Seinen Gesichtszügen nach, musste die Anspannung doch recht hoch gewesen sein. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie ihm eine positive Antwort wenigstens in Aussicht stellte. Mehr konnte und wollte Prisca auch nicht zusagen, denn ihr war sehr wohl bewusst wie viel Politik hinter so einer Verbindung stecken mochte. Politik, die Prisca eigentlich gar nicht interessierte. Was nützte ihr all der Reichtum und die Macht beider Häuser, wenn sie nicht glücklich sein durfte. Ist es etwa egoistisch, dass ich mir das wünsche? Oder zeugte dieser Wunsch nicht von viel mehr Bescheidenheit, als man von einer Patrizierin wie Prisca erwarten würde? Priscas Interesse galt vielmehr dem Menschen, der ihr dort gegenüber saß. Dem Mann, dem sie eine gute Ehefrau sein wollte. Dem sie gehorchen und zur Seite stehen, dem sie vertrauen und auch lieben wollte ohne daran zu denken, wie viel Macht sie als Frau dadurch inne haben könnte. All diese Geschichten kannte sie von ihrer Mutter und zur rechten Zeit würde sie sich vielleicht daran erinnern. Allerdings lagen diese Gedanken in so weiter Ferne, während Caius ihr umso näher schien. Nicht nur körperlich, da sie sich auf ihren Klinen ja direkt gegenüber lagen, nein - auch von seiner Art und seiner Einstellung her wirkte er so vertraut. Prisca gefiel, was er von sich erzählte und welche Pläne er für seine Zukunft hatte. Ein strebsamer und erfolgreicher Mann genoss schließlich hohes Ansehen und Macht und das wiederum würde Reichtum und ein unbeschwertes Leben mit sich bringen.
Und es wäre gelogen gewesen, wenn Prisca ein solches Leben nicht zu schätzen gewusst hätte. Aber waren dies wirklich ihre Hauptgründe für eine Ehe? NEIN!!, so sicher war sich Prisca eigentlich noch nie gewesen, je öfter sie im Gedanken ihr künftiges Leben durchspielte. Was nützt mir das alles, wenn ich mich einsam, unnütz und ungeliebt fühle?, dachte sich Prisca und lauschte eben seinen Worten, die so viel mehr versprachen. …
"Ich ... hoffe einfach auf eine Frau, zu der es sich am Abend heimzukehren lohnt … Wenn es Gutes gibt, möchte ich die Freude darüber mit meiner Frau teilen können, wenn es Schwierigkeiten gibt, will ich sie mit ihr ebenso besprechen können, um eine Lösung zu finden … Ich möchte mir ihr lachen können … über Literatur sprechen können, sie an den Dingen des Lebens interessiert wissen … vielleicht ... auch Kinder, denen sie eine liebevolle und zärtliche Mutter sein wird. Letztendlich verlange ich keine Kaiserin, keine Göttin … aber ich erhoffe mir eine Frau, die mein Leben gern teilt und deren Leben auch ich teilen kann..."
Prisca ließ ihren Blick auf ihm ruhen und mochte fast abwesend wirken während sie sich in ihren Gedanken ausmalte, wie es sein würde. Ihr verklärter Blick verschwand erst wieder, nachdem Caius geendet hatte und die Frage an sie weiter reichte. …was ich mir vom Leben wünsche? … Prisca nahm einen Schluck von ihrem verdünnten Wein und ebenso schnell wie er ihre Kehle hinunter floss, mochte dieses Leben irgendwann einmal zu Ende sein. Viel zu schnell, um es zu vergeuden. Das wurde Prisca immer mehr bewusst.
"Ich erzähle dir bestimmt kein Geheimnis wenn ich dir nun sage, dass ich bereits von Kindheit an von meiner Mutter auf den Moment der Ehe vorbereitet wurde. Ich lernte mich züchtig zu benehmen und ich wurde so erzogen, dass ich in der adeligen Gesellschaft bestehen könnte. Ich kenne also die Vorzüge eines solchen Lebens und als Patrizierin weiß ich sie zu schätzen … ja, wenn ich ganz ehrlich bin, …" Prisca musste kurz auflachen." …liebe ich auch den Reichtum und die Macht, aber …" Ihr Blick wurde mit einem Mal wieder nachdenklich und sie sah kurz auf ihren Becher, den sie immer noch in ihren Händen hielt. " … ich spüre auch deutlich, dass dies nicht alles im Leben sein kann, dazu ist es einfach zu … vergänglich …"Prisca ließ eine kurze Pause entstehen, indem sie den Becher zurück auf den Tisch stellte und im Gedanken kurz bei ihrer toten Mutter weilte. Dann sah sie ihm wieder in die Augen und war bereit, ihm ein Geheimnis anzuvertrauen, von dem nur sehr wenige wussten. Einfach nur um ihm zu zeigen, wie wichtig für sie Vertrauen und Familie waren.
"Meinen Vater habe ich - wie du bereits weißt - nie gekannt und meine ganze Kindheit verbrachte ich bei meiner Mutter hier in Ostia. Sie sorgte sich all die Jahre wirklich vorbildlich um mich, brachte mir alles bei was ich wissen musste und beschützte mich vor allen Gefahren des Lebens. Ich kannte so gut wie keine Ängste und Sorgen. Eines Tages schickte sie mich dann auf eine Studienreise und ich dachte mir nichts weiter dabei. Ein Jahr später erhielt ich von ihr einen Brief, in dem sie mich aufforderte nach Germanien, zu meinem Onkel zu reisen. Angeblich zu einem Familientreffen, wie sie schieb … auch da ahnte ich noch nicht, warum sie das tat ..." Wieder verstummte Prisca und war bemüht den verräterischen Glanz ihn ihren Augen zu bändigen, bevor sie weitersprechen konnte. " … erst von Marcus erfuhr ich dann den wahren Grund für meine Reise. … Meine Mutter war krank … todkrank … und sie wollte nicht, dass ich sie leiden und sterben sah! … Aber vielleicht … hätte ich es ja so gewollt?! … nur um bei ihr sein zu können, ... bei meiner Mutter … in dem Moment, um ihr zu helfen … ihr zu zeigen, dass ich sie …" über alles geliebt habe …
Prisca unterbrach sich und griff schnell nach einer Serviette, um sich damit die Tränen aus den Augen zu tupfen. "Entschuldige bitte, ich wollte dir keinesfalls den schönen Tag mit meinen trüben Gedanken verderben, aber … " Mit einem entschuldigenden Lächeln fing sich Prisca schnell wieder und faltete das Tuch zusammen, um es griffbereit in ihren Händen zu behalten. " … was ich eigentlich damit sagen wollte ist, dass ich mir letztendlich nichts sehnlicher wünsche als ein Leben miteinander und füreinander. Im Kreise einer Familie in der man sich wohl und geborgen fühlen darf und dem anderen voll und ganz vertrauen kann. " …In guten wie in schlechten Zeiten. … Und ... ich möchte keinen Mann, der nur an seine Arbeit und seinen Erfolg denkt und mich darüber ganz vergisst. Ich möchte vielmehr an seinem Leben teilhaben und ihn unterstützen dürfen, so wie er sich auch für meine Interessen begeistern lassen sollte ..." Nein - Prisca wollte auf Dauer keine dieser Patrizierinnen sein, die jeden Tag alleine zu Hause saßen und im Grunde gar nicht wussten, was um sie herum vor sich ging. Was sich Caius wohl von mir am meisten wünschen würde? … Kinder? … Prisca nahm sich ein Stück Brot, tunkte es in ein Schälchen mit garum und blickte ihm hoffnungsvoll in die Augen während sie davon aß. Wäre er der Richtige? Prisca verspürte bereits den Wunsch für ihn da sein zu wollen, an seiner Seite zu leben und ihn … zu lieben … Welche Ziele werden wir vielleicht schon bald gemeinsam verfolgen? … es gäbe so viele …
"Es gibt da übrigens etwas, was ich eigentlich mit Marcus besprechen wollte. Bisher hatten wir nur noch nicht die Zeit gefunden, aber mich würde ebenso interessieren wie du darüber denkst.", verkündete Prisca so spontan wie sie an ein ganz persönliches Ziel von sich denken musste. Prisca richtete sich auf ihrer Kline auf, denn diese Überlegung und Caius´Meinung dazu waren ihr sehr wichtig. "Nun, ... wie du sicher weißt gibt es sehr wenige Aufgaben, die sich für eine Patrizierin wie mich ziemen und überdies wird es oft in der Familie nicht gern gesehen, wenn die Frau … arbeitet …" Mit dem letzten Wort schmunzelte Prisca kurz betont und sah ihn gleich darauf wieder erwartungsvoll an."… Allerdings hege ich schon lange den Wunsch mein Interesse für den Glauben und die Götter mit einer sinnvollen Aufgabe zu verbinden. Ich dachte dabei an den cultus deorum und frage mich ob es dort nicht ein Amt gäbe, welches ich übernehmen könnte ? …" Bei nächster Gelegenheit wollte sie diesen Gedanken mit Marcus teilen, aber genauso würde ihre Entscheidung auch eine künftige Ehe betreffen.