Beiträge von Lucius Quintilius Valerian


    ------------------
    Optio Tabellarii
    ------------------



    "Gut, gut." Der Optio griff sich eine leere Wachstafel und notierte darauf schon mal den Namen des Mannes. "In dem Fall habe ich noch einige Fragen: Wie alt bist du? Wie lautet der Name Deines Vaters? Hast Du je Probleme mit dem Gesetz gehabt? Regelmäßiger Kontakt zu lupae? Jemals eines römischen Bürgers unwürdige Arbeiten verrichtet? Woher stammst Du? Und womit hast Du Dir bisher Dein Brot verdient?"

    Der Junge ließ sich weder von der Rüstung noch von Valerians Auftreten beeindrucken. Da das normalerweise selbst bei erwachsenen Männern, die alles andere als feige waren, funktionierte, mußte dieses Kind ausgesprochen abgebrüht sein. Valerians Angst um seine Frau und seine Schwester wuchs. Denn ein Kind, das derart kühl reagierte, mußte eine starke Gruppe im Rücken haben. Eine gefährliche Gruppe.


    "Romaeus. Bei wem und wo wohnst Du? Zu wem gehörst Du?", fragte Valerian weitaus strenger, als er es getan hätte, wenn das Kind sich zumindest ein wenig eingeschüchtert gezeigt hätte. Gerne hätte er Calvena und Valentina einen fragenden Blick zugeworfen, doch das hätte den harten Eindruck, den er machen wollte, verdorben. Und den brauchte er, wenn er aus diesem Jungen etwas herausholen wollte. Der machte ganz den Eindruck, als ob er zu schweigen wüßte. Sicher, Valerian kannte Methoden, jeden zum Reden zu bringen. Doch diese bei einem Kind anzuwenden, das würde er nicht so leicht über sich bringen.


    ------------------
    Optio Tabellarii
    ------------------



    Als es klopfte, rief der Optio sein Herein, ohne seinen Kopf aus der Kiste zu erheben. Hier irgendwo mußte die Tafel sein, die der Centurio verlangt hatte. Was der mit dem alten Ding nur wollte! Aber da war sie ja. Wo sie sein sollte, nur leider war das ganz unten. Vorsichtig zog er sie hervor, ohne die anderen durcheinander zu bringen. Erst dann richtete er sich auf und wandte sich dem jungen Mann zu, der eingetreten war.


    "Salve, Terentius. Das ist eine sehr gute Entscheidung. Aber hast Du sie Dir auch wirklich gut überlegt? Du legst Dich hier und heute für zwanzig Jahre fest, das ist keine Kleinigkeit. Keine Heirat, immer gehorchen, harter Drill, harte Märsche, die Gefahr des Kampfes. Ist Dir das bewußt? Sobald Du ernannt bist, gibt es kein Zurück mehr."

    Schade, daß der Legat so gar nicht auf seine rechtlichen Fragen einging. Aber natürlich hatte der andere Sorgen, als die Fragen eines Centurios zu beantworten. Am besten versuchte er selbst, an die Gesetzestexte zu kommen und die Regelungen nachzulesen. Was allerdings die angedachte Reise seines Adoptivsohnes nach Rom anging, konnte Valerian nur zustimmen. "Ich halte es auch für das Beste, wenn Du Dich sofort auf den Weg machst und Dich mit Decimus Mattiacus besprichst. Was die Reisekosten angeht, so werde ich Dich mit ausreichend Geld ausstatten." Auch sein Sohn hatte im Grunde nicht auf die Frage geantwortet. Aber er ging davon aus, daß auch Promotus die Angelegenheit klären wollte und das alles nicht gleich kampflos hinnahm.

    Valerian wußte wohl, daß er in seiner Centurionenrüstung einen durchaus einschüchternden Eindruck machte. Doch er wußte auch, daß Straßenkinder mit allen Wassern gewaschen waren und vieles an Furcht, Zerknirschtheit und Reue nur gespielt war, um billiger wegzukommen. So wurde Valerian keineswegs freundlicher, als der Junge gehorsam herankam und ihn ergeben ansprach. "Ich bin Centurio Lucius Quintilius Valerian von der Legio II Germanica. Und wer bist Du?" Er brüllte den Jungen nicht an, sondern sprach mit strenger, nüchterner Stimme, die keinerlei Lügen oder Ausflüchte duldete.

    "Man hat Dich deswegen verklagt?" Valerian konnte seine Verwunderung nicht verhehlen. Wurde hier nicht mit Kanonen auf Spatzen geschossen? "Ein Freigelassener darf auf keine Weise das Bürgerrecht erlangen? Auch nicht durch den Dienst in einer Auxiliareinheit? Aber die Adoption an sich ist nicht rückgängig gemacht worden, nur die Bürgerrechtsverleihung, oder? Aber wie kann das gehen? Ich muß gestehen, daß ich keine Ahnung hatte, wie kompliziert die Rechtslage ist. Ich bin ganz einfach davon ausgegangen, daß ein Freigelassener nicht schlechter gestellt wird als ein Peregrinus. Und einen solchen könnte ich problemlos adoptieren und ihm das Bürgerrecht erkaufen."


    Er blickte seinen Sohn fragend an. "Also ich fände es auch richtig und gut, wenn Du nach Rom reisen und mit Decimus Mattiacus sprechen würdest. Er bildet Juristen aus, ich denke, einen besseren Vertreter kann kaum jemand haben."


    Academia Militaris
    Roma
    Provincia Italia




    Salvete!


    Vor einigen Monaten habe ich den schriftlichen Teil des Examen Tertium absolviert. Das Kolloquium steht allerdings noch aus, da nicht genug Kandidaten dafür vorhanden waren. Nun wurde ich zwischenzeitlich nach Germanien zur Legio II versetzt. Trotz dieses Umstandes möchte ich weiterhin als Anwärter für das Kolloquium geführt werden, da mein Legat mir die Erlaubnis erteilt hat, für die Prüfung nach Rom zu reisen. Ich bitte daher um frühzeitige Benachrichtigung, wenn ein Prüfungstermin festgelegt wird.


    Mit den besten Grüßen,


    Centurio Lucius Quintilius Valerian


    [Blockierte Grafik: http://img707.imageshack.us/img707/3415/quintiliersiegelsm.png]


    Mogontiacum, ID IUL DCCCLX A.U.C. (15.7.2010/107 n.Chr.)



    Sim-Off:

    Familienwertkarte

    Geduldig ließ Valerian sich in seine Rüstung helfen und vergewisserte sich zum Schluß, daß er wirklich hundertprozentig ausgerüstet war. Wenn man dem Legaten unter die Augen kam, sollte man immer noch einen zusätzlichen Blick darauf werfen, ob man korrekt gekleidet war. "Dann laß uns gehen. Je eher die Angelegenheit geklärt wird, umso besser." Immerhin war der Weg nach Rom lang. Briefe brauchten lange und wer wußte schon, welche Kreise das alles schon gezogen hatte.

    Valerian schritt an der Seite von Promotus auf den Scriba zu, der die Tür zum Officium quasi bewachte. "Centurio Quintilius Valerian und Miles Quintilius Promotus. Ist der Legat anwesend? Wir müssen ihn in einer sehr dringenden Angelegenheit sprechen, die seine Amtszeit als Praetor betrifft." Das sollte eigentlich genügen, um ihnen Zutritt zu verschaffen.

    Das war für Valerian jetzt doch eine erstaunliche Feststellung, daß die beiden den Jungen so gar nicht befragt hatten. Oder zumindest nicht die Fragen gestellt hatten, die ihm als erstes in den Sinn kamen.


    Als Valentina zum Kellerabgang deutete, schritt Valerian darauf zu und öffnete die Tür. "Komm rauf, Bursche!", befahl er harsch und rümpfte die Nase, als eindeutiger Uringeruch zu ihm heraufdrang. "Ich weiß schon, was der Bengel in diesem Haus noch zu tun hat: Den Keller reinigen", sagte er zu den beiden Frauen gewandt.

    "Ja, so ist es. Es kommt immer darauf an, wer wem verpflichtet ist, wer wessen Klient ist oder wer von wem etwas möchte. Die Verwebungen sind vielfältig und nur selten leicht zu durchblicken." Valerian zuckte mit den Schultern, um zu überspielen, wie sehr es ihn ärgerte, Rom fern zu sein und nun viele der kleinen Anzeichen zu verpassen, an denen man die Verbindungen zwischen den Mächtigsten der Mächtigen festmachen konnte.


    "So etwas wie es der Primus Pilus bei der Legion ist." Valerian log nicht, aber er verschwieg den wichtigsten Teil der Aufgabe, die ihn erwartet hätte. Zwar schmerzte es ihn, seinem Adoptivsohn etwas zu verschweigen, aber es durfte auch nicht alle Welt wissen, wohin er gestellt werden sollte.


    "Ich würde vorschlagen, sofort. Der Optio kann die Männer solange über den Platz scheuchen. - Hilf mir mal kurz in die Rüstung." Er wischte sich den Mund ab und trat an die zurechtgelegten Rüstungsteile heran, um sich so auszustatten, wie es sich für einen Centurio geziemte.

    "Ja, der Praefectus Urbi. Natürlich wäre der niemals auf der Hochzeit eines kleinen Centurio erschienen, doch es war ja eine Doppelhochzeit mit Senator Germanicus Sedulus. Nunja, und der hat ihn leider eingeladen. Was soll's. Geschehen ist geschehen. Irgendwie muß ich versuchen, das Beste daraus zu machen. Aber ärgerlich ist es schon. Mein Praefect wollte mich befördern, weißt Du?" Valerian seufzte. Das wäre genau die Aufgabe gewesen, die er sich gewünscht hatte. Er wäre darin aufgegangen, das wußte er genau.


    "Ich kenne das Gesetz nicht. Vielleicht ist ja nur die Bürgerrechtsverleihung verboten und nicht die Adoption an sich. Decimus Livianus wird es wissen, denke ich."

    "Ich? Hier? Na, ich hatte Sehnsucht nach Dir", log Valerian, ohne mit der Wimper zu zucken und mit völlig ernster Miene. Einen Moment ließ er das so im Raum stehen, dann grinste er. "Du hast das schon ganz richtig geraten. Ich wurde strafversetzt, weil ich mich mit dem mächtigsten Mann Roms, also nach dem Kaiser, angelegt habe. Er meinte nämlich, auf meiner Hochzeit meine Braut auf sehr rüpelhafte Weise anmachen zu müssen."


    Valerian zuckte mit den Schultern. Er konnte es nicht ändern, es war geschehen und er mußte mit den Folgen leben. "Ich weiß nicht, ob er wirklich etwas tun kann, doch er ist ausgebildeter Jurist und kennt sich doch wohl aus. Informieren müssen wir ihn so oder so. Merkwürdig übrigens, daß nur die Verleihung des Bürgerrechtes zurückgenommen wurde. Und nicht die Adoption an sich."

    Als Promotus eintrat, erhob sich Valerian freudig, um den Adoptivsohn in seine Arme zu schließen. "Salve, Appius. Das ist eine Überraschung, was? Ich konnte keine Nachricht vorausschicken. Sie wäre nämlich nach mir erst eingetroffen." Er ließ eine herzliche Umarmung folgen. Erst dann nahm er das Schreiben. "Setz Dich doch und nimm Dir etwas Milch." Er deutete auf den Krug mit Schafsmilch, der noch vom Frühstück auf dem Tisch stand.


    Dann setzte er sich bequem wieder hin und richtete seinen Blick auf das Schreiben. Runzeln bildeten sich auf seiner Stirn. "Was????" Er hatte sich nie mit Adoptionsgesetzen befaßt und wußte nicht einmal genau, ob das stimmte, was hier drin stand. Da der Praetor damals die Adoption ohne große Diskussion durchgeführt hatte, war es ihm auch nicht nötig erschienen, sich damit zu beschäftigen.


    "Der Praetor war damals Decimus Livianus, unser jetziger Legat. Wir sollten das mit ihm besprechen. Er sollte die Gesetze doch schließlich kennen. Vielleicht findet der eine Lösung! Verdammt! Gerade jetzt, wo Du Deine Grundausbildung geschafft hast!"

    Valerian hatte sich pünktlichst wecken lassen und war nun gerade dabei, die letzten Löffel Puls zu essen, bevor er seine Rüstung anlegen wollte. Sein Bursche war schon dabei, alles zurecht zu legen. Um diese Zeit rechnete Valerian eigentlich nicht mit einer Störung. Und doch klopfte es. "Herein!", rief er, während er noch kaute. Wer immer es war, mußte damit leben, daß er noch dabei war, sich fertig zu machen.

    Natürlich hatte Valerian keine Ahnung davon, wie sehr Lupus von dem Begriff der göttlich gesegneten Ehe abgeschreckt war. Wie könnte er auch etwas anderes denken, als daß der andere an die Götter glaubte und ihnen auch mit dem entsprechenden Respekt entgegen trat.


    "Würdig? Würdig bist Du schon jetzt, Lupus. Nur hast Du noch nicht die rechtlichen Voraussetzungen. Diese zu schaffen, ist Deine nächste Aufgabe. Krempel die Ärmel hoch und tu etwas dafür." Die Kälte in der Miene des Terentiers war ihm völlig unverständlich. Was wurde hier eigentlich gespielt? Hatte er die Hand seiner Schwester etwa zu früh versprochen? Hätte er erst schauen müssen, inwieweit sich der alte Freund verändert hatte? Zumindest von Freundschaft war hier irgendwie gar nichts mehr zu spüren gewesen. Lupus benahm sich, als hätte er einen völlig Fremden vor sich.


    "Vale, Lupus. Auch Dir noch einen schönen Tag und mögen die Götter mit Dir sein", sagte Valerian zu der bereits geschlossenen Tür. Ein Gruß zum Abschied wäre wohl das Mindeste gewesen. Nein, Valerian verstand Lupus immer weniger. Aber er ging davon aus, daß der Terentier endlich in Aktion treten würde, um die nötigen Voraussetzungen für eine Ehe zu schaffen. Hätte er geahnt, daß Lupus statt dessen lieber geheime Treffen mit seiner Schwester abhielt, um Zärtlichkeiten auszutauschen, wäre Valerian wohl erst einmal ausgerastet. Er dachte nicht eine Minute daran, daß der Terentier wortbrüchig werden könnte.

    Valerian lachte. Er wußte, es gab über jeden eine Akte. Und daß diese meist dicker war, als der Betroffene auch nur ahnte. Und Lupus wußte das ganz sicher auch. Aber der Hinweis, daß seine Akte sauber war, genügte Valerian doch schon. "So, sie ist also sauber. Nichts anderes habe ich von Dir erwartet, Lupus. Wir wissen beide, daß Du noch eine Karriere vor Dir hast und daß Du zu den Männern gehörst, die fähig sind, Sprosse für Sprosse der Leiter zu erklimmen. Genau das mußt Du dem Statthalter klarmachen. Er kennt Dich eben noch nicht und Du kannst auch nicht voraussetzen, daß er über jeden Mann alles weiß. Rede mit ihm! Erkämpfe Deine Heiratserlaubnis! Glaubst Du, ich hätte die meine einfach so erhalten? Also geh los und sprich mit den Leuten. Und wenn der Statthalter ablehnt, dann sprich mit Leuten auf die er hört. Steter Tropfen höhlt den Stein!"


    Mit einem Kopfschütteln hob Valerian seinen Becher, um noch einmal zu trinken. Warum war es eigentlich nötig, diesen Dickkopf so anzustacheln? Der sollte doch ganz von selbst auf solche Ideen kommen. "Du liebst meine Schwester? Dann willst Du sie ebenso wenig in Unehre sehen wie ich. Ich würde sie Dir mit Freuden zur Frau geben. Doch nur für eine offizielle, von den Göttern gesegnete Ehe."

    So ganz wollte Valerian den beiden Frauen nicht glauben, daß die Angelegenheit so harmlos war, wie sie es jetzt darstellten. Ja, natürlich, es war nur ein Kind. Dieses Mal. Was war, wenn der Rest der Bande in der nächsten Nacht kam? "Ich bin jedenfalls erleichtert, daß euch nichts geschehen ist. Und nun möchte ich mir den Bengel anschauen. Hat er gesagt, wie er heißt und woher er kommt?" Daß ein Kind nicht allein auf Diebestour ging, war für Valerian sicher. Da mußte es noch andere geben. In Rom gab es einen Haufen solcher Banden. Manchmal erwiesen sie sich sogar als ganz gute Informationsquellen, da sie wußten, daß die Praetorianer an so kleinen Fischen kein Interesse hatten und auch schon mal eine Münze dabei heraussprang, wenn die Information gut war.

    Bei dem einen oder andere Mann mußte Valerian sich doch schwer zusammenreißen, ihn nicht zusammenzubrüllen. Aber seine Blicke waren immerhin so geartet, daß einige ihre Gestalt doch noch ein bißchen mehr strafften, um nicht ganz so ein jämmerliches Bild abzugeben. "Um jeglichen Mißverständnissen vorzubeugen: Ich bin weder blind, noch bin ich taub. Auch mein Geruchssinn ist ausgesprochen ausgeprägt. Heute, und nur heute, drücke ich ein Auge zu. Weil der Tag, an dem ein Soldat seine Grundausbildung beendet, ein besonderer Tag ist, der auch gefeiert werden sollte. Aber: Auch wenn ich euch heute diese Feier gewähre, erwarte ich von euch, daß ihr morgen voll dienstfähig seid! Ein Soldat Roms ist immer im Dienst! Er muß immer bereit sein, für seinen Kaiser zum Schwert zu greifen! Vergeßt dies niemals!" Sein scharfer Blick glitt über die Gesichter seiner Männer und er mußte sich zusammenreißen, bei Promotus nicht einen Augenblick länger zu verweilen. "Abite!"