Beiträge von Phaeneas

    Der Licht der Taberna leuchtete noch ein Stück weit in die Finsternis, schien aus Fenstern und Türschlitzen und erhellte den Bereich unmittelbar vor der Taberna. Phaeneas blickte nach oben. Mitten in einen pechschwarzen Himmel gebettet glitzerten die Sterne. So ließ es sich aushalten: Dunkelheit vor der Nase, zum Greifen nah, und über einem der nächtliche Himmel. Für Phaeneas ein seltener und dafür umso mehr genossener Augenblick. Auch wenn er ihn eigentlich gar nicht erleben dürfte ... Nur noch besser wäre es, wenn es nicht so kalt wäre. Der Bithynier verschlang sofort die Arme.


    Was Phaeneas in jedem Fall genoss, war was das Leben ihm zur Zeit bot: ruhig und friedlich war es, niemand, der immer neu etwas forderte, vor dem man sich ständig verantworten musste, vor dem man jedes Mal wieder auf dem Prüfstand stand. Keine Bedrohung von allen Seiten, nicht Missgunst und gegenseitiges Belauern unter seinen Mitsklaven. Jeden Morgen ein geregelter Tag ohne unangenehme Überraschungen oder spontane Wendungen, ein Herr, der nicht Welten entfernt, sondern erreichbar war, sogar für einen Sklaven.
    Aber Phaeneas hatte eine stille Art zu genießen - es brauchte ja niemand zu wissen, dass es da so manches gab, woran er momentan sehr hing. Phaeneas jedenfalls sah es so.


    So trennten sich Soldat und Sklave, jeder in eine andere Richtung, wie gesagt in ein anderes Leben. Dunkelheit empfing den Bithynier, als er aus der Reichweite des Lichts trat, empfing ihn wie eine vertraute Empfindung, wie ein flaumig weiches Element, das alles umgab, eine flauschige Decke, nur bestehend aus fehlender Helligkeit.
    ‚Also auf, zur Regia!’, meinte Phaeneas zu sich selbst und es kam mehr einer Schelte gleich.
    Bestimmten Schrittes entfernte sich Phaeneas, stapfte weiter in die Nacht hinaus und genoss dabei das angenehme Gefühl, von Finsternis ganz umfangen zu sein, ein Schatten in der Nacht zu sein, der ganzen Welt zugehörig und doch nur ganz für sich allein. Das Auge glaubt alles zu sehen und sieht doch nichts, man glaubt alles zu hören, obwohl kein Laut die Stille durchdringt ... zumindest nicht da, wo der bithynische Sklave seinen Weg heimwärts nahm.

    Ah, von der Legio! In Anbetracht der Tatsache, dass hier ja nur hohe Viecher aus- und eingingen (wenn man mal von den Sklaven absah), war der Dienstgrad eigentlich kein wirkliches Wunder!
    „Komm herein!“, forderte Antias den Artorius auf und fügte mit einem Lächeln hinzu: „Bitte mir zu folgen.“ Er wartete aufmerksam darauf, bis der Praefectus zu ihm aufgeschlossen hatte, dann drehte er sich um und führte den Besucher leichten Schrittes ins Atrium.

    So brachte Antias den Praefectus in ein recht ansehnliches Atrium und ließ ihn dort allerdings recht bald wieder allein. „Du kannst dich in der Zwischenzeit gerne schon einmal setzen“, ergriff der Sklave vorher noch das Wort, wobei der muntere Gesichtsausdruck bestehen blieb. Und er bot ihm einen Platz an, der genauso wenig zu wünschen übrig ließ wie der restliche Raum. Eben etwas ganz anderes als die Hocker in den Sklavenräumen – die Herrschaften und ihre Gäste wurden wahrlich bequem gebettet. „Der Herr wird sich gleich deiner annehmen, einen Moment nur!“, verabschiedete sich Antias und deutete eine leichte Verbeugung an.

    Es war Antias, der öffnete, ein junger Sklave des Hauses, das braune glatte Haar in der Mitte gescheitelt, und der sich des Klopfenden annahm.
    Phaeneas, der das Regiment hier im Haus auf seine ganz eigene Art wahrnahm, schien in manchen Kleinigkeiten gern andere vorzuschicken, beobachtete Antias. Manchmal war er versucht zu vermuten, dass Phaeneas keine Lust hatte - aber diese Mutmaßung vertrug sich nicht mit der eisernen Disziplin, die der oberste Sklave zumeist in Sachen Pflicht an den Tag legte und die Antias manchmal eher schon für ungesund, das heißt krankhaft hielt. Keiner hier im Haus nahm es mit der Verpflichtung gegenüber dem Herrn Lucianus derart genau, wie der Leibsklave aus thrakischen Gefilden, alle taten sie es gern, wie auch Antias, aber niemand sah es für nötig, derart eisern auf die eigene Pflicht zu schauen.


    „Salve, du wünschst?“, fragte der Sklave und klang dabei auf eine beiläufige Art und Weise unbeschwert. Er sah es als das an, was es war, eine Abwechslung seines Alltags, die ihn für diesen Moment von seinen sonstigen Aufgaben befreite.

    Der Wirt war erwartet schnell da, wusste auch gleich, was er wollte, mit wenigen Worten war das geklärt. Phaeneas verfolgte die Szene, so wie er oft stiller Beobachter war. Das Geld wechselten seinen Besitzer, dafür hatten sie davor die Getränke gehabt.
    Manchmal fand Phaeneas diese Welt ein wenig absurd. So ziemlich alles, was das Leben deren, die Geld besaßen, auszumachen schien, schien etwas zu kosten. Phaeneas’ Leben verlief so jenseits jeden Geldes. Er selbst, er kostete, ja. Aber das, was sein Leben für ihn ausmachte, wirklich ausmachte, dafür hatte er noch nie Geld gebraucht. Deshalb hatte er auch nie den Ehrgeiz gehabt an welches heranzukommen und vielleicht damit zu wirtschaften. In der Hinsicht war er ein fauler Sklave, weil er kein bisschen Ambitionen hatte, über seine Pflicht hinaus etwas nützliches aus seinem Leben zu machen. Die einzigen zwei Dinge, die ihn im Leben je dauerhaft kümmerten, konnte er sich durch Ehrgeiz auch nicht zu erhalten: sein Frieden und die Unversehrtheit seines Körpers.


    Ein zufriedener Wirt verließ den Tisch und kehrte an seinen Tresen zurück, aber nicht ohne die zwei späten Gäste weiterhin aufmerksam anzublicken. Übersetzt: „Dass ihr mir auch ja nicht vergesst zu gehen!“
    Phaeneas stand auf und warf einen Blick zur Tür. „Na dann, Raetinus, raus hier aus der warmen Stube, in die Kälte, wo der Wirt uns hinjagt.“ Seine Worte waren in erster Linie spöttisch und dementsprechend nicht ernst gemeint.
    Die letzten schön warmen Schritte, das, weswegen er überhaupt hereingekommen war, draußen empfing den Bithynier ein Schaudern und er fröstelte. Er wandte sich an seinen Weggenossen für eben diese letzten Schritte: „Vale, Raetine, einen guten Heimweg und ... genieß dein Leben.“ Die Betonung lag auf ‚dein’. Sofern es in einem Leben überhaupt etwas zu genießen gab. Jedenfalls war das eine abschließende Anspielung auf ihre vorherige Diskussion.


    Sim-Off:

    Edit: Im Lateinischen nicht ganz optimal ...

    Phaeneas nickte Raetinus auf dessen vielleicht etwas zu bescheidene aber dafür umso bewusster gesprochene Erwiderung zu und wandte sich seinem Getränk zu.
    Dabei ließ den Abend noch einmal Revue passieren. Auch wenn das ganze etwas ungewöhnlich und vielleicht unter nicht unbedingt optimalen Umständen zustande gekommen war, war es doch eine angenehme Begebenheit gewesen.
    Ein Soldat war Raetinus, ja, aber Phaeneas beschloss ihm das großzügig zu verzeihen, schließlich konnte man sich privat sehr schön mit ihm unterhalten.
    In einem letzten Zug leerte der Bithynier seinen Becher. Er stellte ihn wieder auf dem Tisch ab und schob ihn ein wenig in die Mitte hin zu.


    Gemeinsam betrachteten sie den Wirt, wie er zu den beiden herübersah. Es war wirklich ein wenig zum Erschrecken, aber Phaeneas war heute so ziemlich alles egal – na ja gut, das war für den Bithynier nichts wirklich neues, aber heute perlte wirklich jede unerfreuliche äußere Gegebenheit an ihm ab, es war ja schließlich eh schon egal.
    Der Wirt starrte jedenfalls mürrisch zu ihnen herüber und sie schauten zurück. „Dem steht, glaube ich, nichts entgegen“, meinte Phaeneas. „Der wartete nur auf deinen Wink.“


    Sobald Raetinus gezahlt haben würde, stand dann jedenfalls der Heimweg an. Mit Schaudern dachte der bithynische Sklave an die Kälte, die ihn draußen erwartete. Doch im gleichen Augenblick ging ihm auch auf, dass es in Hinblick auf die späte Stunde draußen auch dunkel sein musste – und in Germania war Dunkelheit noch einmal etwas ganz eigenes. Phaeneas hatte also allen Grund sich auf genau den Moment zu freuen, in dem ihn die Finsternis umfangen würde

    Der Bithynier erwiderte das Schmunzeln, auch wenn das seine einen stark ironischen Zug hatte.
    „Das habe ich nicht gesagt, von nur habe ich nicht geredet“, kam bald Phaeneas’ Einspruch. „Ich wollte nur sagen, dass es nicht alle Sklaven mit der Treue gleich halten.“
    Phaeneas war realistisch genug, um zu wissen, dass das Wohlergehen des Herrn nicht von der Arbeit eines einzelnen abhing.
    Außerdem ... „Den Herrschaften, denen ich bisher gedient habe, ging es schon gut, und zwar so, dass es da auch nicht wirklich Grund zur Besorgnis gab, und um die Sklaven wäre es auch nicht besser gestanden, egal wie sie sich angestrengt hätten.“ Nüchterne Erfahrungsberichte, jenseits aller wenns und vielleichts – aus der römischen Welt.


    ... seiner bewusst ... dass dem nicht so ist ... integriert ... Dafür dass seine Sprachkenntnisse insgesamt stark zu wünschen übrig ließen, benutzte der Germane ganz schön komplizierte Worte und Redewendungen. Und gerade da machte er erstaunlicherweise keine Fehler. Eine seltsame Art eine Sprache zu lernen.
    Phaeneas nahm schließlich seine linke Hand noch mit hinzu, um den rechten Unterarm zu wärmen. Sommer ade – vale, mein Bester!
    „Wer braucht Sklaven, wenn jeder das tut, was ihm Spaß macht?“, formulierte der Bithynier seine vorhin gestellte Frage in einem etwas anderen Zusammenhang.


    Herrje, dieser Mann hier konnte Fragen stellen - jedenfalls konfrontierte sich Phaeneas gewöhnlich nicht mit derartig unsinnigen Dingen. Als Phaeneas antwortete, wölbte sich sein Mund leicht rund, eine erneut etwas gespielte Regung, die etwas von Erstaunen hatte, „Oh, man kann Sklaven ab einem Alter von 30 Jahren freilassen, aber man muss es nicht. Doch es ist generell eher unüblich, Sklaven so bald freizulassen, die meisten Freilassungen geschehen später, nachdem man sich gut von ihrer Treue und Zuverlässigkeit überzeugen hat können und wohl auch entsprechend profitiert hat. Wann es bei mir so weit wäre, keine Ahnung“, fügte er betont beiläufig an. „Na ja, 30 Jahre, das wäre dann wohl demnächst irgendwann ...“
    Mit Schrecken bemerkte Phaeneas diesen etwas unangenehmen Umstand. Oh, tatsächlich. Er wäre ja der, der am ehesten in Frage käme. Tja, nun ja, Phaeneas vergaß ... nein verdrängte regelmäßig, dass er ja der wichtigste unter den Sklaven war. Dementsprechend war er auch die Nr. 1 in Sachen Freilassung ...

    „Ja, das stimmt. Und spätestens dann wäre es auch nicht mehr so wichtig, wie man sich entscheidet ...“
    Raetinus hatte gut lachen. „Na, das beruhigt mich ungemein!“ Der Wirt kam auch schon, wie ein unentrinnbares Schicksal, und schob ihnen die zwei Becher Wasser hin. Na ja, jetzt war es auch schon egal. Phaeneas nahm etwas zögernd seinen Becher. „Dann bedanke ich mich, Raetinus“, ergriff er erneut das Wort. Vorsichtig nippte er daran. Die weit fortgeschrittene Zeit war ihm unangenehm. Außerdem nahm er ungern etwas an.
    Raetinus nahm seine Wote hin. Worum Phaeneas letztendlich froh war. Das erleichterte ihm und Raetinus einiges. Raetinus machte sich keine Hoffnungen auf etwas, wovon der Bithynier sowieso kaum wusste, was er sagen sollte, und der Sklave brauchte sich nicht die Mühe zu machen, ein verdecktes Spiel mit ihm zu spielen geschweige denn ihn anzulügen.
    Somit beließ auch er es dabei, nichts zu antworten, und trank weiter ein paar Schlucke Wasser, von dieser wundersamen Flüssigkeit, die so schlicht war und Phaeneas doch jedes Mal so bemerkenswert fand.
    „Wir sollten uns dann langsam aufmachen, um auch eines Tages wieder nach Hause zu kommen ...“, bemerkte er. „Denn sonst wird uns der Wirt nicht mehr nur für verrückt erklären, sondern bald sehr deutlich loshaben wollen.“ Ein wenig verschmitzt wirkte Phaeneas doch dabei.

    Der Fremde behauptete, es interessierte ihn nicht ... Aber natürlich, es interessierte ihn nicht, aber er fragte. So wie es eben immer war.
    Tja, und da sagte er gerade das ganz Falsche. Insgesamt gesehen.
    Es war typisch. Typisch, dass sich diese Germanen Gedanken über Dinge machten, um die sich Phaeneas wahrlich keinen Kopf machte. Derartige Nebensächlichkeiten waren doch wahrhaft nur hinderlich.
    Denken Eigentum. Das dachte man nicht lange, das war man.
    „Servitium, Sklaverei heißt es“, korrigierte er zwischendurch. „Oder servitus.“
    „Certo. Sicherlich“, warf er dann auf das richtig hin ein und benutzte damit eine seiner Lieblings-Antworten, gleich nach „Ja, Herr/in.“, „Nein, Herr/in.“ und „Natürlich, Herr/in.“. Er liebte es, alles als ganz selbstverständlich hinzustellen. Je selbstverständlicher desto besser, auch wenn die Sache, um die es ging, nicht unbedingt so optimal war.
    ‚Das kann dem Rhenus ja auch egal sein’, dachte der Bithynier bei sich, ‚solange er nur fließt.’ und blickte auf den Fluss.
    Dann wandte er das Gesicht wieder seinem Gegenüber zu. „Wenn jeder Sklave so denken und sich so verhalten würde, wie du es beschrieben hast, gäbe es dann aufsässige oder flüchtige Sklaven?“ So viel bemerkte Phaeneas vorneweg.


    Spontan erinnerte er sich, dass es, vor allem hier am Fluss, generell eigentlich kühl war – wie ihm jetzt wieder auffiel. Die Faszination des Wassers hatte ihn glatt die Kälte vergessen lassen. Und dieser Mann hier hatte ihn bisher auch entsprechend gut abgelenkt, dass ihm gar nicht mehr aufgefallen war, wie kalt es ihm doch war. Dafür wusste er’s jetzt wieder. Prompt fand Phaeneas’ rechte Hand ihren Weg zum linken Oberarm, als ob das einen großen Unterschied machte.
    An die Frage des Germanen anknüpfend fuhr Phaeneas seinerseits mit einer Frage fort: „Warum? Meine Güte, wofür ist ein Sklave Sklave?“

    Der bithynische Sklave nahm ihr den Brief ab und machte sich natürlich wenig aus den zarten, wohlgepflegten Händen der Ehefrau seines Herrn, versicherte nur: „Natürlich nicht, Herrin.“ und rief sich noch einmal ins Gedächtnis, in welcher seiner Hände, die bestenfalls etwas rau waren, er welchen Brief hielt: In der linken hatte er die Schriftrolle von Lucianus, in der rechten die seiner Gattin.
    Dann drehte er sich um und kam dem nach, was ihm in zweifacher Ausführung aufgegeben worden war: dem Abgeben der Briefe beim Cursus Publicus.

    „Salve, guter Mann“, sagte Phaeneas zu dem Nächstbesten im Postofficium, „Diese zwei Briefe sollen nach Rom verschickt werden.“ Er schob die Schriftrollen hinüber. Das praktische an so einer Wertkarte war ja, dass man nicht jedes Mal einzeln zahlen musste. Die Herumhantiererei mit Geld konnte man sich folglich sparen.


    Sim-Off:

    Den Brief für Lucianus wie üblich von der Wertkarte abbuchen. Die Gebühr für den von Paulina ist schon bezahlt.



    Ad
    Titus Aurelius Ursus
    Casa Aurelia
    Roma
    Provincia Italia



    Salve, Client!


    Zu allererst meine Gratulation zu deiner gewonnen Wahl. Mögest du dein Amt mit Würde ausfüllen und deine Aufgaben gewissenhaft meistern. Richte dem Consul meine Grüsse aus, ebenso wie von meiner Gattin.


    Zum Zweiten danke ich dir für die Flut an Informationen, es ist immer gut, auch andere Quellen, als die Acta zu haben.


    Was deinen Gedanken angeht, dir einen Sklaven anzuschaffen, hätte ich da ein Angebot für dich. Crinon, ein Saklve in meinem Haus hat sich schon lange als guter Leibwächter meiner Frau hervorgetan. Aus Gründen die nur Frauen verstehen, will sie ihn aber nicht mehr um sich haben und da ich für ihn keine andere gleichwertige Verwendung habe, könnte ich ihn dir überlassen.
    Allerdings hat er mir damals eine horrende Summe gekostet und ich würde ungern einen allzugrossen Verlust machen. Vielleicht möchtest du mir ja ein Angebot für ihn unterbreiten.


    Ich hoffe, Dir und Deiner Familie geht es gut und erwarte mit Spannung weitere Berichte aus Rom.


    Mögen die Götter stets mit Dir und den Deinen sein,


    Vale,




    An Aelia Vespa
    Domus Aeliana, Palatinum
    Rom


    Salve Vespa, meine liebste Freundin!


    Wie sehr ich mich für Dich freue. Was für eine herrliche Nachricht es ist, dass Du heiratest. Wie sehr ich Dich um diesen wundervollen Tag beneide. Ich würde viel dafür geben meine Hochzeit noch einmal erleben zu dürfen, und noch mehr, bei Deiner dabei sein zu können.
    Leider geht das nicht. Meine Verpflichtungen halten mich hier in Germania Superior fest. Leider. Es tut mir so leid.
    Ich wünsche Dir von ganzem Herzen das Allerbeste und liebe Grüße auch an Deinen Ehemann.


    Deine Aelia Paulina


    MOGONTIACUM - ANTE DIEM VI KAL OCT DCCCLVIII A.U.C.
    (26.9.2008/105 n.Chr.)

    Phaeneas fragte sich, ob er nicht vielleicht doch ein Brandzeichen oder so etwas ähnliches auf der Stirn hatte und es bisher nur übersehen hatte. Das war nun schon der zweite, der ihn nach ein paar Sätzen darauf ansprach. ‚Schau, Phaeneas’, versuchte er sich dieses Phänomen möglichst plausibel zu erklären, ‚das hier ist Germania, das ist Provinz, da ist so einiges anders als in den römischen Kerngebieten. Darüber solltest du dich nicht weiter wundern. Hier ist man die Heerscharen an Sklaven, die nun mal zu einem wohlhabenden Römer gehören, nicht gewöhnt. Da fällt ein einzelner Sklave vielleicht viel mehr auf. Allein schon weil hier die Anonymität nicht so groß ist.’ Trotzdem wunderte es ihn, wie man hier so ein Auge für so etwas haben konnte. Flüchtige Sklaven machte man besonders kenntlich, aber ansonsten unterschied sich ein Sklave äußerlich kein bisschen von den Übrigen. Was trug er denn anderes als jeder andere sonst? Welcher römische Bürger riss schließlich schon extra seine kompliziert anzulegende Toga heraus, wenn er einen Abendspaziergang machen wollte?
    „Ja“, bestätigte Phaeneas. „Ja, ich bin Sklave.“ Allerdings weniger in beiläufigem Erzählton. Mehr in etwa so wie man die als allzu neugierig empfundene Frage eines Kindes beantwortete und langsam wieder seine Ruhe haben wollte. „Was ist schon damit? Warum interessiert dich das?“

    Phaeneas’ erster Eindruck war: Er hörte immer wieder seinen Namen, in den Satzzusammenhang eingebettet, seinen Namen, den er eigentlich sehr mochte, weil es so ziemlich das Einzige war, was ihm noch niemand in Frage gestellt hatte.


    ‚Lieber’ Phaeneas? So hatte ihn noch nie jemand genannt, von seinen Herrschaften sicher nicht. Warum war er jetzt plötzlich der ‚liebe’ Phaeneas und vor allem, wofür?


    Grundsätzlich: Phaeneas unterstellte anderen ja nur selten Böses. Solang es ihm nicht ans Leben ging oder anderweitig für ihn gefährlich zu werden drohte, machte er sich nicht großartig Gedanken. Doch diese – geschnurrten - Töne machte sogar ihn stutzig.
    Phaeneas’ Augenbrauen schoben sich um ein kleines, winziges Stück nach oben. Wenn es nicht die Herrin wäre, die vor ihm stand, hätte er sie sicher, irritiert wie er war, ganz hochgezogen.


    Als er dann hörte, was ihr Anliegen war, war er doch überrascht, wie gut das Leben bisweilen zu planen fähig zu sein schien:
    Ach, Lucianus’ Gattin hatte auch einen Brief und der sollte ebenfalls nach Rom, sieh an. – Das traf sich nicht nur gut, das traf sich perfekt.
    „Sicherlich, Herrin“, bestätigte Phaeneas. Natürlich wollte er – aber immer doch. Gerade in diesem Moment wäre es hirnrissig nicht zu wollen, selbst für einen Sklaven-wider-Willen wäre es in diesem Fall unnötige freiwillig auf sich geladene Mühe, auf ein Nein zu bestehen.

    Da rief auch schon die Gattin des Herrn nach ihm. Mit dem Brief in der Hand, der nach Rom sollte, kam er ihrem Ruf nach und damit zu ihrem Cubiculum. Nachdem er geklopft hatte, trat er ein.


    "Ja, Herrin?", meldete er sich pflichtschuldig, in geduldiger Erwartung, was sie wollte.


    Lucianus' Brief musste dann eben warten, das konnte er später immer noch erledigen, bedachte Phaeneas bei sich, mit kurzem Blick auf die Schriftrolle. Das war das Praktische daran, wenn man Sklave war, es eilte nichts, grundsätzlich. Um seine Zeit tat es ihm nie leid, weil es ja irgendwie nicht seine war, er hielt sich ja nur für andere auf. Na ja, vielleicht lag das auch nur daran, dass ihm generell egal war, was andere von ihm wollten. Mochten sie doch alle wünschen wie sie wollten ...

    Während er noch sprach, griff Lucianus nach Feder und Papyrus und begann zu schreiben.
    Phaeneas sah ihm von der Seite her zu.
    Der bithynische Sklave hatte vom Schreiben ohnehin keinen Begriff. Er für seinen Teil glaubte, dass ein gewisses Maß an Konzentration dafür nötig war. Jedenfalls war er überzeugt, dass er selbst es auf alle Fälle nötig haben würde. Eben noch verschärft durch die Tatsache, dass er keine Ahnung davon hatte, wie man Buchstaben aneinanderreihte, war es für Phaeneas unfassbar, wie man schreiben und nebenher auch noch zuhören und das Gesagte verstehen konnte.
    Phaeneas nahm die Schriftrolle entgegen. Dann nickte er: "Gut, Herr, ich kümmere mich darum!"


    Eilends zu kommen und eilends zu gehen hatte den Vorteil schnell wieder aus Reichweite des Herrn zu kommen, was der Bithynier oft als sehr vorteilhaft erlebt hatte. Phaeneas jedenfalls beeilte sich nicht übermäßig, als er Lucianus wieder allein ließ.
    Kaum dass er das Tablinum verlassen hatte ...

    Es wurde langsam schwierig, dem Germanen zu folgen. Darüber hinaus machte der auch den Eindruck als würde es für ihn selbst immer mühsamer, die (richtigen) Worte zu finden.


    Er hatte Phaeneas hier noch nie gesehen. Na, das war mit Sicherheit kein Grund deprimiert zu sein. Der Bithynier legte keinen Wert darauf, dass jeder seiner Schritte registriert wurde. Nein nein, es störte ihn gar nicht, dass dieser Mann hier vor ihm ihn noch nie bemerkt hatte, es war ihm schließlich nur recht, nicht aufzufallen. Mochte es manchen Spaß machen, im Mittelpunkt zu stehen, die halbe Welt um sich zu scharen, Phaeneas hatte die Erfahrung gemacht, dass es klüger war, unauffällig zu sein. Man zog keinen Neid auf sich, wurde nicht zu leicht Opfer der Missgunst anderer und darüber hinaus hatte man prinzipiell mehr von seinem Leben für sich, weil einem eben nicht jeder zusah.


    „Hm, allzu oft bin ich nicht hier am Hafen, am Rhenus“, erwiderte Phaeneas, etwas unnatürlich vielleicht für seine Verhältnisse, tangierten ihn doch schließlich selten diese Kleinigkeiten, um die sich manche der Höflichkeit halber Gedanken machten, „aber immer wieder von Zeit zu Zeit mal.“


    Der Sklave wollte sich lieber gar nicht vorstellen, wie es wäre, müsste er germanisch reden. Aber wenn es sein musste, lernte man alles, diese Erfahrung hatte er oft im Leben gemacht.
    Zum Glück war der andere hier derjenige, der eine ihm fremde Sprache sprechen musste.

    Das Schöne an solchen Floskeln war – was hätte der Hadrianer auch anderes wollen können? Mehr als der Herr stand letzten Endes nicht zur Auswahl.
    Und Phaeneas durfte jedes Mal wieder dumm danach fragen. Seltsam, im Allgemeinen schätzte man Beschränktheit bei Sklaven weniger, in manchen Fällen aber doch.
    In manchen Dingen verstand Phaeneas die Welt, die ihn umgab, nicht. Was die Menschen erwarteten und auch wie sie handelten war oft so paradox.
    Zu wirklicher Konsequenz schien diese Gesellschaft schlicht nicht fähig zu sein. Die Gesellschaft, in die Phaeneas so schön eingebettet schien. Er, der er als kleiner Junge allmählich in sie hineingewachsen war, die Aspekte dieser Gesellschaft mehr und mehr in sich aufgenommen hatte, und sich nach ihr gerichtet hatte. In so mancher Hinsicht verstand er sie nicht.


    Der Sklave machte eine einladende Handbewegung ins Innere des Hauses. Weil ihm diese Geste so altgewohnt war, wirkte sie ein wenig lässig.
    Intra. Tritt ein.

    Phaeneas führte den Klienten ins Atrium, auf dass er Gelegenheit dazu erhielt zu können, was er mochte.
    „Wenn du dich bitte setzen möchtest“, forderte er ihn auf und ließ ihn auch schon prompt allein, um dem zu berichten, den er sprechen - mochte.