Beiträge von Lucius Quintilius Valerian

    Aulus Cantius Otho



    Auch Otho nickte, obwohl ihm der Zeitpunkt des Treffens etwas spät gewählt schien. Aber wer wußte schon, wie lange sie hier in der Stadt recherchieren mußten, um etwas herauszufinden. Also machte er sich nach einem kurzen Abschiedsgruß auf den Weg, seine Erkundigungen einzuziehen.





    FRUMENTARIUS - LEGIO II GERMANICA

    Na, so konnte man es natürlich auch machen. Ein klein wenig zweifelnd blickte Valerian ja doch drein, als Primus den Kameraden, der ja immerhin seine Rüstung trug, einfach so auf die Arme nahm. Aber Primus würde schon wissen, was er tat. Also nahm er widerspruchslos die Ausrüstung auf und folgte Primus zu dem Gutshof.

    Valerian sprang sofort auf, als der Optio seinen Namen rief und bestätigte den Befehl umgehend mit einem zackigen "Jawohl, Optio." Allerdings war fraglich, ob der Optio das überhaupt wahrgenommen hatte, denn er eilte sogleich zu dem Landgut herüber.


    Ohne lange zu Zögern trat der Probatus auf den Verletzten zu, faßte aber nicht gleich zu, sondern sah fragend zu Primus, der ja offenbar etwas von Medizin verstand und mehr oder weniger die Anweisungen zu geben schien. "Sollen wir besser schnell eine Art Trage improvisieren oder ihn einfach so rübertragen?" Es war ja nicht weit, er persönlich hätte einfach zugefaßt und ihn rübergetragen. Aber er wollte auch nicht aus Unwissenheit dem Kameraden Schaden zufügen, denn er hatte nicht den blassesten Schimmer von Medizin.

    Die Probati bemerkten zwar den Tribun, der auf den Centurio zugestapft war und dann mit ihm sprach, abe das interessierte sie eigentlich überhaupt nicht, denn der Tribun trieb sich ja häufiger mal beim Exerzierplatz herum.


    Außerdem war da ja noch der Optio, der momantan offenbar die Ausbildungsleitung inne hatte. Und der sprach endlich den Befehl aus, auf den alle gewartet hatten. Valerian hatte die Ehre, den Schuß abzugeben. Mit einem Krachen löste sich der Bolzen und flog in einem Bogen auf das Ziel zu. - - Und traf!


    Auch wenn sich das eigentlich nicht gehörte und nicht gerade von Disziplin zeugte: Die beiden Probati jubelten und schlugen sich gegenseitig anerkennend auf die Schultern.

    Auch Valerian hörte das Scheppern und wie alle anderen reckte er erst einmal den Hals, um etwas zu sehen, als der Halt befohlen worden war. Allerdings drängte er sich nicht wie manche andere um den armen Gestürzten. Was da wohl vorgefallen war? Er konnte Primus sehen, der sich wohl mit um den Unglücklichen kümmerte. Außerdem waren der Centurio und der Optio zur Stelle.


    "Der Ärmste", murmelte Valerian so halb in die Richtung von Drusus. Er selbst hatte von Medizin keinerlei Ahnung und würde wohl nur im Weg stehen, deshalb blieb er da, wo er war, bis die Pause befohlen wurde. Erleichtert darüber, daß sie mal ausruhen durften, auch wenn der Anlaß unschön war, setzte er sich an den Straßenrand und nahm einen tiefen Schluck aus seiner Wasserflasche.


    Dabei war seine Aufmerksamkeit natürlich wie bei allen anderen auch, weiter auf die Gruppe um den Verletzten gerichtet. Vielleicht würden ja Anweisungen kommen, daß einige von ihnen für den Burschen eine Trage bauen sollten oder etwas in der Art. Valerian hatte ja keine Ahnung, was man mit Soldaten tat, die unvermutet krank wurden oder sich verletzten. Schnell war doch mal ein Fuß verstaucht oder ähnliches. Dafür mußte es doch übliche Maßnahmen geben? Wegen eines Mannes würde doch gewiß kein Marsch abgebrochen?

    "Vale", sagte Valerian erst zu Primus, dann zu Sabinus, als diese nacheinander davongingen. Ein wenig zerknirscht blickte er in das Becken. "Ich wollte ihn nicht verletzen", sagte er schließlich, da er wohl annahm, daß Primus deshalb grußlos gegangen war, weil er wirklich glaubte, Valerian würde ihn jetzt nicht mehr leiden können wegen des kleinen Disputs. Dabei empfand Valerian das wirklich nicht so. Er war niemand, der aus seinem Herzen eine Mördergrube machte, sondern sagte, wenn ihm etwas querging und war dann auch gleich wieder versöhnt.

    Auch Valerian beteuerte schnell: "Nein, Tessarius, das ist kein Witz. Wir... wir werden das gleich wieder alles in Ordnung gebracht haben." Er versuchte, seiner Stimme möglichst viel Festigkeit zu verleihen.


    Oh, bitte, nicht den Centurio wecken, flehte er in Gedanken, versuchte aber, möglichst ruhig dreinzuschauen. Doch den leicht flehenden Ausdruck in seinen Augen konnte er nicht ganz verbergen.


    Nicht einen Augenblick dachte er daran, Quintus in irgendeiner Weise zu beschuldigen. Zum einen war ihm bewußt, daß er selbst ebenso viel Schuld an der Situation trug wie der Legionär, zum anderen klärte man so etwas schließlich untereinander und schwärzte niemanden bei den Vorgesetzten an.

    Valerian und sein Partner hatten Glück. Ihr Scorpio war gut in Schuß und auch wenn Valerian nicht viel davon verstand, so war sein Kamerad offenbar erfahren darin, Holzarbeiten zu beurteilen. Schon im Magazin hatte er eines der besseren Geräte ausgesucht und sie machten anderen, die sich nun dieses Gerätes bemächtigen wollten, sehr schnell und unmißverständlich klar, wer hiermit schießen würde.


    Sogleich machten sie sich eifrig an die Kurbel, was zuerst noch leicht, dann aber immer schwerer ging. Endlich hörten sie es deutlich einrasten und legten sie das Projektil ein. Mit einem Kontrollblick überzeugten sie sich davon, daß die Ausrichtung auf das Ziel wirklich in Ordnung war, dann warteten sie auf weitere Anweisungen, schon ganz heiß darauf, endlich schießen zu dürfen.

    Aulus Cantius Otho



    Otho zuckte die Schultern. Nicht jeder machte sich die Mühe der Kündigung, um sich Vorwürfe zu ersparen. Er war jedenfalls der Meinung, daß man keine Möglichkeit außer acht lassen sollte. "Also, ich versuche dann mal herauszufinden, wo der Kerl wohnt und ob die Nachbarn was wissen. - Tavernen, ja? Aber über'm Saufen nicht das Fragen vergessen", grinste er den Kameraden breit an, der sich den angenehmsten Teil der Recherche ausgesucht hatte.


    "Wann und wo treffen wir uns wieder? Je nachdem, was wir herausfinden, müssen wir morgen vielleicht nach Confluentes aufbrechen." Er hielt das sogar für sehr wahrscheinlich.




    FRUMENTARIUS - LEGIO II GERMANICA

    Die Geräte waren ganz schön schwer, so daß die Probati auf dem Weg zum Übungsplatz ziemlich ins Schwitzen gerieten. Doch das tat ihrem Eifer keinen Abbruch. Sie stellten die Geräte in Richtung der Ziele auf, richteten sie noch ein wenig aus, so wie sie meinten, daß es wohl richtig sein könnte und traten dann wieder in einer Linie an, wie der Optio es befohlen hatte.

    Valerian ahnte nichts von Primus' Gedanken. Sonst wäre er jetzt vielleicht doch ernsthaft eingeschnappt gewesen. Nur weil er noch keinen Kampf erlebt hatte, war er keineswegs kindlich in seinen Ansichten. Er besaß ebenfalls seine Erfahrungen, wenn auch ganz anderer Art als Primus. Es war nicht besonders weitsichtig, nur die eigenen Erfahrungen hoch zu schätzen und die Erfahrungen anderer als nichtig zu betrachten.


    Und natürlich wußte er nicht, was auf dem Schlachtfeld auf ihn zukam. Natürlich wußte er nur in der Theorie, daß Töten sein Geschäft sein würde. So wie auch Primus es nur theoretisch gewußt hatte, bevor er zum ersten mal wirklich in der Situation gewesen war. Niemand konnte vorher wissen, wie ein Mensch in so einer Situation reagieren würde, wenn er das erste mal damit konfrontiert wurde. Vielleicht würde Valerian sich im Ernstfall als Feigling erweisen und davonlaufen. Vielleicht würde er auch durch den Schock seine Fähigkeit zum Mitgefühl vollständig verlieren und zu einer Mordmaschine werden. Es würde sich zeigen. An dem Tag seines ersten ernsthaften Kampfes.


    Doch das alles war nichts, worüber Valerian im Augenblick nachdachte. Ihm ging es hier nur um reine Kameradschaft, um die Verbesserung seiner Kondition und seiner Kampfesfertigkeiten, damit er nicht das schwache Glied in der Kette wurde. Sie konnten sich gegenseitig stärken, sie konnten lernen, miteinander zu handeln und sich aufeinander zu verlasssen. Da sie in einem Contubernium waren, würden sie im Ernstfall darauf angewiesen sein.


    Gut, vielleicht lag es daran, daß Primus eben nicht in ihrem Contubernium war. Vielleicht sah er deshalb die Notwendigkeit nicht, da es für ihn keine war, was die anderen Anwesenden anging. Auf jeden Fall zuckte Valerian die Schultern auf Primus' Frage hin. "Warum sollte es unser Verhältnis trüben, nur weil wir mal unterschiedlicher Meinung sind?" Er mochte Primus ja schließlich eigentlich ganz gut leiden. "Ist es Dir nicht auch lieber, so etwas offen zu klären? So weiß doch wenigstens jeder, wo er dran ist."


    Drusus zeigte also auch Interesse, mitzulaufen. Das freute Valerian ungemein. Auch er blickte Sabinus jetzt fragend an. Sein Interesse hatte er ja schon geäußert, das wollte er nun nicht noch einmal wiederholen. Er wollte auch Sabinus nicht in seinem eigenen Training stören, sondern nur auf dessen Angebot zurückkommen.

    Valerian hörte sich in Ruhe an, was Primus zu sagen hatte und schüttelte schließlich den Kopf. "Ich hatte nie vor, so zu werden wie Du. Ich bin ich. Und Du bist Du. Unsere Leben sind zu unterschiedlich verlaufen, als daß einer von uns werden könnte wie ein anderer. Ich mag Dir sehr unerfahren und jung vorkommen, Primus. Unerfahrenheit was Kämpfe angeht, ja sicherlich. Da hast Du mir vieles, vielleicht alles, voraus. Dafür habe ich andere Erfahrungen gemacht, die mich geprägt haben. Aus dem Alter, einem anderen vollständig nacheifern zu wollen, bin ich wirklich schon einige Jahre heraus. - Und das einzige, was ich mir wünschte, war gemeinsames Training, weil ich weiß, daß ich meine Kondition - und auch meine Waffenfertigkeiten - noch weiter verbessern könnte. Und dies geht nun einmal in Gesellschaft besser als allein. Oder ich sollte besser sagen: Bei mir geht es besser in Gesellschaft als allein." Primus hatte ihn mißverstanden, aber das hatte er fast schon erwartet.


    "Ich habe nie behauptet, daß man nicht auch lernen muß, allein zu kämpfen. Aber allein kämpfen, das lernt man sowieso. Es ist immer der Einzelkampf, in dem man lernt, eine Waffe zu beherrschen. Doch gruppenfähig zu sein, das muß man zusätzlich lernen. Und ich glaube wahrhaftig, das geht Dir trotz all Deiner Erfahrung noch ein wenig ab, Primus." Es gab also doch etwas, was dieser Bursche noch zu lernen hatte.


    "Du sagst, das Laufen ist für Dich heilig. Das ist eine Einstellung, die ich nicht nachvollziehen, aber akzeptieren kann. Teil von Dir zu werden, das ist aber etwas, was ich definitiv nicht möchte. Ich denke daher, es ist besser, wenn ich das freundliche Angebot von Sabinus annehme, der mir sagen will, auf was ich beim Laufen zu achten habe. Vielleicht finde ich einen anderen Anfänger, der mit mir zusammen laufen möchte, wenn nicht, tue ich es eben allein oder auch mit Sabinus, wenn der mal Lust und Zeit dafür hat. - Ich möchte mich Dir nicht aufdrängen, Primus. Und wenn Laufen Dir wirklich das bedeutet, was Du eben erklärt hast, wäre das der Fall. - Danke trotzdem für das Angebot."


    Ausgerechnet nach dem Marsch wollte er mit Lauftraining beginnen? Gab es einen ungünstigeren Zeitpunkt? Nein, Valerian wußte bereits, daß er die Lehrmethoden von Primus zweifelhaft fand. Er zweifelte nicht daran, daß der Kamerad eines Tages Offizier würde. Doch dessen zukünftige Probati taten Valerian jetzt schon leid. Denn zu sehr ging Primus von sich selbst aus und von dem, was er aushalten und leisten konnte. Nein, es hatte keinen Sinn, sie würden nur aneinander geraten. Und das wäre schade, denn im Grunde fand Valerian Primus ja durchaus sympathisch.

    Verdammt! Hoffentlich kam der Kerl nicht auf die Idee, den Centurio zu wecken! Der würde bestimmt mehr als wütend sein, wenn er nochmals wegen ihnen geweckt würde.


    "Wir... wir putzen nur die ... Latrinen, Tessarius." Was ja nicht gelogen war. Vielleicht gab sich der Mann ja mit einer Rüge zufrieden. Es war schließlich mitten in der Nacht und sie hatten ja tatsächlich die Latrinen geputzt. Und die Prügelei... war ja nicht mal eine richtige Prügelei gewesen. Eher eine Rangelei, eine kleine Meinungsverschiedenheit...

    Valerian graute es vorerst vor gar nichts. Schon gar nicht vor der Strecke. Sicher würde das in einigen Stunden anders aussehen, aber im Moment war er wirklich frohen Mutes. Das schöne Wetter und die spätsommerliche Landschaft taten ihr übriges, um seine Laune zu heben. Es war nicht zu heiß und nicht zu kühl und trocken. Konnte es besseres Marschwetter geben?


    In beständigem Gleichschritt ging es vorwärts. Und auch wenn die Ausrüstung ein wenig störend war, so war es doch ein gutes Gefühl, Teil eines so großartigen Ganzen zu sein. Sie hatten alles dabei, was sie brauchten und waren so überall einsatzfähig. Valerian war stolz, dazu zu gehören, auch wenn er nur ein winziges Rädchen im Getriebe der gewaltigen Legion war.

    Endlich ging es los. In einer so großen Gemeinschaft war Valerian noch nicht marschiert. Es war irgendwie grandios, allein schon der Gleichschritt, der wie ein Heer von Trommeln klang. Mußte nicht jeder Feind vor Furcht erzittern, allein wegen dieses Geräusches, das eine herannahende Legion ankündigte?


    Hinter dem Centurio her ging es durch das Castellum und schließlich hinaus auf die Straße, hinaus aus der Stadt...

    Ja, natürlich waren sie aufgeregt! Mit den großen Waffen arbeiten zu können, war schließlich etwas ganz neues. Und etwas, wozu man außerhalb der Legion sicherlich niemals Gelegenheit bekam. Es war eben etwas anderes, mal selbst ausprobieren zu können, ob es wirklich so schwer war, mit diesen großen Geschützen zu treffen, als nur davon in irgendwelchen Schriftrollen zu lesen.


    Ungeduldig warteten die Probati darauf, die Geräte auf den Exerzierplatz schaffen und ausprobieren zu dürfen.

    Valerian blickte auf. "Ja, das bin ich auch. - Primus, ich finde Dein Verhalten nicht sehr kameradschaftlich. Es mag ja sein, daß wir anderen mit unseren Fähigkeiten nicht an Dich heranreichen. Doch wenn Du uns nicht die Möglichkeit gibst, von Dir zu lernen und so im Laufe der Zeit an Dich heranzureichen, dann wirst Du eines Tages feststellen, daß Du zwar der beste bist, aber dennoch tot, weil der Kamerad neben Dir Dich nicht hat unterstützen können, weil er nicht so gut ist, wie er sein könnte."


    Während er sprach, blickte er Primus fest in die Augen. Er war von seinen Worten überzeugt und scheute sich auch nicht, seine Überzeugung zu vertreten. "Du siehst Dich und Du siehst uns. Aber Du siehst nicht die Gruppe. Eine Gruppe ist nur so stark wie ihr schwächstes Mitglied. Und da nützt es der Gruppe gar nichts, wenn sie so einen tollen Hecht hat wie Dich. Du kannst die Gruppe nur so stark machen wie Dich, wenn Du bereit bist, das Tempo der anderen wenigstens für kurze Zeit mal anzunehmen und sie so zu unterstützen, daß sie besser werden. - - Aber wie Deine Worte von vorhin beweisen, bist Du dazu nicht bereit."


    Er machte eine kurze Pause, doch bevor Primus etwas einwenden konnte, sprach er weiter. "Was wäre so schlimm gewesen, eine Weile lang mal täglich eine halbe Stunde mit mir zu laufen und statt mir davonzurennen und mich Staub schlucken zu lassen, einfach mal das eigene Tempo zu drosseln, um mir die nötige Unterstützung zum Durchhalten zu geben? Danach hättest Du dann Dein übliches Pensum trotzdem machen können. Oder davor. Oder wie auch immer. Das wäre kameradschaftlich gewesen, Primus." Zumal er so langsam auch wieder nicht war. Primus hielt ihn mit Sicherheit für sehr viel schlechter als er war. Seine Kondition war viel besser geworden, seit er hier war und der Centurio ließ sie ja auch immer wieder laufen.

    Natürlich kannten sie den Weg. Doch beim Militär war eigenständiges Handeln nun mal nicht gefragt, hier wurden Befehle befolgt. Und diesen hatte der Centurio ganz klar an den Optio weitergegeben für das Heranschaffen der Scorpione.


    Mit Belagerungswaffen hatte Valerian zwar noch nichts zu tun gehabt, aber er hatte über sie gelesen. Ob das wenige Wissen aus den Schriftrollen ihm allerdings nun hier etwas nützen würde, mußte sich erst noch zeigen.


    Einen Kameraden, mit dem zusammen er das Geschütz holen und bedienen wollte, hatte er auch schon ausgeguckt. Und so folgten sie dem Optio.

    "Die kannst Du mir ja sagen und dann laufe ich irgendwann, irgendwo. Ich habe keine Lust, ständig nur euren Staub zu schlucken, danke." Valerian war immer noch verstimmt. Es konnte doch nicht so schwer sein, einem Anfänger ein paar Wochen lang zu helfen und vielleicht auch einfach mal eine halbe Stunde lang dessen Tempo zu laufen, bis er dann soweit war, das volle Tempo durchzustehen. Außerdem war es ja nicht so, als wäre er noch nie gelaufen. Ein paar Dinge wußte er durchaus auch. Aber es war ihm jetzt zu blöd, das zu erwähnen.


    "Ich finde das einfach zum Kotzen, weißt Du? Kameradschaftlich ist was anderes." Er stieg aus dem Becken und setzte sich auf den Rand. "Meine Auffassung von Kameradschaft ist: Wenn ich was besser kann als andere, dann helfe ich den anderen, genauso gut zu werden und sonne mich nicht darin, der tollste und beste zu sein. Und wenn ich etwas nicht so gut kann, dann versuche ich besser zu werden und von den anderen zu lernen, die es besser können. Denn eines Tages könnte unser Leben vom Können des jeweils anderen abhängen! Das Geheimnis unserer Legionen ist gemeinsames Handeln. Das macht uns stark, stärker als diese Barbaren, die einfach als Gruppe loststürmen aber letztendlich jeder für sich kämpfen. Es ist der Grund, warum wir sie besiegen, auch wenn sie in der Überzahl sind."


    Valerian atmete tief durch und senkte dann beschämt den Kopf. "Entschuldige bitte, Sabinus. Ihm hätte ich das an den Kopf werfen sollen, nicht Dir. Du hast mir ja Hilfe angeboten... Aber mir fallen im entsprechenden Moment einfach nie die richtigen Worte ein. Die weiß ich immer erst, wenn es zu spät ist. - Danke jedenfalls für das Angebot, mir zu helfen. Wenn ich mich beruhigt habe, komme ich gerne darauf zurück." Er versuchte ein zaghaftes Lächeln und hoffte, daß Sabinus jetzt nicht zornig auf ihn war, weil er ihm das alles völlig unverdient an den Kopf geworfen hatte.