Tun zu was man Lust hat. So einfach war es also. In Griechenland wie auch in Germanien, egal wo nur ... ob man sich dadurch auch frei fühlte? Wirklich frei für immer?! Prisca kamen leichte Zweifel, dass dem so wäre und es je einen Weg gäbe, dieses Wunschdenken zu verwirklichen. Ob sie sich darin nun ähnelten, oder gänzlich unterschieden vermochte die Aurelia dabei nicht zu beurteilen, da ihre Kulturen, ihre Herkunft, Erziehung und ihr Stand zu unterschiedlich waren, oder? …
Prisca löste sich von dieser unlösbar erscheinenden Frage und von dem wundervollen Anblick des Parks, um sich auf den Stuhl zurück zu setzen, der immer noch neben dem von Siv stand. Die Aurelia betrachtete dabei nachdenklich das hübsche Gesicht der Germanin die, in ihren Gedanken versunken, so weit entfernt und verschlossen zugleich wirkte. Normalerweise hätte es Prisca nicht weiter interessiert, was ein Sklave dachte oder was ihn bewegen mochte. Doch bei Siv war das irgendwie anders. Vielleicht, weil sie die Leibsklavin von Marcus war und sich die Aurelia erhoffte, mehr über ihren eigenen Onkel zu erfahren?! Ein absurder Gedanke, denn was hätte sie davon? Sicher ging es Prisca nicht darum sich dadurch einen Vorteil zu verschaffen, aber Marcus war nun mal einer der wichtigsten Menschen in ihrem Leben.
Und er wirkte in letzter Zeit so fröhlich und glücklich, was durchaus an seiner bevorstehenden Hochzeit mit der Flavia liegen konnte. Oder aber an Siv! … Wie komm ich eigentlich dazu, mir darüber den Kopf zu zerbrechen??, bemerkte Prisca erst jetzt, was ihr die ganze Zeit durch den Kopf ging. Eigentlich wollte sie sich doch vorbereiten auf die Liebe und die Ehe, doch nun schweifte sie immer mehr in ihren Gedanken ab. Zu Marcus und seiner möglichen Beziehung zu dieser Sklavin hier …
… die sich, auf die direkte Frage der Aurelia hin, verlegen wirkend ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht strich und erst einmal nach den richtigen Worten zu suchen schien. Natürlich würde Siv niemals etwas schlechtes über ihren Herrn sagen oder denken, das war auch Prisca bewusst. Fast bereute es die Aurelia schon, diese Andeutungen gemacht zu haben, da der Vergleich zu einer Ehe ohnehin schwer zu ziehen wäre.
Doch dann begann Siv es zu umschreiben. Auf ihre Art und wie sie es tat, zog sie Prisca mit in ihren Bann. Es macht also wirklich Spaß?? Obwohl man sich dabei nicht liebt? … Einfach ausprobieren und dabei lernen! Hm, es muss nur der Richtige sein! Ein Mann eben, der es eben versteht, die Angst zu nehmen. Ein Mann wie Marcus? … Nein sie spricht ihren Mann 'Ragin'Zweifellos verstand Prisca nicht alles von dem, was Siv in dem Moment - mangels ihrer Sprachkenntnisse - bewusst oder unbewusst ausdrücken wollte. Der gedankliche Vergleich mit ihrem Onkel genügte der Aurelia schon um zu wissen, dass es auch für sie selbst noch Hoffnung gab. Zumindest vielleicht…
Siv begann zu lachen und Prisca tat es ihr gleich, nachdem auch sie aus dem Gesagten und Gedachten ihr eigenes Resümee gezogen hatte. "Das klingt irgendwie … einleuchtend, Siv! Dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als es selbst auszuprobieren und zu hoffen, dass mein künftiger Gatte auch Spaß daran findet. … ", bemerkte Prisca kichernd, doch mit dem nächsten Atemzug wirkte Prisca schon wieder ernster.
"Ach Siv weißt du, manchmal wünsche ich mir, dass mein künftiger Ehemann so sein könnte wie mein Onkel. … Und im selben Moment weiß ich, dass ich niemals einen solchen Mann finden werde, der diese hohen Erwartungen je erfüllen wird. … Ich fühle mich dann so schrecklich hilflos und weiß nicht einmal, wie ich mich verhalten soll und was ich tun kann, damit ich eine gute Ehefrau sein werde. … Ich … ach, ich wünsche mir eigentlich nur,dass ich nicht mehr soviel Angst vor der Zukunft habe." Die Angst wieder ganz allein zu sein gestand Prisca schließlich mit leiser und zitternder Stimme, was sie innerlich so oft aufwühlte und bewegte. Diese schreckliche Ungewissheit!
Prisca blickte kurz hinab zu den Falten auf ihrem Kleid, die sie unablässig mit den Fingern zupfte und die langsam vor ihren Augen verschwammen, als diese sich immer mehr mit Tränen füllten. Warum erzähle ich ihr das eigentlich? Sie kann mir ja auch nicht helfen. Was soll ich nur tun? Die Aurelia verstand sich und ihre Gefühle im Grunde selbst nicht mehr. Aber nicht immer konnte man Gefühle erklären oder kontrollieren. Sie waren einfach da und sie vermochten so viel zu bewegen. Sogar dies, dass Prisca mit einem Mal die Hand nach der von Siv austreckte und ihr stumm dafür dankte, nicht allein sein zu müssen ...