Beiträge von Gaius Tallius Priscus

    Auf halbem Weg durch die Lagergasse stockten die Männer von Gruppe gelb plötzlich - am Ende der linken Baracke öffnete sich eine Tür und ein Mann trat hinaus. Dieser erblickte im Halbdunkeln die drei Männer und hielt sie aufgrund ihrer mitgeführten Scuta offenbar auch ohne Fackel für eine Patrouille der Nachtwache. Arglos kam er auf sie zu und meldete sich. "Legionär Ovidius Otho, auf dem Weg zur Latrine."


    Nummer eins nickte knapp. "Gut, du kannst passieren. Aber du wirst niemandem erzählen, dass du uns gesehen hast. Du hast nämlich gerade die Bekanntschaft mit dem Wachmanöver 'Pinsel in der Nacht' gemacht."


    Ein kräftiger Farbfleck führte dem Opfer das auch bildlich vor Augen, während Gruppe gelb weiter schlich und an der nächsten Ecke vorsichtig in Richtung des Fackelscheins schaute.


    "Nicht alle auf einmal. Du gehst zuerst."


    Nummer zwei huschte herüber auf die anderen Seite der Kreuzung. Die verbleibenden Männer schauten zum Posten mit der Fackel. Hatte er etwas gemerkt?

    Gruppe Gelb hatte mit ihren Steinwürfen nicht den gewünschten Erfolg. Die Steine polterten über die Dächer, aber vorne beim Fackelschein sah nichts so aus, als würde sich dort jemand wegbewegen.


    "Lassen wir das, bevor wir irgendwen damit aufwecken. Gehen wir außen herum."


    Vorsichtig schlichen die Männer zwei Lagergassen weiter nach rechts und dann wieder in eine Gasse, die an einer der Unterkünfte entlang führte.

    Priscus betrat wie befohlen den Besprechungsraum und grüßte zunächst den Praefectus Castrorum.


    "Salve Praefectus. Optio Tallius Priscus meldet sich zur Besprechung."


    Mit einigen Blicken grüßt er die schon Anwesenden und sucht sich einen Platz.

    Pruscus fand es beachtlich, dass sich der neue Optio so sehr für den verstorbenen Medicus interessierte. Das gab ihm ein Gefühl von Kameradschaft.


    "Beides trifft es. Er war, soweit ich ihn erlebt habe, permanent betrunken. Wirklich, permanent. Man hatte immer das Gefühl, dass er sich durch die Arbeit im Trinken gestört fühlte. Aber soweit ich weiß, hat er trotzdem nie einen wirklich schlimmen Fehler deswegen gemacht."


    Wahrscheinlich hatte er stattdessen viele kleine Fehler gemacht, aber wer will nach seinem Tod schon noch darüber sprechen?


    "Einige Kameraden bezeichneten ihn als wunderlich. Der wunderlich Grieche. Ja, genau das war er."

    Priscus salutierte vor dem Praefectus Castrorum, bevor er der Aufforderung folgte und im Büro platznahm. Geduldig hörte er sich die Fragen und Ausführungen an und gab dann auf den an ihn gerichteten Teil eine Antwort.


    "Soweit mir bekannt ist, war kein fester Fertigstellungstermin für das Amphitheater vereinbart worden. Ich leitete vor Baubeginn die Vermessungsarbeiten und bekam dadurch gelgentliche Besprechungen des Architekten und einiger Magistrate aus Mantua auf dem Bauplatz mit. Soweit ich mich erinnern kann, war niemals von einem Zeitplan die Rede, der bestimmte Fristen vorsah."


    Der Optio machte eine Puase, um noch einmal nachzudenken, aber es fiel ihm tatsächlich nichts mehr ein. Andererseits konnte er nicht ausschließen, dass über Fristen immer nur in seiner Abwesenheit gesprochen wurde.


    "Eine Begehung der Baustelle ist kein Problem. Die großen Steinarbeiten sind nun weitgehend abgeschlossen, zumindest was Säulen und Sitzreihen betrifft. Es fehlen noch Mosaiken, Teile der Fußböden, diverse Holzarbeiten, Metallgitter und ein großer Teil des Anstrichs und der Bemalung. Und das Umfeld, versteht sich."

    Gruppe Gelb schlich unbehelligt an der ersten Baracke vorbei bis zur nächsten Quergasse und starrte angestrengt in die Dunkelheit.


    "An der nächsten Kreuzung sehe ich von links Fackelschein", stellte Nummer Eins fest.


    "Dann sollten wir ein oder zwei Quergassen weiter nach rechts ausweichen", schlug Nummer Zwei vor.


    "Hier liegt ein Haufen kleiner Steine", bemerkte Nummer Drei, der sich seine farbverschmierten Hände auf dem Sandboden abgewischt hatte.


    "Ja und?", zischten Nummer Eins und Zwei verständnislos zurück.


    "Die kann man werfen!", erläuterte Nummer Drei und setzte es gleich in die Tat um.


    Augenblicke später polterten ein gutes Stück nach links vorne entfernt Steine über ein Holzdach...

    Gruppe Gelb hatte Tribun Octavius als Opfer zugelost bekommen. Einer der drei Männer fand das äußerst praktisch, denn von dem wusste man immerhin genau, wo er wohnte. Der zweite fand es ausgesprochen unpraktisch, denn die Tribunenhäuser lagen an der Hauptstraße, an der es diverse Wachposten gab. Der dritte hatte sich gerade die Finger mit Farbe beschmiert und keine Meinung.


    Nach einer kurzen Besprechung entschieden die Männer, es von hinten über das Dach versuchen zu wollen. So konnten sie die Hauptstraßen des Lagers meiden und hätten wohl die besten Chancen. Augenblicke später waren die drei Gestalten in einer der unzähligen Lagergassen verschwunden.

    Priscus gehörte zu jenen Menschen, die Nacht ruhig und extrem fest schliefen. Bei denen man aber trotzdem nur einen kurzen Weckruf braucht, damit sie wach waren. Der Optio war nicht sonderlich stolz auf diese Fähigkeit, schließlich machte er das sein Leben lang schon so, aber in der Armee war sie ziemlich praktisch.


    So lang er auch diese Nacht wie immer in seinem Bett und schlief.


    Sim-Off:

    ... und war gespannt, ob er von der Wache laut Dienstplan im Alarmfall geweckt wird oder ob ihn die Pinseltruppe erwischt. :D

    Gemäß der Anweisung, die er am Morgen unter den Tagesbefehlen gefunden hatte, meldete sich Priscus im Officium des Praefectus Castrorum. Vorsichtshalber hatte er zwei Wachstafeln dabei. Eine mit Notizen über den Stand der Arbeiten und eine mit viel Platz für neue Anweisungen.

    Auch für Priscus wurden mit den fortschreitenden Arbeiten die Einsatzbereiche etwas eingeschränkter. Die nötigen Kräne und Rampen, die zum Einbau der schweren Steinstufen überall im Amphitheater benötigt wurden, waren noch einmal eine gemeinsame Meisterleistung aller Techniker der Legion gewesen. Reihe für Reihe waren die Stufen übereinander geschichtet worden und jeder Stein musste nach hinten und unten sorgfältig gegen das darunter liegende Gewölbe abgestützt werden. Die Steinmetzte hatten hervorragende Arbeit geleistet und die gebogenen Steine passten so exakt aneinander, als hätten die Steinmetze einfach einen großen Steinring in einzelne Blöcke zerlegt.


    Priscus nutzte den Verlauf der Arbeiten, um zwei Soldaten seiner Centurie als Techniker einzuarbeiten. Die Ausbildung solcher Spezialisten erfolgte innerhalb der Legion und so wie er vieles von seinem Wissen von anderen Soldaten gelernt hatte, gab er jetzt Kenntnisse weiter. Geduldig erklärte er noch einmal in allen Details den Aufbau der Kräne und die wichtigen Punkte, auf die man achten müsste. Stärke der Seile, Dicke des Holzes, Berechnung der richtigen Längen, um mit dem Gewicht hoch genug zu kommen und so weiter. Eine solche Großbaustelle war einfach die beste Gelegenheit, alles im praktischen Einsatz zu zeigen.

    "Gut würde ich es nicht nennen", antwortete Priscus leise. "Ich kannte ihn, wie ihn wohl jeder hier kannte, der lange genug dabei war. Er war ja einer der Ärzte, mit denen man zuerst in Kontakt kam, wenn man das Valetudinarium aufsuchte. Egal ob zur Musterung oder wegen einer Verletzung."


    Erst jetzt kam Priscus in den Sinn, dass dies vielleicht Absicht gewesen sein könnte. Wer nicht wirklich krank war, der vermied es nämlich, sich in die Hände des ständig betrunkenen Mannes zu begeben.

    Pirscus nutze die Wartezeit, in der er mit seinem Kollegen relativ nutzlos hermstand dazu, einmal kritisch an seiner Tunika herunter zu blicken, ob sie für den Anlass sauber genug war. Ziemlich rasch entschied er sich, dass dies der Fall sei und er nicht nochmal zurück in seine Stube eilen müsste, um sich umzuziehen. Schweigend folgte er dann Aristides zur Totenwache.

    Nachdem er die Posten an diversen Straßenkreuzungen im Lager kontrolliert hatte, begab sich Priscus auf die Mauer, die das Lager umgab. Langsam ging er den Gang entlang und schaute mal zur einen Seite ins Land hinaus und mal zur andere Seite ins Lager hinein. Schließlich erreichte er den massiven Eckturm und stieg die Treppen empor. Oben traf er planmäßig drei Mann von der Wache an. Normalerweise hätten es zwar vier sein müssen, aber das Contubernium war schon länger unterbesetzt. Die übrigen vier Männer der Gruppe patrouillierten in zwei Zweiergruppen auf der Mauer.


    Wie üblich nahm Priscus die Meldung entgegen, die wie üblich keine besonderen Vorkommnisse meldete. Natürlich gab es hier keine Angriffe, auch keine sonstigen Vorkommnisse und zuletzt war wohl nicht einmal ein neugierger Vogel auf einer Turmecke gelandet und hatte den Männern Gesellschaft geleistet. Immerhin war das Wetter gut und die Soldaten brauchten nicht im Regen oder eisigem Wind hier oben ausharren.


    Priscus nutzte den Besuch auf der Plattform des Turmes, um selber eine kleine Pause von seinem Rundgang zu machen. Einigermaßen bequem stützte er sich an einer Zinne der Mauer ab und unterhielt sich ein wenig mit den Wachen.

    Zuletzt hatte Priscus häufig das provisorische hölzerne Klo auf der Baustelle benutzt, wenn er dort Dienst hatte. Als der Wachdienst ihn im Lager hielt, suchte er dagegen wieder seine Stammlatrine auf. Der Kanal war halbwegs sauber, offenbar hatten sich wieder einige Soldaten mit einer gründlichen Reinigung befassen müssen. Während er darüber nachdachte fiel ihm ein, dass er noch gar nicht gehört hatte, was aus den Soldaten geworden war, die er bei der Wache beim Würfeln entdeckt hatte. Er würde sich mal erkundigen müssen.

    Priscus nickte und war froh, sich wieder um etwas kümmern zu dürfen, bei dem er besser Bescheid wusste. Säulen aufzustellen war zwar eine mühsame Arbeit, kam seinen Qualifikationen als Techniker aber gerade recht.


    Nachdem er den Tribun wieder allein gelassen hatte, besah er sich kurz den Bauabschnitt und erteilte dann die nötigen Anweisungen an seine Leute. "Die Säulen kommen über den großen Kran dort drüber hier oben zum Abschluß. Wir müssen sie dann erstmal bis zu ihrer Position bringen und dort aufstellen.


    Ihr organisiert uns einen geeigneten Transportwagen, mit dem wir hier oben rangieren können."


    Einige Soldaten nickten und machten sich auf den Weg. Priscus schaute die nächste Gruppe an.


    "Ihr besorgt Holz und Seile für eine Hebelvorrichtung, mit der wir die liegenden Säulen aufrichten können, ohne dass sie uns umkippen."


    Und auch diese Gruppe machte sich auf den Weg.


    "Und ihr kommt mit mir, wir bereiten oben die Standplätze der Säulen vor."


    Als sie oben am Bauabschnitt angekommen waren, schwebte bereits der bestellte Transportwagen am Kran nach oben und wurde wenig später oben abgesetzt. Sorgfältig kontrollierten die Soldaten, ob der Weg rundum frei war, so dass sie den Wagen problemlos zwischen Abladestelle und Bauabschnitt hin und her bewegen konnten. Dann polsterten sie das Gefährt mit Stroh aus, damit die geladenen Säulen keinen Schaden nahmen. Wenig später wurden auch die Balken angeliefert, mit denen eine Hebekonstruktion gebaut wurde, die die Säulen aufrichtete.


    "Alles klar, damit wären die Vorbereitungen soweit. Die Säulen können angeliefert werden", kommandierte Priscus.


    Erstaunlich reibungslos klappte dann der eigentliche Arbeitsablauf. Eine Säule nach der anderen wurde nach oben gezogen, auf den Wagen verladen, an ihren Platz gebracht und aufgerichtet. Während die Männer die Position kontrollierten und gegebenfalls korrigierten, wurde der Wagen wieder zurück geschoben. Und während die nächste Säule aufgeladen und zu ihrem Platz gebracht wurde, setzten die anderen die Holzkonstruktion um und konnten dort die Arbeit sofort fortsetzen.


    Bis zum Abend wurde so schon eine große Anzahl Säulen auf ihre Plätze gebracht und am nächsten Tag waren es noch mehr, da die Zeit für die Vorbereitung und Besprechung entfiel.

    Zitat

    Original von Marcus Flavius Aristides
    Marcus nickte noch viel erleichterter und ging flink hinaus. Im Gang lehnte er sich wieder gegen die Wand und starrte nur kurz auf die Tür. Er nickte Priscus dankbar zu.


    „Danke, Kamerad! Die Totenwache halten wir danach. Hast Du Zeit noch ein paar Stunden danach zu bleiben?“


    "Ja, ein wenig Zeit sollte ich wohl haben", antwortete Priscus, obwohl er nicht genau wusste, ob sein Kollege mit 'danach' die Zeit für die Totenwache oder nochmal eine Zeit nach dieser meinte.

    Auch Tage später war Priscus immernoch zeitweilig als Wachkommandant im Einsatz, wenn er nicht auf der Baustelle zu tun hatte. Laut Anweisung gehörte er sogar zu jenen, die Nachts im Alarmfall als erste zu Wecken waren, aber das war zum Glück noch nicht eingetreten. So drehte er abends noch einmal eine Runde durch seinen Abschnitt und prüfte, ob alle Männer auf ihren Posten waren. Mit illegalen Würfelspielern rechnete er nach dem letzten Zwischenfall am Tor nicht.

    Hätte man zu Priscus gesagt, 'Messlatte ist nicht gleich Messlatte', so hätte er qualifiziert mitreden können. Bei 'Rückenlehne ist nicht gleich Rückenlehne' war das weniger der Fall.


    "Ich habe mich noch nie genauer mit den Möglichkeiten einer Rückenlehne befasst. Aber soweit ich weiß, werden diese auf den normalen Sitzreihen nicht verwendet. Wenn das wirklich so schlimm wäre, dann hätte es doch bestimmt schon jemand geändert."


    Für ihn war es das einfachste, das nachzubauen, was an anderen großen Bauwerken vorgemacht worden war. Völlig falsch konnte es nicht sein.


    "Das mit den Holzbänken habe ich auch nicht ganz verstanden. Ich dachte, wir bauen hier ein Amphitheater komplett aus Stein, eben um nicht immer den Ärger mit dem Holz zu haben?"

    Etwas ratlos fragte sich Priscus, warum man nicht einfach die Männer herbei geholt hatte, die mit dem Verstorbenen eine Stube teilten. Immerhin galt die Stubengemeinschaft den Soldaten als ihre Familie. Andererseits kannte natürlich so ziemlich jeder im Lager den alten Griechen mit seinen Amphoren.


    "Ja, sicher, für ihn werde ich das tun. Aber du darfst gerne auch daran teilnehme, denke ich, auch wenn du ihn nicht gekannt hast. Er war ein guter Arzt, keine Frage."


    Priscus blickte seinem Kollegen kurz direkt ins Gesicht und betrat dann zusammen mit dem anderen Soldaten den Raum, als der Gesang des Priesters abgeklungen war. Einen griechischen Arzt mit etruskischem Gesang und römischer Conclamatio zu verabschieden war schon ein wenig seltsam. Als sich Priscus und der andere dann links und rechts von dem Toten aufgestellt hatten und mehrfach "Gaius Graecus" oder auch nur "Gaius" riefen, klang es auch nur begrenzt trauernd. Schließlich war Priscus' Stimme zwar laut, aber eher auf Kasernenflur, Exerzierplatz und Schlachtfeld getrimmt. Auch zu den gewaltigen Gesten professioneller Klageweiber konnten sich die beiden Soldaten nicht hinreißen lassen.

    Sein Vorgesetzter schien gut gelaunt und zu Scherzen aufgelegt zu sein, fand Priscus.


    "Natürlich nicht, die Sitzbänke mit Rückenlehne sind doch hochstehenden Personen vorbehalten."


    Richtig genau wusste Priscus nicht einmal, wann er zuletzt im Theater oder Amphitheater war. Es muss jedenfalls schon länger her gewesen sein, denn Mantua hatte ja noch keines und hier hatte er die letzten Jahre verbracht.