Beiträge von Gaius Tallius Priscus

    "Gasse bilden! Die letzten beiden Contubernia zu mir!", setzte Priscus den Befehl seines Centurio lautstark um. "Und ich will alle Hände oben sehen!", setzte er hinzu, was natürlich nicht für seine eigenen Leute galt. "Langsam gehen, keine hektischen Bewegungen!" Als lange, langsame Kolonne erreichten sie so den Befehlsstand des Tribunen, wo er noch einmal Meldung machen musste. "Optio Tallius Priscus, Centurie des Iulius Licinus. Die Verteidiger haben sich ergeben."

    Die Zivilisten drehten sich um, sobald sie die Legionäüre ankommen hörten. Priscus bemerkte, dass sie mit der Routine einer treuen Dienerschaft eine Art Verteidigungstellung einnahmen. Der grinsende Mann vorne schien dabei die Führung inne zu haben und die einzige weibliche Person wohl seine Herrin. Priscus hatte weder die Anweisung, noch die Absicht, es auf eine bewaffnete Konfrontation ankommen zu lassen. Sie waren ausgeschickt worden, um herauszufinden, wer sie hier beobachtete und das ganze als Training für die Männer. "Langsamer werden! Behaltet mir den Bewaffneten vorne im Auge!" kommenadierte er daher leise und wurde selber langsamer. Einige Schritt vor den Zivilisten blieb er stehen. "Optio Tallius Priscus, Legio I, Centurie des Primus Pilus Iulius Licinus", stellte er sich dann mit lautet Stimme vor. "Allgemeine Verkehrskontrolle! Wer seid ihr? Was macht ihr hier?" fragte er dann in die Runde der Zivilisten. Angesichts der Sänfte in der Nähe und dem Blick auf die übenden Legionäre weiter unten war das zwar ziemlich offensichtlich, aber zum selber Denken hätten sie nicht hier rauf sprinten müssen.


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    Insgeheim war Pino froh, dass er erst nach seinem Centurio wieder ins Wasser gekommen war, denn so hatte dieser ihn nicht überholt und es blieb ihm das Fitnesstraining erspart. Eine Schweinsblase aufzublasen war aber auch nicht unbedingt besser. Vorsichtig holte er sie aus dem Beutel. Es war lange her, dass er zuletzt eine benutzt hatte. Ein Ende musste man gleich verschließen, das andere nach dem Aufblasen. Ein anderer Kamerad hatte gar keine Ahnung, so dass er ihm wenigstens weiterhelfen konnte. Hinter ihnen fluchte einer, dem die Blase kaputt gegangen war. Später fluchten noch mehr, die sie nicht ordentlich verschlossen bekamen und sie nochmal öffnen mussten, um nochmal hinein zu blasen. Auch Pino traute seinem Knoten nicht so ganz und nahm lieber noch eine Lederschnur von seiner Rüstung zu Hilfe.

    Als der Befehl zum Abtreten kam, ließ Priscus die Männer der ersten Centurie der ersten Cohorte zwar sich bereithalten, aber noch nicht abrücken. Er wollte erst abwarten, ob ihr Centurio wieder vom Tribunal zurück kommen würde oder nicht. Er hatte sie persönlich auf den Platz geführt, vielleicht wollte er sie da auch persönlich wieder zurück führen. Oder eben nicht, weil er bei den Stabsoffizieren gebraucht wurde. Wer wusste das schon so genau, was so ein Kommandostab alles vor hatte.

    Hinter Largus schob sich Priscus den Weg hinauf. Anders als sein Kamerad achtete er nicht sonderlich darauf, ob er viel Lärm machte oder nicht. Ein Legionär war nicht zum Schleichen gebaut. Der schmale Trampelpfad, auf dem sie gingen, mündete bald auf einen etwas breiteren Weg. In die eine Richtung konnten sie ihn parallel zum Fluß im Wald verschwinden sehen, auf der andere Seite verschwand er schon nach wenigen Schitten über der Hügelkuppe. Da musste es also in die andere Richtung weitergehen zu der Stelle, an der die Beobachter standen. Priscus wartete kurz, bis auch die beiden Kameraden hinter ihm vom Trampelpfad auf den Weg gekommen waren und deutete dann in die Richtung der Hügelkuppe. "Da geht's lang. Im Laufschritt mir nach. Alles klar? Dann los!" Und schon lief er in leichtem Laufschritt der Kuppe entgegen. Ohne Gebrüll und ohne gezogenes Schwert. Noch immer wusste er schließlich nicht genau, wer sie da von unten gesehen hatten. Nur dass es keine Feinde waren, war ziemlich klar. Nach wenigen Schritten konnte er die Köpfe zweier Zivilisten erkennen, die ihnen den Rücken zugewandt hatten.


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    Pino schnaufte heftig, als er auf dem sicheren Ufer angekommen war und war ganz froh, dass ihn hier tatsächlich kein Gegner erwartete. Langsam beruhigte er sich wieder und rückte vor, um den anderen Platz zu machen. Dann standen alle da und langweilten sich. Und der Centurio schickte sie im Eiltempo wieder zurück auf die andere Seite. Pino verdrehte die Augen, lief hinterher und klatschte als einer der Letzten wieder ins Wasser.

    Priscus folgte der Rede neugierig, aber nicht unbedingt angespannt. Wie die meisten Unteroffiziere hatte er schon viele Offiziere Reden halten gehört. Seine Neugier bezog sich eher darauf, wie der Offizier auftrat und wie lange er redete und nicht so sehr auf das, was er sagte. Dafür gab es in Rom bestimmt Lehrbücher, aus denen man solche Reden asuwendig lernen konnte. Die vom neuen Legaten gefiel ihm ganz gut, so dass er gerne und lautstark mit einstimmte, als alle jubelten. "LANG LEBE DER KAISER! ROMA VICTRIX!"

    Priscus schlug sich ebenso wie seine Kameraden in die Büsche, schaute nach einem Weg und achtete dabei darauf, seine Nebenleute nicht aus dem Blick zu verlieren. Sollte es hier einen echten Hinterhalt mit echten Gegnern geben, hätten vier einsame Soldaten aber ohnehin keine Chance. Largus hatte dann einen Weg entdeckt und rief den Optio herüber. Der gab die Information erstmal an seinen Nebenmann auf der anderen Seite weiter und kam dann herüber. "Ah, ein Trampelpfad. Schonmal ein Ansatz. Vielleicht von irgendwelchen Beerensammlern." Das Buschwerk um sie herum wurde im Herbst wohl häufiger von den Bewohnern der Umgebung besucht. "Dann schauen wir mal, wo der hinführt."


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    Unten im Fluss war Pino froh, dass es nur eine Übung war. Ohne Rüstung, ohne Schild, im Wasser paddelnd hätten sie nicht wirklich viele Möglichkeiten, gegen einen Gegner durchzuhalten, wenn denn einer am Ufer wäre. Aber der Centurio trieb sie vorwärts und schloss sogar zu ihrer Linie auf. Da blieb Pino nichts anders übrig, als ebenfalls weiter vorzurücken. Die Grasbüschel des Uferbewuchses kamen in Griffweite. Er schaute sich um. Langsam vorrücken war befohlen worden und von Anhalten hatte keiner was gesagt. Also musste er da hoch. Ein Griff, ein Zappeln mit den Beinen, ein bisschen Robben, dann hockte er am Ufer. Kein Gegner war zu sehen.

    Nach einer Weile hatten die kleine Gruppe um den Optio einen Abschnitt am Flussufer erreicht, von dem aus man weder die schwimmenden Legionäre noch die Leute auf der Anhöhe erkennen konnte. Trotzdem blieb er bei dem leichten Laufschritt, denn wen die Soldaten schon nicht schwammen, sollten sie trotzdem trainieren. Sein Blick ging suchend immer wider zur Seite, ob ein Weg zu finden war. Völlig fremd war im das Gebiet ohnehin nicht, denn die Legio I trainierte nicht zum ersten Mal hier am Fluss. "Haltet Ausschau nach einem Weg auf die Anhöhe und nach feindlichen Spähern!" wies er die Soldaten an. Das Szenario sollte schließlich halbwegs realistisch klingen.


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    Pino kämpfte mit dem Wasser, der Temperatur, der Strömung und dem Tempo seiner Kameraden. Er kam nicht einmal dazu, den Kopf lange genug in eine Richtung zu halten um zu sehen, ob sie halbwegs die reihe hielten. Wenn am anderen Ufer ein Gegner herumgetobt wäre, hätte er von ihm auch nur die Hälfte mitbekommen. Zu allem Überfluss war er auch nicht sonderlich groß, so dass er ziemlich lange schwimmen musste, bevor er wieder Grund unter den Füßen spürte. Das einzige, was ihn anspornte war die Tatsache, dass hinter ihm der Signifer es noch viel schwerer haben musst und trotzdem voran kam. Verbissen kämpfte er sich halb schwimmen und halb laufend vor, bis er die feste Uferzone erreicht hatte.

    Für Priscus war der Aufmarsch weitgehend Routine gewesen. Seit sein Centurio befördert worden war, standen sie zwar an einem anderen Platz auf dem Feld, aber ansonsten war alles gleich. Strenger Tonfall, blank geputze Ausrüstung. Nur der Legat, der gleich zu ihnen sprechen würde, war ein neuer. Der Optio war gespannt, was er ihnen sagen würde.

    Der Opto nickte zufrieden, als es keine Fragen gab. Der Auftrag war schließlich auch nicht sonderlich kompliziert. "Gut, dann gehen wir jetzt hier unten am Flußufer entlang, bis wir außer Sicht der beiden da oben sind. Und dann suchen wir nach einem Weg. Wir brauchen es nicht zu kompliziert machten. Da steht eine Sänfte, also gibt es auch einen vernünftigen Weg. Anschleichen durch's Gebüsch ist ohnehin was für Germanen." Und eine scheppernde Rüstung war dafür auch gar nicht gemacht. Priscus drehte sich also um und setzte sich an die Spitze der Kolonne, die dann im Gänsemarsch am Flußufer entlang lief. "Leichter Laufschritt!", ordnete Prisus noch an, damit es schneller ging.


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    Währenddessen erreichte das erste Contubernium das Wasser. Pino war einer dieser Männer. Eigentlich hieß er anders, aber alle nannten ihn nur Pino. Warum, wusste auch schon längst keiner mehr, denn Pino war schon ziemlich lange bei der Truppe. Und trotzdem noch immer leicht wasserscheu. Er hatte schon dutzende Schwimmübungen mitgemacht, aber wieder kostete es ihn einige Überwindung, sich in den Fluss zu stürzen. Er kniff die Augen zusammen, ob wohl das gar nicht nötig war, hielt den Atem an und stapfte vorwärts. Die Tunika schwemmte etwas nach oben, bis sie sich vollgesogen hatte und wieder absank. Erst als Pino bis zum Bauchnabel im Wasser war und damit den schlimmsten Kälteschock hinter sich hatte, gestattete er sich, wieder zu atmen. Seine Kameraden waren schon etwas voraus und hatten zu schimmen begonnen. Eilig setzte er ihnen nach.

    Priscus hatte auch nicht ernsthaft damit gerechnet, dass sein Centurio nun plötzlich einige Reiter aus dem Helm zaubern würde. Also nickte er nur, machte die Liegestütze wieder mit und suchte sich dann ein paar Jungs aus, für das kleine Extra-Abenteuer. "Calvus, Largus, Minutus - her zu mir." Er wartete, bis die Männer sich etwas abseits der übrigens Soldaten vor ihm aufgestellt hatten. Dabei hatte er der kleinen Anhöhe den Rücken zugewandt, so dass die Männer unauffällig nach oben sehen konnten, ohne den Kopf bewegen zu müssen. "Es gibt einen kleinen Sonderauftrag. Punkt eins: Ihr guckt jetzt so unauffällig wie möglich auf die kleine Anhöhe hinter mir. Da stehen zwei Personen. Punkt zwei: Diese Personen bekommen gleich Besuch von uns. Punkt drei: Sie sollen sich erst erschrecken, wenn wir da sind. Klar soweit?"


    Die anderen Soldaten bekamen von dieser Sondereinweisung dagegen nichts mit, sondern warteten darauf, wie es nun mit den Schwimmübungen weitergehen würde.

    Priscus hatte nichts gegen eine Sondermission einzuwenden, denn Schwimmen konnte er ja schon. "Dürfte aber weitgehend unmöglich sein, da jetzt unbemerkt raufzukommen. Wir sitzen hier ja auf den Präsentierteller", gab er dennoch zu bedenken. "Ein paar Reiter wären jetzt praktisch."


    Sim-Off:

    Ist die kleine Anhöhe auf der Seite vom Fluss, auf der auch die Soldaten sind oder auf der anderen Seite?

    Auch wenn der Optio von seinem Centurio schon vor dem Beginn der Übung über die Schweinsblasen und das Ziel am Fluss aufgeklärt war, waren ihm Teile des genauen Übungsablaufes auch noch nicht bekannt. Also war er zumindest zum Teil genauso gespannt wie die anderen. Alleine die Tatsache, dass er selber schon einige Schwimmübungen mitgemacht hatte, beruhigte ihn ziemlich. Die Kniebeugen machte er mit, um auch ein wenig warm zu werden. Auf den Lauf verzichtet er, da der Centurio ihn ansprach. Als er auf die nicht allzu heimlichen Beobachter verwieß, musste Priscus grinsen. "Wir sollten die Jungs später mal da rauf schicken." Er kniff die Augen zusammen, um auf die Entfernung mehr erkennen zu können. "Weißt du, wer das ist?"

    Nachtwachen gehörten zum Soldatenleben wie Schuhnägel unter die Sohle einer Caliga. Deshalb war Pricus auch in dieser Nacht wieder unterwegs, machte seine Runde und kontrollierte die Posten. Aber es war trotzdem eine besondere Nacht. Es war die Nacht der Lemuria. Die Totengeister gingen umher und gerade die Soldaten mussten mit ihrem Besuch rechnen, denn schließlich hatte längst nicht jeder gefallene Kamerad der letzten Feldzüge immer eine würdige Grabstätte erhalten können. Da musste es einfach spuken! Deshalb schienen die Metallanhänger an den Soldatengürteln in dieser Nacht besonders hell zu klimpern, um die bösen Geistern fern zu halten. Priscus hatte die Wache, die um Mitternacht endete und daher einen Beutel mit schwarzen Bohnen dabei. Er war zwar nicht der Hausherr der Centuria, aber es konnte zumindest nicht schade, auch in seiner Stube pünktlich um Mitternacht noch ein paar zusätzliche Opfergaben zu verstreuen.

    Der Optio der Torwache betrat die Principia, grüßte die wachhabenden Kollegen dort, teilte sein Anliegen mit und wurde eingelassen. Vor dem Praefectus Castrorum angekommen salutierte er.


    "Der neue Legatus Legionis Titus Aurelius Ursus ist eingetroffen. Er zieht gerade ins Praetorium ein und lässt ausrichten, dass er gleich zu dir kommt", teilte er mit, was der neue Chef gesagt hatte.

    Die Torwache salutierte. Offizielle Post hatte es zwar keine gegeben, aber Nachrichten konnten sich auch auf anderem Wege verbreiten. Die Soldaten waren jedenfalls informiert. Außerdem war Aurelius Ursus kein völlig Unbekannter im Lager.


    "Willkommen, Legatus!", gestattete sich der diensthabende Optio eine freundliche Begrüßung. "Du willst direkt zum Praefectus Castrorum? Kommt noch weiteres Gefolge?"

    Irgendwas gab es in einem Legionslager immer zu reparieren, und wenn es nur die Tür zur Latrine war. Zwei Legionäre vom Arbeitsdienst rückten an, hängten sie aus und transportierten sie ab. Zwei andere waren mit ihnen gekommen und hatten eine neue Türe dabei, hängten sie ein und gingen auch wieder. Und ein fünfter war mitgekommen, hatte alles kontrolliert und schrieb nun einen Bericht. Es musste ja alles seine Ordnung haben, auch wenn es nur die Tür zur Latrine war.

    Während sich alle ihre Plätze suchten, hatte sich schnell eine Ecke gebildet, in der sich die Unteroffiziere zusammengerottet hatten, die bei dieser Feier zu Gast waren. Statt über Politik und Karrieren, Vermählungen und Familien sprachen sie über eher alltägliche Dinge aus dem Lager und den neusten Klatsch über jene Offiziere, die gerade in ihr Blickfeld gerieten aber außer Hörweite waren. Bei den Speisen griffen sie dagegen mindestens genauso zu wie alle anderen Gäste, wenn nicht sogar mehr, denn so feine Dinge bekamen sie ja eher selten auf den Tisch.

    In der Nähe der Stadtmauer waren währenddessen schon seit einiger Zeit Soldaten damit beschäftigt, einen der Gräben wieder zuzuschütten, den sie während des Unwetters quer durch die Straße gegraben hatten. Zweifellos gab es motivierendere Arbeiten, als an einem Tag ein Loch zu machen und es am nächsten Tag wieder zu schließen, aber die Soldaten stellten nicht viele Fragen. Der Graben hatte einen Sinn gehabt und jetzt hatte er keinen mehr. Außerdem konnte das Loch genutzt werden, um unbrauchbaren Schutt darin verschwinden zu lassen, um ihn nicht mühsam aus der Stadt schaffen zu müssen. Also waren die Männer fleissig mit Schaufeln und Schanzkörben an der Arbeit und hatten bis zum Mittag die Hälfte schon geschafft.