Beiträge von Gaius Tallius Priscus

    "Aha, das mit der Linie klappt schonmal", stellte der Optio fest. "Ad dextram! *", kommandierte er weiter, so dass aus der Linie eine Reihe wurden und nun alle hintereinander standen. "Retro! **", lautete der nächste Befehl, damit sich alle Soldaten umdrehten und nun immer noch hintereinander standen, nur eben in die andere Richtung. "Und es drehen sich dabei alle links herum!", erinnerte der Optio an das, was die Soldaten vielleicht schonmal gehört, aber wieder vergessen hatten. "Ad sinistram! ***", ließ die Soldaten dann nochmal nach links drehen, so dass sie nun wieder nebeneinander standen.


    "Aequatis passibus, pergite! ****" kommandierte der Optio weiter und schaute, ob erstens alle den Gleichschritt halten würden und zweitens die Linie beim vorrücken auch eine Linien blieb.


    * lat.: Rechts um!
    ** lat.: Kehrt!
    *** lat.: Links um!
    **** lat.: Im Gleichschritt marsch!

    Priscus machte mehrere Versuche, in die Reihen einzubringen und stellte fest, dass die Rekruten ihre Sache sehr gut machten. Es war einfach keine Lücke zu finden und die Testudo ließ sich nicht aufhalten.


    Am Ende des Platzes angekommen, konnten die Männer die Formation dann wieder auflösen und die Schilde absetzen. Einige sahen immerhin ganz schön verschwitzt aus. "Genug für heute. Ihr habt euch gut geschlagen. Wie gut ihr wirklich seid werden wir erst sehen, wenn wir Soldaten über die Testudo laufen lassen." Zunächst beließen es die Ausbilder ab bei dieser Ankündigung und schickten die Rekruten zurück in die Unterkünfte.


    Am nächsten Tag standen sie wieder nach Einheiten getrennt auf dem Platz. Nach der üblichen Inspektion erläuterte der Optio das heutige Tagesprogramm, für das es wieder einmal spezielle Ausrüstung gab. "Heute mal was seltenes: Bogenschießen. Macht euch keine Hoffnung, dass ihr das in der Schlacht brauchen werdet. Wir sind keine Auxiliare. Aber wenn man weiß, wie man mit einem Bogen schießt, weiß man auch, wie man darauf reagiert. Außerdem kann man damit prima jagen, um sich auf dem Marsch mit Fleich zu versorgen. Hat von euch schonmal jemand mit einem Bogen geschossen?"

    Der Soldat schaute etwas unschlüssig und wägte die verschiedenen Möglichkeiten ab. Schließlich gab er sich einen Ruck. "Na gut, dann laden wir mal ab", sagte er und machte sich daran, dass Bett vom Rücken des Maultiers los zu binden und auf den Boden zu setzen. Vor dem Haus des tribunen war es ein wenig schattig, dort würde er die Wartezeit gut aushalten können. Und dabei mit Getränken versorgt zu werden machte es nur angenehmer.


    "Melde im Contubernium, dass ich am Haus des Tribuns bin", gab er dem Trossknecht mit auf den Weg, bevor dieser das Maultier zurück brachte. "Und hebt mir in jedem Fall etwas vom Abendessen auf. Wenn ich bis eine Stunde vor Ende des Tages nicht zurück bin, komm' mit dem Maultier wieder her." Im Freien vor dem Haus des Tribunen übernachten wollte der Soldat nämlich ganz sicher nicht.

    Als Ausbilder erschien wenig später nicht der erwartete Centurio auf dem Platz, sondern Optio Priscus. "Guten Morgen, Rekruten!", grüßte er. "Wie ihr unschwer erkennen könnt, bin ich nicht der Centurio. Der hat beschlossen, dass er wichtigeres zu tun hat, als sich um euch Saftsäcke zu kümmern. Und er hat Recht damit. Mein Name ist Priscus und ich bin jetzt euer Ausbildungsoptio und werde dafür sorgen, dass ihr bald keine Saftsäcke mehr seid und euren geliebten Centurio wieder sehen dürft. Klar soweit?"


    Er wartete die Antwort nicht wirklich ab, sondern musterte die Linie. "Probati, in aciem! State!" *


    * lat.: Rekruten, in Linie! Stillgestanden!

    Langsam näherte sich die Testudo dem Ende des Übungsplatzes und als die Muntion zu Ende war, stellten die Ausbilder auch den Beschuss ein. Für die erste Testudo der Rekruten war das Ergebnis recht zufriedenstellend gewesen. Die Ausbilder ließen die Männer anhalten und die Schilde wieder absetzen. "Nicht schlecht für den Anfang. Der Gleichschritt ist wichtig und ihr habt gut reagiert, dass ihr den auch im Inneren der Testudo anzählt!", gab es sogar ein offizielles Lob.


    Dann ließen die Ausbilder die Männer wenden, noch einmal die Schildkrötenformation einnehmen und in die andere Richtung über den Platz laufen. Wieder bewarfen sie sie mit Holzklötzen und zusätzlich versuchte nun Priscus sich als Kämpfer von vorne zwischen die Linien zu drängen.

    "Ich habe gerade frei, aber auch nicht ewig", antwortete der Soldat und wunderte sich über die Frage. Wenn er Dienst hätte, wäre er doch nicht hier, sondern eben beim Dienst. "Ich kann auch nicht das Maultier hier ewig stehen lassen, bis der Tribun zurück ist." Der Trossknecht hinter ihm zog ein säuerliches Gesicht und war nicht gerade erfreut, dass sich der Soldat mehr um das Tier als um ihn sorgte.


    "Also, das Bett einfach hier abstellen und später wiederkommen geht nicht, weil der Tribun dann bestimmt auch wieder meckert. Hier mit dem Bett warten geht auch nicht. Und es zurück tragen und später nochmal hier hin tragen ist auch doof", fasste er zusammen. "Was machen wir jetzt?"

    "Aha. Dann mal herzlich willkommen. Schauen wir, wo wir dich unterbringen." Der Signifer hatte einigermaßen im Kopf, welche Stuben voll besetzt waren und welche nicht und ging voran. Schließlich öffnete er eine der Türen. "Das hier wird dein neues Zuhause. Die Kameraden waren hier bisher nur zu siebt, jetzt sind sie wirder zu acht." Er spähte in den Raum und schaute sich die Betten an. "Ich glaube, das hier rechts ist unbenutzt."

    Priscus widmete sich weiter der Kontrolle der Gräben und kam nicht um ein paar weitere Ermahungen herum. "Macht das ordentlich, Jungs! Das hier wird nicht einfach nur ein nachtlager, sondern unser Baislager für die nächste Zeit während der Bauarbeiten. Also lieber gleich einmal ordentlich anstatt später dreimal flicken müssen!"


    Die Tatsache, dass das Lager länger in Benutzung sein sollte, bedingte auch ein paar weitere Arbeiten. Zum Beispiel das Anlegen einer Latrine. Einen geeigneten Platz hatten sie gleich beim Einmessen des Lagers ausgesucht. "Haben wir inzwischen etwas Holz hier?", fragte er und schaute sich um. Der Arbeitstrupp, den der Signifer zum Beschaffen von Holz losgeschickt hatte, war aber noch nicht zurück. "Na gut, warten wir noch. Passt hier beim Aufschütten des Walls aber trotzdem auf. Hier muss gleich ein Loch rein."

    "Wenn ihr im Gleichschritt bleibt geht's besser!" konnten die Rekruten von außen hören, weil die Ausbilder offenbar genau wussten, welche Probleme die Männer in der Enge unter den Schilden haben würde. "Linke Ecke nicht so schnell!", korrigierte Priscus dann die Ausrichtung und hielt seinen Optiostab waagerecht vor die Schildmauer, um sie wieder in eine richtige Linie zu bringen.


    Wenig später war immer noch nicht die Distanz bis zum Ende des Platzes überbrückt. Dafür begann es nun aber zu rumpeln und zu knallen, denn die Ausbilder begannen, die Testudo mit Holzresten zu bewerfen, die bei Bauarbeiten übrig geblieben waren. Viele handliche Holzklötze waren dabei, die nicht nur das Halten der Schilde erschwerten, sondern auch das Laufen schwieriger machten, wenn sie im Weg lagen.

    Auf das Klopfen öffnete niemand, aber aus dem gleich nebenan gelegenen Wohnbereich des Centurio, in dem auch ein Büro für die Verwaltung der Centurie untergebracht war, kam ein Soldat herbei. Es war der Signifer, was man ihm aber nicht ansah, wenn man ihn nicht kannte, da er gerade keine Zeichen seines Ranges trug.


    "Salve!" grüßte er den Mann, der nach seinem Gepäck zu urteilen ein neuer Rekrut war. "Kann ich dir weiterhelfen?"

    "Was heißt, dass es lange dauern wird, bis der Tribun zurück ist?", fragte der Soldat zurück. "Ist er nicht im Lager? Ich brauche das Bett ja heute Nacht. Wenn er im Lager ist, dann kann ich es zu ihm bringen. Das war sein Befehl. Ich sollte das Bett zu ihm bringen und es vorzeigen, wenn ich es repariert habe."


    Wenn der Tribun nun allerdings gar nicht im Lager war, konnte die Sache noch umständlich werden, bemerkte der Soldat selber. Laut Befehl müsste er ihm dann wohl sogar hinterher reisen, aber dazu sicher erst seinen Centurio fragen, ob er das Lager verlassen durfte. Er fand das alles viel zu viel Aufwand für ein Bett, was nie wirklich kaputt war.

    Der Optio ging davon aus, dass jeder gute Römer seine Toten neben den Straßen vor den Stadttoren bestattete, so dass der Schädel nicht von einem Römer stammen konnte, denn Straße und Stadttor waren sehr weit weg. Außerdem gab es keinen Grabstein. Also konnte man damit wohl das machen, was man nach einer Schlacht auch mit toten Gegnern machte.


    "Zur Seite legen und weiter arbeiten. Wenn ihr noch mehr findet, stapelt es auf einen Haufen", ordnete er daher an. Aber ganz normal war so ein Fund dann doch nicht. "Wir opfern nachher was für die Schutzgesiter dieses Feldes", entschied er daher noch ganz pragmatisch. Sicher war sicher.

    Der Soldat konnte bestens verstehen, dass der Mann vor ihm mit den Augen rollte. Er fand es ja auch total dämlich vom Tribnen, diese Strafe anzuordnen. Aber er konnte ja nichts dagegen machen. "Ja, ich sollte die Pritsche hier vorführen", antwortete er daher. "Der Tribun fand, das sie kaputt war. Ich habe das eine Bein ausgebessert. Was tut man nicht alles, damit die Offiziere glücklich sind? Lange schlafen können wir ja doch nicht, was stört da ein wackeliges Bein?"


    Dass der Mann die Pritsche selber prüfen wollte fand er zwar nett, fürchtete aber, dass das nicht reichen würde. "Ich muss das dem Tribun schon selber zeigen. Das war ein Befehl. Wenn ich's nicht mache, lässt er mich bestimmt auch noch mehr Zeug reparieren oder so. Damio heiße ich, Aulus Novius Damio. Vierte Centurie der neunten Kohorte."

    Priscus kontrollierte die Formation von vorne und schlug ein paar Mal mit dem Arm auf die Schilde, um die Festigkeit der vorderen Schildwand und der ersten Deckreihen zu testen. Die anderen Ausbilder der anderen Einheiten taten es ebenso mit den hinteren Reihen.


    "Testudo, perge! *" kommeniderte dann einer. "Ganz kleine Schritte machen! Keine Lücken entstehen lassen!" begann Priscus gleich mit Ermahungen, da einige seiner Rekruten das gerade zum ersten Mal machten. Andere achteten eher darauf, dass die Formation in die richtige Richtung lief, denn die meisten Männer konnten absolut nichts sehen und mussten sich völlig auf ihre Vorderleute verlassen. Da konnte man schon schnell vom geraden Weg abkommen.


    * lat. : Schildkröte, marsch!

    Priscus kam neugierig näher, als er ein paar Soldaten rufen hörte. Einer hatte wohl einen interessanten Fund gemacht, den er in die Höhe hielt. Nachdem er näher gekommen war erkannte der Optio, dass es sich um einen Schädel handelte.


    "Nanu, wo hast du den denn her?" fragte er überflüssigerweise. Er hatte in seiner Zeit bei der Armee schon so manchen Graben ausgehoben, konnte sich aber nicht daran erinnern, dabei jemals einen Schädel gefunden zu haben.

    Nachdem der Optio und der Signifer mit dem Einmessen des Lagergrundrisses fertig waren, teilten sie sich wieder auf. Der Signifer kümmerte sich um das Zentrum des Lagers, in dem die ersten Zelte aufgebaut werden sollte und außerdme um diverse andere Arbeitsdienste, während sich Priscus der Verschanzung zuwandte.


    Mit der Messlatte in der Hand prüfte er den bisher erarbeiteten Graben und Wall. Die Breite schien überall zu stimmen, aber mit der Tiefe war es nicht ganz so einfach. "Hier noch tiefer graben!" ermahnte er an verschiedenen Stellen, wo die Soldaten die Vorgabe des Centurio wohl noch nicht genau genug genommen hatten.

    "Consistite!" brüllte Priscus, als sie das Ende des Platzes erreicht hatten. "In acies!"


    Selber löste er sich wieder aus der Linie und betrachtete die Formation von außen. "Schilde bleiben oben!" Sein Blick musterte die Gesichter der Rekruten. Einige wirkten teilnahmslos bis gelangweilt, andere bereits erschöpft. "Wenn ihr jetzt schon erschöpft seid, müsst ihr härter trainieren. Im Kampf wäre das erst der Anfang gewesen!"


    Dann ließ er die Truppe wieder zurück in die Mitte des Platzes marschieren, wo sich auch die anderen Ausbildungsgruppen sammelten. "Wir machen jetzt gemeinsam eine Testudo. Die erste Linie behält die Schilde nach vorne, die anderen Linien nehmen sie hoch. Die hinteren Linien schieben ihre Schilde unter die der vorderen Linien. Die Seiten lassen wir erstmal offen." Gemeinsam mit den anderen Ausbildern dirigierte er die Rekruten in einen Block von mehreren Soldaten Breite und Tiefe.


    "Probati, testudinem formate! *"


    * lat.: Rekruten, bildet eine Schildkröte!

    "Natürlich", antwortete der Soldat. "Bis das abbezahlt ist wird dir von jedem Sold etwas abgezogen und dazu müssen wir schon wissen, was du alles bekommen hast", erklärte er, zählte die Sachen durch und stellte die Quittung aus. Die hielt er dem Rekruten dann zur Unterschrift hin. "Die halbe Armee ist Bürokratie. Aber hier zu stehen und Quittungen zu stapeln ist immer noch besser als in der Tongrube im Dreck zu stehen und im Akkord Ziegel zu streichen."