Beiträge von Gaius Tallius Priscus

    Mit einem anerkennenden Nicken verfolgte der Optio den ersten Schuß, der gleich am Ziel aufschlug. "Super! Den ersten Schuß kann man kaum besser machen. Nur am Abzugshebel braucht ihr gar nicht so viel Kraft hereinzulegen. Bei den kleinen Geschützen hier geht das mit weniger Aufwand. Wenn man zu hart zieht, verrückt man leicht das Geschütz. Richtig Kraft braucht ihr nur bei den großen Dingern. Und jetzt gleich weiter, ich will noch ein paar Schüsse sehen!"

    Rasch stellte der Soldat dem Lieferanten eine Quittung aus, die den Erhalt der gelieferten Ware bestätigte. "Als Legion sind wir immer auf der sicheren Seite. Aber wir sind ja auch auf Nachschub angewiesen, da muss man die Lieferanten korrekt behandeln."


    Die beiden Soldaten, die beim Abladen geholfen hatte, verließen währenddessen wieder die beiden Männer und kehrten zu ihrer vorherigen Arbeit zurück.

    Bis zum letzten Stück zähle der Soldat aufmerksam mit und ließ sich durch nichts ablenken. "Wir legen darauf ebenso Wert. Gutes Essen hält uns schließlich auch bei Laune." Dann notierte er die tatsächlich gelieferte Menge auf seiner Tafel, die mit der Ankündigung des Lieferanten übereinstimmte. "Brauchst du eine Quittung über den Empfang der Ware durch die Legion?"

    Der Optio hatte zwar nicht viel gesehen, was die Männer gemacht hatten, da sie ziemlich dicht am Geschütz standen und ihm die Sicht versperrten, aber offenbar war nun ein Bolzen eingelegt und alles bereits zum Abschuß.


    "Da vorne etwas mehr Abstand vom Geschütz halten. Wenn etwas kaputt geht, steht ihr da neben den Armen zu sehr im Gefahrenbereich." Immerhin sollte ein Geschütz den Gegnern schaden und nicht den eigenen Leuten. Dann gab er das Kommando zum Abschuß. "Iactum!"

    Der Soldat mit der Wachtafel war stolz darauf, in der Lagerbuchhaltung zu arbeiten und deshalb diverse Dinge Zählen, Messen und Wiegen zu dürfen, während andere die Sachen durch die Gegend tragen mussten. So hatte er auch Zeit für eine kleine Plauderei mit dem Lieferanten. "Ja, es geht doch nichts über frische Ware. So eine Legion verbraucht ja Unmengen. Soviel könnten wir gar nicht lagern, um lange auf frische Lieferungen zu verzichten." Das war zwar nur die halbe Wahrheit, denn viel entscheidender war, wie schnell die Waren verdarben, aber darauf kam es ja gar nicht an.

    Priscus quittierte die Verkündigung der Litatio mit einem Klopfen mit der flachen Hand auf der Schildaußenseite und die Soldaten in seiner Einheit und auch jene in den benachbarten Einheiten taten es ihnen gleich. Das rhytmische Donnern drückte Freude und Kampfbereitschaft aus, ganz so wie sie es als Soldaten jeden Tag praktizierten. In solchen Augenblicken spürte Priscus das Gruppengefühl der Legion besonders deutlich und war froh, hier zu sein.

    Zitat

    Original von Gaius Tallius Priscus
    Der Optio trat zur Seite und deutete auf die Soldaten und das Geschütz. "Nachmachen!"


    Mit der Ausführung dieser Anweisung hielten sich die Rekruten doch stark zurück und schienen etwas ratlos zu sein. "Gibt's Probleme? Traut euch ruhig, das Ding schießt euch schon nicht tot!"

    Mit schnellen Bewegungen flitzte der Griffel über die Tafel, als der Soldat notierte. "Aha. Gemüse, [125 Einheiten], Annaeus Varus, Praefectus Castrorum." Dass er sich um die Bezahlung nicht zu kümmern hatte, machte es dem Soldaten einfach. Sonst hätte er nämlich an einen Vorgesetzten abgeben müssen. Dann dirigierte er den Mann mit seinem Karren in das Innere das Lagers. "Nehmen wir Lagerkammer XIV." Er winkte zwei andere Soldaten herbei, die beim Abladen helfen sollten, während er selber die abgeladene Menge zählte, um die Angabe des Lieferanten zu kontrollieren.

    Einer der arbeitenden Soldaten blickte den Lieferanten kurz an und steckte dann zwei Finger in den Mund, um einmal laut zu pfeifen. Aus einiger Entfernung kam ein anderer Soldat herüber. "'Ne Lieferung Gemüse? Das brauch' ich genauer." Aus einer kleinen Ledertasche an seinem Gürtel zückte er eine Wachstafel und einen Griffel. "Was und wieviel? Wer hat's bestellt? Muss das noch bezahlt werden?"

    Vor Priscus Augen zogen wieder Erinnerungen auf an den Feldzug in Parthia, die er wohl auf ewig mit dieser Legion verbinden würde. Tatsächlich war ihm der Kampf um den Adler noch in guter Erinnerung, denn schließlich war er damals in der ersten Kohorte gewesen, welche den Adler beherbergte und besonders zu schützen hatte. Der Aquilifer hatte sich nie zurückgehalten und geschont, sondern war der Legion immer Ansporn gewesen und so hatte das Feldzeichen sie in den Kampf geführt und sie hatten es immer wohlbehalten wieder heraus gebracht.

    "Keine Fragen? Sehr schön", stellte Priscus fest und legte einen Bolzen in das Geschützen ein, den er aus einem Korb neben sich gezogen hatte. Er ging kurz in die Knie, um über den Pfeil und den Rumpf hinweg geradewegs das Ziel anzupeilen und dann zog er am Auslöser. Mit einem leisen Klacken öffnete sich der Haken und mit einem lauteren Knall schlug der Bolzen auf dem recht großflächigen Ziel ein. Für die Anfänger sollte es schließlich nicht zu schwer sein.


    Der Optio trat zur Seite und deutete auf die Soldaten und das Geschütz. "Nachmachen!"

    Während die Männer bei Übungen auf dem Exerzierplatz meistens zwischendurch immer mal bequem stehen konnten, waren sie hier zu dauerhaftem Strammstehen aufgefordert. Zufrieden hatte Priscus bemerkt, dass die Männer nach dem Aufmarsch ihre Schilde alle wirklich zeitgleich abgesetzt hatten, was auf dem Boden vor der Stadt allerdings ein weitaus weniger beeindruckendes dumpfes Geräusch machte als auf dem festgestampften Exerzierplatz.


    Noch hatte die eigentliche Zeremonie nicht begonnen, so dass Priscus mit nahezu ausdruckslosem Gesicht einfach geradeaus starrte und sich nur aus dem Augenwinkel versicherte, dass die Männer in seinen Linien keinen Unfug trieben.

    Priscus hatte sich zunächst einmal kurz um die Geschützmannschaft seiner Centurie gekümmert, die an dem großen Zielschießen teilnahm und mit ihnen die ersten Schüsse durchgeführt, bevor er ihnen die weitere Durchführung der Übung eigenverantwortlich übertrug und zu der abseits stehenden Gruppe mit den Probati kam.


    "So, Jungs, nachdem ihr gerade schon ein wenig bei den anderen zuschauen konntet, wollt ihr jetzt wahrscheinlich auch gleich mal. Vor der Praxis aber erstmal ein wenig Theorie." Priscus dirigierte die Männer so, dass sie in einem knappen Halbkreis hinter dem Geschütz standen, und so alles gut erkennen konnten. "Also, wir haben hier vorne zwei getrennte sogenannte Spannarme, die stecken in Seilbündeln, die in den sogenannten Geschützkammern hängen. Über Knebel oberhalb und unterhalb der Kammern sind diese Bündel nach vorne verdreht und drücken die Arme nach vorne." Zur Demonstration lehnte sich der Optio kräftig gegen das Geschütz und zog an einem der Arme. "Seht ihr? Dieses verdrehte Seil ist so kräftig, dass ich die Arme kaum nach hinten ziehen kann. Das ist also viel stärker als der Bogen eines Bogenschützen."


    Dann deutete er auf den länglichen Teil des Geschützes, der von der Geschützkammer vorne nach hinten führte. "Hier auf dem Rumpf des Scorpio haben wir einen beweglichen Schlitten. Den schieben wir nach vorne. Dann können wir die Sehne dort einhaken, die die beiden äußeren Enden der Arme miteinander verbindet." Genau das tat der Optio dann auch, schloss den kleinen Haken an dem Ende des Schiebers und sicherte ihn mit dem Abzugshebel, der später den Schuss auslösen würde.


    "Jetzt müssen wir spannen. Dass es nicht von Hand geht, habe ich ja eben gezeigt. Aber dafür haben wir hier das Seil am Ende des Schiebers, das über diese Rolle hier läuft. Mit den langen Hebeln außen an der Rolle können wir bequem und mit viel Kraft spannen." Mit dem Ziehen am Hebel drehte sich die Rolle und das Seil zog den Schlitten zurück. Ein klackerndes Geräsuch war zu hören. "Seht ihr diese Zahnräder und Sperrklinken neben den Hebel? Die verhindern, dass sich das Seil wieder abwickelt, sobald ich den Hebel loslasse."


    Nach ein paar Umdrehungen war der Optio mit der erzeugten Spannung zufrieden. "Für den Anfang reicht das. Jetzt brauchen wir nur noch den Bolzen auf den Schlitten vor den Haken zu legen, zu zielen und dann am Abzugshebel zu ziehen. Dann öffnet sich der kleine Haken, die Sehen kann nach vorne und schiebt den Bolzen nach vorne heraus. Soweit klar? Oder gibt es Fragen?"

    "Kein Problem, mit einer Doppelcenturie zu planen macht auch nicht mehr Aufwand", bestätigte Priscus die Planungen eines Centurio. Wenn es nur wenig Probati waren, würden sie sich rasch abwechseln können und wenn es viele waren, müssten sie sich eben ein zweites Geschütz aus einer anderen Centurie holen. Beides sollte machbar sein.


    "Nein, sonst habe ich nichts mehr. Danke, Centurio", beantwortete der Optio dann auch die zweite Frage und verließ wieder die Unterkunft seines Vorgesetzten.

    "Ja, Bedienung und Wartung der Geschütze gehört schon lange zu meinen Aufgaben", bestätigte Priscus die Vermutung seines Vorgesetzten. Als Optio einer Centurie war sein Platz war hauptsächlich auf dem Campus, aber Sondereinsätze als Techniker, insbesondere für Belagerungsgerät, hatte er immer wieder gehabt. "Ich werde einige Übungen vorsehen."


    Dann dachte er einen Augenblick darüber nach, ob es noch weitere Anliegen gäbe. Ihm fielen jedoch nur neugierige Fragen ein. "Ist absehbar, wann unserer Einheit weitere Probati zugeteilt werden?" Dass die Einheit immernoch weit unter Sollstärke war und es in den Lagergassen manchmal geradezu gespenstisch ruhig zuging, brauchte er seinem Centurio wohl kaum zu erzählen.

    Seit dem Abmarsch vom Intervallum hatte Priscus von seinem Platz am Ende der Kolonne den Gleichschritt angezählt, was ein ziemlich langweiliger Job war, aber eben seine Aufgabe als Optio. Hier draußen auf der Straße konnte er seine Stimme allerdings etwas schonen, denn in der langen Reihe der Centurien schallte auch immer wieder von den vor ihnen oder hinter ihnen laufenden Einheiten eine Stimme herüber und auf den Steinen machten die benagelten Schuhe ohnehin ein lautes rhytmisches Geräusch, so dass man kaum aus dem Tritt kommen konnte. Umgekehrt war Priscus an diesem wichtigen Feiertag umso mehr darauf bedacht, dass alles ordentlich ablief und niemand aus der Reihe tanzte. Ein paar übliche Verdächtige gab es in jener Einheit und diese hätten vermutlich die scharfen Blicke des Optio in ihrem Nacken spüren können, wenn sie keine Helme getragen hätten. Andererseits bemerkten die wenigsten Zuschauer überhaupt einmal, wenn ein Fehler in der Formation passierte, so dass es meistens nur um den eigenen Hang zur Perfektion ging. Den Feldzeichen wollte schließlich niemand Schande machen, erst recht nicht am heutigen Tag.


    Den Verweis auf den guten Zustand der Ausrüstung fasste Priscus als Lob auf, immerhin hatte er sich gleich nach der Rückkehr aus Parthia intensiv darum gekümmert. Ebenso beiläufig, wie der Centurio es erwähnte, würde er es an die Männer weitergeben.


    "Während des Feldzuges ist alles das zu kurz gekommen, was nicht in direktem Zusammenhang mit den Kampfhandlungen und der Bewegung in Feindesland zu tun hat", beantwortete er dann die Frage. "Etwas Schwimmen im Fluss wäre wohl eine gute Idee, besonders für die Soldaten, die ihre Verletzungen ausgeheilt haben und nun wieder Kondition und Fitness nachholen müssen. Formalausbildung haben wir in den letzten Tagen auf dem Exerzierplatz schon wieder etwas aufgefrischt, auch im Hinblick auf die Parade zu den Rosaliae. Dort besteht weniger dringender Bedarf." Einen Augenblick dachte er darüber nach, was er noch vorschlagen konnte. "Für verschiedene Aufgabenbereiche müssten langsam auch wieder Experten ausbilden. Die Geschütze kamen zwar wenig zum Einsatz, aber einen Teil derjenigen, die damit besonders gut umgehen konnten, hatte es erwischt. Dasselbe gilt für Landvermesser." Gerade in diesen Bereichen war Priscus natürlich besonders kritisch, waren das doch seit je her seine eigenen Interessenschwerpunkte gewesen. "Einen eigenen Capsarius und einen vernünftigen Cornicen haben wir auch noch, aber auch hier wäre es vielleicht nicht falsch, langfristig an weitere geeignete Männer zu denken."

    Zur vierten Centurie der neunten Cohorte gehörte auch Priscus, der als Optio seinen Platz am Ende der Reihe einnahm und darauf wartete, dass der Centurio seine Inspektion beendet hatte. Auf dem Weg zum Appellplatz zählte er mit lauter Stimme den Gleichschritt an, damit die Männer auch wirklich ein gutes und wohltrainiertes Bild abgaben.