Beiträge von Theodorus von Corinthus

    Ich war so in Gedanken vertieft, dass ich gar nicht bemerkte, wie weitere Menschen in den Garten kamen. Erschrocken blickte ich auf und sah zwei Männer, die sich langsam näherten. Sie schienen in eine hitzige Diskussion vertieft zu sein. Interessiert verfolgte ich den Wortwechsel, den ich leider zwecks mangelnder Sprachkenntnisse nicht verstand. Es schien mir eine Sprache zu sein, die ich während meiner Reisen noch nicht gehört zu haben meinte. Plötzlich beendete einer der beiden das Gespräch recht ruppig, woraufhin der andere verschwand. Ich war neugierig, was die beiden so impulsiv beredet hatten, hielt mich aber zurück. Lächelnd grüßte ich den Mann, der mir sehr fremd vor kam.


    "Chaire."

    Geduldig musste ich weiter abwarten und nahm mir ebenfalls eine Olive. Genüsslich kaute ich auf dem Kern herum. Alsbald kam die Sklavin wieder zurück und brachte Nachricht, dass der junge Herr bald erscheinen würde. Erleichtert sah ich den Hausherrn an und lächelte vergnügt.


    "Hast Du, edler Herr, wenn ich fragen darf, bestimmte Vorstellungen von der Ausbildung deines Sprösslings?", fragte ich, um etwas die Stille zu brechen, die fast erdrückend auf mir lastete.

    Ich nahm aus meiner Umhängetasche, die noch immer neben dem Tisch lag, ein Wachstäfelchen samt Griffel - eine sehr praktische Erfindung - und notierte mir die Namen der beiden Nichten samt Aufgabenbereich. Schließlich wischte ich den Griffel sorgsam ab und verstaute alles wieder in der Tasche.


    "Gut, ich werde mich um die beiden kümmern.", sagte ich zufrieden lächelnd.


    "Aber nicht doch, ich bitte Dich, der Rector wird niemanden einstellen, der ihm so unbekannt ist und der auch noch nirgends in Erscheinung getreten ist. Selbst auf die Empfehlung eines Consuls nicht. Überlass mir das, ich will mir damit lieber Zeit lassen, denn ich denke, dass es mich hier wohl länger halten wird."


    Ich schmunzelte bei dem Gedanken. Ich hatte lange kein festes Zuhause gehabt, doch hier schien es warm und behaglich. Wenn schon Commodus so freundlich und aufgeschlossen war, dann freute ich mich bereits auf seine Nichten.


    "Das ist doch eine schöne Idee. Aber ich fürchte, dass ich bei diesem Anlass wohl sehr fehl am Platz sein werde. Vielleicht sollte ich außerhalb speisen..."


    Das hielt ich wirklich für eine gute Idee. Schließlich waren das alles Freunde und Bekannte und ich ählte mich noch nicht zu diesem engen Kreis, auch wenn ich Commodus jetzt schon ins Herz geschlossen hatte.

    Zwei Nichten also. Nun, das sollte kein allzu großes Problem darstellen. Der Geist junger Frauen war noch recht formbar.


    "Das werde ich gern tun. Gibt es bestimmte Lehrinhalte, die du gern bevorzugt unterrichtet haben möchtest?", fragte ich. Alle Eltern und Verwandten hatten ganz spezielle Vorstellungen, wie ihre Sprösslinge zu erziehen waren.


    "Nun...hm... dann brauchst Du Dich um diese widrige Angelegenheit auch nicht zu kümmern. Ich möchte Dir nichts Unnötiges aufhalsen, was ich nicht selbst erledigen könnte. Ich denke, dass ich irgendwann in ferner Zukunft Alexandria einen Besuch abstatten kann. Sicher werde ich Fremdling nicht den Posten des epistates erhalten. Aber es wird zum Forscher reichen... Vorerst möchte ich aber hier bleiben. Es gefällt mir sehr hier. Nur die Ruhe in den Räumen ist fast schon...bedrückend. Hast Du einmal daran gedacht, ein kleines Festmahl zu veranstalten, zu dem Du Freunde und Bekannte einlädst? Sicher eine gute Möglichkeit, wieder neue Leute kennenzulernen und Erfahrungen auszutauschen."

    Nachdem ich mich einige Tage eingelebt und mir den Plan des Haues gut eingeprägt hatte, kam ich vom adedis aus in den Garten des Hauses. Dort waren bereits seit einigen Stunden mehrere Sklaven damit beschäftigt, die Blumenbeete zu wässern und zu pflegen. Wieder andere kümmerten sich um die Pflege des Rasens und um das Harken des Kieses. Bei soviel Geschäftigkeit verging mir meine leichte Langeweile und Luftlosigkeit, die bei dieser Hitze einfach dazu gehörten. Mit zugekniffenen Augen setzte ich mich auf eine Steinbank in den Schatten eines Baumes und beobachtete die Sklaven bei der Arbeit. Zwei Sklavenkinder planschten vergnügt mit dem Wasser herum und jagten einander nach. Auch die anderen Sklaven schienen nicht unglücklich mit ihrer Arbeit. Zwar schwitzten sie genau wie ich, aber es war genügend Wasser und Schatten bereit, damit sie keinen Hitzschlag erlitten. Und dieses Dasein war allemal besser als eine ungewisse Freiheit ohne sicheren Broterwerb. Nun war ich selbst viele Jahre ohne feste Bleibe gewesen, hatte aber zumindest regelmäßig Brot im Magen gehabt und wusste, wie man mit den Menschen richtig umsprang, sodass sie eine Gabe hinterließen. Diese Menschen hier, die nichts anderes als das Sklavendasein kannten, würden hoffnungslos stranden. Sie hatten hier feste Arbeit, eine feste Bleibe, regelmäßige Nahrung und scheinbar durften sie sogar feste eheähnliche Verbindungen eingehen. Das bewiesen mir die tollenden Kinder, die für die härtere Arbeit noch nicht groß genug waren. Vielleicht konnte ich ihnen ein wenig beibringen, um meinen Drang nach Wissensvermittlung etwas zu stillen. Doch einstweilen genoss ich die Gelassenheit dieses Ortes. Als die Hitze doch zu stark wurde, bat ich einen der Männer um eine Kelle Wasser, die ich auch dankend erhielt. Sofort ließ ich mir das kühlende Nass über Kopf und Nacken laufen. Minuten später wiederholte ich die Prozedur. Ich fragte auch nach einem dieser lustigen Strohhüte, die ich bei der Legion gesehen hatte. Und wirklich, mir wurde ein Strohhut gebracht. Er passte und schützte noch zusätzlich vor der erbarmungslosen Sonne. Wirklich, hier konnte ich ewig leben.

    Am Abend wurde ich von einem Sklaven zum Zimmer von Commodus' Sohn gebracht. Dieser war zur Zeit, so sagte man mir, in Germanien als Praefect einer Reiterabteilung im Dienst. Und daher würde er sein altes Zimmer hier in Rom wohl so schnell nicht mehr brauchen. Trotzdem beschlich mich ein unangenehmes Gefühl, als ich das verlassene Zimmer betrat. Alles war bereits abgestaubt und das Bett neu bezogen worden, aber ich spürte noch immer, dass ich ziemlich fremd in diesem Haus war. Aber das würde sich bestimmt legen. Nachdem der Sklave gegangen war, erforschte ich etwas das große Zimmer. Scheinbar gab es noch eine weitere Tür. Ich öffnete sie und stand bald in einem kleinen Arbeitszimmer. Darin stand ein kleiner Feldtisch samt Klappstuhl. In einem Regal waren Schriftrollen samt Pergament und Schreibzeug aufgereiht. Ich musste Commodus auf jeden Fall noch fragen, ob es mir erlaubt wäre, das alles zu benutzen, denn es trieb mich doch, wieder ein wenig zu schreiben. Mit glänzenden Augen besah ich mir die Schriften, unter denen neben militärischen Aufzeichnungen, Taktiken und Beschreibungen - Commodus' Sohn schien ein echter Militärfanatiker zu sein - lagen auch klassische Schriften. Hoch erfreut legte ich die Rollen zurück und verschloss den kleinen Raum.

    "Ich danke Dir vielmals. Wie sieht es denn eigentlich mit Deinen Nichten und Neffen aus? Gäbe es dort Auswärtige, die jung gesund sind, als dass ich sie später hier unterrichten könnte?", fragte ich neugierig.


    "Mir fällt da gerade etwas ein. Ich glaube, der Statthalter hat in der Angelegenheit des museions eher wenig zu tun. Es sind vielmehr der Rector der Schola Atheniensis hier in Rom und der imperator selbst, der den Vorschlag des Rectors absegnen muss. Kennst Du den Rector?"

    "Ich würde mich sehr freuen. Du brauchst auch kein umständliches Zimmer herrichten lassen. Ich schlafe auch gern bei den anderen Bediensteten im Sklaventrakt, damit habe ich keine Probleme...", sagte ich grinsend. Auf der Straße schlaf man immer besser, wenn man wusste, dass neben einem ein vertrauenswürdiger Mitbettler lag.

    Entschuldigend blickte ich ihn an.


    "Mir tut meine Dreistigkeit leid. Ich danke Dir. Wenn ich im Gegenzug etwas für Dich tun kann, lass es mich wissen. Wenn Du es erlaubst, würde ich gern der Philosoph sein, der Dir stets zur Seite steht."


    Im Geist plädierte ich schon darauf, hier vielleicht übernachten zu können, damit diese spannende und witzige Unterhaltung weitergehen konnte. Irgendwie hatte ich Gefallen an diesem Mann gefunden, der mir in vielen Dingen so ähnlich war.

    "Eine Frau und zwei Brüder... klingt fast wie eine Tragödie in fünf Akten.", sprach ich schmunzelnd.


    "Ja, das sollte ich wirklich..."


    Nachdenklich fiel mein Blick wieder auf den Hausherrn Commodus.


    "Wieviel Einfluss hast Du in diesen Belangen? Ich frage nur sehr ungern Menschen, die mir sehr sympathisch sind und bei denen es nach Ausnutzen der guten Lage aussehen würde."

    Ich hörte interessiert zu und nickte hier und dort.


    "Also Siedler, die sich in Attika niederließen. Hört sich interessant an. Was führte Deine Familie denn letztendlich nach Rom? Doch sicher nicht die frische Luft...", sagte ich schmunzelnd und nahm einen Schluck Wein.


    "Ja, das wäre ein Wunsch von mir. Jedoch denke ich, dass der Statthalter keinen ihm Unbekannten ernennen wird. Es wird wohl eines Fürsprechers bedürfen.", sagte ich nachdenklich und schaute dann hinaus in den Garten.

    "Ja, das Reden kann eine Gabe sein. Aber nur, wenn sie frei, ungebunden und frisch ist. Und nicht in Wörter und Schrift gebannt auf Papyrus, gesperrt in Käfige, damit es das gemeine Volk nicht hören kann. Ich kreide sicher nicht die bestehende Ordnung an, ich denke, Iulianus tut Gutes für das imperium und es gibt bisher einen beständigen und guten Frieden. Deine Familie stammt aus Attika? Erzähl mir mehr!"


    Ich war gespannt und rutschte aufgeregt auf dem Korbsessel herum.


    "Ich habe übrigens vor, in der Akademie von Alexandria eine Stelle zu bekommen. Ich habe sogar gehört, der dortige Leiter, der epistates, soll bald in den Ruhestand gehen und es würde ein Neuer benötigt... vielleicht könnte ich so vermessen sein und mich darauf bewerben." ;)

    Während ich mir die Tränen aus den Augen wischte, sah ich ihn freudig an. Der Humor war bei ihm doch vorhanden, das wusste ich.


    "Ja, meine Art... redet gern. Die Römer eroberten Achaia und sie redeten. Die Römer eroberten die Welt und sie redeten. Ich schäme mich fast dafür. Wir Griechen sind vielleicht ein freies Volk unter allen Besetzten. Ich weiß nicht, warum ich Dir das erzähle. Aber es ist merkwürdig, obwohl ich hier soviele Menschen, auch sehr freundliche, getroffen habe, fühle ich mich einsam. Einsam in einer Welt, die nichts mehr bietet. Es tut mir leid, Du bist selbst Römer..."

    Bewegt hörte ich ihm zu. Auch er war scheinbar schon viel herumgekommen.


    "Das freut mich zu hören. Ich hoffe es war erhellend für Dein Leben. Oder auch nur leeres Geschwätz, genau wie unser Gespräch...", sprach ich lachend.


    "Meine Brüder an den Akademien und Universitäten halten sich ohnehin schon für die Elite unserer Geistesschule. Ich hoffe, Du hälst mich nicht für vermessen, wenn ich so etwas sage. Aber sie reden gern und tun nichts."

    "Nunja, ich wollte Dir nicht zu nahe treten, es tut mir leid!", sagte ich entschieden. Er konnte selbst entscheiden, was zu tun war.


    "Du sagtest übrigens, es sei immer gut, einen Philosophen im Haus zu haben. Wie ist das zu verstehen? Hast Du bereits einen behergen können?"

    "Es ist gar nicht so schlecht, wie es aussieht. Wenn Du willst, begleite mich doch nach Ägypten. Oder was Du sonst wünscht. Bloß möchte ich mich von diesem gezwungenen Gehabe in Rom befreien, wo die Philosophie so etikettiert geschieht, ein bunter Vogel, der in seinem Käfig verkümmert. Ich ersticke fast in diesem Klima. Ich brauche wieder Freiheit.", sagte ich freudig und setzte mich neben sie auf die Cline.


    "Die Stoa zweifelt nicht. Sie ist bloß selbstgenügsam und sonst nichts. Aber die Kyniker zweifeln an bestehenden Strukturen, nicht unbedingt staatlicher Natur, aber gesellschaftlicher."