Einige Datteln wurden noch eilig in zwei Kindermünder gestopft (als Vorrat für einen hoffentlich langen Saturnalienmorgen). Nach der anfänglichen Überraschung kümmerten sich Menyllus und Charmis auch nicht mehr allzu sehr um den mysteriösen Umstand, dass Cimon als Phaeneas‘ Besuch hier war - für den Leibsklaven würde das schon irgendeine Logik haben, die sie jetzt nicht am Spielen hindern sollte.
Jedenfalls verabschiedeten sich die beiden gut gelaunt von den Erwachsenen; und auf Cimons Schönes-Fest-Wünschen hin antwortete Menyllus: „Danke, io Saturnalia!“, und Charmis ergänzte: „Ja, bona Saturnalia, Cimon!“ Und man konnte gar nicht so schnell schauen, da waren die Jungen auch schon aus der Küche verschwunden – und mit ihnen jede Menge Datteln.
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Ja, schön und abwechslungsreich hatte Cimon gelesen. Er hatte Phaeneas in der Tat unterhalten – schließlich konnte der beste Text ruiniert werden, wenn man ihn nur falsch vortrug; wie der Bithynier in Mongotiacum schon und nun in Rom erst recht an laienhaften Vorlesern erlebte - also vor allem an Dichtern, die ihre eigenen Werke bekannt zu machen versuchten, indem sie sie auf belebten Plätzen und Märkten öffentlich „auf die Bühne“ brachten. Doch Cimon, sein Saturnaliengast, hatte Plinius lebendig wiedergegeben, sozusagen die Worte zum Leben erweckt.
Ein-, zweimal während des Lesens hatte Phaeneas ein Lächeln zu ihm hinübergesandt, ansonsten hatte der vinicische Sklave die Küche betrachtet.
Der forschende Blick schließlich gepaart mit dem Lächeln erweckte ein seltsames Gefühl in dem Bithynier, das er nicht genau bestimmen konnte. Es war ungewohnt, so intensiv angesehen zu werden, fast ... interessiert. So, als würde Cimon nicht nur versuchen, dahinterzukommen, wie Phaeneas im nächsten Moment reagieren würde (so wie er das von früheren Herrschaften und Sklavenaufsehern kannte), sondern als versuchte er wirklich, ... in ihn hineinzusehen. Wenn er es könnte, was würde er wohl sehen? Phaeneas wusste es nicht recht.
Auf den Vorschlag des aurelischen Unfreien hin nickte der vinicische lächelnd. „Das können wir gerne tun. Ich hab auch schon was Neues im Auge.“ Aber er verriet nicht, was es war.
Dann sah er Cimon von der Seite her an: „Danke, dass du mich an den Saturnalien besucht hast, Cimon. Auch für deine Gesellschaft heute Morgen noch. Ich glaube ... das war fast das noch schönere Saturnaliengeschenk.“
Beiträge von Phaeneas
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Sim-Off: Sehr witzig
Na, Hauptsache, Lucianus ist maskulin.
„Ich will es dir erzählen, Lucianus, sonst nichts. Denn genau das ist es ja. Ich verstehe es selbst nicht ganz. So etwas ist mir noch nie passiert, so etwas habe ich noch nie erlebt. Ich habe noch gar keine Ahnung, was da im Park gerade eben mit mir los war. Wenn mich sonst jemand im Alltag anfasst, sage ich eben einfach, er oder sie soll das lassen, und damit ist die Sache auch schon erledigt.“ Ja, unter den vinicischen Mitsklaven war Phaeneas´ Berührungsangst längst bekannt, um nicht zu sagen berüchtigt. „Und es ist ja auch nicht so, dass ich zum ersten Mal verliebt wäre, nein. Aber bisher waren dabei die Verhältnisse immer so klar, ich wollte ihn und er wollte mich, und für keinen von uns gab es Zweifel. Da wollte ich dementsprechend natürlich immer berührt werden.
Heute wollte ich es nicht – weil Cimon ja nicht wusste, ob er es ernst mit mir meint -, aber trotzdem war niemand überraschter als ich, als nur seine Finger mich leicht angetippt haben – eine so kleine, eigentlich harmlose Geste! – und mich plötzlich ein Schmerz durchzuckt hat, wie ich es noch nie zuvor gefühlt habe. Noch nie in meinem Leben.
Ich bin, seit ich lebe, so oft berührt worden, ohne dass ich es wollte. Ich bin gestoßen, getreten, geschlagen und vergewaltigt worden. Prinzipiell kenne ich das - aber das muss ich wirklich nicht mit dem, in den ich mich verliebt habe, so fortsetzen!
Und ich glaube, ich habe im Park so spontan mit Angst reagiert, weil ich es sonst gewohnt bin, jeden Augenblick des Lebens wachsam sein zu müssen. Bei den meisten meiner früheren Herrn konnte einem vergleichbar schnell noch ganz anderes passieren als nur eine sanfte Geste durch einen Verehrer – nämlich dass jemand urplötzlich handgreiflich oder sonstig aufdringlich wurde. Deswegen ... sind mir schnelle und überraschende Dinge ... so wenig recht ... und deswegen habe ich im Park wohl so alarmiert reagiert, überreagiert ...“, meinte er nachdenklich. Es war in der Tat das erste Mal, dass er sich mit so etwas auseinandersetzte.
„Außerdem ... wenn man Sklave ist, gibt es so viele, die etwas von einem wollen - nicht nur Herrschaften - , aber die wollen nur, dass man sich für sie bückt, und dann nehmen sie sich, wonach es sie verlangt, und lassen einen danach links liegen. Versteh mich nicht falsch - meine Herrschaften haben das absolute Recht dazu, aber so weit ich es selbst entscheiden kann, will ich mich nicht so benutzen lassen; erst recht nicht von sonstwem allem. Und es gibt so viele, die einem erst schön tun und es dann genau so machen. Ich ... ich bin es einfach zu sehr gewohnt, von solchen Leuten umgeben zu sein, dass ich im Park gar nicht mehr so weit denken konnte, dass Cimon mir in dem Moment eigentlich nichts direkt Schlechtes wollte. Ich habe einfach spontan so mit Angst reagiert, um mich zu schützen ...
Und genau das war ein ziemlicher Schock für mich ... meine eigene Reaktion ... diese plötzliche Angst ...
Sonst passieren mir doch nie solche aufregenden, mich so irritierenden Dinge in meinem Leben ... Sonst bin ich doch immer so gefasst ...“ -
Also doch so offen ... Sonst hätte Phaeneas jetzt einige ziemlich ironische Dinge über Bürokratie gedacht, aber so ... „Du besuchst ihn?“, stellte Phaeneas leider viel zu erleichtert fest. Denn wenn man es sich recht überlegte, dürfte er eigentlich – nachdem ein Kerl ihn so behandelt hatte – kein bisschen so hoffnungsvoll an das nächste Zusammentreffen mit ihm denken.
„Aber das ist noch nicht alles, was heute passiert ist, Lucianus.“ Wieder zitterte Phaeneas‘ Stimme, wie sein Herr es kein bisschen von ihm kannte. Sprach der Bithynier doch sonst so klar und direkt und mit fester Stimme.
„Eine Zeit lang haben wir weiterdiskutiert. Und plötzlich – ich hab gar nicht damit gerechnet, für mich war absolut klar, nachdem Cimon gesagt hat, er hätte keine Ahnung, wer ihm was bedeutet, dass ich unter diesen Umständen einen gewissen Abstand zu ihm halten werde – plötzlich suchen seine Hände nach meinen! Aber ich war so überrannt und noch bevor ich protestieren konnte, hielt er meine Hände schon mit festem Griff ... Tausend Erinnerungen sind in mir hochgeschossen; in denen einmal gepackt sein, direkt oder indirekt, bedeutet, ausgeliefert zu sein ... Und sonst ... sonst kommt mir niemand, bei dem ich das nicht will, so nahe ... - und plötzlich drängt sich er so schnell in meinen ... Abstand, den ich bei fremden Leuten immer wahre. Es war viel zu viel Nähe, viel zu viel! Ich hatte panische Angst und ... sein Griff ... von ihm, ausgerechnet ihm so berührt zu werden ... es ... es hat unbeschreiblich wehgetan. Bei jedem anderen wundert mich rücksichtsloses Verhalten nicht, aber bei ihm! ... Niemals wäre ich nach seiner Eröffnung noch auf die Idee gekommen, nochmal von ihm berührt werden zu wollen - ... denn es wäre mir wie Spott vorgekommen. Mir erst zu sagen, in jemand ganz anderen verliebt zu sein, und dann doch wieder mich anzufassen. Außerdem ... hätte es mir nur zu sehr vor Augen geführt, ... was ich für die Zukunft wieder komplett vergessen kann ...“ Vor niemandem sonst hätte der Leibsklave das eingestanden. Vor allen anderen war er nur damit beschäftigt, so zu tun, als würde ihm rein gar nichts fehlen ... -
„Danke“, wiederholte Phaeneas noch einmal auf die Erlaubnis hin. „Nein, natürlich nicht!“, wehrte er dann ab, wie käme er je darauf? „Wobei wir sowas wie treffen jetzt erstmal vergessen können; denn er geht mit seinem Herrn nach Mantua. - Das war noch die Krönung, eh schon eine solche Situation – ein reiner Alptraum! - und dann bricht er auch noch demnächst nach Mantua auf ...“ Bitter und erschöpft schloss Phaeneas kurzzeitig die Augen. „Ähm, wie lange ist man ungefähr Legatus Legionis dort, Lucianus?“, fragte er schließlich nach und hoffte, das möge nicht vergleichbar offen geregelt sein wie in Germania.
„Ja, das meinte Cimon auch, sollte ... sollte das irgendwann aktuell werden. Im Moment wäre es ja wirklich ... übereilt, schließlich ist diese ganze Sache noch ... absolut unsicher ...“ Man merkte der Stimme an, wie mühsam beherrscht sie war und wie unsicher der Sprecher. „Aber er - ach, stell dir vor, Lucianus“, und bei dem Gedanken begann der Sklave wieder zu strahlen, „er meinte, sollte es je so weit kommen, dann will er mit dem Einverständnis unserer beiden Herrn mit mir zusammen sein! Ganz offiziell also, vor aller Welt! Ich habe noch nie einen Heiratsantrag bekommen ...“ Andächtig und offensichtlich überglücklich sah er Lucianus an. -
Zitat
Original von Titus Duccius Vala
Was nichts zu heißen hat. Das Alter eines Menschen verrät überhaupt nichts über die Art und Weise mit Problemen und Konflikten umzugehen. Es gibt 10jährige, die beweisen ein höheres Maß an Konfliktlösungskompetenz als einige Erwachsene. Man übertrage das auf eine soziale Gemeinschaft wie das IR,...
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Nur zwei Küsse. Und genau diese Erkenntnis versetzte Phaeneas‘ spontan aufgekommener Glückseligkeit auch schon wieder einen beträchtlichen Dämpfer. Auf Lucianus‘ nette Worte hin erschien ein schwaches, aber ehrliches Lächeln auf dem Gesicht des Bithyniers. „Danke“, antwortete er. Er befand das, was Lucianus gesagt hatte, als absolut ausreichend, er wäre gar nie auf die Idee gekommen, noch mehr zu erwarten. „Doch freu dich nicht zu früh. Denn dann hat er mir erzählt, dass er glaubt, sich in eine Frau verliebt zu haben.“ Jedes Wort wurde einzeln betont und verdeutlichte Phaeneas‘ persönliche Haltung dazu. „Und dazu beichtet er noch, in jüngerer Vergangenheit was mit irgendeinem Mann gehabt zu haben.“ Jetzt wurde sein Tonfall nachdenklicher, weniger wertend: „Als Grund dafür hat er seine Unerfahrenheit angeführt. Und er sah wirklich elend aus ... So, als wäre er echt eher ziemlich überfordert mit sich selbst. Er meinte ... dass er nicht genau sagen kann, was er für wen empfindet ...“ Dann kehrte wieder mehr Elan in seine Stimme zurück, als er zusammenfasste: „Das muss man sich echt erst mal vorstellen, küsst mich und erzählt danach, sich eventuell in irgendjemand komplett anderen verliebt zu haben!“ Es war einfacher, sich zu ärgern, als Angst zu haben oder unglücklich zu sein.
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Eigentlich wollte ich mich ja gestern schon abmelden, aber da ich heute erst dazu komme, melde ich mich eben jetzt erst ab - und zwar für morgen und übermorgen (dass ich zusätzlich heute auch nichts schreibe, wird man ja spätestens mit Beginn des neuen Tages sehen
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Je öfter er darüber nachdachte, was passiert war, desto verwirrender war es für Phaeneas. Und zu sagen, dass er seit der Sache im Park ein Wechselbad der Gefühle ausstand, wäre noch schön gesagt gewesen.
Umso angenehmer war da Lucianus, seine Gegenwart, seine Reaktion, einfach alles. Wieder wurde Phaeneas bewusst, wie viel Halt er, Lucianus, für ihn bedeutete und wie froh er selbst doch – besonders jetzt - über eben diesen Halt war. So atmete der Leibsklave tief durch, bei dem Versuch, einen klaren Gedanken zu fassen: „Ach, wo soll ich nur anfangen ... Also, ... na ja, am besten wohl am Anfang ...“, beschloss er sinnvollerweise und fing an: „Ich bin in einem Park Cimon begegnet. Du weißt schon, der Sklave, den dein Klient Aurelius Ursus immer zur Salutatio mitnimmt. Wir ... wir haben geredet ... Eigentlich über ganz unwichige Dinge, einfach nur um zu reden, glaube ich. ... Und dann, dann hab ich ihn geküsst. Und stell dir vor, Lucianus – er hat meinen Kuss erwidert! Ich dachte echt, ich sterbe vor Glück!“ Dementsprechend verdrehte Phaeneas die Augen. „Es ... es war so wundervoll ... Zweimal im Ganzen haben wir uns geküsst ... Zwei wundervolle Küsse ...“, schwärmte er bei der Erinnerung.
Die Anzahl, das wusste der Bithynier noch haargenau. -
Ein kurzer Blick wanderte erneut zu Cimons Händen hinunter, die nun ungefährlich bei dem aurelischen Sklaven blieben. Etwas nachdenklich und noch genügend verwirrt verfolgte er, was sie da taten, und stellte dabei fest, dass er sowieso zu keinem Gefühl dazu mehr fähig war. Langsam näherte er sich vor Erschöpfung einem Gefühl des Leergefegtseins und wenn es nicht mit so viel Traurigkeit verbunden gewesen wäre, dann hätte er es vielleicht sogar als gnädig empfunden. Noch niemals war ihm so etwas passiert. Wirklich, noch niemals.
Aber zum Glück hatte Cimon ja sein Wort gegeben.
Erstaunlicherweise schien der Nubier seinen eigenen Witz nicht gar so witzig zu finden, auch wenn sich nun ein Lächeln auf seine Lippen ... ähm, ein Lächeln auf sein Gesicht stahl. Aber wieso diese Bewegung? „Selbstverständlich? Das ist gar nicht selbstverständlich, Cimon! Was glaubst du, wie viele Leute es da draußen gibt, denen das, was andere ihnen sagen, komplett egal ist! Die sich gar nicht die Mühe machen, irgendetwas zu versprechen, weil sie sich ohnehin einfach nehmen? Die nun niemals den Anstand hätten, den du bewiesen hast.“ ‚Die meinen schwachen Moment ausgenutzt hätten ...‘
Ein echter Ehrenmann ... das war Cimon.
Der zur Seite gelegte Kopf ... und dazu diese Rücksicht, die aus seinen Worten sprach. Innerlich begann Phaeneas zu verweifeln, über diese verrückte, unmögliche Situation, in die sie da geraten waren. Die so gar nicht zu ihnen beiden passte ... Die so komplett unerwartet war ... Und dazu noch so ... ungnädig. Bei diesen Gedanken ersparte der Bithynier es sich, auf die nubischen Lippen zu schielen. Ärger ... Wann fühlte er gewöhnlich so etwas? Er konnte sich nicht erinnern ... Es war sowieso nur ein einziges Chaos, was sich jetzt in ihm abzuspielen begann, ein grausamer Strudel aus tausend Gedanken, die ihn nur rat- und hilflos zurückließen. Sonst war er doch immer so ruhig, so gelassen ... Was war das, was sich jetzt plötzlich zu einem solchen Durcheinander in ihm erhob? Und wo, bei den Göttern, kam es her?!
Verlieben war das eine, aber das hier ...„Danke, dass du dabei ... an mich gedacht hast“, meinte Phaeneas mit einem verlegenen Lächeln. Das der Nubier demnächst wahrscheinlich noch öfter sehen würde.
Schmunzelnd schüttelte er dann leicht den Kopf: „Das ganze Leben ist steinig, Cimon. Außerdem ... Per aspera ad astra.“ Und dabei konnte er sich nun doch nicht ein freches Zwinkern verkneifen, vielversprechend ... zumindest was die Zukunft anbelangte.
Schließlich kehrte wieder das verlegene Lächeln zurück, aber der vinicische Sklave verkniff sich mit aller Kraft, die ihm noch übrig geblieben war, zu antworten, dass ihm Cimons Gegenwart ebenfalls sehr angenehm war. „Danke“, wiederholte er. „Vale, Cimon!“ Erneut mit Gewalt riss er sich von diesen Augen los, wobei sich seine eigenen wieder vor Überraschung und Entsetzen weiteten, als die Hand des Nubiers sich ihm darreichte. „Nein – nein, Cimon. ... Ganz sicher nicht“, brachte er mühevoll hervor. „Auch das nicht.“ Er stand von der Bank auf – genoss, was sich ihm dadurch zeigte, dass er nachwievor Herr des eigenen Körpers war – und blickte zurück zu dem, mit dem er die letzten Augenblicke verbracht hatte. „Vale, Cimon.“ Und verließ damit die grüne Idylle, das Vogelgezwitscher und so weiter und den Platz in der Sonne, den er aufgegeben hatte. -
Ein verlegenes Lächeln war während des Gespräches zu Cimon hinübergeflogen und gleichzeitig war Phaeneas auch schon damit beschäftigt, es zu unterdrücken, die Verlegenheit noch ein bisschen mehr als das Lächeln. Schließlich gab es hier Zuschauer, die bitte nichts von seiner Seelenpein mitbekommen sollten – die wussten eh schon nichts von ihm, dann sollten sie das bitte nicht doch noch erfahren. Der Bithynier meinte in erster Linie die anderen Sklaven des Hauses Vinicia.
Um sich selbst abzulenken (erst recht von dem, der da den Aurelier begleitete), hatte er sich intensiv mit seiner Wachstafel beschäftigt. Und ausnahmsweise folgte er dem, was da besprochen wurde, sogar wirklich interessiert, ja, in eigener Sache. Auch wenn die Diskussion über die Debatte im Senat ... na ja, ihn nicht gerade vom Hocker riss. Aber auch das war Phaeneas recht, um nur nicht über etwas ganz bestimmtes nachdenken zu müssen.
Die Sache mit dem Haus außerhalb und den Besuchen war dagegen schon wesentlich wissenswerter ... -
„Du wirst nicht glauben, was mir heute passiert ist!“ Mit diesen Worten schob Phaeneas die Türe zu Lucianus‘ Arbeitszimmer auf. Nirgendwo sonst hätte er in seiner momentanen Gemütsverfassung hingehen können, auf direktem Weg vom Park, in dem er Cimon begegnet war, war er hierhergekommen.
Jetzt ließ er sich recht unelegant auf der nächstbesten Sitzgelegenheit nieder und blickte auf zu Lucianus. Fassungslosigkeit, ein seliges Lächeln und Deprimierung stritten in Phaeneas´ Gesicht miteinander und zeigten deutlich, dass er nicht recht wusste, ob er traurig oder überglücklich sein sollte.
„Das wirst du wirklich nicht glauben, Lucianus, ich glaub‘ es selbst nicht“, wiederholte er noch einmal, fast, als würde er es mehr zu sich selbst sagen.
So hatte sein Herr ihn sicher noch nie erlebt. -
Mit etwas Entfernung zu Cimon fand Phaeneas die Beruhigung, die er jetzt dringend nötig hatte. Unter den Sklaven des vinicischen Haushalts war seine Berührungsangst längst bekannt. Und dort legte man ihm in der Regel höchstens mal eine Hand auf die Schulter und das war’s auch schon, sowas ließ sich gewöhnlich relativ schnell regeln. Aber er wurde nicht so überrannt ... Na ja, aber der Schrecken ließ schon nach. Es war ja nur eine kurzzeitige Angelegenheit gewesen und Cimon hatte ohne jede böse Absicht so gehandelt - deswegen war ihm auch kein Vorwurf zu machen, so sprach Phaeneas sich selbst gut zu.
Cimon versprach es. Was für den Bithynier neue Erleichterung bedeutete. Wenn er es nicht versprochen hätte, wäre er eine Gefahr gewesen. Aber es kostete natürlich trotzdem weiterhin Vertrauen, sitzen zu bleiben und etwas auf sein Wort zu geben. Besonders jetzt, nachdem Phaeneas wusste, was im schlimmsten Fall passieren konnte. Und genau das zu verhindern, darauf arbeitete er doch sein ganzes Leben lang hin! Das hatte er seiner Mutter geschworen ...
Das traurige Gesicht, das der Nubier hier machte, tat neben der Aussage selbst nichts zur Sache. Viel wichtiger war das Wissen um (relative) Sicherheit ... Nie wieder – das hörte sich gut an.
„Gut. Ein Glück.“ Wieder waren es nur kurze Satzfetzen, zu denen er fähig war. Denen man erneut die Erleichterung anhörte.
Nun doch etwas angespannt sah der Bithynier Cimon an. Denn der schwieg erst mal. Na ja, Phaeneas hatte im Grunde nur noch einmal wiederholt, was er rein vom Inhalt her vorher schon gesagt hatte – und da hatte Cimon es schon nicht recht hören wollen. Außerdem ... verlangte er da ja auch nichts wirklich schönes. Ja, bei den Göttern, oh ja, wenn er gekonnt hätte, hätte er sich auch lieber die Küsse zurückgeholt. Aber es ging eben nicht anders. Manchmal (eigentlich ständig), da gab es Situationen, da musste man seine Folgerungen aus den Gesamtumständen ziehen und in wohlweislicher Vorsicht auf etwas verzichten und sei es noch so angenehm (das, worauf man verzichtete). Das zumindest war Phaeneas‘ Standpunkt.
Trotzdem hatte er unerbittlich seine Bedingungen verkündet und damit eiskalt ein Urteil gefällt. Woran er nicht zu rütteln gewillt war – weshalb Cimon zugegebenermaßen auch gar keine andere Möglichkeit hatte, als damit klarzukommen.
Dann nickte der aurelische Sklave. Zum Phaeneas wusste nicht wie vielten Mal kam Erleichterung über ihn. Er akzeptierte. Viel zu oft vergraulte der Bithynier schließlich andere mit seinen strikten Vorstellungen und der fanatischen Überzeugung, mit der er daran festhielt. Dabei wussten die nur nicht, dass er das musste. Wenn er überleben wollte.
Als der Nubier endlich sprach, musste er lachen. „Danke. Danke, dass ich es dir wert bin. Und danke für dein weiteres Versprechen, Cimon. Und danke, dass du dir darüber Gedanken machen willst ...“
Küsse ade. Scheiden tut weh. Ja, das bedeutete es. Und an ein eventuelles Wiedersehen (mit den Küssen) wollte der Bithynier lieber gar nicht denken. Bevor so etwas wie Hoffnung aufkam.
All das zu verarbeiten versuchend, was sich seit ihrem Aufeinandertreffen ereignet hatte, saß er neben Cimon und bemühte sich darum, sich zu entspannen und die allerschlimmsten Schrecken abzuschütteln. Nein, so sehr wie heute war er schon lange nicht mehr geschockt worden ... Er versuchte die Ruhe, die der Nubier trotz allem immer nach außen vermittelte, in sich aufzunehmen.
Dann brachte der ihn wieder zum Lachen: „Oh, Cimon, du kannst nicht einfach so tun, als wäre alles vorher nicht passiert. Schließlich ist es passiert und es hat uns weitergebracht. Denn wenn wir all das nicht ausgesprochen hätten, würden wir jetzt wieder ahnungslos gegeneinander rennen. So bleibt uns das aber erspart und wir sind aneinander ein bisschen klüger geworden.
Außerdem“, fuhr er fort, „glaube ich, brauche ich sowieso eher eine Pause. Es ist wirklich ... viel geschehen. Könnten wir uns deshalb bitte an dieser Stelle verabschieden? Ich würde jetzt wahnsinnig gerne in die Villa Vinicia zurückkehren ...“ Um all das in geschützten vier Wänden mit jemand Bestimmtem zu besprechen.
Und nach dem Schäkern, wie es Verliebte zu tun pflegen, war ihm gerade auch nicht wirklich. -
Nach Lucianus betrat auch Phaeneas das Atrium und positionierte sich im Hintergrund.
Er registrierte den duccischen Klienten, von dem der bithynische Sklave sich längst nicht mehr daran erinnerte, dass er ihn in Germania mal getroffen hatte. Dafür war sein Gedächtnis, was Vergangenes anbelangte, viel zu löchrig. Schließlich war er es gewohnt, dass die Gegenwart all seine Konzentration erforderte, sein Detailwissen über seine momenante Situation entscheidend war. Eine frühere flüchtige Begegnung verabschiedete sich da schnell aus seiner Erinnerung.
Obwohl ihm sein Leben bei Lucianus längst nicht so viel Kraft abverlangte wie es bei vorherigen Herrschaften zu sein pflegte. Infolge dessen war er auch nicht mehr so müde und zerschlagen, wie ein Aufatmen, so schien es ihm schon seit all den Jahren. Trotzdem schlief er abends, sobald er sich hinlegte, sofort ein, um morgens pünktlich auchzuwachen. Aber der Schlaf war nicht mehr so kostbar, weil er auch nicht gefährdet war, durch sich willkürlich ändernde Arbeitszeiten. -
Inhaltlich zu dem, was er gerade ausgeführt hatte, sagte Cimon nichts. Na gut, quitt. Und dann sprach er von einem ‚Wir‘, das noch gar nicht existierte.
„Ich glaube es dir, Cimon. Ich glaube es dir, dass du das gerne sein möchtest.“ Oh ja, nachwievor glaubte Phaeneas an den Nubier als den gutmütigen, sanften, anständigen Mann, den er kennengelernt hatte. Generell hielt man das, was er dem Bithynier erzählt hatte, auch gar nicht für möglich, wenn man ihn kannte, dass dieser nette, harmlose, ja manchmal fast schon naive Kerl zu so etwas im Stande sein sollte. Sein Körper sah danach aus, ja setzte Abenteuer förmlich voraus, aber wenn man ihn kannte, dann konnte man es nicht glauben, dass er mit drei Leuten gleichzeitig ... was am Laufen hatte.
Billiger Ersatz, oh ja, so sah es aus, und wie. Aber es ... fühlte sich nicht so an ...
Und das allerschlimmste war, dass Phaeneas selbst nicht wusste, wie er mit der Situation umgehen sollte.
Trotz allem erwachte Erleichterung in ihm, als Cimon die Einladung erwähnte. In einer ... na ja, eben erleichterten Geste landete seine Hand auf seinem Herzen. „Ein Glück ... “, meinte er nur, das war sein einziger Kommentar und zu mehr war er auch nicht wirklich fähig.
Ein kleines Lächeln und der Anschein von Zufriedenheit erschienen auf seinem Gesicht. Denn der aurelische Sklave bestätigte ihm seinen Eindruck von jenem. Dass er niemals etwas gegen Phaeneas‘ Willen tun würde.
Kühl und kühler war der Bithynier in seinem Inneren geworden, hatte sich selbst abgekühlt. Hatte das, was seine Sinne vernebelt hatte, vertrieben und alle erwachten Wünsche und Sehnsüchte zurückgedrängt, soweit es nur irgendwie gegangen war. Hatte versucht ruhig zu werden, um mit all dem gelassen klarzukommen. Dass diese Ruhe aber nur Schein war und leicht gekippt werden konnte, bewies Cimon gleich darauf.Als der Nubier den Griff lockerte, wurde Phaeneas schon ein klein wenig wohler. Ansonsten hatte Cimon in diesem Moment für ihn aber gar nichts beruhigendes an sich. Immer noch sah der Bithynier ihn an wie einen Fremden, denn zu dem war er für den Augenblick auch geworden.
Eine wahre Erlösung war aber, als Cimon seine Hände ganz losließ. Der komplette angespannte Körper löste sich wieder und mit einem erleichterten Aufatmen schob sich Phaeneas erst einmal schnell ein Stück weg von dem Nubier. Dort atmete er mehrfach tief ein ein aus, um zu verarbeiten, was gerade eben – viel zu schnell – mit ihm passiert war. Seine Hände behielt er nun fest bei sich. Das Zittern klang allmählich ab und seine Temperatur pendelte sich wieder auf ein normales Maß ein. Sich so langsam wieder von dem Schock erholend, hörte er Cimon zu.
Und bei diesen Worten erkannte er langsam wieder den netten, es nur gut meinenden Mann, in den er sich verliebt hatte. Auch wenn er ihn vollkommen überrannt hatte, auch wenn er sich in absolut inakzeptabler Weise über seine Selbstbestimmung hinweggesetzt hatte, auch wenn er ... Phaeneas‘ existierende Schwäche beinahe ausgenutzt hätte, ihn ihm die Bereitschaft geweckt hatte, Hals über Kopf etwas zu tun, was er danach ganz sicher bereut hätte. Oh, ihr Götter, er wollte gar nicht daran denken, was ... was passiert wäre, wenn jemand anderer, jemand, der nicht so rücksichtsvoll war wie Cimon, dort gesessen hätte. Nur sehr langsam wurde dem Bithynier bewusst, welcher erneute, noch schrecklichere Alptraum gerade wahr geworden war. Welche Macht der Nubier über ihn hatte, da er sich in verliebt hatte. Und nur schleichend wurde ihm das Ausmaß dieses Desasters klar. Dass er nicht mehr Herr der Lage war, nicht mehr alles ihn betreffende unter Kontrolle hatte, so wie er das sonst gewohnt war. Dass Cimon, wenn er es nur wollte, seine Ruhe und Selbstbeherrschung ohne Weiteres erschüttern und aufheben konnte. Oh, ihr Götter, in welche unabschätzbare Gefahr war er hier geraten!
Allmählich spielten sich Phaeneas‘ Herzschlag und Atem wieder auf ein normales Maß ein. „Oh ja, das hast du. Unbedacht gehandelt. Aber ich ... ich verzeihe dir, Cimon. Wenn du versprichst, es nie wieder zu tun.“
Dann doch noch einmal etwas verunsichert sah er den gesenkten Blick, die Tränen des Nubiers in dessen Augen.
Alles Gute, alles Angenehme ... Ja, und da traf er ganz gut in die gerade eben aufgedeckte Wunde, bei Phaeneas.
Hätte Cimon ihn vorhin geküsst, hätte er ihn irgendwie berührt, dann hätte er alles Vertrauen, das der Bithynier in zarten Anfängen zu ihm entwickelt hatte, auf einen Schlag zerstört und Phaeneas wäre entsetzt vor ihm zurückgewichen, aufgesprungen und hätte die Ferne zu ihm gesucht. Und eine Beziehung wäre nie wieder möglich gewesen.
So aber ... war nichts passiert. Cimon hatte seine Schwäche nicht ausgenutzt, nein, er hatte weiterhin gut acht auf ihn gegeben. Er hatte sich Phaeneas‘ Vertrauen – für den Moment zumindest – als würdig erwiesen.
„Nein, ich ... Das wäre Unsinn, einfach so den Gladius ins Korn zu werfen. ... Schau, nutzen wir die Zeit, in der du in Mantua bist, in der wir zeitweise räumlich getrennt sein werden, um uns über diese ganze Sache klar zu werden ... so weit wir können.“
Inzwischen waren seine eben noch leuchtend braunen Augen wieder deutlich dunkler geworden. Er dachte nach, versuchte seine wirren Gedanken in klare Worte zu fassen: „Schau, das einzige, was ich von dir will, Cimon, ist, dass du dich ehrlich mit deinen Gefühlen für diese Frau auseinandersetzt. ... Weißt du, ich finde, wenn man sich schon dazu entschließt, jemanden zu lieben, dann sollte das derjenige sein, den man auch wirklich will. Es hat keinen Sinn, sich aus purer Vernunft für jemand anderen zu entscheiden, denn der wird einem nie das ersetzen können, was derjenige gewesen wäre, den man wirklich liebt. Es wird immer nur ein falsches Ersatz-Glück sein. Wenn du schon jemanden liebst, Cimon, dann lieb doch jemanden, der es dir wirklich wert ist!“, fasste der Bithynier zusammen.
„Bis dahin, bis du weißt, was du wirklich willst“ – oder zumindest annähernd! – „will ich, dass wir unseren Umgang miteinander so halten wie ... vor diesem Tag heute. Mit Abstand, ja? Ohne Berührungen.“ Den Abstand, den Phaeneas brauchte, um das Gefühl zu haben, sicher zu sein und sich selbst halbwegs unter Kontrolle zu haben. -
Na, was man jeden Tag wieder Leute glücklich machen konnte, echt unglaublich. „Genau, folge mir nur“, nickte Lichas frohgemut.
Und natürlich verfehlte eben diese Münze, die er erhielt, nicht seine Wirkung auf Lichas‘ zukünftige Diensteifrigkeit. Ja, wenn der Sklave eine Liste erstellen würde, mit den von ihm am liebsten gesehenen Gästen, würde der Duccier wahrscheinlich bei den obersten Namen stehen. -
Für den Kaiser höchstpersönlich hätte die Höflichkeit und Umsicht, mit der Lichas Duccius Vala ins Atrium der Villa Vinicia führte, auch nichts zu wünschen übrig gelassen
„Wie gesagt, nur einen Moment“, erwähnte Lichas noch einmal. „Du kannst dich ja in der Zwischenzeit schon mal setzen, wenn du möchtest.“
Dann verabschiedete er sich mit Verweis auf den Herrn und beeilte sich auch schon, eben selbigen bald herzubekommen. -
Schließlich lag Lichas dafür im Ausgleich nicht an so was wie Karriere. Da war er ganz bescheiden. Und auch in andern Dingen, auf die andere ganz scharf waren, da war er ganz zufrieden, mit dem, was er hatte. Alles im Leben glich sich immer irgendwie aus ...
Zufrieden registrierte der Sklave die „vertrauliche“ Begrüßung und dass er mit seinem Namen angesprochen wurde. Wenn man erstmal so weit in jemandes Erinnerung verhaftet war, dann hatte man’s geschafft.
Prompt widersprach er: „Aber nein, dein Gedächtnis funktioniert wie eh und je, denn der Consular ist im Haus. Wenn du ihn denn sprechen möchtest ... ?“, stellte Lichas eine rhetorische Frage, „ ... dann wäre das ohne Weiteres machbar.“ -
„Nein, es wäre wirklich nicht ehrlich von dir“, antwortete Phaeneas nun ruhig, erstaunlich ruhig. „Denn glaubst du nicht, dass ich vielleicht auch Sicherheit und verlässliche Konstanten möchte? Wenn du aber das, was du eventuell für diese Frau empfindest, einfach so „abstellen“ willst, dann kannst du für mich keine Konstante sein. Was könntest du mir bieten, worauf sollte ich mich bitte sehr verlassen? Auf deine Gefühle, von denen du selbst nicht genau weißt, wem sie gelten?
Und glaubst du nicht, dass du mir den Eindruck vermittelst, mich nur zu nehmen, weil du diese Frau nicht haben kannst? Dass ich nur billiger Ersatz für deine Traumfrau bin? Ich bitte dich, Cimon, wenn du sie wirklich liebst, wirst du niemand anderen lieben können. Auch wenn du noch so sehr willst.“ Na gut, das stimmte nur bedingt, es gab Leute, die mehrere Menschen liebten (die Betreffenden bezeichneten das selbst mit dem gräkisierenden Begriff ‚Polyamorie‘) – aber das traf doch auf die wenigsten zu, die Phaeneas je begegnet waren, weshalb er das schlampigerweise vernachlässigte.
Zeit, das war ein gutes Stichwort, aber ... ja, es wurde wirklich grausam. „Nach Mantua?“ Phaeneas‘ Stimme drohte zu versagen. „W...wieso denn das?“
„Schreiben? Denken?“ Jetzt standen die Gedanken des Bithyniers endgültig Kopf; und entsprechend schnell und unkoordiniert sprach er. „Natürlich darfst du an mich denken. Schreiben? Ich ... ich glaube, ich wüsste nicht, was ich dir schreiben sollte ... nicht, nicht so ...“ – und meinte damit ihre reichlich unglückliche momentane Situation.
Dann fasste er sich, weil er sich erinnerte: „Ich werde mit meinem Herrn auch demnächst nach Mantua kommen, weil er doch Curator Rei Publicae ist. Wie lange werdet ihr dort etwa bleiben?“
Na, wenigstens was Phaeneas‘ nicht existenten Hang zu grober körperlicher Gewalt anbelangte, ließ der Nubier sich beruhigen. Das Lächeln konnte er allerdings nicht erwidern. „Du wirst mich nicht festhalten können, Cimon. Du wirst mich nicht festhalten, sollte ich weglaufen. Denn das würde bedeuten, dass du mich gegen meinen Willen bei dir behältst.“ Wieder war seine Stimme ruhig, fast war sie so emotionslos wie ein Toter.
Der Vergleich traf auch insoweit gut, da Phaeneas‘ Gesicht nachwievor die gleiche Farbe hatte wie eine Leiche.
Auf eine ironische, den Bithynier selbst quälende Weise belustigt sah er Cimon und dessen bedauernde Augen an. „Schlauer? Das hat nichts mit Intelligenz zu tun, nur mit Vernunft.“ Er fühlte sich müde, unendlich müde. So wie er sich vor der Zeit bei Lucianus meistens gefühlt hatte.Was? Nur langsam, wobei er allmählich mehr und mehr lachen musste, erschloss sich ihm, worüber Cimon da mit ihm redete. Wirklich, verschämt wie ein kleiner Junge. Auch wenn die Haut des Nubiers schon eine sehr kräftige Farbe hatte, sah er doch die Röte, die ihm ins Gesicht schoss.
Im Grunde genommen wollte Phaeneas noch gar nicht so weit denken – nicht jetzt, wahrlich nicht! - , aber wie der aurelische Sklave damit umging, war wirklich lustig.
Weil seine Aufmerksamkeit auf den zitternden Lippen seines Gegenübers lag, bemerkte er zuerst die Hände nicht, die sich näherten. Wie ein heißer, kurzer Schlag (nicht ganz 2000 Jahre später würde man das ‚Stromschlag‘ nennen) traf es ihn, als er sie aber an seinen fühlte. Erschreckt sprang sein Blick nach unten. (Schließlich war er im Moment nur auf: „Nicht berühren – nicht berühren“ eingestellt.) Zu sagen, dass es ihm unbeschreibliche Schmerzen bereitete, als seine Hände dann gepackt wurden, wäre nicht wirklich falsch. Und ungefähr so sah er Cimon auch an. Alles, was schnell und fest war, machte ihm unsagbare Angst.Diese grauen Augen weckten wieder Vertrauen in ihm, begründet in einer Zuneigung, die viel zu stark war, als dass Phaeneas sie hätte kontrollieren können. Diese Stimme, die er inzwischen so gut kannte, die Art zu reden, wie sie nur Cimon zu eigen war. All das beruhigte die gerade eben noch schier übermächtig scheinende Furcht. Der Bithynier wusste selbst nicht, was mit ihm geschah. Dafür ging es ihm alles auch ein bisschen zu schnell.
Er erinnerte an die Saturnalien. Ja, die Sache mit dem Zimmer.
Und wieder wurde der vinicische Sklave überrumpelt. Was Cimon sagte, dessen Gesicht so nahe vor seinem, dessen heißer, unkontrollierter Atem, Phaeneas‘ Name – wie ein unwiderstehlicher Ruf – und dann diese Worte, erst recht noch das „DIR“, das ihm durch Mark und Bein ging.
Schreck lass nach. In diesem Moment war Phaeneas eines überdeutlich klar: So sah Versuchung aus. So viele gutaussehende, junge, muskulöse, hübsche, schlanke Männer hatten versucht, ihn zu verführen (solche natürlich nur, die aus der Not heraus nicht wirklich wählerisch waren – und da ein Sklave sich grundsätzlich dazu anbot, von allen für alles benutzt zu werden, lag die Sklaverei der Prostitution nicht fern) und allen diesen Abbildern Apollos hatte der Bithynier nur vollkommen unbeeindruckt abgesagt.
Und Cimon musste nur direkt neben ihm sitzen und ihm seinen Wunsch nach Nähe entgegenhauchen und Phaeneas war versucht.
Der erste Kuss zwischen ihnen hatte den Damm gebrochen, den Damm, den Phaeneas jahrelang mühevoll errichtet hatte, um weder bestechlich, noch erpressbar, noch anderweitig empfänglich zu sein. Hätte sein Angebeteter seinen Kuss nicht erwidert, Phaeneas wäre es ein leichtes gewesen, in dieser Situation Bedenkzeit ungeklärter Länge vorzuschlagen.
Aber er hatte seinen Kuss erwidert und der Bithynier war dahingeschmolzen, hatte alle Widerstände aufgegeben, hatte seiner Verliebtheit freien Lauf gelassen, ja, seine Hoffnungen bezüglich Cimon von den Zügeln entlassen.
Er zitterte und ihm wurde heiß. Gerade eben noch hatte er seine Hände bestimmt aus denen des Nubiers lösen wollen, jetzt war er unfähig sich zu bewegen, wie erstarrt saß er vor Cimon, blickte ihn wie erstarrt an.
„Du wolltest auch Nähe zu dieser Frau und zu diesem anderen Mann“, wisperte Phaeneas mit fast versagender Stimme. „Es gibt viele Menschen, deren Nähe wünschenswert ist, und viele, die gerne und bereitwillig Nähe geben ...“
Er wusste nur eines, es durfte nicht passieren, diese Nähe musste sofort aufhören, Phaeneas wollte es nicht, er wollte es schlicht und ergreifend nicht, nicht unter diesen Umständen, nicht unter diesen wagen, unbestimmten Umständen.
Seine Augen, voller Entsetzen, sagten nichts anderes.
Und in genau dem Moment wusste der Bithynier wieder, warum er seit jeher eine ganz ausgeprägte Vorliebe für - im Vergleich zu ihm selbst - deutlich ältere Männer hatte. Die wussten in der Regel, was sie wollten, und waren nicht so ungestüm ... -
Auch wenn der letzte Besuch des Ducciers eine geraume Zeit (erst recht als Türöffner, der gerne bei der Salutatio eingesetzt wurde, kam einem so was lang vor) her sein mochte, war Betreffender für Lichas doch ein bekanntes Gesicht. Tja, und wenn man so ein Gesicht erblickte, an das man auch noch so angenehme Erinnerungen knüpfte, dann dachte man sich schon: ‚Schade, schade, dass der so lang nicht mehr hier war ...‘
Vielleicht mochte es gierig und in Folge dessen schlecht sein, einen Menschen wegen seines Geldes zu schätzen, aber ... es zahlte sich aus. Und es musste doch jeder irgendwo so eine kleine, menschliche Schwäche haben, nicht war?
„Ah, der Herr Duccius Vala, salve! Womit kann man dienen?“ -
Ja, wenigstens in der Welt der Reichen und Schönen war noch alles in Ordnung. Da lud man sich zum Essen ein und kam dem hocherfreut nach und die Sklaven, die daran im Vorfeld beteiligt waren, durften auch was von der Freundschaft der Herrschaften spüren.
Aber die Sorgen der kleinen Leute, ja, die blieben, und Cephalus wettete immer noch drauf, dass vor allem das mit dem Wechsel in der Küche Reibereien (ja, vielleicht so gar bis hin zu Machtkämpfen! Ja, das würde niemandem erspart bleiben) geben würde. Nun, die Zeit wird’s bringen.Aber noch war die Welt ja in Ordnung.
„Gerne“, nickte Cephalus. „Dir auch einen schönen Tag. Vale!“, winkte er ihm noch hinterher.