Sie waren verheiratet! Er und Sie - Mann und Frau. Rechtmäßig angetraute Eheleute. … Du meine Güte. Ich kann es kaum glauben, stellte Prisca nicht zum ersten Male an diesem Tag voller Verwunderung fest, dass es nun endlich soweit war. Wo war nur die Zeit geblieben? Der erste Kuss im Garten und der darauf folgende Eklat. Die Wochen und Monate voller Ungewissheit und Bangen, die Flucht in die Arme ihres Eros und dann die Verhandlungen, die Sponsalia und die Vorbereitungen auf die Hochzeitsfeierlichkeiten. Allein das stundenlange Weben der tunica recta, bis ihre Finger ganz klamm waren, die lehrreichen Gespräche mit ihrer pronuba und erst gestern dann, der Abschied von ihrem Zuhause und ihrer Kindheit als sie ihr Spielzeug und ihre übrigen Sachen den Laren und der Vesta geopfert hatte. Wo war nur die Zeit geblieben? Zerronnene Stunden, die das Leben aber auf so wundersame Weise lebendigmachen.
Selbst heute, am Tag ihrer Hochzeit, verschwammen die Erinerungen an den Brautzug und die Feier bereits wieder, obwohl sie sich gerade erst vorhin von den Gästen zurück gezogen hatten. Auch die Rufe vor der Türe verklangen langsam - endlich! Alles schien vergangen und doch war nichts vergessen, wenngleich es der jungen Aurelia direkt schwindelig wurde wenn sie so darüber nachdachte, was sie alles erlebt hatte in dieser kurzen Zeit, die nunmehr wie eine Ewigkeit zurück lag. Aber das Vergangene spielte ohnehin keine Rolle mehr, jetzt, so wie auch die Zukunft momentan völlig bedeutungslos war. Was zählte war nur der Augenblick, hier bei meinem Liebsten, sagte sich Prisca mit einem leisen Seufzer der Erleichterung vor und sie hoffte inständig, dass dies kein Traum wäre aus dem sie plötzlich erwachten könnte. Niemals wieder wollte sie mehr erwachen, wenn es danach ginge, so als gäbe es kein gestern und kein morgen mehr, sondern nur das Jetzt und Hier.
Prisca … Meine Frau Wie schön das klang, aus seinem Mund, dachte Prisca als ein sanfter Kuss ihre Lippen traf und sie einen Herzschlag lang fürchtete, dass nun die Seifenblase platzen würde. Aus und vorbei, der Traum. Aber dem war nicht so. Zum Glück! Nein, noch immer standen sie hier in dem cubiculum, noch immer trug sie ihre tunica recta, samt dem flammeum. Noch immer fühlte sie die zarten Blütenblätter unter ihren nackten Füssen und lag der angenehme Duft des Lavendels in ihrer Nase, der das wunderschön geschmückte Zimmer erfüllte. Und immer noch war er bei ihr und hielt sie zärtlich im Arm. "Aulus … mein Mann! … Ist es wirklich wahr?", wisperte Prisca mit zitternder Stimme zurück und gleichzeitig strich sie ihm zärtlich mit dem Handrücken über seine Wange, so als müsse sie sich erst davon überzeugen, dass Piso wirklich hier war.
Er war es und dementsprechend erleichtert atmete Prisca auf, ehe sie dann die Arme um die Hüften "ihres Mannes" schlang und den Kopf vertrauensvoll an seine Brust schmiegte. "Mein geliebter Mann!", wiederholte sie mit geschlossenen Augen das Gesagte, während sie dumpf sein Herz schlagen hörte. Nichts und niemand stand ihrer Liebe mehr im Wege oder könnte sie verhindern. Unsere Liebe! Mit all dem was damit verbunden wäre und dazu gehörte, wenn zwei Verliebte zusammen waren. Heute Nacht! War die Nacht, die erste Nacht! … Die Nacht, in der sie zum ersten mal miteinander ...
Herrje, du meine Güte, schoss es Prisca plötzlich heiß und kalt über den Rücken. "Scio nescio" hätte sie wohl just in der Sekunde den Ausspruch des Sokrates tätigen können, in dem Bewusstsein, dass alles Wissen das sie sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten (der einer jungfräulichen Patrizierin) über die körperliche Liebe angeeignet zu haben glaubte, dass dieses Wissen über Sex, mit einem Mal verschwunden schien. Nicht einmal mehr an die Worte ihrer pronuba konnte sie sich augenblicklich erinnern. Es war wie verhext! Was soll ich jetzt nur tun?, fragte sich die Aurelia selbst, schließlich konnten sie sich nicht die ganze Nacht an ihn klammern und einfach nur so dastehen und nichts weiter tun. Die einzige Hoffnung die Prisca noch hatte war die, dass ihr Mann bald die Initiative ergreifen würde und dann? Dann wird mir schon wieder einfallen, worauf ich zu achten habe. Davon war die Aurelia fest überzeugt.
Also gab sich Prisca einen Ruck. Mit einem Schritt zurück löste sich stumm von Piso, drückte ihn sanft von sich und ließ ihre Hände dabei streichelnd über seine Brust gleiten. Ein verlegenes Lächeln und ein unsicherer, aber gleichzeitig verlangender, Blick traf Piso Augen die nunmehr ungehindert ihren ganzen Körper betrachten konnten, so wie es seinen Händen nun frei stand sie überall zu berühren und jenen Knoten zu lösen, der das letzte Hindernis zwischen ihnen darstellte. Priscas Herz pochte wie wild, aber ihre innere Anspannung wich immer mehr dem schönen Gefühl und dem Prickeln unter ihrer Haut, wie sie ihren Mann nun gewähren ließ. Ja, ihre Augen begannen regelrecht zu funkeln, wie sie ihm dabei zusah was er nun tat und sie spürte, dass sie nur noch von ihm und ihrem gegenseitigen Verlangen, nach Lust und Liebe, getragen werden wollte ...