Cimon sagte nichts, nickte nur. Na ja, wahrscheinlich war das die beste Art, um Phaeneas von diesem Thema abzubringen. Also begnügte der Bithynier sich damit zurückzulächeln und auf die Person ihm gegenüber zu vertrauen.
Er verfolgte den Weg von des Nubiers Hand über die Tunica und wusste nicht recht, was diese Geste jenem bedeutete. Dann erwiderte er dessen Blick. „Das ist Unsinn, Cimon“, antwortete Phaeneas leiser. „Du bist nicht schuld daran. Es ist einfach so. So wie es ist. Aber siehst du, Schuld, da haben wir es schon wieder. Wir haben es uns nicht ausgesucht, unsere Herrn sind in vollem Recht und Fortuna ist die gerechte Richterin selbst. Scheinbar ein System ohne Verantwortliche ... Nur mit solchen, die es betrifft ...“
Cimons unbeschwertes Grinsen war von der Art, wie man es möglichst aufs Gesicht aller wünschte und besonders denen, die einem nahestanden. Was in letzter Instanz dazu führte, dass Phaeneas es in diesem Moment besonders mochte. Die Verlegenheit zierte den aurelischen Sklaven nur noch mehr. „Nein, wirklich – ich habe nicht oft jemanden, der mit mir liest.“ Außer Lucianus, den der Bithynier noch nicht in diesem Zusammenhang erwähnen wollte. „Meistens bleibt mir, so etwas allein zu tun.“
Endlich sah Cimon auf und zwar so intensiv, dass Phaeneas im ersten Moment höchst unfreiwillig schwindelte – alles, was auf ihn eine heftige Wirkung hatte, fürchtete er. Erst recht wenn er wusste, was der Grund dafür war. Und wenn sich das dann selbstständig machte ... Selbstbeherrschung, immer wieder Selbstbeherrschung. Egal, was man im Leben tat, es musste kontrolliert sein.
Aber so oft bewies der Nubier doch, dass er das konnte, wie hatte ihn dann doch noch die Schüchternheit übermannen können? So gefiel es Phaeneas nun wesentlich besser, denn wie gesagt, wenn er schon mit jemandem seine Zeit verbrachte, wollte er auch etwas von Betreffendem haben, und wie sollte er das, wenn jemand seine Augen gesenkt hielt? Außerdem war jemand, der einen nicht ansah, wesentlich unberechenbarer.
Auch als er sich mit diesem letzten Blick noch einmal versicherte, blickte Cimon ihn immer noch direkt an.
„Versprechen angenommen“, lächelte der Bithynier. Aus dem Augenwinkel sah er noch, wie der Nubier sich zurücklehnte.
Das Lächeln des anderen sah der bithynische Sklave wieder, als er die Augen von den Buchstaben löste.
„Und siehst du, da steht es, der Glaube an die Götter ist nützlich“, versuchte Phaeneas sofort seine vorhin – Cimon zuliebe – getätigte, von ihm selbst nicht so überzeugt aufgenommene Aussage zu belegen. Auf dessen Einwand hin meinte er dann: „Vor allem ist es ein Geschenk, das nicht jeder einlösen kann. Tolles Geschenk, das nur bestimmten Kreisen zugänglich ist“, kommentierte er sarkastisch.
„Wie stehst du dem Tod gegenüber, Cimon?“, wollte er nach einem kurzen Moment wissen.
Weiter hielt er dem Mann neben sich einladend die Rolle entgegen. Dann bemerkte er, wie der sich streckte und entspannter zu atmen begann. Phaeneas stützte seinen Arm auf seinen Oberschenkel und damit sein Kinn ab und betrachtete Cimon schmunzelnd. „Bist du müde?“, fragte er und wusste, dass er diesen Augenblick und diese Worte mehr auskostete, als es eigentlich gut war.