Mehr als einmal hatte Onkel Cotta in Sisenna große Erwartungen über die Ankunft gleich vieler Familienangehöriger aus Germanien geweckt, sie sogar ins Unermessliche gesteigert. Sie opferte am Hausaltar Teile ihres Frühstücks, betete lange und hoffte, damit die Götter zur Heimkehr ihrer Mutter und ihres Vaters bewegen zu können.
An dem bewussten Tag wurde sie ausgerechnet in dem Moment gebadet, als die Kutschen vorfuhren. Sie trieb die Sklavinnen an, sich zu beeilen, aber das Abtrocknen und neu Einkleiden dauerte länger als es ihr lieb war. Sie zappelte vor Ungeduld, was die Sklavinnen eher behinderte als vorantrieb. Als sie der Meinung war, fertig zu sein, lief sie los, riss die Tür auf und rannte in das Untergeschoss, aus dem Stimmen zu ihr drangen. Die noch nicht gebundene Kordel ihres Kleides flatterte in ihrem Rücken.
Außer Atem erreichte sie das Triclinium und prallte gegen einen der Sklaven, der sich gerade anschickte, mit leeren Tablett in die Küche zurückzukehren.
„Au!“, rief sie in weinerlichem Ton und fasste sich an die schmerzende Stirn, die an die Tablettkante gestoßen war. Mit der anderen hand schubste sie den Sklaven zur Seite, was mehr dessen Schreck als ihrer Kraft zu verdanken war.
Ihr Blick wanderte von einem zum anderen. Zwar entdeckte sie ihre Schwester, aber von Mutter und Vater fehlte jede Spur.
„Ihr habt sie nicht mitgebracht“, resümierte sie vorwurfsvoll, während sie noch immer die Hand an die Stirn drückte.