Beiträge von Lucius Quintilius Valerian

    Das Blut rauschte so laut in Valerians Ohren, daß er die Bestrafung von Drusus kaum mitbekam. Er stolperte zurück ins Glied und nahm so gut wie möglich Haltung an. Die Blicke der anderen versuchte er zu ignorieren, doch er konnte nicht verhindern, daß ihm vor Scham die Wangen und die Ohren glühten.


    Was er wahrnahm, war das fiese Grinsen von Brutus, der Drusus noch irgendwas zuflüsterte. Sicher eine Gemeinheit. Und die Worte des Centurios nahm er wahr. Die Prügelei. Die Prügelei war also das eigentliche Problem. Sein Rücken brannte furchtbar. Prügeln durften sie sich also nicht. Es war schwer einen klaren Gedanken zu fassen. Doch irgendwie war es ungerecht, daß man einem fiesen Kerl wie zum Beispiel Brutus nicht einfach das Maul stopfen durfte.


    Wie lange es wohl dauerte, bis der Schmerz nachließ? Der Centurio war sauer. Ja, vielleicht zu Recht. Aber was wäre richtig gewesen? Wie hätten sie Quintus begegnen sollen, um ihm klarzumachen, daß sie sich nicht alles gefallen ließen? Vielleicht war dies der falsche Moment, darüber nachzudenken.


    Drusus... wie ging es eigentlich Drusus? Er hätte nicht zulassen sollen, daß Drusus geschlagen wurde. Es ging alles so schnell. Aber er hätte es verhindern sollen. Es war ja seine Schuld, nicht die von Drusus. Der Eimer Wasser, der war der Auslöser gewesen. Verdammt, nun war es zu spät. Er hätte es nicht zulassen dürfen...

    Erhöhtes Marschtempo also! Das würde heute anscheinend wirklich die Feuerprobe werden. Doch Valerian fühlte sich eigentlich absolut fit. Der Aufenthalt auf dem Gutshof war ja sowas wie eine Pause gewesen und er war nach den Monaten harten Drills wirklich gut in Form. Er würde schon durchhalten. Der Wille jedenfalls war da.


    Gleichschritt, das war ja mittlerweile etwas ganz selbstverständliches. Und das Tempo wurde vom Optio vorgegeben. Valerian war wirklich gespannt, wie lange sie brauchen würden, um die anderen einzuholen.

    Valerian füllte Sabinus den Becher. "Ein kleiner Rest ist noch drin, möchtest Du, Drusus?" Sein eigener Becher war noch halb voll und er sah, daß Drusus gerade den seinen gerade leerte.


    Ob Wein in den Unterkünften verboten war, wußte Valerian nicht. Eigentlich konnte er sich das nicht vorstellen. Sicher durfte man nicht betrunken zum Dienst erscheinen. Aber gegen einen Becher Wein beim Essen konnte doch wirklich niemand etwas einzuwenden haben. Sie waren schließlich erwachsene Männer und keine Kinder.


    "Ich bin gespannt, wie lange es noch dauert, bis wir zu Legionären befördert werden. Eigentlich müßten wir die Grundausbildung doch bald geschafft haben, oder?"

    "Mögen Deine Worte von den Göttern erhört werden, Drusus", lachte Valerian und dachte an die bisherigen Erfahrungen, nach denen die Offiziere ja gerade zur Essenszeit besonders gerne auftauchten. Er hob den Becher wie zur Bekräftigung und nahm einen Schluck.


    Als Sabinus hereinkam, lächelte er. "Salve, Sabinus. - Freut mich, daß es Dir schmeckt." Er grinste breit und sprach fast drohend. "Warte mal morgen ab, dann wiederholst Du das sicher nicht. Morgen gibt's Eintopf. Und das ist ein echtes Experiment." Er lachte und griff nach der Kanne, in der noch Wein war. "Möchtest Du Wein?"

    Na, ob die Kameradschaft von Brutus so viel besser war, so gemein wie der grinste? Der freute sich ja geradezu über die Prügel, die sie jetzt bezogen. Valerian biß fest die Zähne zusammen, als er den Stock sausen hörte. Und der Schmerz war noch viel schlimmer, als er erwartet hatte. Trotzdem schaffte er es, den Schrei zu unterdrücken, der schon in ihm aufgestiegen war. Er biß sich dabei zwar seine Lippe blutig, aber es hatte geklappt.


    Es war ja nicht so, als wäre das die erste Prügel seines Lebens. Sein Vater hatte ihn durchaus auch bestraft. Und seine Lehrer auch. Aber das hier war doch wesentlich heftiger. Der zweite Schlag war schon leichter auszuhalten, da der Schreck nicht mehr so groß war. Aber dann steigerte sich der Schmerz wieder. Es fiel Valerian wirklich schwer, nicht zu schreien. Und schmerzvolles Stöhnen konnte er auch nicht mehr unterdrücken.


    Es schien ewig zu dauern, bis es endlich aufhörte. Sein Rücken brannte furchtbar und seine Knie zitterten bedenklich. Es war schwer, auf den Beinen zu bleiben. Doch sein Stolz ließ es einfach nicht zu, daß er hier zusammenbrach.

    Es war schon furchtbar, die Bestrafung von Quintus mit anzusehen. Bei jedem einzelnen Schlag zuckte Valerian leicht zusammen. Und dann kam der gefürchtete Moment, in dem er selbst vorgerufen würde. Nun würde ihn wohl das gleiche erwarten. Er nahm sich vor, tapfer zu sein und es durchzustehen. Doch es war leichter, sich das vorzunehmen, als es tatsächlich zu schaffen.


    Als er nun befehlsgemäß vortrat und Haltung annahm, war er sichtlich blaß und er fühlte, daß seine Hände eiskalt und schweißnaß waren. Mit angehaltenem Atem wartete er auf das Urteil des Centurios.

    Hier und da war lautes Aufstöhnen zu hören. Doch eigentlich war ja damit zu rechnen gewesen. Valerian war jedenfalls froh, daß sein Partner so sehr darauf geachtet hatte, alles in einer gewissen Reihenfolge und Ordnung zu erledigen. So hatten sie es jetzt wesentlich einfacher, das Gerät wieder zusammenzusetzen. Aber natürlich war das Zusammensetzen nicht so einfach wie das Auseinandernehmen.


    Sie nahmen sich die Zeit, alles langsam und sorgfältig zusammenzufügen. Valerian paßte sorgfältig auf. Er wollte in der Lage sein, das Gerät auch mit jemandem zusammenzubauen, der noch weniger Erfahrung mit solcherlei Arbeiten hatte, als er selbst. Und es war gar nicht so einfach!


    Es dauerte seine Zeit, doch schließlich sah der Skorpion wieder funktionstüchtig aus. Probeweise spannten sie die Sehne und ließen sie ohne Bolzen wieder losschnellen. Ja, sie schienen alles richtig gemacht zu haben. Zufrieden stellten sie sich neben das Gerät und nahmen wieder Haltung an.

    Valerian schluckte schwer, als der Centurio mit seiner sehr erzürnt klingenden Rede begann. Er machte sich schon bereit, vorzutreten, doch dann wurden auf einmal ganz andere Namen genannt. Anscheinend waren noch mehr Legionäre heute Nacht unangenehm aufgefallen. Für einen Moment erlaubte sich der Quintilier ein erleichtertes Aufatmen. Doch es konnte ja auch sein, daß dies nur der Anfang war.


    Gebannt folgte der Probatus jeder Bewegung des Centurios. Er schwitzte, obwohl es so früh am Morgen wirklich kühl war. Doch er wagte es nicht, nach seinem Halstuch zu greifen, um es zu lockern. Vielmehr stand er stocksteif da, wie eine Statue.

    "Na, an Puls ist ja nichts schwieriges dran", meinte Valerian zweifelnd und füllte Drusus' Becher bis oben hin. Wenn der Wein alle war, war er alle. Doch ein Becher für jeden würde wohl drin sein.


    "Hoffentlich kommt nicht auch noch eine Inspektion heute Abend. Ich habe zwar soweit alles in Ordnung gebracht, aber... eigentlich will ich nur noch schlafen und nicht noch strammstehen und zugucken müssen, wie ein übereifriger Offizier alles auseinander nimmt, weil er unbedingt was finden will." Er setzte sich auf seine Pritsche und begann hungrig zu essen.

    Wettschulden waren Ehrenschulden. Und Valerian hatte nicht die Absicht, sich vor dem Einlösen des Würfeleinsatzes zu drücken. Puls war wirklich nicht schwer herzustellen und so war das Ergebnis seines heutigen Kochversuches zwar keine besondere kulinarische Errungenschaft, aber immerhin eßbar und nahrhaft. Und besonders viel Arbeit machte es auch nicht, was ihm heute nach dem erschöpfenden Drill und dem Besuch der Thermen besonders entgegen kam.


    "Morgen versuche ich mich dann an Eintopf. Und ihr müßt ihn essen, wehe es drückt sich einer", scherzte Valerian, während er sich seine Schüssel füllte. Er holte anschließend die Kanne Wein hervor, die er noch vorrätig hatte, und füllte die Becher derjenigen, die etwas davon wollten.

    Drusus schien es auf einmal sehr eilig zu haben. War es der Hunger oder die Aussicht auf den Wein, der ihn so antrieb? Grinsend folgte Valerian ihm und es dauerte nicht lange, bis sie beide angekleidet waren und sich auf den Weg zu den Unterkünften machten.

    Valerian stieg ebenfalls aus dem Becken. Puls, das war gut, da blieb ihm die eigentlich Kochprobe noch erspart. "Besorgt im speziellen nicht, aber ich habe noch eine Kanne Wein, die können wir dabei ruhig niedermachen." Er griff nach dem Tuch zum abtrocknen und rubbelte erstmal seine Haare einigermaßen trocken. Daß sie nun zu allen Seiten abstanden, störte ihn nicht sonderlich.


    "Achja, eine Schüssel Puls, ein Becher Wein und danach dann die Pritsche. Hört sich für einen Tag wie diesen nach einer guten Abendplanung an." Er lachte. Seit er bei der Legion war, hatte er noch nie Schwierigkeiten gehabt, einzuschlafen.

    "Jawohl, Optio", sagte Valerian und marschierte los. Es war ja nicht weit bis zur Straße. Der Centurio war mit dem Rest der Truppe offensichtlich schon weitermarschiert. Sie waren auch nicht mehr zu sehen, was ja kein Wunder war, da die Behandlung von Rufus' Füßen einige Zeit in Anspruch genommen hatte.


    Wie der Optio verlangt hatte, stellte Valerian sich auf und nahm Haltung an. Ob sie nun versuchen würden, die anderen wieder einzuholen? Das würde sicher eine ziemlich anstrengende Sache mit all der Ausrüstung. Doch Valerian war zuversichtlich, auch das zu schaffen, wenn es sein mußte.

    Auch Valerian mußte lachen, ein Gleichstand war doch immer das beste Ergebnis. "Wir sollten es ausgeruht nochmal probieren", meinte er und rieb mit einer Hand seine nun wieder schmerzende Schulter. "Ja, das war wirklich anstrengend. - Also... ich für meinen Teil bin genug durchgeweicht und habe Hunger. Was hälst Du von einer ordentlichen Portion Puls? Das ist wenigstens einfach zu kochen und das sollte sogar ich schmackhaft hinbekommen. Oder soll ich es doch mit Eintopf versuchen? Der würde allerdings länger dauern und außerdem ist es ein Risikospiel, weil ich das nicht wirklich kann. Allerdings hat eine alte Händlerin mir ein paar Tipps gegeben, nachdem ich ihr gesagt hatte, daß ich kochen muß und es nicht kann." Er lachte abermals. "Wer weiß? Vielleicht hat sie mir ja mit Absicht das falsche gesagt?"

    Aulus Cantius Otho



    Dieser Mann hatte den Verschwundenen also schon länger nicht mehr gesehen als der Magister. Trotzdem waren seine Angaben nicht ganz nutzlos. "Du sagst, Du kennst nicht nicht besonders gut. Kannst Du mir trotzdem etwas über ihn erzählen? Was ist er für ein Mann? Eher sportlich, eher unbeweglich? Fandest Du ihn sympathisch und offen oder machte er eher einen verschlossenen, unnahbaren Eindruck auf Dich?" Je mehr sie über den Mann wußten, um so eher würden sie in der Lage sein, ihn zu finden. Falls er noch lebte. Otho mußte allerdings gestehen, daß er diese Möglichkeit für immer unwahrscheinlicher hielt, je mehr er von ihm hörte.





    FRUMENTARIUS - LEGIO II GERMANICA

    Valerian hatte ähnliche Gedanken, als er Drusus etwa neben sich schwimmen sah. Auch er versuchte ganz zum Schluß nochmal, alle seine verbliebenen Kräfte zu mobilisieren. So schnell er konnte, schwamm er auf den Beckenrand zu. Aber das war nicht so schnell, wie er gehofft hatte. Dennoch, er legte nochmal etwas an Tempo zu. In dem Moment, als er mit der Hand nach vorne griff, blickte er zur Seite. Drusus war direkt neben ihm!

    Drusus zog erschreckend schnell an ihm vorbei. Das konnte Valerian natürlich nicht auf sich sitzen lassen, Erschöpfung hin oder her. Also strengte er sich ordentlich an und holte dann doch ganz gut auf. Das Ende des Beckens erreichte er auch als erster, doch um zu siegen, mußte er noch zurück und Drusus war direkt hinter ihm. Die Erschöpfung machte sich nun doch wieder bemerkbar. Seine Arme fühlten sich bereits wieder lahm und schwer an, seine Schultern schmerzten. Und doch wollte er nicht aufgeben! Er blickte sich nach Drusus um, sein Vorsprung war praktisch nicht mehr existent...

    Valerian lächelte dem verletzten Kameraden nochmal aufmunternd zu. "Gute Besserung, Rufus. Bis bald." Er legte Rufus kurz seine Hand auf die Schulter und drückte sie leicht. Der Gutsbesitzer würde sich schon anständig um den Kameraden kümmern. Er wußte ja, daß er sonst die Legion am Hals hatte und das war nichts, was man sich als Ortsansässiger wünschen konnte.


    Dann nahm Valerian seine Ausrüstung auf und trat zu Raetinus. "Probatus Quintilius bereit zum Abmarsch", meldete er förmlich.

    Zerlegen? Valerian guckte für einen Moment ein bißchen dämlich aus der Wäsche. Doch sein Partner grinste nur. "Das kriegen wir hin", sagte der und stieß Valerian mit dem Ellbogen leicht an. "Hier schau. Man kann genau sehen, daß das Ding schon ein paar mal auseinander genommen worden ist. - Nehmen wir mal erst die Sehne hier runter, damit sie nicht beschädigt wird. So, dann den Bogen, hier schau... halt das mal."


    Stück für Stück zerlegten sie nun das Gerät in transportierbare Teile und Valerian merkte sich gut, wo was wie hingehörte. Denn was man auseinander nahm, sollte man später auch wieder zusammensetzen können. Mit seinem Partner hatte er wirklich Glück, denn der hatte bereits Erfahrung mit Holzarbeiten und gab sein Wissen gerne weiter. Valerian hörte ihm aufmerksam zu und begriff bald, worauf er bei solch einer Aktion achten mußte.


    Relativ schnell hatten die beiden ihren Scorpion auseinandergenommen und die Teile ordentlich nebeneinander auf den Boden gelegt. Man konnte sie nun verpacken - oder sie wieder zusammenfügen. Für letzteres lagen sie schon in der richtigen Reihenfolge. Die beiden Probati stellten sich neben ihr Werk und nahmen Haltung an, um zu signalisieren, daß sie fertig waren. Nicht lange nach ihnen waren dann auch die anderen Mannschaften soweit.