Beiträge von Lucius Quintilius Valerian

    An manchen Tagen ging es hier zu wie in einem Taubenschlag, an anderen wieder konnte man am Tor Spinnweben ansetzen, weil sich keiner blicken ließ. An diesem Tag schienen die Spinnen ihre Chance zu erhalten, so schien es wenigstens. Bis... ja, bis sich doch jemand näherte. Augenscheinlich ein Senator. Hoffentlich nicht so ein überheblicher wie der Tiberier. Zumindest einen höflichen Sklaven hatte er und das war ja auch nicht unbedingt selbstverständlich, wie Valerian im Laufe seines Dienstes hier hatte feststellen müssen.


    "Salve, Philomelus. Über Audienzen befindet der procurator a libellis. Ich kann allerdings sagen, daß zur Zeit nur sehr wenige Audienzen stattfinden, kann Deinem Herrn also nicht viel Hoffnung machen. Er spricht am besten beim procurator a libellis vor, der kann Deinem Herrn sagen, ob und wann er eine Audienz erhalten kann", gab er dem Sklaven höflich Auskunft. "Natürlich muß ich Deinen Herrn erst auf Waffen untersuchen, bevor ich ihn in den Palast führen kann. Eine übliche Prozedur, die ihm nicht unbekannt sein dürfte. Und Du darfst ihn nicht begleiten, sondern mußt hier warten."

    Valerian hatte ja nun doch ein bißchen was herausfinden können über die Tiberier. Der Sklave hatte sich als einigermaßen mitteilungsfreudig erwiesen, nachdem er sein Vertrauen gewonnen hatte. Doch noch immer tat der Mann ihm leid. Ein Gefühl, daß sich ein Praetorianer eigentlich nicht erlauben sollte. Und so versuchte er, es zu unterdrücken. Auf jeden Fall mußte er berichten, was er herausgefunden hatte und so stand er bald vor der Tür zum officium des princeps praetorii und klopfte an.

    Es waren einige Stunden vergangen, bis Valerian wieder an der Castra auftauchte. Er hatte einen Beutel mit Einkäufen dabei, so daß selbst die Kameraden nicht ahnen konnten, daß er einen besonderen Auftrag gehabt hatte. "Miles Quintilius meldet sich zurück", sagte er den Kameraden am Tor, dann ging er zur Unterkunft, um sich wieder ordnungsgemäß zu kleiden und anschließend Bericht erstatten zu können.

    Valerian schaute betrübt auf seine Hände. "Das tut mir wirklich leid, Glaukias. Meinst Du, das Geld reicht nicht?" Er war schon nahe daran, darauf zu bestehen, mitzukommen. Doch was, wenn ausgerechnet Tiberius Durus auftauchte, um zu sehen, was da los war? Er würde ihn sicherlich wiedererkennen. Und ihr letztes Zusammentreffen war ja nun alles andere als angenehm verlaufen, - auch wenn Valerian selbstverständlich im Recht gewesen war. "Wenn Du meinst, ich mache es nur schlimmer, dann komme ich lieber nicht mit. Aber wenn Du meinst, ich könnte Dir wenigstens einen Teil des Ärgers ersparen, dann komme ich mit. Irgendwie fühle ich mich schuldig." Was er ja auch eigentlich war.

    Während der Centurio sprach, nahmen die Männer Haltung an und hörten aufmerksam zu. Die Worte des Centurios hatten so manches erfreutes Grinsen zur Folge. Denn tatsächlich brannten die Unterlegenen darauf zu zeigen, daß sie keine Versager waren.


    Valerian und sein Gegner nahmen die Ausgangspositionen ein. Dann, als das Startsignal kam, umkreisten sie einander für einige Momente. Erst dann startete der andere einen Angriff und versuchte, Valerian zu packen. Dieser konnte sich mit einer geschickten Drehung soweit herauswinden, daß der andere keinen wirksamen Griff anwenden konnte. Nun versuchte Valerian seinerseits, den Gegner zu Fall zu bringen. Doch so vergleichsweise einfach, wie vorhin, war das nun nicht mehr. Auch sein Gegner war nicht dumm und dieses mal auf der Hut. Immer wieder versuchten sie, sich gegenseitig aufs Kreuz zu legen, immer wieder gelang es ihnen, sich dem zu entziehen. Jetzt hielten sie sich wieder umschlungen, kämpften jeder um die Oberhand. Valerians Gegner versuchte, seine größere Körperkraft zu nutzen, Valerian konterte mit flinken Ausweichmanövern und gekonnten Hebelgriffen. Sie merkten gar nicht, daß die anderen Kameraden alle ihre Kämpfe inzwischen beendet hatten, sie merkten nur, daß der Schweiß in Strömen an ihnen herabfloß und daß ihre Kräfte langsam nachließen. Weitere ewige Minuten lang wogte der Kampf unentschieden hin und her. Dann endlich gelang Valerians Gegner ein Griff, der Valerian aushebelte und ihn auf den Rücken warf. Gleich war der andere über ihm und kniete mit einem Knie auf seinem Brustkorb. Natürlich versuchte Valerian trotzdem, sich zu befreien, doch er hatte nicht die geringste Chance. "Ich gebe auf", gab er schließlich ein wenig zerknirscht zu. Verloren. Aber wenigstens war es nicht leicht gewesen, ihn zu besiegen. Doch würde das genügen, um vor den gestrengen Augen des Centurios zu bestehen?

    Valerian merkte sich die Namen, grinste aber breit und ein wenig frech. "Na, vielleicht ist Rom ja zu interessant für manche junge Patrizierin? Ich könnte mir vorstellen, daß die Familienältesten da gerne etwas mehr Kontrolle ausüben, als es hier in Rom möglich ist. - Ach, genug von den hohen Herrschaften. Ich glaube nicht, daß mein Patron mit einem von denen was zu tun hat. Und ich schätze, selbst Deinem Majordomus wird es zu blöd sein, sich um einen kleinen Niemand wie mich zu scheren." Valerian kramte in seinem Beutel und es sah wirklich so aus, als würde er sein letztes Geld da rausholen. "Hier, es ist nicht viel. Aber vielleicht reicht es für ein paar Eier und etwas Brot. Dafür, daß ich mir an Deinen verunglückten Einkäufen den Wanst vollgeschlagen habe." Er drückte dem Sklaven das Geld in die Hand. "Oder soll ich besser doch mitkommen? Ich möchte auf keinen Fall, daß Du bestraft wirst, nur weil ich auf diesen Grobian nicht achtgegeben habe." Vor allem wollte er dem Mann in guter Erinnerung bleiben. Vielleicht brauchte er ja nochmal die eine oder andere Information aus der Villa Tiberia.

    Interessiert hörte Valerian zu. Durus und Heiratspläne? Bisher hatte er davon noch nichts gehört, doch das wollte nichts heißen. Er war kaum auf dem Forum gewesen, seit er wieder in Rom war und war daher beim derzeitigen Klatsch nicht ganz auf dem Laufenden. "Eine Fabierin wäre ja nicht die schlechteste Partie. Die bringt bestimmt einiges an Geld und guten Verbindungen mit in die Ehe. Und auch bestimmt ein paar hübsche Dienerinnen." Valerian grinste breit. Das war für Sklaven doch immer eine feine Angelegenheit. "Gibts nicht auch noch ein paar junge Frauen in Deiner Herrschaft, die noch unverheiratet sind? Die anderen Patrizier in der Stadt haben da doch bestimmt schon ihre Finger ausgestreckt, was?" Sie hatten die Einkäufe, die noch verwendbar waren, inzwischen im Netz verstaut und diejenigen, die durch abwischen noch so gerade genießbar waren, lagen zwischen ihnen beiden und wurden nach und nach vertilgt. Auch nicht schlecht, auf diese Weise zu einer Mahlzeit zu kommen. Valerian nahm sich vor, dem Mann zum Abschied ein paar Münzen für die Verköstigung zu geben. Vielleicht würde das dann auch noch für ein paar Eier reichen.

    Das war allerdings wahr. Wer lag schon gerne vor seinem Offizier im Staub? Valerian jedenfalls wollte dort nicht landen. Er hatte seinen Gegner beobachtet, suchte den Punkt, an dem er ansetzen mußte, um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Gleichzeitig mußte er verhindern, daß sein Gegner ihn allzusehr in den Griff bekam, was gar nicht so einfach war. Der Mann, der ihm gegenüberstand, grinste siegessicher und Valerian setzte eine ängstliche Miene auf, um den anderen in Sicherheit zu wiegen. Vermutlich war seine Überheblichkeit seine größte Schwäche und die galt es auszunutzen.


    Eine ganze Weile ging es hin und her, ohne daß einer den anderen recht zu packen bekam. Valerian wich dabei so aus, daß er ungeschickt wirkte, als wäre es reines Glück, dem endgültigen Griff und dem Rückenwurf gerade noch entkommen zu sein. Sein Augenblick kam, als sein Gegner nochmal nachgriff, um ihn doch noch zu erwischen und Valerian es im Gegenzug schaffte, den anderen zu packen und gleichzeitig das Standbein wegzutreten. Schwer schlug der Körper seines Gegners auf dem Boden auf und Valerian schaffte es, ihm das Knie auf die Kehle zu setzen. Im Ernstfall hätte er ihn nun leicht töten können, doch natürlich legte Valerian kein Gewicht auf das Bein. "Gibst Du auf?", fragte er ernst und vergaß nicht, den Mann im Auge zu behalten, falls er nun eine Befreiungsaktion versuchen würde.


    Doch dem anderen war klar, daß Valerian der Sieger war und nickte. "Du hast gewonnen. Und ich würde gerne noch einen Gang mit Dir versuchen. Nochmal falle ich auf Deine Angstmasche nicht rein."


    Valerian grinste. "Aber gerne doch." Und half seinem Kameraden auf die Füße.

    Es war eine wahre Erleichterung, die Ausrüstung ablegen zu dürfen. Und man konnte ein erleichtertes Aufatmen hier und da durchaus hören. Sorgfältig legten die Männer ihre Ausrüstung zusammen, so daß sie diese leicht und schnell wieder anlegen konnten, falls ein derartiger Befehl erteilt wurde. Dann suchten sie sich jeder einen Kampfpartner. Valerian stand einem Mann gegenüber, den er noch nicht kannte. Er war nicht viel größer als er selbst, jedoch recht muskelbepackt. Bestimmt ein guter Ringer. Aber gut, ganz unfähig war Valerian ja auch nicht, immerhin hatte er das Ringen unter Centurio Petronius erlernt und trainiert.

    Valerian nickte ernst. Dann also doch schon sofort. "Nach den Aussagen dieses Mannes hat Potitus Vescularius Salinator den Caesar mehrfach besucht. Er gilt als sehr enger Freund und Vertrauter des Valerianus. Die Soldaten sind davon überzeugt, dass die meisten Handlungen des Caesars in der letzten Zeit allein auf Vescularius zurückzuführen waren. Zum Beispiel eine Opferungszeremonie zum Jahreswechsel, die dem Ianus gewidmet war. Der Caesar ist zwar als Opferherr aufgetreten, aber nahezu alle Handlungen wurden von Vescularius vollzogen und dieser war es dann auch, der für die Verteilung des Fleisches an die Soldaten sorgte. Auch die Auszahlung eines Donativum soll aus der privaten Kasse des Vescularius erfolgt sein, obwohl es wohl auch Stimmen gab, die diese Auszahlung auf Valerianus zurückführten. Doch die Soldaten halten eher Vescularius für denjenigen, der an sie denkt. Sie sind Valerianus nicht unbedingt untreu, aber sie fühlen sich anscheinend Vescularius stärker verbunden als Valerianus." Vertraulichkeit war für Valerian bei derartigen Ermittlungen vollkommen selbstverständlich. Davon wußten nur die Männer, die bei der Besprechung mit dem Centurio dabei gewesen waren. Und vom Ergebnis hatte er nicht mal ihnen etwas gesagt. Für ihn war allein der Centurio der Ansprechpartner, was seine Erkenntnisse anging. Wobei er allerdings davon ausging, daß dieser vom Praefecten beauftragt worden war und diesem entsprechend berichten würde.

    Das war ja nun mal wirklich interessant. Der Majordomus stand also unter dem besonderen Schutz der Herrschaft? Und schaffte sich Geld an die Seite. Valerian schüttelte mit sichtlichem Entsetzen den Kopf. "Warum gelingt es nur solchen Menschen immer wieder, an Stellungen zu kommen, in denen sie Macht über andere ausüben und mißbrauchen können? Kaum vorstellbar, daß ein Mann wie der Senator Tiberius Durus sich von einem Majordomus beeindrucken läßt. Oder hält der sich eher an die Frauen im Haus? Innerhalb des Hauses haben die doch meistens die wahre Macht in den Händen." Er lachte, als würde er seine eigenen Worte nicht ganz ernst nehmen.

    Valerian trat ein, schloß die Tür sorgfältig hinter sich und salutierte dann. "Salve, Centurio Caecilius." Hm, der Centurio machte nicht gerade einen erfreuten Eindruck. Valerian schluckte unwillkürlich, fuhr dann aber fort: "Ich traf heute einen unserer Informanten. Der Mann hat einige Monate in Illyrien verbracht und hat mir einiges darüber erzählt, was die Soldaten der VII. so wahrgenommen haben und über den Legaten Potitus Vescularius Salinator berichten. - Komme ich ungelegen? Soll ich Dir besser später davon berichten?" Irgendwie erschien es ihm, als sei der Centurio im Aufbruch begriffen.

    Valerian hatte durchaus einige interessante Dinge herausgefunden. Und wollte diese schon mal berichten, auch wenn er noch nicht alle Quellen ausgeschöpft hatte, die ihm so einfielen. Der Auftrag war von seinem Centurio gekommen, als erstattete er ihm auch den Bericht. Er klopfte an die Tür der Unterkunft seines Vorgesetzten, wo sich ja auch sein officum befand, und hoffte, daß er anwesend war.

    Es war schon erstaunlich, wie gut das Informationsnetz der Praetorianer so funktionierte. Valerian hatte heute die Ehre, einen Informanten zu treffen, der gerade in Rom angekommen war und sich wohl eine Weile im Illyricum aufgehalten hatte. Da Valerian noch relativ neu bei der Truppe war, fiel die Wahl auf ihn, den Mann zu treffen. Niemand von den Menschen rundherum würde ihn als Praetorianer erkennen.


    Sie trafen sich an einem Weinstand mitten auf dem Markt. Der Mann war schon da, saß an einem der aufgestellten Tische und nippte hin und wieder an seinem Weinbecher. Valerian erkannte ihn nach der Beschreibung, die er erhalten hatte. Er kaufte ebenfalls etwas Wein und gesellte sich dann einfach zu dem Mann. Es machte für andere Leute in der Nähe den Eindruck, als würden sie zufällig ins Gespräch kommen, so wie es überall in Rom jederzeit geschah. Sie begannen das Gespräch mit einer Unterhaltung über die Ankunft des Kaisers, das Hauptthema zur Zeit in Rom. Dann tauschten sie die Schlüsselworte aus, die ihnen sicher anzeigten, dass sie den jeweils richtigen Gesprächspartner gefunden hatten.


    Anschließend begann der Mann in gedämpften Tonfall, so daß allein Valerian seine Worte verstehen konnte, und mit einer Miene, die eher auf eine harmlose Plauderei schließen ließ, mit seinem Bericht. Aufmerksam hörte Valerian zu, nickte hin und wieder, fragte nach, lächelte hier und da. Dann leerten sie ihre Becher, verabschiedeten sich und gingen wieder ihrer Wege. Valerian ließ sich Zeit. Er tätigte noch einige Einkäufe, sprach mit den Händlern und auch hier achtete er durchaus darauf, wie die Leute redeten und was sie über wen dachten. Das war auch nicht ganz uninteressant.


    Erst Stunden nach seinem Gespräch mit dem Mann kehrte Valerian über Umwege zur Castra zurück.

    "Tiberia. Du dienst einer wahrhaft vornehmen Familie", sagte Valerian mit hörbarem Erstaunen in der Stimme. Und schüttelte dann in Unverständnis den Kopf. "Und die stellen sich an wegen ein paar Eiern und etwas Brot? Unglaublich. Ist denn außer dem Senator Tiberius Durus überhaupt jemand von denen in Rom? Irgendwie wüßte ich nicht, daß mir in letzter Zeit in irgendwelchen Klatschereien der Name untergekommen wäre." Er nahm sich ebenfalls ein Stückchen vom Brot. Es wäre doch Verschwendung, es komplett wegzuwerfen. "So hohe Herrschaften werden doch wohl kaum ihre Mühe an einem unbedeutenden Wicht wie mir verschwenden - wegen ein paar Eiern und etwas Brot. Zumal es doch auch nicht meine Schuld war."

    Hätte Valerian etwas von dem Gladius gewußt, dann wäre Proximus jetzt verhaftet worden. Denn wie jeder Römer wußte, war es verboten, innerhalb Roms Waffen zu tragen. Dies durften nur die für die Sicherheit der Stadt zuständigen Truppenangehörigen. "Ich hoffe, Du trägst sie nicht nur nicht, wenn Du zum Palast kommst, sondern überhaupt nur außerhalb Roms", bemerkte Valerian, während er den Mann abklopfte.


    "Dann folge mir bitte zum Officium des Procurators a libellis", forderte Valerian den Iulier auf und führte ihn zielsicher durch die Gänge des Palastes.

    Kaum war Valerian wieder zurück, stand auch schon der nächste Besucher da, der Einlaß begehrte. "Salve", grüßte er zurück und musterte den Mann eingehend. "Nenne bitte Deinen Namen und Dein Amt oder Deinen Posten. Und hebe bitte Deine Arme, damit ich Dich auf Waffen untersuchen kann." Valerian wunderte sich ja ein wenig, daß der Mann sich nicht mal vorgestellt hatte. Er würde ihn besonders im Auge behalten müssen.

    Hm, dieses Lachen klang fast schon bitter. Und die Frage, wem er gehörte, hatte der Sklave auch nicht beantwortet. Eine härtere Nuß, als er gedacht hätte. Die beiläufige Frage konnte er so nicht wiederholen, aber vielleicht ging es anders.


    Valerian grinste und legte den Kopf leicht schief. "Vor Deinem Majordomus habe ich keine Angst. Was kann er mir schon tun? Ich meine, kommt natürlich immer darauf an, wieviel Einfluß Deine Leute tatsächlich haben. Es gibt schon Menschen, von denen ich abhängig bin und wenn es da Verbindungen gibt..." Er blickte nachdenklich drein.