Beiträge von Phaeneas

    Ich habe bei meinen Vorrednern das Gefühl, dass sie sich alle um Fassung bemühen ... ihnen tue ich es jetzt gleich.
    Auch ich kann Aristides nur zustimmen, auch wenn Furianus es noch ein bisschen besser auf den Punkt bringt: dieses Loch wird kaum je jemand füllen können.


    Die Vorstellung, dass mir in Zukunft nichts von dir geschriebenes mehr vergönnt sein wird, ist wahrhaft grausam.
    So einen wunderschönen Stil wie den deinen habe ich selten erlebt ... und ich habe die vieler brillanter Stilisten gelesen - und dann noch gepaart mit so vielen Ideen, wie du mit dem psychologischen und geschichtlichen Hintergrund umgehst, die philosophischen Fragestellungen und vieles, was ich im Moment vergesse.


    Jedenfalls wollte ich dir sagen, wie sehr ich deine Art zu schreiben bewundere.

    „Und Phaeneas, wie ist es dir dabei ergangen, Wörter mit X, Y und Z zu finden?“
    „Ach, es ging schon“, meinte der. „Na ja, bei der Schreibung bin ich mir teilweise nicht sehr sicher.“
    Der Lehrer nickte. „Dann lass es mich einmal sehen. Die Fehler werden wir schon finden.
    Hm-hm-hm.“
    Ein Wort nach dem anderen vorlesend ging er durch die Auflistung: „Hypocaustum, apodyterium ... Den guten Tiribazos hier ohne H“, fügte er an. „Xystus – sehr gut. Dieses Wort vereint gleich beide verlangen Buchstaben in sich. Hymnus, typus ... Aber den Thymian hier schon mit einem H. Typus nicht, thymum schon und Tiribazos nicht.“ Phaeneas seufzte. Wie sollte man sich das auch merken können? „Bithynia ... Mit H bitte sehr.“ Und gleichzeitig sah man die Verwunderung an: „Wie kommst du denn gerade da drauf? Hätte es Aegyptus nicht auch getan?“ Etwas nachdenklich murmelnd, mehr für sich, fügte er noch an: „Und da wäre auch kein H, das ...“ Den Rest verkniff er sich.
    „Aus diesem Land stamme ich“, stellte Phaeneas – nicht ohne Stolz – fest.

    Der Lehrer setzte sich gerade, als er seinem Schüler die übliche Frage zu Beginn des Unterrichts stellte: „Nun denn, Phaeneas, zeig mir einmal deine Hausaufgaben.“ Der Sklave reichte ihm darauf seine Wachstafel und gab sie zur Ansicht frei. Nachdem der Magister die ersten Blicke darauf geworfen hatte, wollte er gerade zu einem Kommentar ansetzen, da unterbrach er sich selbst mit dem irritierten Ausruf: „Was ist denn das?!“ Vor ihm, im unteren Teil der Wachstafel, befand sich ein krakeliges, ungelenk und unsauber geschriebenes etwas, das so einige Buchstaben hätte wiedergeben können. Phaeneas lief leicht blass an, was in diesem Fall ungefähr dem gleich kam, wenn andere verlegen rot wurden. „Ach das, da habe ich Cephalus etwas schreiben beigebracht – das hier ist einer seiner ersten Versuche.“ Der Bithynier registrierte das amüsierte Lächeln des Magisters. „Na, da werdet ihr wohl noch etwas mehr üben müssen.“ Damit wandte er sich wieder Phaeneas‘ Bemühungen zu. „Sehr schön“, meinte er. „Es macht insgesamt einen guten Eindruck. Das N ist noch nicht klar genug gezogen, das A in Zukunft auch noch ein wenig schöner. Und das O nicht ganz so rund, etwas ovaler, siehst du?“ Er malte ihm eines vor. „Ansonsten leserlich und die Zeilen gerade. Weiter so!“ Der Lehrer schien es längst gewöhnt zu sein, Phaeneas‘ musternden Blick auf sich gerichtet zu haben, der auf jedes Wort zu lauern schien. Gerade wenn er lobte. Dann war der Bithynier besonders misstrauisch, gegenüber dem Wahrheitsgehalt.


    „So, heute kommen ein paar der letzten Buchstaben. Q, R und S.“ Der Magister zeichnete auch diese vor. Inzwischen schrieb er die neu zu lernenden Buchstaben längst nicht mehr so groß wie anfangs. „Meinst du, du kommst mit allen drei zugleich zurecht, Phaeneas?“ Der nickte langsam. „Sic arbitror, magister. Ich denke ja.“ Darauf schob der Lehrer die Tabula zu ihm: „Dann fang an.“ Wie schon längst gewohnt nahm Phaeneas einen Stilus zur Hand und zog den vorgeschriebenen Buchstaben seines Lehrers nach, ritzte ihn in das weiche Wachs ein. „...Q...„ Dann den nächsten: „... R ...„ Ein herrlich rollender Laut! Als letztes schrieb er den dritten Buchstaben. Äh ... „Was war das noch gleich?“, erkundigte er sich. „Das ist das S“, gab der Magister bereitwillig Auskunft. „S“, wiederholte der bithynische Sklave gewissenhaft. So übte er eine Zeit lang weiter. „Q ... R ... S, Q ... R ... S ... Q, R, S ...“ Der Lehrer korrigierte zwischendurch, vor allem die Rundung des Q, die ihm schlicht zu rund war.


    Sobald er befunden hatte, dass Phaeneas die neuen Buchstaben genug eingeübt hatte, und ihn mit dem Schreiben aufzuhören geheißen hatte, stellte er fest: „Jetzt kannst du übrigens deinen Namen schreiben, Phaeneas.“
    „Wirklich?“ Der Bithynier sah ihn an, als hätte er ihm gerade verkündet, dass er nun ohne Probleme den Mond aus seiner Bahn werfen oder sein Leben im Nachhinein ändern könne. „Ja“, bestätigte der Lehrer. Phaeneas‘ Augen leuchteten auf. Dann griff er nach dem Stilus und der Wachstafel. „Mit P-H am Anfang“, merkte der Magister an. Noch einmal sah der Sklave ihn mit großen Augen an. Ihr Götter, was schrieb man seinen Namen umständlich! Auf jegliche neue Überraschungen gefasst brachte er zuerst P und H zu Papier, dann orientierte er sich daran, wie man ‚Phaeneas‘ sprach. Der Lehrer nickte von der Seite her: „Haargenau so.“
    Der Bithynier besah sich das Schriftbild seines Namens. Noch nie hatte er ihn in Buchstaben festgehalten gesehen oder zumindest nicht im Wissen darum. Es war für ihn ein bisschen, wie wenn man als kleines Kind seine Hand im Kies nachzeichnete oder sich in jenem Alter bewusst mit seinem Spiegelbild auseinandersetzte: die Entdeckung eines kleinen Stücks von sich selbst. ‚Das da bin ich, Phaeneas. Diese Buchstabenreihe bezeichnet mich, steht für mich. Genau das da vor mir auf der Wachstafel.‘ Das schwungvolle P gefiel ihm, genau wie das H dahinter. Der ganze Name hatte etwas gleichmäßiges, stimmiges. Das sich abwechselnde A-E E-A eingerahmt von P-H und S. Es hatte Anfang und Ende – eine runde Sache!


    Allmählich löste er sich vom Anblick seines Namens, ließ von den dadurch neu entstandenen Gedanken und Empfindungen ab und widmete sich wieder seinem Lehrer.
    „Da du dich beim Schreiben auf der Wachstafel bewährt hast, wirst du nun den Umgang mit etwas neuem lernen“, kündigte der an. Ohne sich in Worten noch weiter zu erklären, nahm er ein Stück von einem Papyrusbogen zur Hand und legte es vor den Sklaven. Dann reichte er ihm ein Schreibrohr. „Das hier müsste für deine Hand in etwa das richtige sein. Halt es mal, Phaeneas. So wie man einen Stilus hält.“ Nachdem der Schüler es in Empfang genommen hatte und tat, wie ihm geheißen, betrachtete der Lehrer das Ergebnis kritisch. „Ja, doch, das müsste hingehen“, meinte er schließlich. Dann holte er nacheinander einen kleinen Glasbehälter mit einer schwarzen Flüssigkeit, einen Schwamm, ein kleines Messer und noch etwas hervor, das Phaeneas zuerst nicht sehen konnte. Genau diesen Gegenstand zeigte ihm der Magister zuerst. „Einen Bimsstein benutzt man, um eine vom Schreiben stumpf gewordene Rohrfeder wieder spitz zu machen. Mit diesem Messer hier“ – er hob es hoch und legte es wieder zurück – „spaltet man danach die Spitze der Feder wieder. Frische Schreibfehler lassen sich mit Hilfe des Schwammes beseitigen. Nun denn.“ In sorgsamer Bewegung öffnete er das Tintenfass und machte eine einladende Geste. „Nimm Tinte auf und schreib, was ich dir diktiere: ‚Mens sana in corpore sano.‘*(1) .“ Obwohl Phaeneas das Rohr nur ein wenig eintauchte, verhinderte es trotzdem nicht, als er das Schreibgerät zum Papier zurückführte, dass ein Tintenkleks auf dem beigen Material landete. Der Lehrer hob dazu dezent missbilligend eine Augenbraue, meinte aber nur: „Na ja, hier kannst du gleich den Schwamm ausprobieren.“ Phaeneas nickte: „Gut.“ Er griff danach und wischte damit vorsichtig über den tiefschwarzen Fleck. Erleichtert betrachtete er, wie der Klecks verschwand. „Im Laufe der Zeit wirst du lernen, den Schwamm so zu benutzen, dass man hinterher nichts von seinem Gebrauch sieht“, erklärte der Lehrer dazu. Phaeneas nickte wieder und tauchte die Feder ein zweites Mal in die Tinte, diesmal noch sparsamer als vorher. „Wie war der Satz gleich?“ Geduldig wiederholte sich der Magister. Nun gut. Vorsichtig setzte der Bithynier auf dem dünnen Papyrus an und schrieb.
    Immer zufriedener stellte er seit einiger Zeit fest, dass er die Buchstaben immer schneller aneinanderreihen konnte. Zuerst hatte er für jeden einzelnen lange überlegen müssen, bis er ihm eingefallen war, ein Wort war für Phaeneas einer Ewigkeit gleichgekommen, von einem Satz ganz zu schweigen. Mit der Zeit hatte er gelernt jeden Laut mit einem oder mehreren Buchstaben zu verbinden, das war dann nur noch ein gedankliches Abhaken gewesen, das immer weniger Überlegung verlangte. Inzwischen funktionierte das mit dem Schreiben recht flüssig und stellte Phaeneas insgesamt doch relativ zufrieden.
    Es hatte mit dem Schreiben neben dem praktischen Nutzen noch eine andere, außergewöhnliche Bewandnis: Es war eine Bestätigung für Phaeneas‘ Bemühungen. Er, der als Sklave aufgewachsen und von früh auf mit den verschiedensten Aufgaben und den damit verbundenen Ansprüchen an ihn vertraut war, sah nichts besonderes daran, wenn er eine dieser Sklavenarbeiten erledigte, und betrachtete es als ganz selbstverständlich zu wissen, wie es funktionierte, und sich dabei zu bemühen es möglichst gut zu machen, (und konnte es am Rande erwähnt oft nicht verstehen, wenn jemand nicht so selbstverständlich damit klar kam). Das Lesen und Schreiben dagegen lernte er nun vom Nullpunkt an, ohne jegliches Vorwissen. Zu sehen, dass die Hingabe, die er in diese Sache investierte, sichtlich Fortschritte mit sich brachte, seine Leistungen so vor Augen geführt zu bekommen, es hatte eine ungewohnt bestärkende Wirkung auf Phaeneas. Denn es zeigte ihm, dass seine Bemühungen nicht sinnlos waren, und wurden hier auf angenehme Weise honoriert.


    „Mens sana in corpore sano“, las der Lehrer noch einmal vor. „Genau. Und nun weiter mit ‚Bona bonis.‘*(2) ...“


    Sim-Off:

    *(1) Der Vollständigkeit halber: Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper.
    (2) Das Gute den Guten.

    Tja, prinzipiell bin ich jetzt wieder zu erreichen, es ist für mich zur Zeit allerdings ein bisschen schwierig - weswegen es leicht sein kann, dass ich manchmal nicht so anwesend bin, wie es für das RPG günstig wäre.
    Das lässt sich alles schwer sagen, nur damit ihr es wisst und euch nicht wundert, wenn es denn so eintreten sollte.

    Phaeneas kam zu den offiziellen, von der Stadt organisierten Feierlichkeiten der Saturnalien. Wenn auch später am Tage, aber rechtzeitig für das, was er vorhatte. Er kam, auch wenn er jedes Jahr wieder gut ohne Saturnalien auskommen würde.
    Für ihn bedeuteten die Saturnalien, plötzlich nicht mehr das sein zu dürfen, was man das ganze restliche Jahr war; eine andere Rolle spielen zu müssen, sich anders verhalten zu müssen.
    Außerdem war es fraglich, warum es das ganze restliche Jahr egal war, wie es ihm ging, es genügte ihn zu ignorieren, nur um auf einmal seine Gesellschaft zu wollen, am Ende noch mit Freundlichkeit nur so um sich zu werfen. Phaeneas jedenfalls fand das doch recht suspekt - und ihm lag nichts daran, dieses Theater miterleben zu müssen.
    Außerdem feierten, tranken und lachten alle während den Saturnalien, waren fröhlich und ausgelassen und erwarteten, dass man es ihnen gleich tat, auch wenn einem rein gar nicht danach war.
    Eigentlich mochte er Feiern ja prinzipiell aus eben diesem Grund nicht. Aber an den Saturnalien war es besonders schlimm. Sonst konnte man einer Ansammlung von Sklaven, die beschlossen hatten ihren „Feierabend“ aus eigenen Mitteln ein wenig lockerer zu gestalten, oder Orten, an denen jeder feiern durfte, der das Geld dazu hatte, ausweichen und durfte bleiben, was man war, und dementsprechend eine neutrale, vornehm–distanzierte Sklaven-Miene zur Schau tragen. Wer aus der Masse der Sklaven stammte, die von den Herrschaften üblicherweise sowieso nicht wahrgenommen wurden, war nicht groß zu Begeisterung oder guter Laune verpflichtet. So war es Phaeneas zumindest bisher gegangen.
    Aber an den Saturnalien gab es kein Entrinnen, da hatte man für niemanden Verständnis, der nicht gerade mit freudestrahlendem Gesicht durch die Gegend lief.
    Darüber hinaus war er wenig begeistert von der Aussicht am Ende noch freundlich zu jemandem sein zu müssen.
    Außerdem schien für die meisten die Saturnalienfreiheit in einem einzigen großen Gelage zu bestehen; andere mochten Freude daran haben, wenn ein, zwei Becher Wein ihre Bedenken auflösten, sie unbefangen und geselliger machten und sie frei von der Seele wegreden ließen; möglicherweise auch ihre Probleme und Ärgernisse in Alkohol zu ertränken. Phaeneas jedenfalls war damit nicht zu locken, genauso wenig wie er Lust auf die Gesellschaft von hysterisch lachenden Leuten, geschweige denn von hoffnungslos Betrunkenen hatte – denn bisher hatte er die Saturnalien meistens nur als riesiges Besäufnis erlebt.


    Obwohl er also den Saturnalien generell nicht viel abgewinnen konnte, erschien er zur 7. Stunde außer Haus, und zwar bei den Thermen. Die an den Saturnalien offenstanden für jeden. Ein Bad, er durfte ein Bad nehmen, in den Thermen, einem Ort, der Phaeneas für seine Gegenwart fast zu heilig schien. Ein Bad, rein zu seinem Vergnügen und nicht nur, um vorerst sauber zu sein, ja noch nicht einmal, um jemanden dorthin zu begleiten. Schlicht nur er hatte sich bei dieser Angelegenheit zu amüsieren. Allein bei dem Gedanken, in ein Becken vollgefüllt mit Wasser zu steigen, frohlockte Phaeneas innerlich. Diesem verlockenden Angebot, baden zu können, hatte er schlicht nicht widerstehen können. Darüber ließen sich sogar die Saturnalien vergessen.
    Beschwingten Schrittes trat er ein. Trotzdem war es irgendwie auch ein feierlicher Augenblick. Strahlende Farben leuchteten ihm entgegen, bunte, figurenreiche Mosaike überall. Der Sklave legte seine Kleidung im Apodyterium in den dafür bestimmten Nischen ab.
    Im Tepidarium schließlich, als das Becken vor ihm lag, stockte ihm der Atem und sein Herz klopfte freudig. Im Anblick der leicht blau schimmernden Fläche vergaß Phaeneas alles andere um ihn herum, seine ganze Umgebung wurde unsichtbar, verlor vollkommen an Aufmerksamkeit. Etwas, worin Phaeneas sehr gut war und das er oft zur Anwendung brachte, überflüssiges, störendes oder unnötig kompliziertes einfach auszublenden. Der Grund, warum er manchmal ein wenig mit Blindheit geschlagen schien. Aber jetzt, vor diesem mit klarem, kristallenem Wasser gefüllten Becken, jetzt zählte für ihn nur das Wesentliche. Ehrfurchtsvoll näherte er sich. Er tippte, als er direkt davor stand, vorsichtig mit dem Fuß auf die Wasseroberfläche, als wäre es frevelhaft es allzu hastig zu berühren, tauchte ihn dann andächtig hinein und stieg ganz ins Becken. Warmes, weiches Wasser umfing ihn, wie flüssige Arme nahm es ihn auf, empfing ihn sanft. Phaeneas schloss die Augen, genoss den Augenblick und die damit einhergehenden Empfindungen. ‚Jetzt kann die Ewigkeit beginnen!‘, dachte er - und ärgerte sich im gleichen Moment über sich selbst. Dass er nichts anderes konnte als sich die Unendlichkeit für solche Augenblicke zu wünschen. Ein Eingeständnis der Ohnmacht gegenüber dem Lauf der Welt. Die fehlende eigene Kraft wurde durch den Wunsch ersetzt.
    Er öffnete die Augen wieder und prompt waren auch die erneut gefangen vom Schillern und Leuchten des köstlichen Nass. Beide Hände streckte er danach aus und hob sie mit Wasser gefüllt wieder heraus. Leise plätschernd tropfte es zwischen den Fingern hindurch. Immer deutlicher wurde die Erkenntnis: ‚Ich bin da – ich bin wirklich da.‘ An dem Ort, an dem eines Tages zu sein Phaeneas sich in tausend Jahren nicht hätte träumen lassen. Und die berauschende Freude darüber war im Moment das einzige, was er wahrnehmen konnte.


    Sim-Off:

    Wer mag, ist jederzeit gerne willkommen, vor allem natürlich, wenn Besucher des Stadtfestes hier noch weiterfeiern (oder sich ausruhen?) wollen.


    Das gilt übrigens prinzipiell für alles, was ich schreibe – ich habe kein Problem damit, wenn jemand spontan dazustößt.


    Sim-Off:

    Ach ja, um die Situation zu verstehen genügt es eigentlich den 2. Teil bzw. davon auch nur den 2. Absatz zu kennen ... Falls jemand von der Länge des Textes verschreckt wird. ;)

    Zitat

    Original von Prudentia Aquilia
    Ich versteh die Entscheidung, das RP sollte sich lieber konzentrieren und nicht verstreuen.


    Ganz meine Meinung, die Eröffnung einer neuen Provinz hätte wenig Sinn.


    Zitat

    Original von Maximus Decimus Meridius
    Sollte das Imperium aus den Nähten platzen, weil sich plötzlich 1000 IDs anmelden, sehen wir weiter.


    1000 IDs samt der bisherig Angemeldeten würden eine Provinz vielleicht gerade erst einmal annähernd füllen.

    Es wunderte Phaeneas, dass er sich bei all der Kälte noch keinen Schnupfen eingefangen hatte. Normalerweise begann er schnell zu schniefen, wenn es draußen immer kälter wurde, aber diesmal niesten alle (selbstverständlich fast alle) um ihn herum und er war nicht dabei. Na ja, vielleicht war er ja inzwischen durch den germanischen Winter abgehärtet.
    Mit zwei Schriftrollen unter dem Arm schneite ... nein, kam er also, ganz normal, ins Tablinum herein und legte selbige vor Lucianus ab. Sofort befand sich Lucianus in dem unmittelbaren Mittelpunkt von Phaeneas‘ Aufmerksamkeit – wie eben immer. Nach einem Tag bestehend aus Gleichgültigkeit, wie eben auch immer, gefiel es Phaeneas unglaublich jegliche Teilnahmslosigkeit beiseite zu schieben und auf einen Schlag vollkommen wach zu sein.


    An
    Marcus Vinicius Lucianus
    Regia Legati Augusti pro Praetore
    Mogontiacum, Germania Superior


    Salve Marcus Vinicius Lucianus!


    Habe Dank für Dein Schreiben. Du hast darin Deinen Klienten Titus Aurelius Ursus erwähnt und bittest mich, dass ich mich für ihn einsetze und seine Ernennung zum Senator befürworte. Das will ich nur zu gerne tun. Wie Du bestimmt weißt, amtiert er nun bereits zum zweiten mal als Quaestor Consulum und ich habe seine Wiederwahl sehr unterstützt. Denn ich schätze Deinen Klienten sehr und bin davon überzeugt, dass ihm noch eine große Zukunft bevorsteht. Wenn sich eine gute Gelegenheit bietet, werde ich also meinen Einfluss gelten machen.
    Bitte grüß' meine Base Paulina von mir. Ich hoffe, euch geht es wohl und der schlimme germanische Winter, von dem man immer wieder hört, setzt euch weniger zu als man befürchten muss.


    gez. Lucius Aelius Quarto



    ROMA - ANTE DIEM IX KAL IAN DCCCLIX A.U.C.
    (24.12.2008/105 n.Chr.)


    Ad Marcus Vinicius Lucianus
    Legatus Augusti pro Praetore
    Provinz Germanien
    Mogontiacum


    Salve Marcus,


    ich danke Dir für Deine Wünsche. Lucilla ist noch nicht vom Land nach Rom zurückgekehrt. Ich freue mich darüber, was fast nicht begreifbar ist. Sie kann mit dem Jungen in der Villa Rustica ihrer Großtante weit besser leben, als es selbst die luxeriösesten Verhältnisse in Rom zulassen. Die kalte Jahreszeit verbannt uns immer in unsere Häuser, fern ab von all dem Elend. Ich hoffe das bald wieder die ersten Blüten spriesen und Rom von dieser Dunstglocke befreit wird, die sich tief in die Wurzeln der Stadt gräbt, während es kalt und ungemütlich ist.


    Wenn die Sonne wieder lang am Horizont steht, will ich auf jeden Fall Germanien wiedersehen. Vielleicht kann ich auch meine Frau überreden mitzukommen, aber wenn sie die Reise für zu unwegsam erachtet, so will ich trotzdem allein Mogontiacum im nächsten Jahr bereisen. Eine Unterkunft haben wir zwar selbst in der Stadt, wie Du sicherlich weist, aber ich will Dein Angebot trotzdem nicht ausschlagen. Ein volles Haus ist eben immer anders zu bewerten, als eine leere übergroße Villa.


    Der Name Titus Aurelius Ursus ist mir wohl bekannt. Er leistet gute Arbeit für die Schola Atheniensis Phoebi Apollonis Divinis und auch sonst schafft er es sich in der Politik einen Namen zu machen. Aber als Senator muß ich natürlich auch die Verhältnisse im Senat beobachten und analysieren. Wieviel Patrizier vertragen wir noch und bei welchen von Ihnen können wir auf Fürsprache mehr hoffen, als auf offenen Kampf um jede Gesetzzeile?! In der Zukunft will ich dies mehr bedenken, als wahrscheinlich die Mehrzahl im Senat und doch kann und will ich Dir, alter Freund diesen Wunsch nicht ausschlagen... Du siehst also, das Rom heute nicht leichter durch den Senat zu regieren ist als früher. So mir die Götter in meiner Entscheidung zusprechen, will ich diesen Deinen Klienten unterstützen. Auch wenn in meiner kleinen Welt das Gleichgewicht zu kippen droht.


    Ich verbleibe mit guten, wie gesunden Grüßen aus Rom und bete darum, das auch Ihr gesund bleibt...



    Sim-Off:

    Vermerk: Das hier findet noch vor den Saturnalien statt.


    „So, das hätten wir schon mal.“ „Um den Rest mögen sich jetzt die anderen kümmern“, grinste Evanoridas. Phaeneas kam mit seinem Mitsklaven zurück in die Küche. Schon seltsam, egal womit man beschäftigt war, früher oder später kam man immer in die Culina zurück. Vielleicht weil sie das Herz des Hauses war. Zumindest für die sklavischen Bewohner. Prompt schnappte sich Evanoridas einen befüllten Becher. „Tja, nach getaner Arbeit hab ich mir das verdient. Willst du auch was?“ Phaeneas schüttelte den Kopf: „Nein, danke“. Während Evanoridas einen ersten Schluck nahm, griff der Bithynier routiniert zu dem Beutel, der seitlich an seinem Gürtel baumelte, ließ sich auf einem Stuhl nieder und zog seine Wachstafel hervor. Evanoridas betrachtete sie neugierig und achtungsvoll zugleich. Sie war schon dicht beschrieben, was Phaeneas aber nicht daran hinderte noch ein paar Zeilen hinzuzufügen. Ein paar vollkommen unwichtige Notizen nur, über banale Dinge im Haus, Geschehnisse, die Phaeneas in der Stadt begegneten, und Alltägliches aus dem Leben derer, die sein gewohntes Umfeld ausmachten. Diese Aufzeichnungen flocht er problemlos in seinen Arbeitsalltag ein. Alles mögliche schrieb er auf, seit er die Wachstafel bekommen hatte, nur um genügend üben zu können. Überall schleppte er dementsprechend sein Schreibzeug mit. Zu allererst erledigte er natürlich die Aufgaben, die der Lehrer ihm aufgegeben hatte, in aller Ausführlichkeit und Korrektheit, die dem Bithynier zu eigen war. Das heißt, nachdem er zum wussten die Götter wie vielten Mal die Übungen gemacht hatte, widmete er sich anderem, das sich zu schreiben anbot. Was natürlich nicht bedeutete, dass damit für ihn die Hausaufgaben abgeschlossen waren. Zwischen allen anderen Notizen und sinnlosen Schreibereien nahm er sie sich immer wieder vor. Problematisch bei seinen eigenen Schreibunternehmungen war nur, dass ihm noch einige Buchstaben fehlten, zu denen sein Lehrer in den Unterrichtsstunden noch nicht gekommen war. Das war der einzige Nachteil der etwas langsameren, aber dafür gründlicheren Lehrmethode, durch die der Magister Phaeneas die Kunst des Schreibens nahebrachte und mit der der Sklave wesentlich besser zurechtkam, eben weil man sich dann viel intensiver damit befassen konnte. Die Schwierigkeit, die damit auftrat, dass Phaeneas verschiedene Dinge niederschreiben wollte, in denen nunmal alle Laute vorkamen, umging er damit, dass er die Buchstaben, die er noch nicht kannte, eben einfach wegließ. Was dann öfter zu etwas seltsamen Wortgebilden führte. Aber dadurch hatte Phaeneas noch einen weiteren Vorteil davon. Da er so alles schreiben konnte, konnte er sich praktischerweise auch Dinge aufschreiben, die noch zu erledigen waren, an die er noch denken musste oder die er jemandem ausrichten musste. Sprich sämtliche Koordinierungsangelegenheiten, die im Haus anfielen. So ließ sich die Wachstafel auch gut als Merkhilfe hernehmen. Wenn er es lernte, das Lesen und Schreiben, dann musste er’s ja schließlich auch nutzen. Phaeneas schrieb also alles auf, was er sich sonst (auch) so merkte ...
    „So, Evanoridas, jetzt diktier mir mal irgendeinen Satz. Was dir gerade einfällt.“ Ein geehrt wirkende Evanoridas fasste sich überlegend ans Kinn. „Hm. Stunde um Stunde vergeht, der Abend rückt näher, aber sie, die endlich kommen sollte, ist immer noch fern.“ Phaeneas sah ihn erstaunt an. „Evanoridas, das ist ja fast gedichtet!“ Der winkte nur seltstbewusst lächelnd ab, diktierte den Satz noch einmal. Der bithynische Sklave griff zum Stilus und schrieb. „Und das da sind jetzt meine Worte?“ „Ja, das sind sie“, bestätigte Phaeneas, während Evanoridas über seine Schulter schielte, „bis auf dass die Buchststaben fehlen, die ich noch nicht kann.“

    Der Lehrer war überrascht, dass sein neuester Schülter die gelernten Buchstaben am nächsten Tag um ein deutliches Stück sicherer ziehen konnte und im Stande war sie aus jedem beliebigen Text ohne zu zögern herauszufinden, das sah Phaeneas ihm an. Dabei hatte er ja nur die ihm aufgetragenen Aufgaben erledigt, pflichtbewusst wie er eben alles tat, was ihm aufgegeben wurde.
    Wie viel Zeit er gestern mit den Übungen verbracht hatte wusste er nicht mehr so recht und wie oft er die Wachstafel wieder glatt gestrichen hatte dementsprechend auch nicht. Von den A, B und Cs auf Werbeanschriften, Ankündigungen und Inscriptiones, mit denen er sich als er in der Stadt gewesen war ständig beschäftigt hatte, ganz zu schweigen.


    Nach dieser Wiederholung erklärte der Lehrer ihm nacheinander die nächsten Buchstaben und ließ sie ihn jeweils wieder ausführlich üben.
    Dann lehnte sich der Magister ein wenig zurück und meinte: „So, und nun kommt das erste Diktat. Nimm die Wachstafel zur Hand und schreibe auf, was ich dir diktiere.“ Phaeneas tat, wie ihm geheißen, war allerdings von dem, was dann folgte, recht ernüchtert. Es waren nämlich nur kurze, recht zusammenhangslose Wörter, die er zu notieren hatte, etwa ‚ab‘*(1), ‚da‘*(2) oder ‚fac‘*(3). Na ja, sich das zu erklären war allerdings nicht schwer. Was anderes konnte er schließlich schon auch schreiben bei seinem Kenntnisstand? Es war ja quasi schon ein Erfolg, das es überhaupt Wörter gab, die sich mit diesen wenigen Buchstaben bilden ließen.


    „Und jetzt lies es noch einmal vor!“, wies der Lehrer ihn an. Oje, der bithynische Sklave bedachte ein weiteres Mal seinen bisherigen Kenntnisstand. Lesen – das war schließlich dieses mühelose, sichere Verwandeln von geschriebenen Worten in flüssigen Text, fast als wäre es spontan gesprochen. Die meisten, die vorlasen, - zumindest kam es Phaeneas so vor – schienen nach einmal hinsehen zu wissen, was dort stand, und konnten es dann zügig wiedergeben.
    Ihm aber, wenn er sich die Wachstafel in seinem Schoß so besah, erschloss sich das Geschriebene auch nach dem dritten Blick nicht so bereitwillig.
    Phaeneas betrachtete den ersten Buchstaben, sprach ihn laut, sobald er ihn erkannt hatte: „Aaa ....“ Den zweiten versuchte er gleich flüssig daranzubinden, es dauerte aber doch einen Moment, bis er wusste, welcher Buchstabe das war: „.... c ...“ Er wiederholte das recht einfach Wort noch einmal: „Ac“*(4). Darauf nickte der Magister nur und hieß ihn fortfahren.
    Müßig zu erwähnen, dass es genauso weiterging. Für jedes Wort musste sich Phaeneas die Bedeutung der Buchstaben einzeln zusammensuchen. Wenn er die Buchstaben dann heraushatte und sich mit ihrer Reihenfolge beschäftigt hatte, ergab das Wort an sich schließlich auch Sinn. Und dann ging es wieder von vorne los. Immer und immer wieder. Eigentlich stand nicht viel auf seiner Wachstafel, ein kleiner Absatz nur, aber jetzt kam es dem Bithynier endlos vor.


    Sim-Off:

    *(1) = von ... weg, nach
    (2) Imperativ von geben ... also gib!
    (3) auch ein Imperativ: Mach!
    (4) von atque = und nicht, aber nicht

    1. Unterrichtsstunde


    Ruhig saß Phaeneas da, unbewegt. Etwas seitlich zur Tür, ein Schatten lag auf dem linken Teil des Gesichts, die scharf akzentuierte Nase als Symmetrieachse. Die ernsten, regungslosen Augen dunkel, sie schimmerten fast schwarz. Wachsam waren sie auf den Eintretenden gerichtet, also den Lehrer. Und auf genau die gleiche ernste, neutrale Art sprach er ihn an: „Salve, magister.“ Gerade blickte der Sklave ihn an, die Augen unbeirrbar auf die des Lehrers geheftet.



    Der Magister trat ein, neigte den Kopf. „Du bist also Phaeneas“, begann er mit einer Feststellung, worauf der Angesprochene – er war ja auch der einzige im Raum – nickte. „Dann lass uns gleich mit dem Unterricht anfangen.“


    Er holte eine Wachstafel hervor, auf der alle Buchstaben eingeritzt waren, fein säuberlich, in schönem Abstand von einander. „Das alles wirst du am Ende kennen.“ Der Bithynier betrachtete die Auflistung, versuchte Unterschiede zwischen den Buchstaben zu erkennen. Bisher war für ihn etwas Geschriebenes nur eine Aneinanderreihung von all diesen Zeichen gewesen, mit denen er sowieso nichts anfangen konnte. Um das festzustellen genügte ein Blick.


    Langsam las der Lehrer sie ihm vor, einen Buchstaben nach dem anderen. Dann holte er eine weitere, noch unbeschriebene Wachstafel hervor, sowie einen Stilus, und hielt Zweiteres seinem Schüler hin: „So, jetzt schreib es ab und sprich dir die Buchstaben dabei vor.“ In Phaeneas‘ Kopf hallte gerade noch ein „ ... V, X, Y, Z“. Entgeistert sah er den Magister an. „Ähm ... Und wie war der erste Buchstabe nochmal und der danach ...“ ‚... und der danach ...?‘, dachte der Sklave sich. Der Lehrer zog eine Augebraue hoch und meinte: „Nun denn, beginnen wir langsamer.“
    In routinierter Bewegung schrieb er einen deutlich vergrößerten Buchstaben in das nachgebende Material ein:


    A


    „Das ist ein A“, erklärte er.
    Es war seltsam für den Bithynier zu sehen, wie so etwas Altbekanntes, Wohlvertrautes zu einem solchen Zeichen, der Klang hier vor seinen Augen sichtbar wurde. ‚Das da ist also ein A‘, wiederholte Phaeneas für sich selbst. ‚Das ist also das, womit so viele Worte anfangen und in so vielem vorkommt.‘
    „Schreib den Buchstaben nach und sprich ihn dir dabei laut vor“, erfolgte die Anweisung des Lehrers. Phaeneas nahm den Griffel in die rechte Hand. Er setzte vorsichtig auf dem Wachs an und ritzte langsam die Form eines A ein. Dazu sprach er den Laut.


    Ein wenig ungelenk sah der Buchstabe schließlich aus, unsicher in der Linienführung, aber es war unverkennbar ein A. „Jetzt noch einmal!“, forderte der Lehrer ihn auf. Phaeneas nahm den Stilus wieder zur Hand und malte ein weiteres A auf die Tabula, wiederum sehr sorgsam, während er noch einmal den A-Laut wiederholte. Eine Zeit lang ließ der Magister ihn so üben, machte dazwischen Anmerkungen und gab Hilfestellung. Dann schrieb er ihm ein B auf, las es vor und ließ es den Sklaven auf die gleiche Art üben. Phaeneas gab sich bei allem Mühe, was der Lehrer ihm aufgab, und war dabei sorgfältig wie immer. Schließlich verfuhren sie mit dem C genauso – zwischendrin durfte der Bithynier die Wachstafel immer wieder mit dem abgeplatteten Ende des Stilus glattstreichen, auch das musste schließlich gelernt werden – bis der Lehrer eine besonders kleine, handliche Tabula hervorzog und sie Phaeneas samt einem Stilus überreichte. „Übe die Buchstaben, die du heute gelernt hast, wie wir es während des Unterrichts getan haben. Und achte überall auf Geschriebenes! Immer wenn du Text siehst, und sei es nur irgendein Gekritzel auf einer Mauer, such nach den gelernten Buchstaben. Am besten ist es natürlich, wenn du dich an schönen Schriften orientierst“, fügte er dann noch hinzu. Phaeneas jedenfalls nickte und nahm die Tafel an sich.

    „Tu das“, lächelte Phaeneas.
    Dann meinte er mit einem Nicken in Richtung Brief: „Na dann, amüsier dich gut!“
    Auf die für ihn manchmal typische ironische Art und Weise, eine Ader, die allerdings auch nur zum Tragen kam, wenn sich Phaeneas seiner Position sicher war, sprich, sich dort, wo er stand, sicher fühlte.
    Mit diesen Worten verabschiedete er sich aus dem Tablinum, von Lucianus, und ließ seinen Herrn mit den zwei Papyrusrollen allein.

    Phaeneas betrachtete den Fremden aufmerksam. Er hatte seine ablehnenden Worte einfach so hingenommen.


    „Das ist nicht viel, was du da anbietest ... Ich hatte seit je her zu essen, ein Dach über dem Kopf und Kleidung ... Es läge auch in niemandes Interesse mich des Hungertodes sterben zu lassen, denn wer mich verhungern lässt ist, wahrhaft selber schuld. Und seine Sklaven nicht einzukleiden würde auch kein wirklich schönes Bild abgeben. Wie peinlich wäre das, wenn man seine Sklaven in die Stadt schicken würde, was würden die Leute reden? Was würden Gäste im Haus nur denken? Und allein für die vornehmen Hausbewohner selbst wäre das ein unzumutbarer Zustand.“ Ironisch, jedenfalls viel ironischer als vorher, fügte er noch hinzu: „Mir wurde auch noch nie das Atmen verboten ... Soll ich mich wirklich damit zufrieden geben? Was soll daran Anreiz sein?“
    Auf die Frage des Germanen, ob man solche Anreize vergleichen könne, schüttelte Phaeneas energisch den Kopf. „Natürlich nicht. Es kommt schließlich immer darauf an, was der einzelne wünscht. Wofür er wirklich einiges auf sich zu nehmen oder zu tun bereit ist. Was für diesen einen auch wirklich reizvoll ist.“
    Der bithynische Sklave lauschte den Ausführungen des Mannes und verstand recht schnell: „Ach meinst die Christiani, die Christen!“ , stellte er fest. „Ach so, das meinst du mit Kreuzleute!“


    Alle Menschen gleich ... Phaeneas runzelte die Stirn, zweifelnd ...
    „Man fürchtete damals, die Sache um diesen Iesus Christus würde die Leute in der Provinz zum Aufstand verleiten, deswegen haben sie ihn kreuzigen lassen“ , steuerte er den historischen Hintergrund bei.
    Dieses Leben eine Prüfung für das andere Leben ... Diese Worte lösten etwas in Phaeneas aus, riefen etwas wach, das tief in ihm weitergrübelte ... während er sich schon wieder mit den Worten seines germanischen Gegenübers beschäftigte: Das hatte der Bithynier auch noch nie gehört, dass durch einen Sklavenaufstand das Imperium untergehen sollte. Also der Römer, der das glaubte ...
    „Na ja, bei dieser Angelegenheit werden nicht nur Sklaven gefürchtet, sondern alle, die diesem Glauben anhängen. Aber ... offiziell müsste der Kaiser das Christentum tolerieren, wenn sich daran inzwischen noch nichts geändert hat. Mit Jagen dürfte also nicht allzu viel sein.“ Phaeneas machte in Bezug auf die größtenteils recht wilden Spekulationen, die um die Christen existierten, eine wegwerfende Handbewegung. „Die sind eine harmlose Glaubensgemeinschaft. Auf alle Fälle harmloser als viele orientalische Kulte.“
    Gott ... Götter ... Das war grundsätzlich eine schwer zu ergründende Angelegenheit, warum sie und die Welt so waren wie sie waren. Der Bithynier wusste schon, warum er die Unsterblichen einfach existieren ließ und sich darüber hinaus keinen Kopf um sie machte. „Ich frage mich bei vielem, warum die Götter das zulassen“ , antwortete Phaeneas mit unbeeindruckter Miene. „Ich glaube, sie haben einfach alles nach Gutdünken festgelegt und erfreuen sich jetzt daran, dass alles nach dieser strengen Ordnung läuft.“
    Trotzdem versuchte der Sklaven diesen Gedanken von der Gleichheit aller, einfach so wie er war, jenseits jeder anderen göttlichen Ordnung, fortzuführen: „Na ja, es soll ja eine Prüfung sein ...“
    Was sich Phaeneas aber insgesamt fragte, wollte er jetzt noch wissen: „Warum interessiert dich das mit den Christen eigentlich?“ Könnte diesem Mann hier im germanischen Norden ja auch eigentlich egal sein.

    Eigentlich wunderte sich Phaeneas jedes Mal wieder, dass Lucianus sich die Mühe machte seine Briefe selbst zu Papier zu bringen. Es wäre schließlich so einfach, das einen anderen Sklaven, der lesen und schreiben konnte, machen zu lassen. Andererseits bewies es einmal mehr, dass Lucianus eine treue Seele war und auf Phaeneas wartete.
    Was dem Bithynier auf sonderbare Weise schmeichelte.
    Während Phaeneas überlegte, wie er Lucianus die Angelegenheit darlegen wollte, verlagerte er sein Gewicht auf den linken Fuß und lehnte sich leicht zurück, als würde diese gelöste Haltung seine Gedanken besser unterstützen. Trotzdem wurde Phaeneas‘ Gesicht eine Spur ernster, als die Sprache auf dieses – nach Ansicht des Sklaven ernstzunehmende – Thema kam.
    Bei dieser Bewegung jedenfalls klimperte leise der Inhalt des Beutels, den Phaeneas seit Neuestem am Gürtel mit sich herumtrug, eine schmale Wachstafel mit einem Stilus nämlich. Zum einen für die Übungen, die der Lehrer ihm aufgab – der Lehrer, genauso wie Phaeneas anfangs nur von der Herr gesprochen hatte - , zum anderen versuchte Phaeneas sich darin, möglichst viel schriftlich in Worte zu fassen und kritzelte alles mögliche mit.
    „Na ja, ich weiß noch nicht recht, was das werden soll, aber der Lehrer meint, es würde sich schon gut entwickeln.“ Dieses Urteil gab erstaunlich gut Phaeneas‘ Einstellung zu sich wieder: auf unspektakuläre Weise unüberzeugt von sich selbst. „Angeblich geht jeder Schüler diesen Weg, der eine schneller, der andere weniger schnell. Aber ... für deine Briefe würde es noch lange nicht reichen, Herr, ich stoße bei dem, was ich schreiben will, noch recht oft, das heißt viel zu oft an meine Grenzen.“

    Unter seinen Füßen, die mit leichten Schritten dem Tablinum entgegenstrebten, die Flure der Domus, die gewohnte Umgebung, an der er vorbeikam. Phaeneas jedenfalls war in Gedanken schon längst dort, wo er gerade hinging. Es war schwer für ihn zu begreifen, aber was er fühlte war Vorfreude. Er freute sich immer, Lucianus zu sehen. Und es gab keinen Nachmittag, an dem er sich nicht freute, wenn Lucianus wieder von der Arbeit zurückkommen würde.
    Phaeneas war also auf dem Weg zum Tablinum und machte dabei einen recht munteren, sonnigen Eindruck.
    „Herr!“ Ein Schmunzeln flog über Phaeneas‘ Gesicht, als er in Lucianus‘ Arbeitszimmer war.
    „Ich hab hier etwas für dich“, redete er weiter und ging an ihn heran. „Es ist wieder mal ein Brief für dich eingetrudelt. Hier, bitte sehr!“ Und legte die Schriftrolle vor Lucianus ab.




    An
    Marcus Vinicius Lucianus
    Legatus Augusti pro Praetore
    Provincia Germania


    Salve Lucianus,


    Es ist ein besonders freudiges Ereignis, das mich den Griffel schwingen läßt, um Dir zu schreiben. Schon lang haben wir keine Worte mehr ausgetauscht. So bleibt es mir zu fragen wie es meinem geliebten Germanien geht und ob Du und Deine Frau gesund seid. Was macht der Winter und wie steht es um die Versorgung der Städte, wie verhalten sich die außerrömischen Nachbarn und was für Neuigkeiten gibt es sonst noch?


    Aus Rom möchte ich Dir davon berichten, das ich erneut Vater geworden bin. Lucilla schenkte mir einen Sohn auf dem Landgut ihrer Großtante. Noch lebt sie dort und ich darbe hier sozusagen allein in Erwartung ihrer und des Knabens Rückkehr.


    Noch ist der Winter milder als gedacht und die Versorgungslage der Stadt üppig. Ich hoffe das es das auch bleibt.


    Ich spiele mit dem Gedanken im nächsten Sommer evtl. für einige Wochen in die Heimat nach Mogontiacum zu kommen.


    Solltest Du zu einer Antwort Zeit finden, ich würde mich freuen. Bis dato verbleibe ich mit Grüßen aus der ewigen Stadt Rom,




    Phaeneas, der sein Gewicht inzwischen wieder mehr auf das linke Bein verlagert hatte, ließ die beiden über die Schwierigkeit mit dem (bestehenden) Patronat diskutieren und hörte mit halbem Ohr zu, prinzipiell waren ihm solche Angelegenheiten doch etwas zu speziell.
    Er hatte den Verdacht, dass Reatinus inzwischen in der Karriereleiter ganz schön nach oben gekommen sein musste. Auch wenn Lucianus die Neigung hatte, was Patronate anbelangte manchmal etwas unnachvollziehbare Entscheidungen zu treffen, man denke nur an diesen einfachen Soldaten (der inzwischen längst kein einfacher Soldat mehr war), den der Herr in sein Klientel aufgenommen hatte, dann vermutete Phaeneas doch, dass sich in Reatinus’ dienstlichem Leben einiges getan haben musste.
    Letzten Endes: Das Patronat war beschlossene Sache. Auch wenn genau dieser Aspekt bisher nicht groß Thema gewesen war, fast ein bisschen wie nebensächlich war es mitgelaufen ...

    „Du darfst nicht“, meinte Phaeneas gleichhin, auch wenn es ihm insgeheim weit weniger egal war.
    Glücklich, oja, insofern, dass er nicht in einem Bergwerk, Steinbruch oder auf einem Landgut arbeiten musste, hatte er wirklich Glück. Dort hätte aber auch wahrlich niemand lange Freude an ihm. Auch wenn Phaeneas auf seine Art zäh war und so manches durchgestanden hatte, was nicht immer unbedingt durchzustehen war, bei so einer Arbeit würde er bald zugrunde gehen, dass wusste Phaeneas ganz genau.
    Wofür, tja wofür? Auf diesen Gedankengang hätte Phaeneas dem fremden Germanen etwas sehr scharfes erwidern können. Davon abgesehen, dass der bithynische Sklave sein Leben generell als recht sinnlos empfand, wusste er nämlich recht genau, wofür er all das tat und klaglos ertrug, was das Leben ihm abverlangte: um zu leben, und das möglichst gesund und unversehrt. Der Optimalzustand war sowieso unerreichbar.
    Auch jetzt, wo er Lucianus gehörte, der gerecht und großzügig mit seinen Sklaven umging, fühlte er sich immer noch müde und ausgelaugt und er spürte die Schmerzen, die tief aus seinem Inneren kamen und auch dann nicht aufhörten, wenn es Phaeneas von den äußeren Umständen her gut ging.
    Nur um zu leben und nicht allzu sehr geschunden zu werden, dafür nahm er alles auf sich, was sein Dasein mit sich brachte. Nur um weiterzuexistieren, so wie seine Mutter ihn beschworen hatte. Alle ihre Bemühungen, alles was sie getan hatte war nur darauf ausgegangen, dass er lebte. Das hatte sie ihm innigst ans Herz gelegt, zu leben und alles dafür zu tun um zu leben, und es war das einzige, was sie je mit solchem Nachdruck von ihm verlangt hatte.
    Es war auch das einzige, worauf ein Sklave hoffen durfte, zu leben und Gnade zu finden. Jede andere Hoffnung war vermessen und naiv und konnte nur in einer Enttäuschung enden.
    Aber allein schon seiner Mutter und ihren Bemühungen zuliebe musste er leben, leben, um jeden Preis. Schlicht nur das.
    „Welchen Grund oder welchen Anreiz könntest du dir dann bei Sklaven vorstellen, die Herrschaften in ähnlichen Verhältnissen haben wie ich, und vor allem – wie soll das bei eben Bergwerkssklaven aufgehen?“, erkundigte sich Phaeneas, für den noch nicht so recht zusammenpasste, was der Fremde ihm bisher dargelegt hatte, und der bisher noch nicht viel mehr nach außen hin gezeigt hatte, als eine letzten Endes nichtssagende Fassade und ein paar künstliche Regungen, und der sich nie dazu hinreißen lassen würde, Entsetzen offen zu zeigen. Dazu müsste ihm schon Lucianus etwas auf den Kopf zu sagen, was den Bithynier wirklich tangierte, und auch das würde er nur ernst nehmen, weil es ihm jemand sagte, den er seinerseits ernst nahm.
    „Was man nach einer Freilassung dann hat, hängt davon ab, was der einstige Herr hat. Jemanden komplett ohne Unterstützung aus dem Haus zu schicken, würde schließlich bedeuten, ihn schutzlos dem Leben preiszugeben - was ja mehr Strafe als Belohnung wäre“, erklärte Phaeneas. „Auch was der Herr gesellschaftlich zählt, ist für einen Freigelassenen von Bedeutung – aber nicht nur für einen Libertinus“, endete er mit einer leichten Andeutung.
    Menschen und Unmenschen ... worauf wollte er denn damit hinaus? Gerade noch hatte er vom Legionsdienst gesprochen, dann den Minen und jetzt das, diese ... „Kreuzleute? Was meinst du?“

    Natürlich bemerkte Phaeneas das Nicken, er, der er es gewohnt war nicht beachtet zu werden, diese kleine Aufmerksamkeit entging ihm nicht und er erkannte, dass sie ihm galt. Es wäre dem Sklaven zu viel gewesen, wenn Reatinus ihn in dieser Situation direkt angesprochen hätte, aber diese dezente Geste freute ihn. Sein Gesicht blieb wie es war, neutral, mit diesem melancholisch-verträumten Zug, der sich kaum daraus wegdenken ließ, doch insgeheim freute er sich, und er nickte zurück. Leicht nur und auch unscheinbare Weise, aber bestimmt.


    Ah, um ein Patronat ging es. Das würde dann bedeuten, dass Reatinus hier öfter aus- und eingehen würde, stellte Phaeneas mit Belustigung fest. Das Leben spielte manchmal wirklich seltsame Spiele. Nur dass er diesmal lachen konnte.
    Als Lucianus sich an ihn wandte, nickte der Bithynier und machte sich auf in die Küche, um Berenice und die anderen dort aufzumischen ...
    Etwas später kam Phaeneas dann ins Atrium zurück. Wie erwartete war Berenice nicht zu überfordern und hatte schnell etwas zur Hand gehabt, das Phaeneas jetzt auf etwas abenteuerlich wirkende Art und Weise hereintransportierte. Zwei größere Gefäße, Becher dazu, und einige Schalen und ein Teller mit Dingen wie Trauben, Nüssen, Birnen und nahrhafteren Kleinigkeiten.
    Nachdem der Sklave das ganze entsprechend auf dem Tischchen plaziert hatte, kehrte er zurück an seinen vorherigen Platz. Vielleicht ging Phaeneas zu gerade dieser Stelle zurück, weil es ein wenig den Eindruck erweckte, als wäre nie etwas gewesen.

    An der Tür war er nicht gewesen, aber jetzt erschien er. Phaeneas betrat das Atrium und nahm die Position des obligatorisch anwesenden Sklaven ein.
    Während er noch beim Hergehen halb in Gedanken gewesen war, wollte er jetzt zumindest einen kurzen Blick auf die Szene werfen. Einen knappen nur, denn das wichtigste wusste er ja schon, Lucianus war da und eben noch irgendeiner, der etwas von ihm wollte. Der Rest war ja egal.
    Als er also aufsah – der Fußboden hatte gerade noch seine Überlegungen unterstützt – war Phaeneas doch ganz schön überrascht: Das war ja Raetinus! Wie kam der denn hierher! Er überlegte weiter: Was war er noch mal gewesen, Optio? Und was hatte Antias gesagt? Der Bithynier wusste es nicht mehr recht.


    Es war bestimmt das erste Mal, dass es Phaeneas nicht so gut wie gleichgültig war, wer da zu seinem Herrn kam – was kümmerte es ihn schließlich, was hatte es mit seinem Leben zu tun? – jetzt, wo Raetinus hier im Atrium stand, und ihn an einen Abend erinnerte, der so eigentlich nicht hätte stattfinden dürfen, aber Phaeneas trotzdem angenehm in Erinnerung geblieben war.