Beiträge von Lucius Quintilius Valerian

    Gerne hätte Valerian sich die Kämpfe angesehen. Aber seine Aufmerksamkeit mußte woanders liegen, so sehr es ihn auch drängte, zur Arena zu schauen. An den Reaktionen der Zuschauer konnte man erkennen, wie spannend es sein mußte. Offenbar hatte der Aurelier gute Kämpfer ausgewählt. Schade, äußerst schade, daß er im Dienst war. Ein paar Betrunkene hatte er schon rausschmeißen lassen. Doch größere Probleme waren ihnen bisher erspart geblieben. Natürlich gab er sich keinen Illusionen hin. Dies war erst der Anfang. Wenn die Stimmung erst richtig aufgeheizt war, würde es Prügeleien geben. Dazu kamen noch die vielen Diebe, die heute unterwegs waren. So mancher würde heute um eine gut gefüllte Börse erleichtert werden.


    Einen Moment lang sah es so aus, als würde es Ärger an einer der Logen geben. Doch Valerian hatte den Eindruck, daß die Leibwächter der Aurelier alles im Griff hatten. Er ließ seinen Blick weiter über die Menschenmenge schweifen. Suchte mit seinem Blick auch immer wieder nach seinen Männern, die geschickt verteilt in kleinen Gruppen ihren Dienst taten.

    War klar, daß es ausgerechnet Stenius war, der am Tor Dienst hatte heute. "Salve. Schaut mal her, Jungs! Das Küken ist flügge geworden!" Lachend stieß er den Mann an, der neben ihm stand. "Und? Schon wieder Strafdienst fällig? Was haste dieses mal angestellt?" Daß Ofella Ausgang haben könnte, kam dem Legionär nicht in den Sinn. Das war seines Erachtens nach nicht im Bereich des Möglichen.

    Valerian grinste ein wenig schief. „Es ist ja nur eine theoretische Frage.“ Noch zumindest. „Sagen wir, es wäre ein sehr wichtiger, hochrangiger Mann. Wohnhaft in einem großen Haus mit vielen Sklaven, von denen nicht wenige gut kämpfen können. Und arbeiten würde er in einem streng bewachten Gebäude. So wie zum Beispiel der Palast oder gar die Castra Praetoroia. Hätte ein Attentäter bei so einem Mann eine Chance? Natürlich würde der Mann, paranoid wie ein solcher Mann sein muß, auch den Weg durch die Stadt nur mit vielen kampfestüchtigen Männern unternehmen. Ist das alles nicht ungleich schwerer als bei einem keltischen oder germanischen Fürsten?“ Ob Rambosius zu so etwas fähig wäre? Und wenn, würde er ihm trauen können?


    „Einfach so heiraten? Warum sollte man das tun? Das wäre doch verrückt!“ Viel zu sehr war Valerian von den Ansichten seiner Welt überzeugt. „Eine Heirat ist immer ein Bündnis zwischen zwei Familien, nicht nur zwischen zwei Menschen. Es muß sichergestellt werden, daß beide Familien ihren Gewinn daraus ziehen. Und auch, daß die junge Familie abgesichert ist. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es irgendein Volk auf der Welt gibt, in dem nicht auf diese Dinge geachtet wird.“ Den Namen seiner Frau ließ Valerian einfach unter den Tisch fallen. Da Rambosius sie bereits kennengelernt hatte, wollte Valerian noch ein wenig mit dem Namen hinter dem Berg halten.

    Das verschmitzte Zwinkern verhieß nichts Gutes. Valerian kannte seine Frau zu gut und wußte genau, daß sie sehr einfallsreich war. Ob ihre Einfälle aber dann nicht auch negative Folgen für sie alle haben konnten, war die große Frage. Er schüttelte grinsend den Kopf. Davon abbringen, das eine oder andere zu versuchen, konnte er sie eh nicht. Und eigentlich: Warum nicht? Salinator haßte ihn so oder so. Aber der Glatzkopf würde vermutlich zu schlau sein, Valerian einfach zu entfernen, denn seinen Dienst verrichtete der Quintilier gut.


    „Jaaa, wir wissen das, Calvena. Aber sie? Sie hörte mir nicht einmal richtig zu. Sie hörte nur, daß ich gegen die Hochzeit war. Nicht warum. Weder von ihr noch von ihm wurden Versuche gestartet, die nötigen Voraussetzungen zu schaffen. Unmöglich ist es nicht. Man muß eben so viele Hebel wie möglich in Bewegung setzen. Nunja, das ist ja inzwischen ohnehin erledigt. Aber was nun? Warum kommt von niemandem ein Brief? Eine Nachricht?“ War sie wirklich bei Primus? Hoffentlich. Aber warum schrieb der nicht wenigstens. Sie waren doch Freunde! Zumindest waren sie das einmal gewesen.


    Daß sein Sohn nicht nur das Blumenbeet ausräumte, sondern auch mit einem Exemplar zu ihnen herüberstapfte, merkte Valerian erst, als der Junge an seiner Tunika zupfte und -- sprach! Papa - hier. Das war eine eindeutige Aussage! Eigentlich schon ein Satz! Geradezu ungläubig starrte er erst sein Söhnchen an, dann seine Frau. Es dauerte einen Moment, bis er seine Sprache wiederfand. "Danke, Lucius." Schmutz störte ihn nicht, er war Soldat und mußte oft mit mehr Schmutz leben, als es in diesem Garten gab. Aber mit Blumen hatte er nicht unbedingt Erfahrung. Er nahm dem Jungen das arme Pflänzchen ab. "Sehr schöne Blume." Eine etwas hilflose Äußerung. Was sollte er jetzt mit dem Ding?

    Zitat

    Original von Lucius Iulius Antoninus
    Antonius grinste freudestrahlend in sich hinein als er Valerian´s Lob hörte. Das ging ihm echt runter wie warme Butter in der Sonne. Hatte er doch den Kampf damals auf dem Campus der Prima noch allzu deutlich vor Augen auch wenn es schon Jahre her war. „Ach was ein Bisschen Übung dann bist Du so Fit wie eh und je oder macht Vater sein Müde?“ Sagte er und grinste in sich hinein.


    Dann sah er zu Figulus der den Bleibeschlag entdeckt hatte. Er sah sich rings um und bemerkt das alle seine Männer ihn ansahen. „Nicht viel nur vier Minen! Und ja wir nehmen die jetzt öfter mal ich hab gleich für achtzig Männer Beschläge machen lassen. Ich will mal sehen wie lange ihr damit den Kampf in geschlossener Formation aushaltet.“ Sagte er kühl. Ja er mochte Figulus und hatte einst im selben Contubernium gedient aber jetzt sprach er als Vertreter des Centurio und Vorgesetzter. Er blickte in die Runde der Gesichter seiner Soldaten. Einige schienen geschockt andere kannten seine Schleiferei und waren nicht überrascht. Aber keiner meckerte weil er sich immer das selbe zumutete wie ihnen.



    „Aber hallo macht Vater sein müde. Vor allem, wenn man seine Familie kaum zu Gesicht bekommt.“ Valerian lachte und legte das Übungsscutum ab. „Ich bin leider in einer Position, in der ich weniger Zeit für mein eigenes Training habe und mehr andere herumscheuche. Deshalb wünsche ich mir ja gemeinsames Training. So bekomme ich selbst mehr Gelegenheit und meine Jungs werden auf eine Weise gefördert, daß sie die Chance bekommen, sich besonders zu qualifizieren.“ Daß die Praetorianer unter weit erschwerten Bedingungen trainierten, war nichts neues. Sie waren die Elite und mußten stets hart daran arbeiten, Elite zu bleiben, sogar nach Möglichkeit sich weiter zu verbessern.

    Töten aus Leidenschaft? Valerian bekam immer mehr das Gefühl, daß bei der Erziehung dieses Mannes wohl einiges schief gelaufen war. „Nun, wenn Deine Auftraggeber Dich ausgebildet haben, dann hast Du natürlich durch diese Ausbildung auch eine Art von Bezahlung erhalten. Trotzdem finde ich 30 Sesterzen extrem wenig. So viel verdient ein einfacher Soldat in der Woche.“ Es war kein schlechter Sold, aber für ein Attentat mußte doch mehr herausspringen. „Du solltest hier in Rom entweder solche Dinge ganz unterlassen, oder aber erst Kontakte schließen. Es gibt hier durchaus Organisationen, die sich nicht gerne in die Suppe spucken lassen. Aber mal davon abgesehen, würdest Du Dir zutrauen, hier in Rom eine hohe Persönlichkeit anzugreifen? Auch wenn diese Person sich wirklich gut bewachen läßt?“ Natürlich dachte Valerian dabei an eine ganz bestimmte Person. Doch noch wollte er das Gespräch allgemein verlaufen lassen. Ein Attentat war schließlich nicht irgendetwas, sondern ein schweres Verbrechen. Würde Rambosius erwischt, so wäre sein Tod unvermeidbar. Und wurde er gefoltert und rückte Namen heraus, würde auch Valerian mitsamt seiner Familie dafür büßen müssen.


    „Das Kämpfen ist mein Beruf, Rambosius. Natürlich würde meine Frau leiden. Aber sterben kann man auch so jeden Tag. Ein einstürzendes Haus, ein wild gewordener Bär, ein wütender Mob, der alles niedertrampelt, ein verdorbenes Mahl... Auch als friedliebender Mensch kann jeder Tag der letzte sein. Finanziell ist meine Familie gut versorgt, darum brauche ich mir keine Sorgen machen. Außerdem weiß meine Frau, daß ich von ganzem Herzen Soldat bin. Sie würde mich auch gar nicht anders haben wollen.“ Rambosius kannte ihn zu wenig, sonst würde er wissen, daß Valerian nur so lange in der Defensive blieb, bis er eine Schwäche des Gegners ausgemacht hatte, um sie nutzen zu können. Fand er keine, war seiner Meinung nach Angriff die beste Verteidigung.


    „Meine Geliebte? Selbstverständlich meine Frau!“ Ganz so selbstverständlich war das natürlich nicht, denn wer konnte schon die Liebe seines Lebens heiraten? Dementsprechend grinste Valerian breit. „Fortuna war mir sehr zugeneigt. Nicht nur, daß es in meinem Leben echte Liebe gibt, sondern ich hatte auch das Glück, sie heiraten zu dürfen. Was ganz bestimmt nicht selbstverständlich war. Denn sie gehört einer vornehmen, sehr reichen Familie an. Ihr Onkel, er ist ihr Tutor, ist immerhin Senator. Und auch ein zweiter Onkel, der noch viel reicher ist, hat einen Sitz im Senat. Meine Familie ist keine schlechte. Wir haben einige Ritter hervorgebracht. Aber kaum vergleichbar mit der Familie meiner Frau. Ich konnte kaum hoffen, die Zustimmung zu dieser Heirat zu erhalten.“

    Mit Zufriedenheit sah Valerian seine Männer selbstbewusst ihre Aufgaben angehen. Tiburtius blieb bei ihm und zusammen schauten sie sich die Sprüche an den Wänden genau an. Suchten Parallelen zu den von Salinator so gehassten Wandschmierereien. Bisher waren sie damit allerdings nicht sehr erfolgreich. Doch Valerian hatte nicht vor, sofort aufzugeben. Der „Künstler“ war wohl nicht so dumm, seine Werke in der Nähe älterer Werke zu platzieren. Aber sie würden weiter die Augen offen halten. Nachdem sie noch einige Straßen abgegangen waren, kehrten sie in die Castra zurück wo die anderen beiden sich gewiß bald zurückmelden würden.

    Einen Moment lang schaute Valerian seinen neuen Miles nachdenklich an. „Ja, auch Ausgang kannst Du haben. Die Bedingung lautet: Du darfst trinken, aber Du darfst nicht so betrunken sein, dass Du die Kontrolle über Deine Handlungen verlierst. Und ich möchte, dass Du auf Deinen eigenen Beinen zurück kommst. Ansonsten: Viel Vergnügen.“ Er setzte sich an seinen Schreibtisch und beschrieb eine Wachstafel:



    Miles Iullus Octavius Ofella
    erhält Ausgang bis längstens zum Sonnenaufgang.




    Centurio Lucius Quintilius Valerian
    ANTE DIEM VI ID MAI DCCCLXI A.U.C. (10.5.2011/108 n.Chr.)


    „Bis Sonnenaufgang bist Du spätestens wieder da. Beim Morgenappell bist Du auch anwesend. Danach kannst Du Dich auf’s Ohr hauen bis zum Beginn Deines Dienstes.“ Das war ein großes Entgegenkommen. Valerian hoffte, dass der junge Mann das zu würdigen wusste und sich entsprechend verhielt.

    Lachend schüttelte Valerian den Kopf. „Bitte verzeih, der Wein... Natürlich haben wir darüber gesprochen.“ Der leichte Spott in der Stimme des anderen nahm er nicht übel. So etwas konnte jedem passieren und umgekehrt hätte er sicher auch ein wenig gespottet.


    Die leeren Teller und Becher zeugten davon, wie lange sie hier schon saßen. „Ja, natürlich. Auch für mich wird es Zeit.“ Er nahm die Hand des anderen und drückte sie herzlich. „Wir werden uns gewiß eines Tages wieder treffen. Ich wünsche Dir eine gute Reise nach Mantua.“



    Wußte der Kleine es wirklich? Valerian konnte es nicht beurteilen. Natürlich, sein Sohn mochte ihn, war gerne auf seinem Arm und juchzte vergnügt, wenn Valerian ein bißchen Unfug mit ihm trieb. Aber würde er das nicht vielleicht auch bei jedem anderen machen, der so mit ihm umging? Er wollte, daß Rufus ihn kannte. Daß er wußte, dieser Mann war sein Vater. Verbunden durch das Blut.


    Calvenas Aufmunterungsversuch war zwar nicht richtig erfolgreich. Aber Valerian lächelte sie trotzdem dankbar an. Noch immer, nach dieser doch schon recht langen Zeit konnte er es nicht fassen, daß er sie heiraten durfte. Daß sie an seiner Seite war. Daß sie ihn liebte, wie er sie liebte. „Ja, wenn ich nicht frei bekomme, dann stehlen wir uns einfach die Zeit.“ Natürlich ging es nicht so einfach. Salinator wartete ja nur darauf, daß er sich dienstliche Vergehen leistete. Aber es tat einfach gut, es zu sagen.


    Die Briefe lagen also schon bereit für ihn. Das hätte er sich auch denken können. „Dann werde ich mich gleich dran setzen und ein paar Zeilen hinzufügen. Ach, Calvena... ich vermisse Valentina. Sie hält mich für herzlos und ungerecht, das kann ich kaum ertragen.“ Er liebte seine Schwester doch und wollte nur eine sichere Zukunft für sie.

    Valerian fand noch die Zeit, sich mit den Briefen zu beschäftigen. Er las, was seine Frau geschrieben hatte und grübelte dann eine Weile, verwarf erste Formulierungen, schrieb dann schließlich.


    Salve Valentina,


    unser Abschied war nicht gerade herzlich und vermutlich möchtest Du auch nicht wissen, dass wir uns Sorgen um Dich machen und gern wissen würden, wie es Dir geht.


    Wir sind zurück in Rom, ich weiß nicht, ob Du davon schon gehört hast. Lucius wurde zu den Cohortes Urbanae versetzt und Du bist Tante geworden. Ich habe einem kleinen Jungen das Leben geschenkt. So klein ist er ja nicht mehr. Er heißt Lucius Rufus. Es ist schade, dass Du ihn wohl nicht so schnell kennen lernen wirst.


    Die Reise nach Rom zurück war unangenehm. Im Winter sollte man nicht von Mogontiacum nach Rom reisen. Erst Eis und Schnee und dann ein lästiger Regen. Aber nun hält der Sommer seinen Einzug. Es ist schon jetzt wirklich sommerlich, der Garten sieht wirklich schön aus. Diomedes hat ein Händchen für Pflanzen.
    Uns geht es gut. Rufus hat Laufen gelernt und lernt auch recht schnell sprechen. Irgendwie wird er sehr schnell groß.


    Mögen die Götter ihre Hand schützend über Dich halten. Viele Grüße aus Rom,



    Liebe Schwester!


    Es schmerzt mich sehr, daß Du einfach gegangen bist und nun gar nichts mehr von Dir hören läßt. Bitte schreib wenigstens ab und zu, wie es Dir geht und ob Du etwas brauchst.


    Der Götter Segen möge Dich stets begleiten.


    Vale,


    Valerian







    Salve Sermo,


    wir hören so wenig von Dir. Du bist doch hoffentlich nicht erfroren? Der Frühling dürfte auch in Germanien nun seinen Einzug halten. Was macht Mogontiacum? Du wirst doch sicherlich ein wenig frischen Wind in die Stadtverwaltung bringen?


    Rom ist wie immer: laut, übervölkert, aber im Frühling doch wunderschön. Diomedes hat sich in unserer Abwesenheit gut um das Haus gekümmert. Er hat eindeutig geschickte Hände, der Garten ist eine wahre Blütenpracht.
    Die Reise haben wir gut überstanden, das Wetter war furchtbar, erst Eis und Schnee und dann ein furchtbarer Regen. Rufus hat die Reise unbeschadet überstanden. Er wird so schnell so groß. Nicht nur das er schnell sprechen lernt, nein er hat jetzt auch laufen gelernt und bringt das Mobiliar in ernsthafte Gefahr. Man darf ihn nicht aus den Augen lassen, sonst dürfte im Haus schon bald keine Vase mehr stehen.


    Lass von Dir hören und mögen die Götter über dich wachen.



    Werter Vetter!


    Aus den Augen, aus dem Sinn, was? Wir haben Italia gesund und munter erreicht. Rufus wächst schneller als man gucken kann, Du wirst ihn nicht wiedererkennen, wenn wir uns mal wieder sehen. Ich bin so stolz auf ihn, das kannst Du Dir kaum vorstellen.


    Hier in Rom herrscht eine merkwürdige Stimmung. Man spürt, es brodelt etwas unter der Oberfläche, doch tun alle so, als merken sie nichts davon. Der Skandal von Nemi ist endlich entsühnt worden. Stell Dir vor, der Praefectus Urbi trat dabei mit sage und schreibe 24 Liktoren auf! Ich rechnete schon mit einem schweren Aufruhr und versetzte meine Männer in Bereitschaft, gleich einzugreifen. Doch nichts geschah! Erstaunlich, findest Du nicht?


    Wie ist denn die Lage in Germanien so? Wie macht sich der Annaeer als Statthalter? Wie geht es Dir und dem Rest der Familie? Hast Du erreicht, was Du erreichen wolltest? Wir fiebern auf Nachricht von Dir.


    Mögen der Segen der Götter Dich stets begleiten.


    Vale,


    Valerian




    Da Calvena noch nicht unterschrieben hatte, ließ Valerian die Briefe offen liegen. Sicher war er sich nicht, ob er gerade bei Valentina nicht zu weich war. Andererseits würde Härte sie nur noch weiter entfernen von ihrer Familie. Nein, es würde schon richtig sein. Hoffentlich.

    Es war nicht schwer zu erraten, woran Calvena wohl dachte, wenn sie sagte, daß sie diese Stunden schon zu nutzen wüßten. Er lachte. Schon, weil seine Gedanken ganz in die gleiche Richtung gegangen waren. Das war ja auch kein Wunder, so selten wie sie sich sahen. "Nur Geschrei und volle Windeln? Ich verpasse alles. Wie er die Welt entdeckt. Manchmal frage ich mich, ob er überhaupt weiß, daß ich sein Vater bin." Das klang bitter und so fühlte sich Valerian auch manchmal. Er wäre gerne viel mehr mit seiner Familie zusammen.


    "Ob sie der Aufgabe gewachsen ist, wird sich doch erweisen. Du bist doch auch da. Ich meine, dem Kind wird es an nichts fehlen, auch wenn sie sich als nicht geeignet herausstellen sollte. Und für sie selbst ist es sicher eine Gelegenheit festzustellen, wohin sie eigentlich möchte mit ihrem Leben." Es war für ihn immer noch erstaunlich, daß die junge Frau so gar nicht wußte, wie ihre Zukunft aussehen sollte.


    "Briefe?" Allerdings war es ein heikles Thema. Sermo natürlich nicht, der machte seinen Weg. Aber Valentina? Sie hatte ihn zutiefst verletzt und enttäuscht. Und auch von seinem alten Freund war er enttäuscht. Daß er sich so gar nicht meldete, gar nicht mal einen Brief schrieb und ihm die Sorge von der Seele nahm. Valerian blickte eine Weile auf seinen immer schmutziger werdenden Sohn. Dann seufzte er. "Hast Du noch ein wenig Platz gelassen?"

    Das konnte Valerian tatsächlich kaum glauben. "Dreißig Sesterzen? Für den Tod eines Fürsten oder eine anderen sehr hochrangigen Mannes? Bitte sei mir nicht böse, wenn ich das sage, aber ich glaube, da hat man Dich geradezu ausgebeutet! Es wird doch wohl auch bei den Germanen so sein, daß solche Männer selten allein unterwegs sind und jede Menge guter Krieger um sich sammeln. Oder nicht?" Somit war solch ein Auftrag nicht nur schwer durchzuführen, sondern auch mit großen Gefahren verbunden. Und dafür dreißig Sesterzen?


    Als Rambosius auf Valerians makelloses Gesicht anspielte, lachte er nur. "Ich kann durchaus einige Narben vorweisen. Aber ja, mein Gesicht habe ich zu schützen gewußt. Unsere Schilde sind recht groß, weißt Du? Sehr praktisch, die Dinger." Vielleicht nicht für einen Mann von Rambosius' Profession, aber für einen Soldaten schon.


    "Frauen? Römische Soldaten dürfen nicht heiraten. Erst Angehörigen des Ritterstandes ist es erlaubt, zu heiraten. Ein Mann, der eine Familie zu versorgen hat, eine Familie, die auf ihn angewiesen ist, wird sich nicht so risikobereit in den Kampf stürzen wie einer, der ungebunden ist. - Aber manchmal, sehr sehr selten, gibt es Ausnahmen, dann wird eine besondere Erlaubnis zur Eheschließung erteilt. Ich bin so eine Ausnahme, ich bin verheiratet. Mit der schönsten und wunderbarsten Frau, die überhaupt auf Erden wandelt." Er grinste dabei breit.

    "Und ich dachte, die germanischen Götter hießen Odin oder Wodan. Und Thor oder Donar, Loki gabs auch noch, glaub ich, das war so ein Tunichtgut..." Es war mehr ein lautes Grübeln, als eine Erwiderung. Teutates, war der nicht ein Gott der Kelten? Inzwischen schwirrten all diese Götternahmen in Valerians Überlegungen wie wild herum, er war schon ganz durcheinander. Außerdem war es doch egal, wenn Rambosius eh nicht daran glaubte. "Ares und Mars mögen einander ähneln, aber sie sind nicht das Gleiche. Vermutlich ist das schwer zu erkennen für jemanden, der nicht an unsere Götter glaubt." Es war ja auch nicht leicht zu erklären.


    "Sag mal, wenn Du so ein gezielter Attentäter bist: Wie sieht denn die Bezahlung aus? Ich meine, so etwas muß doch gut bezahlt werden. Warum bist Du nicht unendlich reich?" Ganz langsam formte sich eine Idee aus, aber noch war es ein Gedanke und kein Plan. Es kam ganz darauf an, wie Rambosius sich noch machte. Zu der erzählten Taktik nickte Valerian. "Es kommt ja immer auf die Situation an. Das könnte funktionieren. Es könnte aber auch eine andere Taktik angebrachter sein. Je nachdem, wie fest er Dich schon im Griff hat, wie groß er ist, ob er allein ist oder Du schon umringt bist von Gegnern. Wie Du siehst, bin ich noch aus jeder kitzligen Situation herausgekommen. Wie Du auch."

    Aurelia Flora also. Verlobte des Tiberius Durus. Valerian staunte nicht schlecht, da hatten sie ja eine richtige Persönlichkeit erwischt. "Soso", meinte Valerian nur, während Ofella sich nun auch mit der jungen Aurelia befaßte. Der Centurio trat an die Wandmalerei heran, las was dort stand und prüfte die Frische der Farben. Auch betrachtete er das Schriftbild genau und nickte schließlich. "In Ordnung. Miles Octavius wird euch beide nach Hause begleiten, damit ihr keinen weiteren Ärger bekommt. Und Miles Iunius wird den Sklaven nach Hause bringen und mit seinem Herrn sprechen. Ein derartiges Verhalten gegenüber den Ordnungskräften Roms und dieses verstockte Verweigern der Namensnennung sind unentschuldbar." *




    Sim-Off:

    *Ihr könnt die Aufgaben auch andersherum verteilen oder beide gemeinsam angehen, ganz wie ihr wollt :) Ich bin bis Sonntag nicht da, so könnt ihr wenigstens weitermachen.

    Valerian nickte dem frischgebackenen Miles zu. "Einen Tag wie den heutigen läßt man für gewöhnlich nicht ohne kleine Feier zuende gehen. Dafür habe ich durchaus Verständnis, ich weiß noch gut, was für ein wichtiger Tag das für mich war. Daher habe ich Dich ab Morgen für die ganze nächste Woche für die Nachmittag-/Abendpatrouillen eingetragen. Das heißt, daß Du auch bei den Spielen des Aurelius Avianus mit für Ordnung sorgen mußt. Und nun zu Deiner Frage."

    "Die vollständigen Namen, meine Damen!" Ein Bitte sparte er sich, denn hier kam man offenbar nur mit Strenge weiter. Valerians Blick war unerbittlich und er deutete auf ihre Sandalen, wo ein kleiner Halbmond zumindest Flora als Angehörige des Adels verriet. "Außerdem möchte ich sehen, welche der Pinseleien von euch sind." Den Blick ertrug er, wenn auch nur schwer. Wäre es Calvena, die hier vor ihm stand, wäre er wohl schon lange weich geworden. Aber jetzt? Vor den Augen seiner Jungs? Nein!

    "Nein, natürlich nicht." Valerians Tonfall bewies eindeutig, wie sehr er ihr glaubte: nämlich überhaupt nicht. "So, dann sagt mir doch mal eure Namen und erklärt mir genau, was ihr hier gemacht habt." Erstmal berichten lassen. Und dann schauen, wie man die Tropfen Wahrheit aus den Lügen herauslösen konnte. Seine Körperhaltung und auch die Art und Weise, wie er fragte, ließ nicht den geringsten Zweifel aufkommen, daß er die beiden so ohne Weiteres nicht gehen lassen würde.

    Grinsend nickte Valerian. "Ja, das kann sehr heilsam sein. Oder aber sie entdeckt, daß es gar nicht so schlimm ist und findet sogar Freude am Umgang mit kleinen Kindern." Möglich war schließlich alles. "Nein, leider habe ich nicht den ganzen Nachmittag frei, nur ein paar Stunden. Manchmal glaube ich, daß der PU selbst dafür gesorgt hat, daß ich immer so wenig Zeit für euch habe. Es ist echt ein Ärgernis, daß ich nicht die Freiheiten habe wie in Germanien. Der Kleine wächst so schnell. Ich habe das Gefühl, sein Leben zu verpassen." Er konnte es immer noch nicht fassen, daß Rufus bereits seine ersten Schritte machte. "Ich glaube, Vera ist ganz in Ordnung. Sie muß eben einfach noch lernen. Vor allem sich selbst kennenlernen. Sie reist so weit, ohne zu wissen, was sie eigentlich will. Ein bißchen erinnert sie mich damit an Melina."