Das Hinterzimmer des geheimen Ladenraumes ist eingerichtet wie ein Büro. Ein Schreibtisch steht da und ein paar Regale mit Schriftrollen zur Buchführung. An dem Schreibtisch sitzt ein jüngerer Ägypter und überprüft Wachstäfelchen, ein gar nicht so einfaches Unterfangen, denn der Raum ist durch ein paar Öllampen beleuchtet sowie durch einzelne Sonnenstrahlen, die ihren Weg durch die Bretter, die das Fenster blokieren gefunden haben.
Ein Wachmann führt zwei Bettler ein. Beziehungsweise ist "Eintreten" nicht das richtige Wort. Der eine besitzt nur noch ein Bein und geht auf selbst gebauten Krücken, der andere sitzt ganz beinlos auf einem Rollwägelchen, das er mit Hilfe seiner Hände fortbewegt. Der Krüppel ist jung, fast noch ein Kind und der beinlose ein alter Mann, offensichtlich ein Säufer. Beide zanken sich lautstark, aber sobald sie vor dem Verwalter stehen, sind sie ruhig und neigen ihre Köpfe.
"Was gibts?" meint der Verwalter gelangweilt?
"Revierstreitigkeiten an der Berenike-Phratrie, Ecke Arsinoe-Serapis Boulevard." meint die Wache. "Beide sind Mitglieder der Gilde."
"Es ist eine Schande!" platzt der Beinlose sofort los und steht auf, um auf den Krüppel zu zeigen. "Dem seine Jungs stören mich den ganzen Tag bei der Arbeit und nehmen mein sauer verdientes Geld weg!"
"Gar nicht wahr! empört sich jetzt der andere, legt seine Krücken weg und steht auf einmal ebenfalls auf zwei Beinen. "Das Gebiet wurde mir von Zoroaster eigens zugeteilt, weil dieser Bastard da seine Abgaben nicht gezahlt hat!"
Auf einmal ertönt ein Räuspern aus einer dunklen Ecke. Erschrocken drehen sich die beiden Bettler um. Aus dem Schatten tritt eine Gestalt, fein gekleidet und mit einer Theatermaske vor dem Gesicht.
"Zoroaster hat hier nichts mehr zu sagen. Merkt euch das! Dyonisos ist jetzt der Herr im Hause Alexandria. Alle Beschwerden werden jetzt persönlich an ihn gerichtet." Dann geht die Gestalt hinter den Schreibtisch und sucht im Regal nach den passenden Täfelchen. "Hmm.. Hmm... Berenike... Ah! Da!" Er dreht sich wieder zu den beiden Bettlern. Die goldene Maske grinst die Streithähne freundlich an, aber man kann nicht erkennen, was sich hinter den schwarzen Augenhöhlen für ein Gesicht befindet.
"Du-" Er deutet auf den Krüppel. "Hier steht, dass du deinen Bereich gerne unrechtmäßig ausweitest..." Dann liest er weiter.
"Und du, alter Mann, hast seit Monaten nicht mehr gezahlt. Wisst ihr was? Ich werde der Sache auf den Grund gehen! Ab heute Nachmittag werde ich ein paar Leute in euer Gebiet stellen, die eure Einnahmen genau kontrollieren. Wer mehr zurück trägt, erhält den Platz. Ist das okay für euch?"
"Das ist Erpressung! Warum sollte ich-" will der Alte protestieren, da macht der Maskierte eine Handbewegung und der Alte hat ein Messer an dem Hals.
Die Stimme hinter der Maske wird bestimmter, wütender: "Ich hab den Eindruck, da will sich eine miese kleine Ratte an meinem Geldbeutel bereichern! Zoroasters Zeiten sind vorbei! Merk dir das! Jetzt wird aufgeräumt! Abtreten! Und wenn ich noch einmal was von euch beiden hören muss, dann werde ich nicht so gnädig sein, ist das klar?"
“Z- Zu Befehl, Meister!“ meint der Alte und verbeugt sich.
“Und jetzt raus hier!“
Kaum sind die beiden draußen, kratzt sich Dyonisos am Kopf. Bandenkriminalität, Bettlerei, Prostitution. Immer diese ewigen Kleinigkeiten. Zoroaster war eine Null! Es ist langsam an der Zeit, in ein anderes Geschäft einzusteigen. Dyonisos hebt eine Tabula auf und schaut sie durch.
“Weizenhandel...“ murmelt er vor sich hin...