räuspern, um überhaupt einen Ton herauszubekommen. „ ... das werden wir ...“


    Was an der Trauerkleidung nun wieder so dramatisch war, wusste der vinicische Sklave nicht wirklich, aber das, was er dann hörte, traf ziemlich genau das, was er sich (insgeheim und viel zu sehr) wünschte. Dass er Cimon in Mantua auf jeden Fall würde treffen können. Andernfalls würden sie sich wohl eine ganze Zeit lang nicht sehen und der Gedanke erschien Phaeneas kurzzeitig fast noch schlimmer als der, seinen Sehnsüchten bezüglich des Nubiers verfrüht nachzugeben.
    Als er aber hörte, was der weiter sagte, stockte ihm der Atem.
    Zum keine-Ahnung-wie-vielen-Male sah Phaeneas Cimon verunsichert an – und war sich nicht sonderlich sicher, ob er weiter wissen wollte, was der andere Sklave da gerade nicht aussprach. ‚Nähe‘ klang jedenfalls schon einmal sehr Unglück-verheißend.
    Trotzdem schaffte er es nicht, einfach davon abzulenken, irgendein neues Thema zu eröffnen, irgendwas unverfängliches, harmloses ... Nein, das hätte nun wirklich nicht gepasst und so blieb Phaeneas stumm und betrachtete Cimon weiterhin ratlos und überfordert.
    Ja, verflixt, das war er nämlich, überfordert mit der ganzen Situation, so einer, in der er in seinem Leben zuvor noch nie gewesen war. Ihr Götter, wofür auch?


    Dass der Nubier den vorherigen Schritt wieder zurücknahm, bedeutete eine Erleichterung, aber wirklich einfacher war das Ganze dadurch immer noch nicht.
    Und zu allem Überfluss entging Phaeneas natürlich nicht, dass Cimons Körper seine ganz eigene Sprache sprach, was nun wirklich nicht positiv zu seiner Konzentration beitrug. Wie sollte ihm auch etwas an dem entgehen, auf den er so unendlich fixiert war?

    Sofort hefteten sich Phaeneas’ Augen auf Cimons Lippen, sobald dessen Zunge darüber strich. Schneller als er selbst überhaupt auch nur darüber nachdenken konnte. Verfolgte im Sekundentakt die Bewegung, klebte daran, saugte sie auf.
    Wie gut, dass sein Denkvermögen im Moment sowieso vollständig abgeschaltet war, andernfalls hätte er sich selbst verflucht dafür, wie er sich gerade eben benahm und gerade eben benommen hatte. Und Scham und Reue empfunden für diesen Augenblick. Aber gut, das Problem erledigte sich von selbst, dadurch, dass er sowieso nicht wusste, was er gerade tat, weshalb er auch gar keine Gelegenheit bekam, sich schuldig zu fühlen. Schließlich wusste Cimon nicht, ob er Phaeneas‘ Gefühle für ihn erwiderte. Und Leute, von denen man nicht wusste, ob sie in einen verliebt waren, die sah man nunmal nicht so an, das war die Ansicht des Bithyniers.
    Was folgte, war schon viel besser – viel richtiger. Cimons Lächeln ließ ihn darin versinken, wunschlos glücklich, in den siebten Himmel entrückt, nur noch für das lebend, was der Nubier ihm da schenkte. Es war wirklich so - der vinicische Sklave konnte sich nicht helfen und auch wenn es ihm langsam nur noch blöde erschien: Er war einfach nur glücklich. Der Nubier brauchte da nur zu stehen und Phaeneas war glücklich. Die Freude füllte ihn aus und trieb nahezu alle anderen sinnvollen Gedanken aus seinem Kopf hinaus, ließ ihn sich einfach durch und durch wohl fühlen. Und glücklich (um es zum vierten Mal zu erwähnen).
    Beim Aufstrahlen von Cimons Augen war die Welt für Phaeneas noch in vollkommenster Ordnung. Als der aurelische Sklave allerdings zuckte und seine Bewegungen ... unruhig zu werden schienen, da verunsicherte er auch den Bithynier ein wenig. Schließlich wusste er nicht, was los war. Er selbst war im Moment allein nur mit Cimons Gegenwart vollauf zufrieden.
    Die Wachstafel hatte er inzwischen verstaut, um sich besser auf ihn konzentrieren zu können.
    Als er hörte, was der Nubier ihm vorschlug, seufzte er. „Gerade laufen die Vorbereitungen für die Weiterreise ...“, erklärte er ruhig. „Da muss ich da sein und noch einiges erledigen. Ich ... ich glaube also eher weniger, dass ich die Zeit dafür haben werde ...“ Auch wenn er gerne mit Cimon gelesen hätte. Dann musterte er nachdenklich dessen Kleidung und stellte fest: „Ihr seid wegen der Todesfälle hier, nicht wahr? Wirst du ... wirst du wieder in Mantua sein, wenn ich mit meinem Herrn dort eintreffe?“

    Wegen der ewig latenten Liebe zu Arete war auch die Beziehung mit Lysias von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen. Wie es dazu gekommen war, obwohl er doch schon die ganze Zeit Berenices rechte Hand angehimmelt hatte? Die vollkommene, perfekte Arete, laut Evanoridas‘ Überzeugung seine große Liebe, hatte er sich nie anzureden getraut, mit irgendwelchen anderen Leuten zu schäkern aber schon. So hatte es nicht lange gedauert, bis er mit Lysias zusammengekommen war. Der hatte allerdings bald gemerkt, dass Evanoridas nicht wirklich was von ihm wollte, und hatte es beendet. Ja, da war Evanoridas wieder dagestanden und hatte sich immer noch nicht dazu durchringen können, sich endlich an Arete zu wenden. Aus der Sache mit Lysias hatte er aber gelernt. Mago wusste, dass er sich keine großen Gefühle von ihm zu erhoffen brauchte – und tat es deshalb auch nicht.
    Nur wie er jemals Arete erreichen sollte .... keine Ahnung ...
    Im Prinzip hatte er sich schon mit dem momentanen Zustand abgefunden.


    Ja, apropos momentaner Zustand – diese ewigen Grübeleien! – ; inzwischen standen Duccius Vala und Evanoridas im Atrium, weshalb der auch prompt das übliche Programm abspulte: „Ja, der Herrin wurde schon Bescheid gesagt.“ Als würde er sagen wollen, ‚alles andere liegt an ihr‘. „Die Klinen stehen natürlich jederzeit zu deiner freien Verfügung.“

    Zugegebenermaßen war Evanoridas geistig eher noch bei dem eben gerade zwischen Mago und ihm, aber dass da jemand angeklopft hatte, dem er noch nie geöffnet hatte, irritierte ihn nicht, bei den ständigen Schichtwechseln kam sowas schon mal vor.
    „Vinicia Sabina“, wiederholte Evanoridas. Zur Zeit waren irgendwie die Damen des Hauses begehrter. „Nun, das dürfte sich einrichten lassen. Komm mit, forderte er den Duccier auf.
    Als er an ihm vorbeiging, drückte er noch eben Magos Hand und warf ihm einen feurigen Blick zu, der etwas in der Richtung von ‚Du fehlst mir jetzt schon!‘ und ‚Bis gleich!‘ sagte.
    Wie gesagt, fast hätte man die beiden für ein Liebespaar halten können – aber sie waren es eben nicht. Schließlich träumte Evanoridas seit langem schon von Arete, der rechten Hand der Köchin. Von Arete mit der herrlich spitzen Nase, von der stolzen Arete, die schon so viele abgewiesen hatte. Die es zu etwas gebracht hatte, die eine schöne, erhabene und geachtete Frau geworden war, und er, er war ... nur ein x-beliebiger Sklave. Dazu noch beträchtlich jünger als sie. Wieso sollte die sich mit so `nem jungen, unverdienten Typen wie ihm abgeben? Was hatte er schon vorzuweisen? Deshalb brachte er auch nie den Mut auf, sie überhaupt auch nur zu fragen, ob sie Lust hatte, sich mal am Abend bei einem Becher Wein mit ihm zu unterhalten ...

    Evanoridas und Mago knutschten hinter der Porta, als es klopfte. Bevor ihrer beider momentanes Schicksal unausweichlich wurde, versuchte Mago noch, Evanoridas einen heißen Kuss auf die Lippen zu hauchen, während sich der schon pflichtbewusst von ihm löste.
    Beide waren sie lang mit niemandem mehr zusammen gewesen (Mago hatte irgendwas von einer ziemlich blöd verlaufenen Beziehung erzählt und nun erst mal keine Lust mehr auf die Liebe, die ja – wie er gesagt hatte – eine ziemlich undankbare, ungnädige Sache sein konnte) und so hatten sie sich gegenseitig gefunden, in dem beiderseitigen Wunsch nach Leidenschaft, die ihnen inzwischen fehlte. Deshalb führten sie nun etwas, was wie eine Liebesbeziehung aussah, aber keine war.


    Langsam ließ er Magos Hand los und zog die Porta auf, worauf sein Liebhaber etwas aus Sichtweite der nun
    geöffneten Tür trat. Evanoridas‘ Haar war noch ein wenig zerwühlt und die Wangen leicht gerötet – auch schien die Tunika etwas schief zu sitzen. Ja, klar, da waren ja auch Magos Hände gewesen.
    „Ähm, salve Herr, du wünschst?“

    Aufregend. Auf eine angenehme, nicht erschreckende Weise aufregend, so hätte Phaeneas beschrieben, wie er die Situation gerade eben empfand. Ein Spiel, das er nicht oft spielte, und in dem er erstaunlicherweise auch nicht einzurosten schien, auch wenn das letzte Mal vor Cimon nun wirklich Ewigkeiten her war.
    Ein Anblick für die Götter war es, als sich die Augen des Nubiers weiteten, ein bisschen nur, gerade genug um etwas Seltsames in dem vinicischen Sklaven zu erwecken.
    Seinerseits ein wie selbstverständliches Nicken nur war die Bestätigung auf Cimons zaghafte Zusage, nach seiner fast schon bestimmenden Aufforderung.


    Noch im Verbindungsgang hatte der Bithynier schnell Charmis aufgetrieben und den Sklavenjungen mit dem Auftrag losgeschickt, ihnen sofort Bescheid zu sagen, sobald Aurelius Ursus Anstalten machte, gehen zu wollen. Das war das Mindeste, was Phaeneas dem Patrizier schuldig war, nachdem er ihm da einfach so seinen Sklaven entführte ... Auf der Stelle stob Charmis mit einem „Geht klar, Phaeneas!“ davon, sichtlich motiviert von der ihm übertragenen Aufgabe.
    Nun waren sie wirklich allein. Auch wenn man in einem großen Sklavenhaushalt nie sicher wissen konnte, wer gerade was mitbekam. Phaeneas war es egal. Im Moment zumindest.


    Und prompt war es wieder da, dieses verlegene Lächeln. Die ganze Zeit über, als Cimon sich schon in Mantua und Phaeneas noch in Rom aufgehalten hatte, war es verschwunden gewesen, ungefähr so, als hätte es nie existiert. Und kaum stand er vor dem Nubier, erschien es sofort wieder auf seinem Gesicht.
    Genauso wie das endgültig peinlich war einzugestehen, aber er fühlte sich wie ein kleiner Junge, wie er da mit weichen Knien vor Cimon stand. Und das Herz klopfte ihm bis zum Hals.
    Der aurelische Sklave sagte nichts, nur seine Lippen schienen sprechen zu wollen. Und als sie es taten, machte Phaeneas´ Herz einen kleinen Sprung. Cimon tat es gut. Ja – er lächelte – ihm auch.
    Natürlich hätte er ihm jetzt sagen können, wie sehr er ihn vermisst hatte und wie sehr ihn jetzt allein nur seine unerwartete Gegenwart aus dem Konzept brachte – aber natürlich kam nichts dergleichen über Phaeneas‘ Lippen
    Dass er die letzte Zeit, seit der Sache im Park, still für sich ziemlich durch den Wind gewesen war, dass er immens schlecht schlief – gemessen an seinem sonstig so tiefen Schlaf - , auch das erwähnte er natürlich nicht.
    Stattdessen meinte er: „Es ist ein bisschen seltsam, dass du jetzt hier bist, aber ich freue mich!“ Ihr Götter, Phaeneas wollte lieber nicht wissen, wie oft er Cimon schon gesagt hatte, dass ihn irgendwas ihn betreffend freute.

    Cimons Lächeln erlöste ihn aus seiner Starre und im selben Moment erkannte Phaeneas am Ziehen in seiner Brust, dass er nach genau diesem Lächeln gedürstet hatte. Ja, es war wirklich wie beim ersten Mal, auch wenn er sich in letzter Zeit bemüht hatte, nicht daran zu denken, obwohl er die Erinnerung daran eigentlich sehr gern mochte. Und es war prompt wie „damals“, er begriff mal wieder nicht, was Cimon mit dem fragenden Blick wollte. So nickte er nur, etwas unsicher, und lächelte zurück.
    Hätte man Phaeneas in dem Moment auf Mantua angesprochen, er hätte nur irritiert den Kopf geschüttelt, um im nächsten Augenblick zu erkennen, dass er das gerade komplett vergessen hatte.


    Wie der Nubier an seinen (wie üblich ungewöhnlich langen) Ärmeln herumnestelte, fiel dem Bithynier dagegen auf, das Starren allerdings nicht, war er doch selbst immer noch damit beschäftigt, Cimons Präsenz zu verarbeiten. Ja, Neugierde, gutes Stichwort, denn Phaeneas überkam gerade das absolut unüberwindlichen Verlangen, wirklich mit dem aurelischen Sklaven zu reden.
    Mit einem schnellen Seitenblick stellte er also fest, dass Lucianus und Ursus wahrscheinlich – hoffentlich! – noch länger über Politik diskutieren wollten. Bestimmt würden sie sie nicht brauchen – und hatte Lucianus ihm nicht zugesichert, er dürfte sich so oft mit Cimon treffen, wie er wollte? (Hier wurde ja wohl keine Pflicht wirklich verletzt.) Und das hier, über das halbe Atrium hinweg, war ja wohl kein ordentliches Treffen!


    Deshalb löste der Bithynier sich schnell von seinem Platz und trat leise und unauffällig wie ein Windhauch – um natürlich die Herrschaften nur nicht zu stören! - an Cimon heran. Genauso leise sprach er. „Komm, Cimon!“, forderte er ihn auf, mit einem für seine Verhältnisse fast schon verwegenen Lächeln. Um ihn durch den Gang, der das Atrium mit dem Vestibulum verband, in den Säulengang von Letzterem zu führen.

    Sim-Off:

    Oh, da ist sie ja, meine Inspiration! *wiedersehensfreude*


    Phaeneas‘ Augen verfolgten den Arm des Flaviers vor ihm, inklusive des gerade noch verhinderten Schicksals der Schriftrollen. Dieser ... ausufernde Einsatz von Körpersprache hatte fast schon etwas ... begeistertes an sich, was der Bithynier sich bezüglich des Patriziers, der Außergewöhnlichkeit des Ausmaßes halber, geistig zu notieren beschloss. Mit dessen Mimik konnte er allerdings noch nicht viel anfangen, schien ihm dieses lebhafte Begleiten seiner Worte doch etwas übertrieben für so ein banales Thema wie die Lesefähigkeiten eines Sklaven.
    Als er sich jedoch ein winziges Stückchen nur zu Phaeneas herabbeugte, fühlte der sich prompt bedrängt, ein Gefühl, das sehr schnell in ihm aufstieg. Um sich wieder den Freiraum und Abstand zu verschaffen, den er zu brauchen glaubte, trat er einen dezenten Schritt zurück.
    „Ja, Herr, das bin ich“, bestätigte er artig. „Ähm, Vergil, was hat er denn so geschrieben? Außer der Aeneis?“, fuhr er fort, auch wenn dieser Schriftsteller als anspruchsvoller bezeichnet wurde, schlicht in dem Bestreben, von Caesar abzulenken, denn auf Politik und Krieg hatte er wirklich keine Lust. Sallust vermerkte er sich in Gedanken schon mal als etwas, was er sich jetzt noch nicht anzutun brauchte.


    Im Übrigen beschränkte er sich darauf, Caesar noch nicht zurücklegen. Das konnte er ja später noch unauffällig tun.
    Zuerst, als der Flavier so freudig reagierte, verstand Phaeneas nicht recht, was er an seinem Herkunftsland so toll fand – davon abgesehen, dass er selbst natürlich von seiner Mutter her sehr stolz darauf war, Bithynier zu sein, und sich dementsprechend keine bessere Herkunft und kein tolleres Land vorstellen konnte (von Italia einmal abgesehen).
    Als sein Gegenüber jedoch bemerkte, ... leider noch nicht in Bithynia, dafür aber ganz in der Nähe davon gewesen zu sein, da hatte er Mühe zu verbergen, wie wenig ihn diese Information kalt ließ. Wunderschöne Landschaft, deliziöse Weine – das prägte er sich schon einmal eifrig ein, um es auf ewig in seinem Gedächtnis gespeichert zu haben. ‚Ruhig, Phaeneas, nur ruhig.‘ Trotz der momentan in ihm aufsteigenden Euphorie, jetzt gleich hoffentlich jemanden über ... fast seine Heimat ausfragen zu können, empfand er die Hand des Fremden unter seiner Nase doch als äußerst störend und machte wiederholt einen Schritt weiter weg von dem ausufernd Gestikulierenden.
    Dann kehrte seine Aufmerksamkeit aber sehr schnell wieder zum Thema zurück. „Ähm, du ... du warst dort schon einmal ... fast“, stellte er noch einmal fest, weil er es selbst kaum fassen konnte. „Also, meine Mutter hat mir über Bithynia nichts erzählt, obwohl sie doch dort aufgewachsen ist, wie auch mein Vater“, plauderte er entgegen seiner sonstigen Gewohnheit nun doch aus dem Nähkästchen, einfach nur um den Patrizier, der im Besitz dieser wertvollen Informationen war, seinerseits zum Reden zu animieren. „Wenn du möchtest ...“ Ähm, nein, ‚könntest du mir gern mehr erzählen‘ konnte er nicht sagen, er als Sklave konnte einem Freien ja schlecht das Reden erlauben. „ ... würde ich gerne mehr von deinen Eindrücken von dieser Gegend hören. Wie war denn ... Pergamon ... konkret so?“ Bemüht, ihn kein bisschen hoffnungsvoll, nur höflich-respektvoll anzuschauen, richtete er seine Augen fest auf Flavius Piso. ‚Oh bitte, bitte, rede!‘, flehte Phaeneas innerlich. ‚Verrat mir etwas über die Heimat, die mir doch immer unbekannt gelieben ist!‘
    Hoffentlich gehörte er zu der Sorte Menschen, denen Aufmerksamkeit und Interesse schmeichelten (was eigentlich fast alle waren).


    Was die Bewertung des Patriziers von Phaeneas‘ bescheidener Meinung anging, begann er gleich mit etwas total verrücktem, mit etwas, bei dem der Bithynier sich fragte, ob er richtig gehört haben konnte: ‚Deine Ansichten in allen Ehren‘ – Ehre! Noch nie hatte jemand ihm so etwas zugeschrieben. Vor allem, aus der Sicht der Freien hatte ein Sklave sowas doch gar nicht, weder Ehre noch Stolz noch eine Seele, nicht auch nur im Entferntesten. Und dieser Flavier sprach das dahinplaudernd einfach so aus. Fast schon ... revolutionär; sittenwidrig.


    Musik, Blumen, Sonnenuntergänge ... alles, was recht war, aber solchem sentimentalen Zeug konnte Phaeneas nun wirklich nichts abgewinnen. Für die anderen Dinge, die der Patrizier anführte, galt das im Prinzip genauso, dass man ihn damit überhaupt nicht locken konnte. Und der Anblick einer schönen Frau ... da musste er schmunzeln. Wie konnte man nur so frauen-fixiert sein?


    Genau das war ja, jedenfalls, das Problem, dass Phaeneas in diesem Leben kaum etwas freute. Dessen Argumentation konnte er allerdings kaum etwas entgegensetzen, war ihm Flavius Piso doch intellektuell und argumentativ eindeutig überlegen – der Bithynier war ja doch nur ein komplett ungebildeter Sklave, der sich als Hobbyphilosoph versuchte; hatte in seinem Leben deutlich mehr Spülschürzen und Wischlappen gesehen als den Intellekt fordernden Unterricht genossen.
    Wie der Patrizier den Pöbel und Straßenkeilereien charakterisierte, da konnte Phaeneas ihm jedoch nur zustimmen, weshalb er auch ausdrücklich dazu nickte.
    Das sich anschließende Lob ignorierte er erneut, konzentrierte sich auf die Aussage an sich.
    Schön. Der Begriff schön war untertrieben für Wasser. Wasser war viel mehr, war ganzheitlicher, war unbeschreiblich, war ein Mysterium ...
    Um seinen Standpunkt die Dunkelheit betreffend aber zu verteidigen, machte er nun zum ersten Mal seit einiger Zeit wieder den Mund auf – und gab ein für seine Verhältnisse außergewöhlich ... sinnliches Beispiel: „Hm, aber überlege, Herr: Wenn man in der Dunkelheit mit einem Menschen, der einem sehr viel bedeutet, allein ist – wenn man seine Wärme spürt, seine Haut schmeckt; einem ein Flüstern ans Ohr dringt ... Dann, finde ich, hat auch absolute Dunkelheit etwas außerordentlich ästhetisches.“ Zumindest, wenn man einem solchen Zusammensein mit einem anderen Menschen etwas abgewinnen konnte, war das in der Regel sehr ansprechend.
    Man beachte, wie Phaeneas Verliebtheit hier bezeichnete.
    Grob so diesen Träumereien, nur in etwas weniger – dem Zuhörer wegen – abgemilderter Version, gab Phaeneas sich sehr häufig hin, seit Cimon ihn im Park geküsst hatte. Davor waren sie verboten gewesen. Jetzt ließen sie sich nicht mehr verbieten.

    Im Atrium angekommen bemühte sich Lysias, der Umstände wegen, die der Bote jetzt gehabt hatte, ganz besonders höflich zu sein. Damit er die Vinicia wenigstens in nicht ganz so schlechter Erinnerung behielt.
    „Es wurde gleich schon jemand losgeschickt, um die Herrin zu informieren. Ich hoffe, dass du so wenigstens nun nicht mehr allzu lang warten musst“, fügte er noch hinzu und mit einem leichten Schmunzeln verbeugte er sich flüchtig (kein Mensch wusste, ob seine Verbeugungen ironisch oder ehrlich respektvoll waren), um schließlich wieder seinen Platz hinter der Porta einzunehmen.

    Sim-Off:

    So einen Fall hatte ich zugegebenermaßen noch nicht ; )


    Eigentlich war es ja wirklich gemein, wie die Kleinen die Spiele der Großen ausbaden mussten. Aber Lysias – ganz Sklave! – hatte auch nur seine Anweisungen ... na ja, und der Bote ja auch. Bekam schließlich sein Geld (oder Kost und Logis) dafür, dass er schlimmstenfalls auch die Allüren „der zu beliefernden“ aushielt.
    „Gut, dann bis in einer Stunde. Vale!“, verabschiedete Lysias ihn in seine zu überbrückende Stunde; und zog sich wieder ins Haus zurück, zu seinem Hocker.


    Es klopfte. Woraufhin Lysias sich spontan besann. Ja, inzwischen dürfte eine Stunde um sein. Lysias erhob sich erneut und öffnete. Tatsächlich, der von vorhin stand da vor der Tür.
    „Ah, salve!“, begrüßte Lysias ihn mit einem verschmitzten Lächeln. „Du hast Glück, die Herrin ist tatsächlich zurückgekehrt! Folge mir nur!“ War seine Einschätzung mit der einen Stunde vorhin nicht gut gewesen? 8o

    Sim-Off:

    Jetzt hast du‘s geschaft, mich neugierig auf die drei anderen Varianten zu machen :P


    Na ja, gut, der Bote hatte recht, es war nur fair ihm gegenüber, ihm wenigstens eine konkrete Zeit zu nennen, zu der er Vinicia Petronilla dann „endlich“ antreffen würde. Tja, dann wollte Lysias mal nicht so sein. Weiterhin freundlich und hilfsbereit ergänzte er:
    „Ja, jetzt wo du’s sagst – ich denke, so in einer Stunde müsste sie wieder zurück sein. Da dürftest du dann mehr Glück haben.“
    ‚Ich drück dir schon mal die Daumen.‘
    Die Gedanken an Lala hatten Lysias‘ gute Laune zurückkehren lassen – ach, wen interessierten schon irgendwelche alten, längst vergangenen Geschichten? Die Gegenwart zählte, sie allein, und über die konnte er sich nun wirklich nicht beschweren. Nein, kein bisschen :)

    Wie er es öfter tat, kam Phaeneas erst einen Augenblick nach Lucianus ins Atrium. Manchmal bekam er mit, wer Lucianus besuchte, aber diesmal betrat er den Empfangsraum der Villa vollkommen ahnungslos – und ihm fielen fast die Augen aus dem Kopf, als er sah, wer da im Hintergrund des Atriums stand.
    Automatisch, aber innerlich gerade komplett neben sich stehend, nahm er seinen üblichen Platz in der Nähe, aber doch respektvollen Entfernung von Lucianus (und dem Gast Aurelius Ursus) ein; wurde kreidebleich, dann kehrte wieder etwas Farbe zurück, um erneut aus seinem Gesicht zu weichen, was für einen kurzen Moment als leichtes Flimmern erhalten blieb.
    ‚Cimon!‘, schoss es ihm durch den Kopf. Der, der in letzter Zeit wissen-die-Götter-wie-oft durch seine Gedanken gespukt war.
    Da stand er einfach so, als wäre er gar nie nach Mantua gegangen, nach dem Tag, an dem sein Herr sich von Lucianus verabschiedet hatte. Phaeneas wurde heiß und er spürte einen Schweißausbruch. Von der Feuchtigkeit seiner Handflächen ganz zu schweigen, die die obligatorische Wachstafel hielten – nein, inzwischen eher umklammerten. Vor Freude. Vor Freude wusste der Bithynier sich nicht mehr anders zu helfen, als sich in die Wachstafel zu krallen.
    Denken war momentan sowieso unmöglich.

    Damit wandten sie sich beide von der sehr jungen Schönheit ab und bewanderten noch einen nicht gerade kleinen Teil des Sklavenmarktes, besprachen zich Unfreie – oh ihr Götter, Frauen waren ja schön und recht, aber dieser Tag war dem Bithynier doch etwas frauenlastig – und verwarfen alle aus verschiedensten Gründen.
    Bis Lysias schließlich wie vom Donner gerührt stehen blieb. „Da! Das ist sie!


    Diese Ausstrahlung haut einen beinahe um! Dieser Blick, dieses fast verwegene Lächeln. Ihr Götter, dieser Rücken, diese Finger ... Was für eine Körperbeherrschung! Und dieses Stupsnäschen ...“, schwärmte er.
    Erstaunte und noch etwas unsicher sah Phaeneas von der Betreffenden zu seinem Begleiter. „Ernsthaft? Sie gefällt dir? Du findest sie ... passend und ausreichend? Dem hohen Standard unserer Herrschaften angemessen?“
    „Aber ja! Sie ist perfekt!“, bestätigte Lysias. „Sie ist die lebende Verkörperung von Attraktivität, sowas von unwiderstehlich und begehrenswert! Und das ohne so billig rüberzukommen, wie fast alle, die wir vorher gesehen haben. Und wenn du mich fragst, ist sie genau das richtige Maß an Verführung bei gleichzeitiger Zurückhaltung!“
    „Und ... ähm ... du bist dir sicher, dass sie nicht zu dezent ist?“
    „Aber ja! Gerade darum geht es doch! Wenn du dir nochmal dieses künstliche Lächeln von der ersten, die wir uns ausführlich angesehen haben, in Erinnerung rufst – willst du sowas regelmäßig ertragen müssen?“ Lysias wartete gar keine Antwort ab. „Na, siehst du. Kauf sie!“, fügte er dann noch mit einem Nicken in Richtung Versteigerungspodest hinzu.
    Einige Momente rang der Bithynier noch mit sich, blickte auf die fröhlich wirkende junge Frau, ihre selbstbewusst die Umgebung musternden Augen, ihre leichte Art. Konnte er ihr das wirklich antun, was für sie vorgesehen war, konnte er das wirklich verantworten? Was, wenn dank ihm ihr Leben nun zum reinsten Tartarus wurde, was wenn - Was wenn ... was wenn ... Ach, es war sinnlos. Irgendeine musste Phaeneas schließlich aussuchen – und dann war die Sache wenigstens für heute erledigt.
    Ein letztes Mal sah er zu der braungebrannten Sklavin und ihr Schicksal war damit besiegelt. „Nun denn, dann ersteiger sie mal. Und stell vorher noch die Fragen, die man eben so stellt, bei so einem Kauf, von wegen Gesundheit und so ...“, instruierte Phaeneas Lysias und wandte sich damit schon so gut wie desinteressiert ab.
    „Na gut“, erwiderte der andere und kümmerte sich um alles.


    „Wunderbar, dann können wir ja jetzt zur Villa Vinicia zurückgehen“, verkündete der Bithynier schließlich, nachdem sie den Zuschlag erhalten hatten.
    „Was? Sind wir schon fertig? Wolltest du nicht noch ...“ Aber Phaeneas ließ ihn gar nicht mehr ausreden. „Das reicht für den Anfang schon“ – ohne nachzudenken, was er da überhaupt sagte; nur um Lysias still zu bekommen – „wir gehen jetzt zurück zur Villa.“
    „Na gut“, nickte Lysias, wenn er ihn auch etwas zweifelnd ansah.


    Phaeneas war ziemlich froh, die Sklavin nicht jetzt schon mit zur Villa Vinicia nehmen zu müssen. Vor seinem geistigen Auge sah er sämtliche Leute ihn anquatschen – schließlich war er Leibsklave des Senators Vinicius Lucianus und damit bekannt – und dumme Nachfragen stellen von wegen: „Wer ist denn die reizende junge Dame an deiner Seite, Phaeneas?“ Ne, danke!
    Jetzt, wo er schon seit Jahren daran arbeitete, die Leute daran zu gewöhnen, dass er nicht wie alle anderen immer selbstverständlich eine Beziehung hatte. Was den Hintergrund hatte, dass Phaeneas lieber alleine war als mit einem zusammen, der es nicht wert war. Dieses Vorgehen wiederum war aber vor allem für die besseren Kreise der römischen Gesellschaft nahezu unverständlich, wo es schließlich nicht nur für freie wichtigere Persönlichkeiten als unanständig galt, ungebunden zu sein. Anfangs, als er gerade frisch Lucianus‘ Leibsklave geworden war, da hatte er noch öfter solche Erkundigungen zu hören bekommen – und Angebote. Dann hatten sie es langsam verstanden, dass Phaeneas weder gewillt war, die geforderte offizielle Beziehung vorzeigen zu können, noch irgendwelche –ebenfalls geforderten - Abenteuer.
    Und jetzt gab es sowieso Cimon. Mit Mühe unterdrückte Phaeneas die Sehnsucht, die sich dabei in seinem Inneren aufbaute. Wenn er mit Cimon zusammenkommen würde, würden automatisch auch die Erwartungen der anderen bedient werden, denn dann hätte der Lucian’sche Leibsklave ja endlich seine Beziehung.
    Welch verrückter Nebeneffekt. Dass er dann endlich „ordentlich“ verbandelt wäre - wie sich’s halt gehörte.

    Nur warum es damals mit ihnen nicht funktioniert hatte, das verstand Lysias immer noch nicht – obwohl er schon oft genug darüber nachgegrübelt hatte.
    Na ja, dafür war die Beziehung mit Lala jetzt umso glücklicher. Spontan musste er innerlich schmunzeln. Denn als er sie gestern gesehen hatte, hatte er ihr von den vielen Frauen auf dem Sklavenmarkt erzählt und sie hatte tausend Theorien aufgestellt, was Phaeneas mit einer Sklavin anfangen könnte, eine irrer als die andere. Sie war schon ein verrücktes Huhn. Das hatte er ihr dann auch gesagt, als er ihr einen Kuss aufs Haar gehaucht hatte.


    Der Bote blieb stur. Als wäre der Sklave eines Hauses nicht so gut wie der Empfänger/die Empfängerin selbst. Na gut, dann eben nicht.
    Natürlich war Petronilla zu Hause. Jeder x-beliebige Sklave in dieser Villa hätte sie sofort gefunden, wäre kein Problem gewesen. Aber wenn Lysias jetzt von seiner Geschichte abgewich, würde das sehr peinlich enden.
    Deshalb zuckte er nur mit den Achseln, setzte ein verständnisvolles Unschuldslächeln auf und meinte zu dem Boten: „Ja, dann tut es mir leid, dass du umsonst hergekommen bist. Ich fürchte, dann wirst du es ein anderes Mal wiederholt versuchen müssen.“ Eigentlich konnte man auch wirklich fast Mitleid mit dem armen Kerl kriegen.