Beiträge von Phaeneas

    Deprimierend war diese Feststellung wirklich ... Niemals wieder nach Hause. „Meine Eltern stammen aus Bithynia. Und ich weiß haargenau, dass ich dieses, das Land meiner Herkunft mit überwältigend großer Wahrscheinlichkeit nie sehen werde.“
    Das vernichtende Urteil blieb (noch) aus, denn Phaeneas hatte Verständnis für ihre Beurteilung des Lebens und für ihre Sehnsucht nach dem Ende desselben. Das Leben abstreifen ... welch schöne Formulierung. Die vorherige Faszination verwandelte sich allerdings eher in Mitgefühl ... ja, jetzt war er derjenige, der sie so anschaute. „Wieso .. hat der Fluss dich eigentlich nicht behalten?“
    In einer Phaeneas vollkommen unbekannten Sprache sagte sie einen kurzen Satz. Der Klang dieser Sprache war ganz anders als der des Lateinischen, aber es hörte sich unglaublich melodisch an. Sie passte einfach zu der Fremden mit dem zarten, blassen Gesicht. Ah, von der ‚winterlichen Insel‘. Also war diese Frau wirklich Keltin. Und aus der Freiheit geraubt und in die Sklaverei überführt worden. Hm, Freigeborene, das war immer so eine Sache. Und freigelassen inzwischen auch, wie er weiter erfuhr.
    Eindrucksvoll erzählte sie von Heimat, von Muttererde, von Wurzeln. Während sie redete, glaubte Phaeneas seine Mutter zu sehen, zumindest hatten ihre Augen den gleichen Ausdruck angenommen, wenn sie nur das Wort ‚Bithynia‘ erwähnt hatte ...
    „Nein“, schüttelte er auf die Frage hin den Kopf, „Meine Wurzeln wurden von Anfang an an diesen Boden gewöhnt. Ihnen ist diese Erde nicht fremd. ... Aber meine Mutter ... könnte dieses Gefühl vielleicht gekannt haben ...“ Es war seltsam für Phaeneas, über seine Mutter Mutmaßungen anzustellen. Als sie noch gelebt hatte und bei ihm gewesen war, hatte sie ihm verboten, sie zu ihrer Vergangenheit zu befragen. Fraglos hatte er das stets hingenommen.
    Als die Fremde aber von der Existenz ihres Kindes sprach, packte ihn kaltes Entsetzen. Nach außen blieb er unbewegt, aber innerlich kostete es ihn einiges an Mühe, das Rütteln an seinem Weltbild – an seinem Mutterbild! – zu verkraften. Für seine Verhältnisse aber doch relativ rasch und relativ eindringlich bat er sie: „Sehnsucht ist das eine, nach der Heimat, nach dem Ende von sinnlosen Mühen, und die Sehnsucht wird einen wohl niemals loslassen - aber ein Kind ist etwas ganz anderes! Einer Sehnsucht nachzugeben, mag Ungeahntes bringen, aber das Wohl eines Kindes ist etwas gewisses, das in jedem Fall sichtbare Früchte bringen wird. Bitte versuche nicht noch einmal, dich umzubringen – ein Kind braucht seine Mutter.“ Man sah seinen oft unlesbaren, aber im Moment fast flehenden Augen an, wie wichtig ihm diese Angelegenheit war. „Wie alt ist dein Kind?“
    Kein Ende. Das klang insoweit beunruhigend, wenn auch alles danach so verlief wie das Leben zuvor. Doch das Land der Glückseligekeit ... das klang gar nicht beunruhigend. „Das Land der Glückseligekeit?“, fragte er deshalb, fast ein bisschen neugierig, nach. „Was ist das?“

    „Ooooh, du bringt das aber schnell runter!“, staunte Charmis nicht schlecht, als der fremde Mann da seinen Becher so schnell leer bekam. Wenn er da dran dachte, wie lang er an so ein großes Gefäß hintrinken musste ...
    „Gern geschehen“, lächelte der Junge zurück, nahm den Becher wieder an sich und brachte ihn gleich in die Küche. Hoffentlich musste er nicht wieder abspülen helfen ... Berenice, die Oberköchin, war da immer so streng ...
    Inzwischen hatte Cephalus auch schon die Antwort des Hausherrn eingeholt und kehrte in den Eingangsbereich der Villa zurück, wo der Bote wartete. „Der Herr wird kommen“, lächelte er. „Er nimmt die Einladung mit Freuden an.“

    Ja, langsam wurde der Ausdruck auf Cimons Gesicht eher so, wie Phaeneas das als einer solchen Situation angemessen befand: verwirrt und ängstlich und starr. Und natürlich war für den Bithynier vollkommen klar, dass die Augen des Nubiers ihn um Vergebung anflehten. Für das, was er Phaeneas gerade antat.
    Es war kein Wunder, dass Cimon über das überrascht war, was er da zu hören bekam; dass es sich so kein bisschen auf seine vorherigen Worte bezog.
    Und: Erleichterung, Cimon war nicht entsetzt über das, was Phaeneas gesagt hatte, er stand nicht wortlos auf, um irgendjemandem voller Abscheu von den Ansichten des Leibsklaven des vinicischen Familienoberhaupts zu berichten. Er nahm es an den Umständen gemessen gelassen ... und antwortete trotzdem mit einem Kopfschütteln. Aber er wirkte in seiner Körpersprache doch sehr ... unentschlossen.
    Und als er sprach, glaubte Phaeneas verzweifeln zu müssen. Doch in erster Linie lag das an seinem höchst eigenen Gefühl.
    Nun gut. Punkt für Punkt würde er abarbeiten, was der aurelische Sklave so alles erwähnt hatte. Sachlich, ruhig – das konnte der Bithynier wenigstens.
    Punkt Nummer 1: „In die Sklaverei? Cimon, ich kann dir eines versichern, sie ist diejenige, der am wenigsten passieren würde. Wenn es herauskommt, wird ihre Familie doch niemals zulassen, dass das öffentlich wird. Erst recht nicht, falls sie aus einer der vornehmen Familien Roms stammt – stell dir das nur vor, eine Dame aus hohen Kreisen in der Sklaverei! Das wäre nur ein unnötiger unangenehmer Skandal, den sich ihre Verwandten in jedem Fall ersparen wollen werden. Die werden das schön für sich behalten und nach außen hin so tun, als wäre nichts passiert. An der Zukunft deiner Liebsten wird sich nichts ändern. Erst wird sie von ihrer Familie ausgeschimpft werden und ansonsten wird sie genauso nach vernunftsmäßigen Gesichtspunkten verlobt und verheiratet werden, wie das auch ohne vorherige Romanze passiert wäre.
    In der Sklaverei landet sie ganz sicher nicht. Glaub nicht alles, was man dir erzählt, Cimon. Sowas wird nur zur Abschreckung verbreitet. Theorie und Praxis klaffen oft sehr weit auseinander.“

    Punkt Nummer 2 war noch eine lebensnotwendige Ergänzung: „Aber ‚lenken‘ nicht im Sinne von ‚manipulieren‘, ja, Cimon? Nur dann, wenn es anders in einer irreparablen Katastrophe enden würde – und vollkommen zum Nachteil des Herrn wäre. Die Situationen, in denen das nötig ist, sind in der Regel ganz seltene Ausnahmefälle – und wenn ein Sklave wirklich ernsthaft eine Herrin liebt, dann ist das ein solcher Ausnahmefall.“
    Punkt Nummer 3, Aufmerksamkeit auf einen wichtigen Aspekt lenken: „Da, du sagst, dass es nicht von Dauer sein kann. Du redest nur von dem, was kann und darf, und nicht von dem, was ist. Nur weil etwas nicht sein kann und nicht sein darf, muss es sich noch lange nicht von selbst erledigen. Manche Dinge sind einfach stärker als menschlicher Wille.“
    Punkt Nummer 4, eine Verdeutlichung: „Und vor allem, wenn du sie wirklich liebst und sie dich auch und wenn sie ein Teil deines Umfeldes ist - ich weiß es ja nicht - , wie willst du das dann hinkriegen, mit dem Von-ihr-fernhalten? Glaubst du wirklich, wenn du irgendwo mit ihr alleine bist, alle anderen weit weg, dass du dann nicht auf sie zutaumeln und sie nicht küssen würdest? Hältst du das allen Ernstes für realistisch? Cimon, wenn ihr euch wirklich liebt, wird diese Liebe von selbst aus euch herausbrechen und sich nicht aufhalten, geschweige denn abwürgen lassen.“
    Punkt Nummer 5, eine persönliche Ergänzung von Phaeneas‘ Seite, die einen ganz anderen Blickwinkel einführte: „Und was du genauso bedenken musst, Cimon, wenn du sie liebst, aber deine Liebe nicht zulässt: Du nimmst ihr damit die Chance, geliebt zu werden. Wenn du sie zu vergessen versuchen und sie nicht anrühren würdest und alle anderen es genauso halten würden wie du, wer würde sie dann lieben? Glaubst du vielleicht, das übernimmt ihr Ehemann? Glaubst du wirklich, er wird nicht nur seine eheliche Pflicht ihr gegenüber erfüllen, sondern auch ehrliche, tiefe Liebe zu ihr entwickeln? Du, Cimon, du hättest mich, du hättest so etwas entfernt ähnliches wie die Liebe. Aber sie, was hätte sie? Gar nichts hätte sie. Wenn du sie wirklich liebst, Cimon, musst du ihr diese Chance lassen. Die Chance, geliebt zu werden.“
    Tief atmete Phaeneas durch. Inflationär hatte er nun den Begriff ‚wirklich‘ benutzt. Wann hatte er eigentlich überhaupt das letzte Mal so viel geredet?
    Cimons tränenverschleierter Blick traf ihn und ging ihm durch und durch. Entsetzt spürte er das Aufwallen von Sympathie in sich, das Mitleid, den Wunsch, alles ihn Beeinträchtigende wegzuwischen. Zögernd bewegten sich seine Hände in die Richtung der des Nubiers, doch blieben sie kategorisch auf seinem eigenen Schoß liegen.
    „Ich dich wegstoßen? Cimon, du kennst mich wohl noch zu schlecht, um zu wissen, dass ich nie jemanden wegstoße. ... Wenn, dann laufe ich weg, mit meinen eigenen Füßen ...“, ergänzte er ohne Stolz. Oh ja, darin war er wirklich gut. Im Notfall vor allem fliehen, die Augen schließen, vergessen, wenn etwas außer Kontrolle geriet und gefährlich wurde.
    Kennenlernen ... irgendwann, irgendwann näherkommen. ‚Habe ich nicht schon genug gewartet?!‘, fragte Phaeneas sich entsetzt. ‚Verbringe ich nicht mein ganzes Leben damit, auf alles mögliche zu warten? Soll ich auch noch auf dich warten, nur weil du nicht weißt, was du willst?!‘ Ein Alptraum. Grundsätzlich rechnete der Bithynier nur klare, überschaubare Dinge ein, wenn er irgendeine Entscheidung zu treffen gedachte. Aber mit so etwas konnte man ja gar nicht rechnen. Das Gesicht, das er hier machte, sprach eine eindeutige Sprache.


    Was der Nubier weiter sagte, war schrecklich-schön. Und dann: ‚Wir haben verschiedene Herren, die einverstanden sein müssen.‘ Ein Heiratsantrag. Cimon hatte ihm gerade einen Heiratsantrag gemacht. Hatte ihm, Phaeneas, dem bithynischen Sklaven, dem momentanen Leibsklaven des Marcus Vinicius Lucianus, in Aussicht gestellt, ganz offiziell mit dem Segen der beiden Herrn mit ihm zusammensein zu wollen. Noch nie zuvor hatte Phaeneas einen Heiratsantrag bekommen, aber ab diesem Moment wusste er, dass er Heiratsanträge liebte!
    Ein so kurzer Satz und der Bithynier glaubte, sein Herz würde das bald nicht mehr mitmachen vor Glück. Und überhaupt hatte ihm noch nie jemand so viele so wunderschöne Dinge auf einem Haufen gesagt. Andächtig glühten Phaeneas‘ Augen, so bewegt war er.
    Dann wurden seine Stimme und seine Miene wieder ernst: „Am Anfang? Fehler? Nein. Es war alles so neu und fremd für mich, dass ich den, der sich um mich bemühte, Ewigkeiten habe zappeln lassen ... Solange, bis der letzte Zweifel über meine Wünsche beseitigt war.“ Dieses Konzept, das Phaeneas in unsicheren Situationen immer anwandte, sah keine Fehler vor. „Erschlagen wollen? Aber nein, es gab genug in meinem Umfeld, die das für mich erledigten, auch ohne dass ich sie je darum gebeten hätte. Nein, Cimon, bestrafen hat doch keinen Sinn ...“
    Angst ... Oh ja, grässliche Angst beherrschte Phaeneas‘ Sinne, die ihn in erster Linie auf das Alarmierende in Cimons Worten hören ließ. Die ihm sagte, nur vorsichtig zu sein und niemals, niemals diesen Kerl da anzurühren, bevor nicht auch der letzte Zweifel in dieser Sache ausgeräumt war. Déjà-vu der anderen Art.
    Und zugleich erblickte er da den Mann, in den er sich verliebt hatte, hörte, wie er von Reue sprach, sah, dass Cimon diese ganze Sache genauso mitnahm wie ihn – und wollte ihn am liebsten zu sich herziehen, dessen Kopf an seine Brust betten und ihm über die haarlose Kopfhaut streichen. Und dabei irgendetwas sagen wie ‚Es ist doch alles nicht so schlimm ... Alles in dieser Welt ist doch gar nicht so schlimm ...‘
    Aber das wäre gerade vollkommen falsch. Vollkommen an der Sache vorbei.

    Einladung zum Essen. Das war ein gutes Stichwort. Vor allem in der vinicischen Küche würde sich so einiges ändern – und Cephalus hatte den schweren Verdacht, dass das böses Blut geben würde. Denn ausgerechnet die Köchin würde ihren Platz räumen und es gab schon mehr als genug Sklaven in diesem Hause, die auf ihren Posten scharf waren ...
    „Aha, ein Essen am morgigen Abend beim Senator Germanicus Sedulus“, fasste der Unfreie zusammen. „Nun denn, dann werde ich meinen Herrn mal fragen. Komm doch bis dahin rein. Charmis“, rief er den in der Nähe stehenden Jungen, „bring unserm Gast doch mal was zu trinken.“
    Nachdem die Tür hinter dem Boten geschlossen war und Charmis losflitzte, machte sich machte sich Cephalus auf den Weg zum Hausherrn.

    Nachdem er geklopft hatte, betrat Cephalus das Arbeitszimmer des Hausherrn und legte dem, dem er seit Jahren diente – was er nie bereut hatte – und dem gegenüber er in Folge dessen Loyalität fühlte, dar, was der Sklave der Germanica ihm an der Tür erzählt hatte:
    „Herr, Senator Germanicus Sedulus lädt dich für morgen abend zum Essen ein. Ein Bote möchte gerne wissen, ob du kommen wirst.“

    Hinter der Porta hatte Cephalus gerade über größere Zusammenhänge des Leben sinniert*, zum Beispiel die Frage, wohin gewisse anstehende Veränderungen in diesem Haushalt führen würden. Unter den Sklaven würden sich nämlich einige wichtige Aufgaben verschieben. Und würden sich diese Veränderungen wohl positiv oder negativ auswirken? Cephalus wusste es nicht, denn er war kein Hellseher.
    Stattdessen öffnete er die Haustüre und besah sich den davor stehenden, den er als Standesgenossen erkannte. `n bisschen außer Atmen sah der ja schon aus.
    „Salve, Kollege, ja, was gibt’s? Woher kommst du, wohin gehst du?“, fragte der vinicische Sklave gelassen.


    Sim-Off:

    * inspiriert durch den flavischen Ianitor Acanthus

    Voller Vertrauen und mit inzwischen vom Kuss und den zugehörigen glückseligen Empfindungen leicht vernebelten Augen blickte Phaeneas in die von Cimon und konnte gar nicht satt werden, zu sehen, was sie ihm verhießen. Wie oft erlebte man es schließlich schon, verliebt einen Verliebten betrachten zu können? Wie lang war das bei ihm her und, bei den Göttern, wie lang hatte er darauf gewartet. Und jetzt war es so weit. Unglaublich. Unfassbar schön.
    Langsam stiegen in dem bithynischen Sklaven auch noch andere Wünsche auf. Der Wunsch nach noch mehr Nähe, danach, das, was Cimon ihm durch seinen Kuss signalisiert hatte, noch deutlicher zu spüren und wenn schon nicht den ganzen Körper, dann vorübergehend zumindest den Oberkörper an den Geliebten zu pressen. Um dem Gefühl in ihm erneut die Bestätigung zu geben, die der Kopf sowieso nicht erfassen konnte.
    Doch es kam anders, ganz anders.
    Es beunruhigte Phaeneas über alle Maßen, dass Cimon weiterhin so ruhig da saß und ihm so scheinbar entspannt anblickte. Viel lieber hätte er ihn klein und ängstlich und aufgewühlt und voller Schuldgefühle gesehen, also wenigstens annähernd so verwirrt, wie der Bithynier sich gerade fühlte, als das Zittern in ihm – das vorher noch durch Ehrfurcht und Zuneigung ausgelöst worden war – einem immer erschreckteren inneren Schüttelfrost gleichkam.
    Nichts sagte der Nubier, kein Wort, sah nur zu Boden. Sagte nichts, um zum Beispiel ein schreckliches Missverständnis – lag ja durchaus im Bereich des Möglichen – auszuräumen. Nein, er schwieg. (Wie oft Phaeneas selbst jemandem Worte verweigerte, bedachte er im Moment nicht.)
    Der vinicische Sklave war verliebt, ja, doch gleichzeitig war er schon nach dieser kurzen Zeit verletzt und stand schreckliche Ängste aus. Gerade weil er verliebt war. Wenn ihm der gegenüber egal wäre, könnte es ihm ja auch egal sein, was der sagte. Wenn es doch hier nur so einfach wäre ... So einfach wie sonst ... ... wenn Phaeneas alle Welt gleichgültig war.
    Nein, stattdessen saß er hier und wollte irgendetwas hören, was diese Situation irgendwie annähernd aufklärte.
    ‚... kann dir nicht sagen was ich für wen empfinde...‘ Diese Worte schnitten ihm ins Herz. Es konnte nicht sein. Es durfte nicht sein. Sollte er bei der Vor-Begutachtung versagt haben? Normalerweise war bei Phaenas‘ strenger Prüfung der Leute, mit denen er zu tun hatte, doch fast jeder Irrtum unmöglich! Wie kam es dann nun, dass er jemanden geküsst hatte, der seinen Kuss erwiderte, aber nicht wusste, was er für ihn empfand. Ein Alptraum.
    Nein, stellte er müde fest, wie hätte er so etwas auch ahnen können, wo Cimon doch immer so harmlos und nett bis hin zu etwas naiv gewirkt hatte. Und nie auch nur für Augenblicke falsch.
    Bei den erwähnten Momenten, von denen der Nubier sagte, sie hätten ihm gefallen, kam auch noch die Eifersucht dazu. Da wagte man sich nach Jahren wieder an die Liebe und bekam dann so ziemlich alles ab, was in der Liebe nur schief laufen kann.
    Gleichzeitig gefiel ihm natürlich, was Cimon ansonsten erzählte. Und auf die Geste hin musste Phaeneas augenblicklich lächeln. Ja, wie sollte er diesen Tag vergessen.
    Nur was das Berühren anbelangte, würde der aurelische Sklave erst einmal Pech haben. Denn solange diese Sache noch so wage im Raum stand, würde der Bithynier ihn von sich aus nicht mehr kosen und sich so schnell nicht mehr küssen lassen.
    ‚... nur vor mir warnen ...‘ Ja, Phaeneas warnte sich selbst in dem Moment auch, doch ... wenn es nur so einfach wäre ...
    Cimon hatte eben selbst gesagt, dass die Erlebnisse mit besagter Frau und diesem Mann und dem vinicischen Leibsklaven seine ersten Erfahrungen waren. Und wie überfordert der Nubier infolge dessen war, spürte Phaeneas nun am eigenen Leib. Deshalb knüpfte er an das an, was ihm in dieser Sache am meisten Sorge bereitete.
    Dazu musste er für sich selbst erst einmal die Möglichkeit durchdenken, selbst in eine freie Frau – Frau, allein schon welch grässlicher Gedanke! – verliebt zu sein. Die erstmalige Konfrontierung mit diesem Thema bedeutete für Phaeneas allein schon ein Schock. Und er überlegte sich alle zugehörigen Konsequenzen ... inklusive der Gefahr des Schwängerns, was eine heimliche Liebesbeziehung (falls man’s nicht gerade schaffte, das Kind dem Ehemann als sein eigenes unterzuschieben) problemlos verraten konnte. Und dazu gehörte, als Sklave etwas getan zu haben, was man nicht erst ausdrücklich verboten bekommen musste – welch noch viel grässlicherer Gedanke! Es mochte andere, tollkühnere als den Bithynier, geben, die die Chance einer Affäre mit der Hausherrin sofort nutzten. Und es mochte welche geben, die damit durchkamen. Aber so viel Risiko war für Phaeneas‘ schwache Nerven zu viel, viel zu viel.
    Er schloss kurzzeitig die Augen. Nein, wenn er selbst für Frauen empfänglich wäre und in eine Freie verliebt wäre ... nie würde er sie anrühren, lieber würde er für den Rest seines Lebens auf die Liebe verzichten, bevor er sich einem solchen Risiko aussetzen müsste.
    Aber ... sollte Cimon so enden? Restlos unglücklich bis ans Ende seiner Zeiten? Ließ sich nicht alles irgendwie regeln? War man in Rom nicht Meister darin, Dinge heimlich vonstatten gehen zu lassen? Auch und gerade als Sklave?
    So holte Phaeneas Luft und sagte etwas wahrscheinlich ganz anderes, als der Nubier erwartete:
    „Aber falls du wirklich in diese Frau verliebt bist – also nur für den Fall, dass es so sein sollte – , wäre es dann nicht klüger, du würdest zu deinen Gefühlen für sie stehen und ihnen nachgeben? Natürlich ist es verboten, aber nur weil etwas verboten ist, muss es nach einer Zeit noch lange nicht weggehen. Man sagt uns Sklaven oft: ‚Tu dieses nicht, tu das.‘, aber oft wissen unsere Herrschaften gar nicht, was sie da befehlen. Sie kennen nicht das Ausmaß, weil ihnen der Einblick in die Sache und in ein Sklavenleben fehlt. Für sie ist es leicht, zu sagen, dass man etwas nicht tun soll, sie müssen es ja auch nicht umsetzen und dann an der Unmöglichkeit der Umsetzung scheitern. Nur weil etwas vom Herrn befohlen wurde, Cimon, kann man – auch als noch so gehorsamer, pflichtbewusster Sklave - noch lange nicht alles hunderprozentig umsetzen. Das hat nichts mit Ungehorsam zu tun, sondern schlicht nur mit Realismus.
    Ja, manchmal müssen wir Unfreien einfach die Anweisungen an uns selbstständig überdenken und unsere Herrschaften vor einer Dummheit bewahren, in die sie geraten wären, wenn wir ihren Befehl ganz blind ausgeführt hätten. Natürlich dürfen wir das nicht so tun, dass sie es bemerken, niemals dürfen wir ihnen den Gehorsam verweigern. Aber eine kleine, stille Korrektur hier und da ist manchmal nötig, um unnötig Nachteiliges zu verhindern. Nach der Beendigung der befohlenen Angelegenheit denken sie, der gute Ausgang wäre ihrem guten, richtigen Befehl zu verdanken. Und so soll es sein, schließlich sind Sklaven dazu da, um ihren Herrschaften Scherereien zu ersparen, ohne dass die davon überhaupt etwas ahnen.
    Was ich damit sagen will, Cimon, wenn du diese Frau wirklich liebst, dann werden deine Gefühle für sie nicht weggehen. Nicht in einem, nicht in zwei, nicht in tausend Jahren. Und was hilft es dir, was hilft es ihr, was hilft es überhaupt irgendjemandem, wenn ihr euch quält? So viele Männer haben was mit fremden Frauen. In wen man sich verliebt, das lässt sich nun mal nicht rational steuern ... Und wenn jeder davon und alle zugehörigen Frauen nur mit denen zusammen wären, mit denen sie zusammen sein dürfen, wie frustriert wäre mehr als das halbe römische Reich? Manche Dinge lassen sich nun mal nicht vermeiden ...“

    Und was er da Cimon gerade vorgetragen hatte, gehörte ganz klar zu den Dingen, die er zwar völlig selbstverständlich dachte und nach denen er sein Handeln ausrichtete, die er aber natürlich grundsätzlich für sich behielt, weil es ihm leicht völlig falsch ausgelegt werden könnte.
    Und wer wusste, wie Cimon darauf reagierte ...


    Sim-Off:

    Edit: Tippfehler

    Wie oft ich wegen Lando lachend unter dem Tisch gelegen bin, kann ich wirklich nicht mehr sagen, ich kann nur stolz feststellen: Ich habe den kerligsten aller Kerle gekannt.


    Du hast Dinge zu "Papier" gebracht, die vergisst man nicht. Und ich fand es echt klasse, mit dir geschrieben zu haben. *


    Am Rande möchte ich noch erwähnen, dass Loki für mich immer der Germane, der Repräsentant von Germanien schlechthin war. Sogar als ich im IR noch komplett neu und orientierungslos war, war mir Loki schon ein Begriff, und dieser Name war für mich seit jeher wie kein anderer untrennbar mit Germanien verbunden.


    - Und dass du der Schreiber hinter der blinden Sklavin warst, ist ja auch noch mal eine positive Überraschung.


    Übrigens: Eines Tages wird Phaeneas noch Christ werden :] - ich hatte nur noch keine Zeit dazu, an das Gespräch mit Lando anzuknüpfen und das Ganze auszuspielen.


    * Auch wenn all das reine Untertreibung ist.

    Gebannt hafteten seine Augen an ihr, wie immer, wenn man ihm eine für ihn spannende Information in Aussicht gestellt hatte. Jedes Wort aus dem Mund der Fremden saugte Phaeneas auf und konservierte es – ganz so, als würde es einen Unterschied machen. Kälte, ja, das konnte er sich gut vorstellen, sich die Glieder allmählich davon lähmen zu lassen und durch dieses Gefühl zu etwas anderem zu gehen. Durch die Kälte ans Ziel. Ja, sowas machte einem in so einem Moment nichts mehr aus. Phaeneas nickte, als sie ihn fragte, ob er verstand. Sich einfach nur treiben lassen ... ja, und dabei erst recht das mühselige, sinnlose Denken aufgeben, wie mit einer Welle alles Irdische davonschwimmen lassen.
    Als sie erzählte, hörte der Bithynier die Stimme, ja, er hörte sie, ganz deutlich. Die, die ihn schon sein ganzes Leben lang rief. Oh, ihr zu folgen ... Welch kostbare Sünde ...
    Allein davon zu träumen, das war einem Sklaven erlaubt, aber ins Wasser zu gehen oder einen Strick zu besorgen oder sich zu Tode zu hungern, das war genauso schändlich wie Weglaufen.
    Nun ja, zurück zu rein theoretischen Betrachtungen dieser Sache. Verrückt war die Vorstellung ja schon, über die Strömung des Tibers an einen ganz bestimmten Ort zukommen. „Wolltest du denn wirklich nach Hause ... oder an einen“ – kurz überlegte er, „ ... anderen Ort? Wo bist du eigentlich zuhause?“, schob er dann noch hinterher.
    Menschen, die einen mit Mitgefühl nach seinem sozialen Status fragten, waren entweder Schleimer, die sich mit geheucheltem „Verständnis“ lieb Kind machen wollten, nur um einen für die eigenen Zwecke zu benutzen, oder – und das war noch viel schlimmer – gefühlsduselige Weltverbesserer (sie glaubten zumindest, die Welt würde dadurch besser werden), die aus irgendeinem Grund die Rechte rechtmäßiger Sklavenbesitzer beschnitten sehen wollten und Unfreien wie Phaeneas ihr Leben, ihre Haltung und ihre Lebensphilosophie schlecht redeten. Und diese letzteren Leute sprachen wirr von Freiheit, von körperlicher und seelischer Unversehrtheit und dergleichen ähnlichen Dingen, mit denen der Bithynier nichts zu schaffen haben wollte. Nein, solche Menschen konnten wirklich zu lästig und unangenehm sein.
    Fast hätte er der Fremden – innerlich – vorgeworfen, die Stimmung zerstört zu haben, aber nein, das tat sie nicht. Denn auch wie sie ihr Verhalten begründete, traf in ihm eine dafür empfängliche Stelle.
    Ob er ihr verzieh, dazu sagte er nichts. Vor allem vergaß er so etwas nie.
    „Wie meine Eltern ... Meine Eltern wurden auch hierhergebracht ...“, stellte er, eine kleine Spur leiser, nachdenklich, fest.


    Sim-Off:

    Edit: Tippfehler

    Oh ja, es war ein besonderer Moment, als graue Augen in braune und braune Augen in graue sahen. Die Augen, die Phaeneas inzwischen so oft gesehen hatte und die sich direkt in sein Herz gelächelt hatten. Und nun schauten sie ihn an, dass es für ihn Verliebten ein Leichtes war, sich darin zu verlieren ...
    Doch diesen Anblick ein weiteres Mal gegen das Gefühl von Cimons Lippen auf den eigenen auszutauschen, dagegen hatte der Bithynier absolut gar nichts einzuwenden. Zart und zugleich intensiv spürte er den Kuss des Nubiers und genoss es, ihn genauso voller ernsthaftem und überschwänglichem Gefühl zurückzugeben, sich treiben zu lassen, wie er es sonst nie tat, reuelos zu geben, wonach ihm der Sinn stand.
    Verträumt und hingerissen stellte er fest, das es das wert gewesen war. Ganz klar war es das wert gewesen, all die Zeit zu warten - bis nun der Richtige ihn küsste. Denn umso überwältigender war es nun, umwerfend, die Sinne beraubend, bei dem zu sein, auf den man seit einer gewissen Weile hoffte.
    Auch wenn sie sich bisher kaum berührten, nur Cimons Hand dort wunderbar warm in Phaeneas eine wunderschön umfangene Empfindung weckte, waren sie sich trotzdem unbeschreiblich nah, als diesmal der vinicische Sklave den aurelischen kaum von seinen Lippen entlassen wollte. Ein fließender Übergang zwischen Kuss und Blick und bei reiflicher Überlegung schien dem Bithynier das eine so gut wie das andere zu sein.
    Wieder wusste er nicht recht, was Cimon in seinen Augen zu finden versuchte, er selbst fand schließlich ganz von selbst all die Wunder, die diese Iris beherbergte.


    Die ersten vier Sätze, die der Nubier unsicher und stockend vorbrachte, verstärkten nur das Schmunzeln auf Phaeneas‘ Lippen. Nur die Erwähnung der ‚Unerfahrenheit‘ ließ ihn den anderen noch etwas aufmerksamer beobachten. Was der dann über ihn sagte, das nahm er lieber einfach so hin, sich zu überlegen, was es für ihn bedeutet hätte, wäre zu kompliziert gewesen für das fast nicht existente Selbstwertgefühl des Bithyniers. Die Beteuerung des ‚Schlechten‘ schließlich erweckte wirklich Amüsement in ihm. Was konnte schon so schlimm sein, dass es an Phaeneas‘ Gefühlen für ihn irgendewas ändern, dass es allgemein zwischen ihnen stehen könnte?
    Dem vierfachen Auftauchen des ‚ich’s lauschte er noch ruhig.
    Dann wurde er kreidebleich, während er Cimon schreckenserstarrt ansah. „Du hast was?“, wiederholte er sofort ungläubig. ‚Ich glaube, ich habe mich in eine Frau verliebt.‘ ‚Was erzählst du da???‘, echote es verstört in Phaeneas. ‚Was erzählst du mir da?‘ Verboten, tot, harte Strafe. Zusätzlich wurde es ihm nun wie ein Schlag ins Gesicht bewusst, in welche Gefahren der Nubier sich, seit er nach Rom gekommen war, gebracht hatte. Es war seltsam, zugleich panische Angst vor Enttäuschung und um den Menschen, in den man sich verliebt hatte, zu empfinden.
    Fassungslos und total verunsichert besah er sich den nun um Mut ringenden Mann vor sich, hatte nur Augen für dessen Gesicht, aus dem er zu lesen versuchte, was er von dieser Situation halten sollte.
    Das weitere Geständnis eines Abenteuers konnte ihn nun nicht mehr wirklich erschüttern (noch viel mehr Angst hatte er vor dem erwähnten sich-verliebt-haben). Schrecklich, schlecht, gut. Eines passte nicht in der Reihe – oder waren es die anderen beiden? Bei den Göttern, Cimon schien in seinem Alter wirklich sehr wenig Erfahrung zu haben. Und davon, dass Cimon jemandem, den er kaum kannte, vertraut hatte, wollte Phaeneas vorerst einmal ganz absehen.
    Die Gedanken des Bithyniers rasten und es wechselte sich das ‚Ich glaube, ich habe mich in eine Frau verliebt.‘ mit dem letzten Satz ab, wägten sich gegeneinander ab, konkurrierten darum, mehr Beachtung geschenkt zu bekommen.
    ‚Dass das, was fehlt ... nun in mir tobt und mich einen Narren schimpft‘ ... Natürlich klang es wunderschön, nach genau dem, wonach zu hören es Phaeneas‘ Herz dürstete. Nur – er wusste gar nicht mehr, zu erschlagen war er in dem Moment, was er denken sollte. Noch spürte er Cimons Kuss, das Gefühl, das doch – hatte es das nicht? – so deutlich daraus gesprochen hatte, glaubte noch diesen Augen, die so viel gesagt hatten. Und sah nun diesen sehnsüchtigen Blick, mit dem der Nubier ihn bedachte, und spürte automatisch all das, was er für Cimon empfand. Natürlich wollte er diesen Augen und diesen schönen Worten vertrauen, wollte sich weiterhin sanft an diesen Mann ziehen lassen, diese Hand zärtlich auf seiner Hand oder in seinem Nacken spüren, Phaeneas wollte es so sehr. Und zugleich hatte er panische Angst – davor, dass der aurelische Sklave ihn vielleicht doch nicht liebte, vor all dem Gefühl in ihm, das ihm längst den Hades heiß machte. Davor, von jemandem geküsst worden zu sein, der gar nichts für ihn empfand ...
    Cimon sah wirklich aus wie ein Häuflein Elend ... so als ... würde es ihm leid tun.
    Phaeneas wusste gar nicht, was er sagen sollte, viel zu hin- und hergerissen war er. So blickte er den, in den er sich verliebt hatte, nur an und fragte schließlich – wobei sich die Angst in seiner Stimme nicht verbergen ließ: „Cimon? Meinst du es ernst mit mir?“


    Sim-Off:

    Edit: Personalpronomen durch Namen ersetzt

    Eigentlich hatte Phaeneas keine Ahnung, warum Cimon ihn so fragend anblickte. Doch in den Tiefen seiner Augen würde der Nubier nur Freude finden, in etwas verlegener Variante, die gut mit der momentanen Farbe seines Gesichts und dem zugehörigen Lächeln harmonierte. Wann kam es schließlich vor, dass der, den zu sehen man sich die ganze Zeit gefreut hatte, einem sagte, einen auch sehr oft in den Gedanken gehabt zu haben? Dass Cimon das genauso wenig fassen zu können schien, erweckte ein hoffnungsvolles Hochgefühl in ihm und gab ihm eine gewisse, neue Sicherheit. Die jedoch prompt wieder über Cimons Blick und sein ruhiges Nicken gleichgültig wurde.
    „Ja, ein guter Einstieg war es wirklich“, lächelte der Bithynier.
    Das Zittern in der Stimme seines Gegenübers ließ Phaeneas ihn aufmerksam beobachten. Und löste ein gleiches in ihm aus. Es war schwer für ihn, die aufkeimenden Hoffnungen niederzukämpfen. ‚Nur noch kurze Zeit ... nur noch kurze Zeit ...‘, tröstete er sich selbst.
    „Na ja, hier mit dir zu sitzen und zu reden ... das finde ich auch etwas Besonderes ...“, antwortete er mit sicherer Stimme.
    Dass Cimon seine Anspielung auf den Garten mochte, freute Phaeneas. Ein letztes Lächeln in diese warmen, tiefen, wundervollen Augen, dann befand er, dass es genug des Wartens war.
    Er spürte sein aufgeregt in seiner Brust klopfendes Herz. Es war seit langer Zeit das erste Mal, dass er wieder einen Mann küsste. Und es war ein Erlebnis, einfach umwerfend, wortwörtlich an den Lippen dessen zu hängen, in den man sich verliebt hatte.


    Als Phaeneas Cimons Erwiderung des Kusses spürte, verwandelte sich sein Herz in reines, pures, tropfendes Glück, das seinen ganzen Körper überschwemmte und seine Sinne berauschte. Ihm schwindelte ein wenig wegen dieser unbeschreiblichen Freude, während sich schon Erleichterung in ihm breit zu machen begann. Die prompt in ihm den Wunsch erweckte, zu springen, zu jubeln, zu jauchzen. Zumindest sein bereits aufgelöstes Herz flatterte so.
    Bereitwillig ließ der Bithynier sich zu Cimon hinziehen – nirgendwo wollte er nun lieber sein! - und ließ sich auf das neue Tun von dessen Lippen ein, ergab sich vollkommen dem Augenblick, dem Gefühl der Nähe, der Vertrautheit und der Innigkeit ...
    Auf die Bewegung hin, die er angenehm in seinem Nacken fühlte, hätte er fast die Augen geschlossen, wenn er nicht in genau dem Moment bemerkt hätte, dass er das schon lange gemacht hatte. Erst, als Cimons Lippen von seinen ließen, öffnete er sie wieder und sah noch das Nachhaschen derer, die sich schon wieder von ihm entfernen wollten.
    Glücklich lächelte Phaeneas den Geliebten an, ergötzte sich an all dem, was in dessen Augen stand, was er längst an dessen Kuss abgelesen hatte. Einem Kuss, wie ihn sich wohl jeder Verliebte zurückzubekommen wünschte.
    Dann veränderte sich plötzlich etwas im Blick des Nubiers, doch als er sprach, gab es keinerlei Zweifel in dem vinicischen Sklaven. Stattdessen musste er leicht schmunzeln, ob der verque(e)ren ;) Idee. „Aber wieso solltest du meiner nicht würdig sein, Cimon?“, fragte er leise. „Du bist der wundervollste Mensch, der mir seit Langem begegnet ist!“ Wenn man mal von Lucianus absah, aber der hatte für den Bithynier schließlich eine ganz andere Bedeutung als Cimon.
    Mit leuchtend braunen Augen entgegnete er der Bitte in dessen Blick, der Tiefe, all dem, was er sagte. All das, was Phaeneas wieder bestätigte, wie sehr Cimon es wert war, ihn geküsst zu haben.

    Nun sahen die beiden Jungen den fremden Sklaven noch verdatterter an. „Freunde? Seit wann hat Phaeneas Freunde?“, brachte Charmis es auf den Punkt. Die weiter erhaltene Information schien in ihren Ohren ebenfalls vollkommen unbekannt zu klingen. Auf Cimons Vorschlag hin, persönlich mit Phaeneas zu reden, schüttelte Menyllus promt den Kopf: „Nein, das gehört sich nicht, hat Mama erklärt. Wenn jemand alleine bleiben will, hat sie gesagt, dann muss das derjenige selber wissen. Und es ist unhöflich, jemanden da drauf anzusprechen.“ Dass da seine Mutter eventuell noch von etwas anderem geredet haben könnte, kam dem Jungen nicht in den Sinn.
    „Ah, die Aurelia. Mit der sind wir ja gut befreundet, seit dieser eine Aurelier da – ach, ist das Aurelius Ursus? – seit dieser Aurelius Ursus Klient von unserem Herrn ist. Richt zuhause den anderen Sklaven schöne Grüße aus, Cimon – wohnt bei euch nicht auch Marei? Die hab ich schon mal gesehen, irgendwo ... Na ja, egal.“ Charmis hatte überlegt, in welchem Zusammenhang, aber es fiel ihm nicht ein.
    Einen schelen Blick kassierte Cimon schon erst, als er den jungen Sklaven ans Herunterkauen erinnerte. Aber dann schluckte der, um dem anderen Unfreien zuzulächeln (manche – vor allem weibliche Wesen – waren geneigt, das süß zu finden) und zu sagen: „Na gut, weil du es bist.“
    ------------------
    Mit nachwievor anhaltendem Lächeln sah Phaeneas seinem Saturnaliengast beim Zugreifen zu. Dabei erfreute er sich an der morgendlichen Gesellschaft. Sonst gab er sich am Beginn eines Tages nur so weit mit anderen ab, wie es für Lucianus‘ Morgen, dessen Frühstück - und das der Klienten - nötig war.
    Cimons Auflachen ließ ihn schmunzeln. „Gern geschehen. Aber ohne dein Geschenk wäre das nie möglich gewesen“, meinte er mit einem schelmischen Lächeln und zwinkerte dabei. „Danke nochmal dafür, Cimon.“
    Aus dem Augenwinkel nahm er wahr, dass Menyllus und Charmis zu ihnen herüberschauten und ihr erstaunter Gesichtsausdruck verriet deutlich, was sie dachten. Klar, normalerweise schlich sich nicht so leicht und erst recht nicht so oft ein Lächeln auf Phaeneas‘ Gesicht und gewöhnlich war er schweigsam, besonders eben morgens. Und einen so aussagelosen Kommentar, nur um nett gewesen zu sein, hörte man sonst auch nie von ihm. Ja, er war nett zu Cimon gewesen und er hatte sich für ihn die Mühe gemacht zu scherzen. Aber von solchen Dingen verstanden so kleine Jungen nichts.
    „Komm, Charmis, gehen wir. Wir suchen uns woanders was“, zog Menyllus seinen Freund weiter.


    Perfekt, heute würde Phaeneas die Fortsetzung dieser hochspannenden Stelle in Plinius‘ Naturkunde erfahren. Davor war es ja darum gegangen, dass es für den Menschen Trost bedeute, dass auch dem Göttlichen nicht alles möglich ist. Wie würde das wohl weiter begründet werden? Sichtlich gespannt und begierig auf das, was sich ihm da gleich eröffnen würde, beobachtete er den aurelischen Sklaven.
    „Oh, gut, danke“, nickte er lächelnd, als Cimon sich bereiterklärte, das Lesen zu übernehmen. Ihn ‚unterhalten‘ zu wollen. Tja, und so lauschte der Bithynier ...
    Also, absolut korrekt war es in jedem Fall, was Plinius da schrieb. Aber was Phaeneas für sich da herausziehen sollte, wusste er nicht so recht. Ja, und dieser Gestirne-Glaube, den der Autor weiter erwähnte und den Cimon noch kurz anklingen ließ, war auch lächerlicher Aberglaube, so wie vieles, was in diesem Werk zuvor erwähnt worden war.
    Als er spürte, dass der Blick des Nubiers ihn traf, drehte er ebenfalls den Kopf zu ihm. Und wusste noch genauso wenig etwas zu sagen.
    „Ja?“, reagierte er, um auf das Weitere zu nicken. „In der Tat. Ein genialer Schriftsteller.“
    Mehr Worte waren dazu eigentlich auch nicht nötig – und Cimon tat das einzige, was nun noch Sinn machte, nachdem sie fertig gelesen hatten.

    Als Cimon sagte, sogar öfter in letzter Zeit an ihn gedacht zu haben, stieg ein warmes, weiches Gefühl in ihm auf und sein Gesicht wurde von einer zarten Blässe überzogen (er wurde nie rot, immer nur blass). „Das ... das habe ich auch“, ergänzte er etwas leiser mit einem leichten Lächeln, das ein wenig von Scheu hatte. Dass ihm diese Situation nun gerade ziemlich unwirklich vorkam, ungefähr so wie an jenem Morgen während der Saturnalien, unfassbar eben, das konnte er nur hinnehmen, denn wie er sonst damit umgehen sollte, hätte er nicht gewusst. Dafür hatte sich längst ein zu lauter Tumult in seinem Bauch, in seinem Kopf und seinem Herzen erhoben.
    Die übergroße Geste des anderen Sklaven ließ ihn schmunzeln.
    „Ja, wie gut ...“, wiederholte er, als würde diese Tatsache allein nur durch die Wiederholung noch betont besser werden. Mit nun übergroß wirkenden Augen sah er Cimon an.
    Gelöst lachte er mit. „Keine Ahnung, was ein Philosoph dazu sagen würde“, erwiderte er und es fiel ihm auch gerade eben nichts Vernünftiges, Antwortenswertes ein. Aber es war auch nicht wichtig. Denn Cimon schwieg genauso wie er und Phaeneas war allein schon von dessen warmen, grauen Augen fasziniert, die ihn festhielten und hypnotisierten.
    „Es wird genug Zeit sein ...“, nickte er langsam und mit einem leisen Lächeln.
    „Na ja, eigentlich ist es das auch für mich“, gab er, nachwievor sanft schmunzeln, zu. „Etwas besonderes ...“
    Zu seiner Reise schüttelte er dann nur den Kopf. So wichtig war es ihm wahrlich nicht, die betreffenden Informationen an Cimon weiterzugeben. Dazu standen für ihn nun ganz andere Dinge im Vordergrund. Genauso wie er registrierte, dass der Nubier immer wieder unsicher zu Boden blickte, doch er sich nichts dabei dachte und es auf die Schüchternheit schob, die sich manchmal kurzzeitig des aurelischen Sklaven bemächtigte. Viel wichtiger war zum Beispiel das hier:


    „Ja, lass uns hierbleiben, Cimon“, sprach Phaeneas sich für diesen Platz in der Sonne aus. „Es ist schön hier und wir sind für uns. Jetzt treffen wir uns doch noch einmal in einem Garten ...“, lächelte er.
    Dann sagte er weiter nichts mehr, sondern beugte sich zu Cimon vor und küsste ihn.
    Und gab damit seinen Gefühlen statt, die in ihm tobten. Binnen kürzester Zeit hatte der Nubier es in des Bithyniers Herz geschafft, mit seiner netten und doch unaufdringlichen Art, und nun wollte der Vinicische es nicht länger in sich selbst verbergen. Sondern an den herantragen, den es betraf.
    Innig und doch vorsichtig drückte er seine Lippen auf die von Cimon. Und die Sanftheit, mit der er es tat, spiegelte seine zarten Empfindungen für den anderen wieder. Beflügelt, einfach nur beflügelt hatte Phaeneas sich gefühlt, aus einem seligen Glück heraus diesen Schritt zu tun. Und noch seliger war das Glück, das sich jetzt in ihm ausbreitete.

    Wieder war es Lichas, der sich der beiden, Herr und Sklave, annahm. Irgendwie schafften sie‘s immer wieder, ihn abzupassen – dabei gäb‘ es doch noch so viele andere fähige Unfreie, die ihren Dienst hier an der Porta ganz passabel machten. Aber Lichas repräsentierte das Haus Vinicia natürlich gern vor aller Welt, also auch vor Aurelius Ursus und seinem Cimon, und so stellte er hier keine unnötigen Fragen, sondern stellte gleich fest, was längst offensichtlich war: „Ah, salve, domine Aureli! Tritt ein! Den Herrn müssten wir bald herorganisieren können, das dürfte kein Problem sein ...“ So nickte er lächelnd und es war ja auch klar, dass auch Cimon zugenickt wurde. Den erkannte Lichas inzwischen nämlich auch schon.

    Heute war Menyllus dafür eingeteilt worden, an der Haustür zu helfen, die Gäste reinzuführen und so weiter. Na ja, die tollste Aufgabe war es ja nicht grade, aber immer noch besser als Geschirr abtrockenen oder ähnlich noch langweiligere Sachen. Man stand halt den ganzen Tag rum und lief den ganzen Tag rum und das immer auf der gleichen Stelle bzw. dem gleichen Weg.
    Nur jetzt wurde es spannender, denn zumindest den Unfreien von den beiden, die er da ins Atrium führen sollte, kannte er. So, dass der römische Mann es nicht mitbekam, hatte der Junge dem großen Sklaven zugezwinkert.
    „So, Herr Aurelius“, begann er professionell, „du kannst dich gerne setzen. Ich sag‘ nur eben meinem Herrn, dass du da bist.“ Und mit diesen Worten war der kleine Diener auch schon weg.

    Als er Cimons Erschrecken sah, erschrak Phaeneas auch erst einmal ein wenig, schließlich hatte er den Nubier nicht erschrecken wollen. Doch das Blinzeln verriet, das er allmählich begriff, wer ihn da – zugegebenermaßen Phaeneas-untypisch – überfallen hatte. Doch es gab Situationen im Leben, da war es eben ganz anders als sonst. Und der Bithynier gab freimütig zu, dass er es genoss – dass er es genoss, reuelos zu genießen. Es gab nur wenige Fälle, in denen er sich so etwas erlaubte. Aber wenn er es sich erlaubte, dann wollte er ganz genießen. Ohne jede beliebige klitzekleine Einschränkung.
    Cimons Lachen löste schließlich die Situation. „Wirklich, du hast an mich gedacht?“, fragte er extra noch einmal nach, ernsthaft überrascht, wenn auch positiv. Wenn der aurelische Sklave nur annähernd ahnen würde, wie oft er dem vinicischen in der Zeit auf Reisen eingefallen war und wie oft er diesen Gedanken unterdrückt hatte, aus Angst vor einer Enttäuschung, die folgen könnte – wenn er nach Rom zurückkam und Cimon inzwischen mit seinem Herrn nach Keine-Ahnung-wohin gehen hatte müssen und Phaeneas selbst ... ja, erstmal nur die Enttäuschung blieb.
    „Es tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken“, fügte er dann noch an. „Danke“, lächelte er auf die nachträgliche ‚Einladung‘ sich zu setzen.
    Und im Anblick dieser warmen grauen Augen und dieses warmen Lächelns wurde ihm bewusst, wie sehr er eben das seit ihrer letzten Begegnung vermisst hatte.
    „Ja, ich wollte zu dir, Cimon“, bestätigte er sanft und in genau diesem Moment erst fiel ihm auf: „Oh, dann haben wir ja gerade beide aneinander gedacht“, was wieder dazu führte, dass er lachen musste.
    „Wie praktisch“, registrierte er weiter, dass Cimon nicht gleich wieder von der Gens Aurelia in die Pflicht genommen werden würde. „Dann haben wir ja – fast – alle Zeit der Welt.“
    Die Nachfrage des Nubiers, ob es etwas Besonderes war, ließ Phaeneas noch einmal überlegen: „Öhm, eigentlich nicht. Ich wollte dich nur sehen, Cimon, und mich wieder mit dir unterhalten.“ Erneut war seine Stimme sanft. Dass ihm das in anderen Zusammenhängen, sprich wenn der aurelische Sklave vergleichbare Hoffnungen an dieses Treffen knüpfen würde wie er, falsch ausgelegt werden und er als unsensibel rüberkommen könnte, daran dachte er gar nicht. „Ich kann dir noch nicht einmal etwas Besonderes von der Reise erzählen, es war eigentlich alles sehr ... amtlich.“ Er schmunzelte, als wollte er so über diese Tatsache hinwegtäuschen.

    Tja, inzwischen war Phaeneas mit seinem Herrn wieder zurück in der urbs aeterna. Im Grund genommen war alles wie immer – so wie auch auf der Reise durch Italia (solange Lucianus bei ihm war) – und doch machte etwas einen sehr großen Unterschied: Denn da gab es jemanden und allein der Gedanke ließ dem Bithynier die Knie weich werden. Länger dauernde räumliche Trennungen ließen ihn grundsätzlich nervös werden, denn viel zu oft hatte ihm das Leben genommen und nie wieder zurückgegeben. Erst wenn er Cimon mit eigenen Augen sah, würde er aufatmen können.
    Da Phaeneas ja nicht selten ohne Gründe zu nennen das Haus verließ, hatten sich seine Mitsklaven nicht gewundert, aber wenn sie gewusst hätten, dass er das wegen jemandem machte, wäre es für sie überraschend gekommen, dass er so bald aus der Villa wollte.
    Er hatte sich heute nämlich auf den Weg zur aurelischen Villa gemacht, einfach mal so, auf pur Glück. Phaeneas war nämlich der Ansicht, dass das Leben sowieso sinnlos war, zumindest sein Leben war sinnlos – das zeigte sich allein schon daran, dass hier unter den Lebenden alles übergangs- und veränderungslos weitergehen würde, wenn er erstmal tot war. Na ja, und wenn das Leben sinnlos war, konnte man ja mal auf pur Glück bei den Aureliern vorbeischauen und dort nachfragen, ob Cimon denn da und nicht direkt beschäftigt war.
    Und weil er die Möglichkeit dazu hatte, beschloss Phaeneas durch einen auf dem Weg liegenden Park zu gehen. Das war mal was anderes als all die amtlichen Räume der letzten Zeit.
    Plötzlich durchzuckte es ihn wie ein Blitz, als er, ziemlich abseits, einen schwarzen Mann auf einer Bank sitzen saß. War es Wunschdenken? Er hatte genau die Statur von Cimon, den gleichen Kleidungsstil wie der Nubier und insgesamt ... Vorsichtig und mit wachen Augen näherte der Bithynier sich und bei näherer Betrachtung stand fest: Er war es wirklich! Sofort hüpfte Phaeneas‘ Herz vor Freude, während seine Augen erstrahlten. Jetzt gab es kein Halten mehr für den sonst oft so zurückhaltenden Sklaven und mit wenigen Schritten war er bei dem Sitzenden. „Salve, Cimon! Das ist ja mal ein Zufall, ich wollte gerade zur Villa Aurelia und nach dir fragen, dabei treffe ich dich hier unterwegs!“ Mit einem Lachen schüttelte er sich die schwarzen Haare aus der Stirn. „Ich freue mich, dich zu sehen, Cimon! Darf ich mich zu dir setzen?“ Und im Grunde genommen war er schon längst im Begriff, das zu tun - bevor der aurelische Sklave wirklich etwas dazu sagen konnte.


    Sim-Off:

    Edit: Missverständliche Stelle ausgebessert

    Nachdem der Fremde in der Küche aufgeklärt hatte, wer er war, ging ein Blick zwischen den beiden Jungen hin und her, wie ein stummes ‚Aha.‘. Als wollten sie abklären, dass sie auch beide das gleiche gehört hatten.
    „Heus*, Cimon!“, kam es schließlich lässig von Menyllus zurück und auch Charmis begrüßte den Gast so leger: „Heus!“ Trotzdem mussten die beiden sich wundern. „Seit wann hat Phaeneas denn Gäste? Und das noch an den Saturnalien?“, fragte sich Menyllus, sein Erstaunen war ihm deutlich anzusehen. „Wo er sich doch an den Saturnalien immer abkapselt, allein in irgendeinem Zimmer, während alle anderen Spaß haben“, ergänzte Charmis. Wie offen sie mit ihrer Meinung über das Verhalten des obersten Sklaven dieses Hauses, dem Leibsklaven des Hausherrn, umgingen, verriet, dass sie keine Angst vor Bestrafung hatten. Nicht haben mussten.
    Letzten Endes verlangte natürlich die Höflichkeit, dass sie sich nun auch vorstellten. So deutete Menyllus auf Charmis und meinte: „Das hier ist Charmis!“, während der auf Menyllus deutete und meinte: „Und das hier Menyllus!“ Die zwei präsentierten sich, als wären sie gefeierte Gladiatoren oder Schauspieler oder sonst irgendwas Großartiges. „So, jetzt weißt du, wer wir sind“, schloss Menyllus. „Und aus welcher Familia stammst du?“ Mit fachkundigem Blick überlegte Charmis: „Hm, du könntest aus der Aelia stammen oder der Germanica. Oder vielleicht aus der Aurelia?“ Natürlich war das reine Mutmaßung, schließlich unterschied die Sklaven der genannten Gentes nicht wirklich viel.
    Als Cimon die Datteln ablehnte, wollte Charmis schon gerade mit den Schultern zucken und die angebotenen Früchte zurückziehen, da kam Phaeneas in die Küche.
    „Guten Morgen, Phaeneas“, grüßten die beiden fast einstimmig zurück. „Natürlich hätten wir es gekonnt. Aber jetzt erlaubst du es uns ja“, fasste Menyllus zwinkernd zusammen, was Lucianus‘ Leibsklave indirekt gesagt hatte. Dass Cimon ihm durch sein Nicken zustimmte, fanden die beiden Jungen zwar typisch – klar, die Erwachsenen hielten zusammen - , aber sie waren zu dem Schluss gekommen, dass Phaeneas‘ Gast nett war, also durfte er das. Ohne dass sie ihm das übel genommen hätten.
    Deshalb ließ Charmis ihn nun nach seiner Umentscheidung zugunsten der köstlichen Datteln bereitwillig zugreifen. Selbst schmatzte er schon laut auf einer herum. „Schmeckt super, nicht?“, fragte er Cimon mit vollem Mund, sobald er sah, mit wie viel Andacht der andere die Frucht verspeiste.
    ------------------
    Phaeneas ersparte sich jeglichen Kommentar bezüglich der beiden, schließlich hatten sie ja recht. An den Saturnalien hatten sie eben wirklich Narrenfreiheit. Auch wenn der Bithynier selbst diese Freiheit nie so recht akzeptieren wollte.
    Für das komplette weitere Verhalten der Jungen fühlte er sich ebenfalls nicht zuständig, das war Aufgabe der Eltern und sonstigen, die sich berufen fühlten, den Kindern (Ess)Manieren beizubringen. Zumindest schob Phaeneas so seit jeher jegliche Verantwortung sehr gut an andere ab. Kindererziehung war auch ein Punkt, der ihn überforderte. Er selbst sah sich nur für die größeren Dinge zuständig, die das Haus und die Sklavenschaft im Gesamten betrafen.
    Und bei Menyllus und Charmis - na ja, in erster Linie bei Menyllus - war sowieso Hopfen und Malz verloren. Sie waren lebhaft, ohne frech zu sein, und durch ihre Redseligkeit nett zu den Leuten, mit denen sie zu tun hatten. Und daran ließ sich, schätzte Phaeneas, auch nicht mehr viel ändern.
    Als er seine Aufmerksamkeit Cimon zuwandte, schob er solche Gedanken zur Seite. Wirklich schwer war das auch nicht, schließlich kam es selten (eigentlich nie) vor, dass er morgens (von Lucianus abgesehen) von jemand so sympathischem begrüßt wurde, der noch dazu komplett ausschließlich nur wegen ihm da war. Fast machte sich so etwas wie Ungläubigkeit in ihm breit, weil dieser Morgen gar so herrlich war. Sowas gab’s für alle anderen, aber doch normalerweise nicht für ihn, oder?
    Cimons Lächeln ließ ein gleiches auf Phaeneas‘ Gesicht erscheinen. Die etwas blumig anmutenden Worte verstärkten es noch. Ja, wunderbar war der Morgen wirklich. Wunderbarer als der Bithynier es zulassen wollte.
    Aufmerksam verfolgte er, wie der aurelische Sklave sich vorsichtig eine Frucht nahm und die sich regelrecht auf der Zunge zergehen ließ. Es sah so bewusst aus.
    Als Charmis ihm ebenfalls Datteln anbot, lehnte er mit einer einfachen Handbewegung ab. Er machte sich nicht viel aus solchem süßen Zeug, Einfacheres tat es bei ihm genauso. Essen war allgemein nur dazu da, um nicht mehr hungrig zu sein.
    Deshalb suchte er sich nun ebenfalls etwas Brot, Käse und einen Becher Wasser zusammen. Dass Cimon einladend zur Seite rückte, ließ den Bithynier noch einmal lächeln. So viel warme Zuwendung, das war fast mehr als Phaeneas morgens ertragen konnte. Gerne setzte er sich also neben den Nubier und besah sich nun, genau wie der, die Tabula. Es war die, die er ihm gestern gegeben hatte. „Oh, du hast die Zeichnung ja weitergeführt“, stellte er überrascht fest. Dann musste er schmunzeln. „Jetzt kannst du dich hier nicht mehr verlaufen.“
    Daraufhin zog er die Papyrusrolle vom Vorabend heraus. Wie ein Angebot hielt er sie Cimon hin. „Wir könnten an der Stelle von gestern weiterlesen. Wenn wir mit unseren Dattel- bzw. Käsefingern aufpassen. Ich glaube, es ist eh nicht mehr viel.“


    Sim-Off:

    * hier: Hallo!