Beiträge von Lucius Quintilius Valerian

    Seine Ausrüstung hatte Valerian bereits getauscht. Mit Bedauern hatte er seine Praetorianerrüstung abgegeben. Doch es half nichts, zurückzublicken. Man mußte den Blick immer nach vorne richten und das Beste aus dem machen, das einem geboten wurde. So hatte er es immer gehalten und so würde er es auch weiterhin halten.


    Nun hatte er alles eingeräumt, seinem Burschen erklärt, was er von ihm erwartete und wollte nun noch schnell die Berichte seines Vorgängers überfliegen, bevor er sich seinen Männern widmete. Da klopfte es recht herrisch an die Tür, was Valerian dazu veranlaßte, seine Stirn zu runzeln. "Herein!", erwiderte er alles andere als zurückhaltend und erwartete eigentlich, einen Vorgesetzten zu erblicken. Wer sonst würde so anklopfen?

    Nach der Vorstellung beim Legaten und dem Tribun hatte Valerian seine Unterkunft in Augenschein genommen. Sie unterschied sich kaum von der, die er in Rom gehabt hatte. Es war eben so: Kannte man eine Castra, kannte man alle. Die Einrichtung war ebenfalls sehr ähnlich, natürlich fehlte noch die persönliche Note. Valerian schickte den Burschen, der ihm zur Verfügung stand, um sein Gepäck zu holen. Er wollte sich wenigstens halbwegs einrichten, bevor er seine Männer antreten ließ. Sie sollten ja auch Gelegenheit haben, über ihren neuen Vorgesetzten zu tratschen.



    Valerian nickte und erhob sich. "Hab Dank für alles, Legatus. Ich werde mich sogleich beim Tribun melden. Vale." Er grüßte zackig und wandte sich dann zum Gehen. Doch an der Tür fiel ihm dann doch noch etwas ein und er drehte sich zu Livianus um. "Verzeihung, ich habe doch noch eine Frage. In Rom hatte ich meine Ausbildung an der Academia begonnen und habe bereits den schriftlichen Teil des Examen Tertium absolviert. Für den mündlichen Teil aber gab es noch nicht genügend Kandidaten und ich habe mich auf die Warteliste schreiben lassen. Wäre es vielleicht möglich, wenn es zur nächsten mündlichen Prüfung kommt, daß ich Urlaub erhalte, um an dieser Prüfung teilzunehmen?"

    "Guten Morgen, Valentina", grüßte Valerian seine Schwester wohlgelaunt. Sie schien schon fertig zu sein für die Weiterreise und Valerian konnte sogar verstehen, daß sie es eilig hatte. Auch wenn er das Verhalten von Lupus noch immer nicht guthieß und es ihm auch nicht ganz leicht machen wollte. Aber das änderte natürlich nichts daran, daß Valentina sich danach sehnte, zu Lupus zurück zu kommen.


    Valerian lachte über Calvenas Versuche, seine Hände einzufangen und am Kitzeln zu hindern. Schon flog ein Kissen. Nur flog es an ihm vorbei, geradewegs auf Valentina. "Na, willst Du etwa Krieg mit Deiner Schwägerin?", fragte er, immer noch lachend. Er war schon gespannt, wie seine Schwester reagieren würde. Würde sie, übermütig wie ein Kind, das Kissen zurückwerfen? Früher hätte sie nicht gezögert. Sie war schon immer lebhaft gewesen und man hatte mit ihr Pferde stehlen können. Hatten die vielen Jahre, in denen sie getrennt gewesen waren, sie verändert?

    "Das weiß ich sehr zu schätzen, Legatus." Und damit log er nicht einmal. Er wußte nicht so ganz genau, wie er zu der Ehre solcher Bevorzugung kam. Aber er war dankbar und würde es auch nicht vergessen. Er war auch sehr gespannt, was Calvena sagen würde, wenn sie davon hörte. "Nein, vorerst habe ich keine Fragen. Die Arbeit eines Centurios ist mir ja nicht fremd und eine Castra ist wie die andere. Vielleicht noch die Frage, welchem Tribun ich unterstellt sein werde." Hoffentlich einem, mit dem man reden konnte.

    Valerian runzelte die Stirn. "Niemand könnte das schaffen. Ich denke, er kontrolliert nur die Einheiten selbst, an deren Spitze keiner seiner Vertrauten sitzt. Und er ist sehr schlau. Schon einige Male hatte man den Eindruck, er hätte eine für sich ungünstige oder unvorsichtige Entscheidung getroffen, vielleicht übereilt oder einfach aus dem Bauch heraus. Doch später stellte sich stets heraus, daß dem nicht so war. Er ist gewieft. Und wie man in meinem Fall sieht, ausgesprochen nachtragend." Er hatte immerhin einige Jahre in ein und derselben Castra gelebt und gearbeitet wie der "Glatzkopf", wie die Jungs ihn gerne nannten. Außerdem hatte jeder Praetorianer seine Lauscher gründlich aufgestellt bei allem, was um den PU herum geschah.


    Es erfüllte Valerian mit sehr viel Stolz, daß sein Legat so bald eine Beförderung für ihn vorsah. Und er würde schon dafür sorgen, daß Livianus diese Entscheidung nicht bereute. Es war nicht seine Art, die Hände bequem in seinen Schoß zu legen. Er konnte nicht bei den Praetorianern dienen? Dann konnte er wenigstens dafür sorgen, erstklassige Soldaten auf den Weg dorthin zu bringen.


    Dann machte der Legat ein Angebot, das Valerian geradezu den Atem stocken ließ. "Nun, uns war bewußt, daß sie nicht bei mir leben kann, solange ich Centurio bin. In Rom war es nicht anders, allerdings erlaubte mir mein Dienst, sie relativ oft zu sehen. Meine Familie hat hier in der Stadt ein Haus, meine Schwester lebt schon lange hier und Calvena ist nun zu ihr gezogen. Meine junge Cousine wird auch noch anreisen, zusammen mit unseren Sklaven und dem Gepäck, das nicht ganz so wichtig war. Zudem gibt es auch noch ein Haus der Germanicer, in dem sie auch leben könnte, wenn sie das wollte. Es ist ein unglaublich großzügiges Angebot von Dir, sie in Deinem Haus aufzunehmen und ich werde es auf jeden Fall mit ihr besprechen. Allerdings ahne ich, daß sie lieber in der Stadt bleiben wird, da sie dort mehr Freiheiten hat, als es hier möglich wäre. Trotzdem wäre es natürlich ausgesprochen verlockend, sie hier in meiner Nähe zu haben. Ich danke Dir vielmals für Deine Großzügigkeit." Livianus lebte also allein hier? War er denn nicht verheiratet?

    Was für unterschiedliche Menschen hier anwesend waren. Erstaunlich. Valerian wurde es nicht müde, seinen Blick über die Anwesenden schweifen zu lassen und zu erraten, wer sie waren, was ihre Profession war und in welcher Beziehung sie wohl zu dem Verstorbenen standen. Natürlich hatte er jetzt und hier keine Möglichkeit, seine Vermutungen auf Richtigkeit zu überprüfen. Aber er wenn er etwas bei den Praetorianern gelernt hatte, dann beobachten und Informationen sammeln. Nach einiger Zeit dann ergab sich plötzlich ein Bild, das vorher nicht zu erahnen gewesen war. Es war ihm so in Fleisch und Blut übergegangen, daß er es nicht so einfach abstellen konnte.


    Ein keltisch gekleidetes Paar stand direkt vor ihm und sprach nun mit dem neuen Familienoberhaupt der Duccier. Valerian hielt Abstand, denn er fand es unhöflich, mit zuzuhören. Doch sehr lange dauerte dieses Gespräch nicht. So konnte er bald auf Witjon – wie Eburnus ihn genannt hatte – oder auch Duccius Marsus, wie Duccia Elva ihn genannt hatte, - zutreten. "Salve, Duccius. Mein Name ist Lucius Quintilius Valerian. Ich komme unvorbereitet in dieses Trauerhaus, denn ich bin erst gestern aus Rom eingetroffen und habe erst vorhin hier an eurer Porta von Landos Tod erfahren. Bitte sei Dir versichert, daß ich mit euch trauere, auch wenn es sehr viele Jahre her ist, seit ich das letzte mal Gast in diesem Haus war." Es war schwer, Mitgefühl so auszudrücken, daß es nicht abgedroschen klang, und Valerian wollte es auch nicht übertreiben, denn er hatte Lando auch nicht sehr gut gekannt. Seine Cousinen und vor allem seine Schwester hatten ihn weit besser gekannt. Trotzdem war es für ihn immer noch unglaublich, irgendwie war Lando für ihn immer der Inbegriff dieser Familie gewesen.


    "Eigentlich kam ich her im Auftrag Deines Bruders, der mein Freund ist und mit dem ich zusammen bei den Praetorianern gedient habe. Doch ich möchte euch in eurer Trauer nicht stören. Würdest Du die Freundlichkeit haben, mir eine Nachricht zukommen zu lassen, wenn es Dir recht ist, mich zu empfangen? Ich diene wieder bei der Legio II hier in Mogontiacum und bin also im Castellum erreichbar."

    Für Valerian war es eine große Überraschung, daß der Legat ihm eine Beförderung in Aussicht stellte. Immerhin kannte Decimus Livianus ihn kaum. Andererseits wußte Valerian natürlich nicht, was Livianus wirklich alles über ihn wußte. Immerhin war er auf seiner Hochzeit gewesen. Und wenn sein Besuch auch eher Sedulus gegolten hatte, so konnte sich Valerian doch vorstellen, daß Livianus Erkundigungen über das zweite Paar eingezogen hatte. Er selbst jedenfalls hätte das getan.


    "Ich danke Dir sehr für Dein Vertrauen, Legatus. Und hoffe, daß die Kanzlei solch eine Nebensächlichkeit nicht dem Praefectus Urbi vorlegt. Der wird sich wohl leider noch an meinen Namen erinnern." Die Ausbildung der Probati sollte er übernehmen. Innerlich seufzte Valerian, ließ sich davon aber nichts anmerken. Er war es gewöhnt, Männer über den Platz zu scheuchen, doch war das Training der Probati etwas anderes, als einen Trupp Praetorianer zu Höchstleistungen anzutreiben. Er hoffte nur, daß er seine Erwartungen nicht zu hoch schraubte. Und selbst auch nicht zuviel verlernt hatte, was all die Dinge anging, die in Rom nicht benötigt wurden.


    "Ja, meine Frau ist mit mir hierher gekommen. Sie hat die Strapazen eines Ritts auf sich genommen, da ich ja hier erwartet wurde und schnell reisen mußte. Es ist schlimm genug, daß wir uns nur selten sehen können. Doch wenn sie hier ist, haben wir wenigstens hin und wieder die Gelegenheit, zusammen zu sein."

    Ein Stupsen war es, das Valerian aus dem Schlaf riß. Erschrocken setzte er sich auf, noch bevor er richtig wach war. "Was? Verschlafen? Wo..." Sich bewußt werdend, wo er war und wer da bei ihm war, schaute er sich um. "Oh... Guten Morgen." Nanu? Sie lag ja so da, als wollte sie einfach weiterschlafen. "Was ist denn das? Erst mich wecken und dann weiterschlafen wollen? Auf, auf, Mogontiacum wartet auf uns." Nun war er es, der seine Frau stupste. In die Seite, wo sie kitzlig war. Er wappnete sich, denn vermutlich folgte die Rache auf dem Fuße, so gut kannte er sie ja doch schon.


    Die Sonne verhieß einen schönen Tag. Sicher würden sie heute einen guten Teil der Strecke schaffen. Reisen war wirklich eine lästige und anstrengende Sache. Er würde froh sein, Mogontiacum endlich vor sich zu sehen. Obwohl... solange sie auf Reisen waren, konnte er seine Zeit mit Calvena verbringen. Waren sie erst in Mogontiacum, würden sie sich bestimmt vor allem in der ersten Zeit kaum sehen können. Ein guter Grund, die Reise zu genießen.

    Da hatte er mal wieder mit schlafwandlerischer Sicherheit den falschen Ton getroffen. Valerian seufzte innerlich und schaute die junge Witwe ein wenig hilflos an. "Bitte verzeih, wenn ich Dir zu nahe getreten sein sollte. Das war nicht meine Absicht." Er konnte ja nicht wissen, daß sie nicht einmal mit ihrer Familie über ihren Kummer sprach und hatte auch keineswegs erwartet, daß sie sich bei ihm ausweinte. Er hatte einfach freundlich sein und zeigen wollen, daß Verständnis für ihren Kummer vorhanden war. Nunja, vielleicht war es auch gerade dieser Kummer, der sie jetzt so abweisend sein ließ.


    Ein entschuldigendes Lächeln lag auf seinen Zügen, als er freundlich weitersprach. "Weder meine Frau noch ich wollen uns aufdrängen. Und ich weiß, daß die Duccier stark sind, kenne ich doch zumindest einen von ihnen sehr gut und nenne ihn Freund. Bitte entschuldige den falschen Eindruck, den ich bei Dir scheine hinterlassen zu haben. Ich wünsche Dir und Deiner Familie alles erdenklich Gute. Vale, Duccia Elva." Er hoffte, daß diese Worte nicht schon wieder falsch ankamen. Er hätte ihr ja den Schutz und das Wohlwollen der Götter gewünscht, aber er fürchtete, daß sie das auch nicht wollen würde, da sie vermutlich andere Götter anbetete als er.


    Nun wandte er sich also Marsus zu. Es standen einige Personen hier, die mit ihm sprechen wollten, also wartete Valerian geduldig, bis der dran war. Solange konnte er sich überlegen, was er sagen wollte, um nicht schon wieder mit beiden Füßen und viel Schwung in ein Fettnäpfchen zu springen. Es war erstaunlich schwer, mit dieser Familie umzugehen, die doch immerhin römisches Bürgerrecht besaß, viele wichtige Positionen in der Provinz besetzte und noch dazu über Heirat mit ihm verwandt war. Natürlich waren sie germanischer Herkunft und hielten ihre Traditionen bewundernswert aufrecht. Aber trotzdem kam er sich gerade vor wie auf einer diplomatischen Mission beim Erstkontakt. Ständig lauerten Fallen, jedes Wort konnte genau das Falsche sein. Irgendwie hatte er das von früher nicht als so schwer in Erinnerung. Aber vielleicht lag das daran, daß man die Dinge im Laufe der Jahre einfach etwas verklärt sah. Oder war er nach all den Jahren in der römischen Heimat wieder zu sehr Bilderbuchrömer? War er es, der damals anders gewesen war?

    Valerian legte den Kopf schief. "Auch. Aber nicht nur. Du wirst ihn sicher sehr vermissen." Das mit dem Kind war vielleicht sogar ihr Glück. Sich um das Kind kümmern zu müssen, konnte sie von dem Kummer ablenken. So dachte er zumindest. "Sehr erfreut, Dich kennenzulernen, Duccia Elva." Er sah, wie sie sich die Hand in den Rücken stemmte. Anscheinend war es anstrengend für sie, hier zu stehen. "Möchtest Du Dich nicht vielleicht lieber setzen?", fragte er besorgt.


    "Hör zu, es mag Dir merkwürdig vorkommen, weil wir uns nicht kennen. Aber... nun, meine Frau ist mit mir nach Mogontiacum gekommen. Sie ist eine Germanica, das sagt Dir vielleicht etwas. Sie... sie ist mit meiner Schwester allein, da ich als Soldat gezwungen bin, in der Castra zu wohnen. Und ich bin sicher, sie würde gerne jemanden kennenlernen. Vielleicht könnte sie Dir ... naja, einfach beistehen, irgendwie helfen? Vor langer Zeit hat mein Onkel durch die Heirat mit einer Duccia eine Verbindung zwischen unseren Familien geschaffen. Vielleicht können wir diese irgendwie erhalten. Vielleicht dadurch, euch in dieser schweren Zeit beizustehen?" Er wollte sich nicht aufdrängen. Und auch Calvena nicht aufdrängen. Sicher hielten die Duccier wie immer fest zusammen und standen sich gegenseitig bei. Trotzdem konnte Calvena mit ihrer frischen und lieben Art vielleicht helfen. Zumindest anbieten wollte er es.


    Als sie ihm das neue Familienoberhaupt zeigte und den Namen nannte, nickte Valerian. "Ich nehme an, daß Duccius Marsus von euch Witjon genannt wird? Dann habe ich tatsächlich eine Nachricht für ihn. Ich fürchte nur, jetzt ist nicht der richtige Moment. Also werde ich ihm nur kurz mein Mitgefühl ausdrücken und mit eurer Erlaubnis in einigen Tagen wiederkommen." Er hatte wirklich ein Talent dafür, in genau dem falschen Moment irgendwo hereinzustolpern.

    Valerian wandte sich der Frau zu, die ihn ansprach. Ihr Mann? Also Landos Ehefrau. Die Ärmste mußte wohl am meisten unter dem Verlust leiden. "Ja, ich kannte ihn. Aber es ist sehr, sehr lange her. Ich... ich habe es eben erst erfahren... Oh, bitte verzeih, ich sollte mich vorstellen. Lucius Quintilius Valerian ist mein Name und ich bin gestern erst aus Rom eingetroffen. Ich kam eigentlich her, um Grüße von Eburnus zu überbringen. - Ich möchte euch aber nicht in eurer Trauer stören und kann ein anderes mal wiederkommen. Bitte laß mich Dir versichern, daß ich mit euch trauere. Gerade für Dich muß es sehr schwer sein." Sie war noch erschreckend jung für eine Witwe.

    Im Atrium war ja einiges los. Valerian fühlte sich ein klein wenig fehl am Platze, da er nicht auf den Trauerfall vorbereitet gewesen war, doch er versuchte dies mit Höflichkeit zu überspielen. "Salvete", grüßte er, wenn auch nicht allzu laut. Er hatte aus Gewohnheit den römischen Gruß ausgesprochen und schob, als er es merkte ein: "Oder vielmehr Heilsa", hinterher. Es war so ziemlich das einzige germanische Wort, das er kannte.


    Dann trat er an die Bahre heran, sobald dies möglich war. Ein ungewöhnlicher Anblick. Geschminkt war der Leichnam nicht, dafür hielt er ein Schwert und ein Trinkhorn. Das mochte wohl die germanische Tradition fordern. Respektvoll betrachtete er den Mann, der im Tod fast noch stolzer wirkte als im Leben. "Gerne hätte ich Dir die Grüße überbracht, die mir aufgetragen worden sind." Auch wenn Eburnus hauptsächlich von seinem Bruder gesprochen hatte, galten die Grüße doch der ganzen Familie. Und der Tote war immerhin das Oberhaupt der Familie gewesen. "Doch nun bleibt mir nichts, als Dir meinen Respekt zu zollen dafür, daß Du zu den Menschen gehörst, deren Schritte auf dieser Welt Spuren hinterlassen, die sie selbst überdauern. Und Dir alles Gute zu wünschen in der Welt, in die Du nun eingegangen bist." Das alles war nur sehr leise gesprochen, er wollte ja niemanden belästigen.

    "Ein Überfall?" Valerian fragte dies spontan, rechnete aber nicht mit einer weiteren Antwort. Die Duccier waren eine stolze Familie, das wußte er nur zu gut. Sie würden schon selbst wissen, was sie tun sollten oder tun wollten. Er mischte sich da besser nicht ein. "Der Tod eines Kriegers", murmelte er. Viel wußte er nicht vom Glauben der Germanen. Eigentlich fast gar nichts. Doch daß sie es schätzten, im Kampf zu fallen, das hatte er schon gehört.


    Valerian folgte dem Mann, dessen Name ihm immer noch nicht wieder eingefallen war, ins Atrium.

    Auch Valerian dachte kurz an seinen toten Onkel, dessen Heirat mit einer Duccia die Familien einander näher gerückt hatte. Es war traurig, daß sie alle schon gestorben waren, selbst seine Cousins. Überhaupt hatten die Quintilier in den letzten beiden Generationen nicht viel Glück gehabt. Valerian hatte fest vor, diese Statistik ein bißchen aufzubessern. Und hoffte dabei auch auf Unterstützung durch seine Schwester und durch Sermo.


    Als er nun hörte, um wen hier getrauert wurde, war ihm das Entsetzen darüber deutlich anzusehen. "Lando? Lando ist tot? Ein Mann in der Blüte seiner Jahre! Was ist passiert?" Ausgerechnet Duccius Lando? Der Mann, der hier beinahe alle Fäden in der Hand gehalten hatte? Der die große Handelsvereinigung gegründet hatte?


    "Ähm, ja, ich würde ihn gerne sehen, um ihm die letzte Ehre zu erweisen." Lando tot. Mit allem Möglichen hätte Valerian gerechnet, aber nicht damit.

    Diese kleine Hexe wußte doch ganz genau, wie sie ihn kriegen konnte. Und dann ließ sie ihn auch noch zappeln. Aber immerhin befreite sie ihn auch von seiner Kleidung - und daß ließ hoffen, daß sie ihn nicht mehr ewig zappeln ließ. Valerian lachte leise. "Und ob ich frech bin", erklärte er leise, "ganz wie Du es magst, mein Herz. Und ich bin sogar noch frecher." Er hob sie einfach auf seine Arme und trug sie zum Bett herüber. Bald waren unter der Decke nur noch eindeutige Geräusche zu vernehmen, die darauf hindeuteten, daß hier zwei verheiratet waren, die sich wirklich wollten.


    Einige Zeit später, als Calvena in seinen Armen eingeschlafen war, schälte sich Valerian doch nochmal aus den Decken, um schließlich sein Bad zu nehmen. Es war zwar kalt, aber wenigstens noch nicht fortgeräumt. Kaltes Wasser lud nicht zu langem Verweilen ein, so wusch er sich nur rasch und kehrte dann ins warme Ehebett zurück...

    Valerian erinnerte sich auch an den eher wortkargen Alten. Aber der Name war ihm nicht im Gedächtnis geblieben. Es war einfach zu lange her und er war nicht so oft hier gewesen. "Salve. Lucius Quintilius Valerian ist mein Name. Es ist schon viele Jahre her, daß ich das letzte Mal hier war, kein Wunder, daß Du Dich nicht erinnerst. Ich traf gestern aus Rom ein und habe Grüße zu überbringen... Aber... bitte sag mir, um wen wird getrauert? Wer ist gestorben?"

    Zuerst wußte Valerian nicht so recht, wie er das herzhafte Lachen des Legaten einordnen sollte. Doch dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Natürlich der Decimer war auch dort gewesen! Auf der Hochzeit! Dieser Tag war wahrhaftig wie im Rausch an ihm vorüber gegangen. Die Hälfte der Gäste hatte er gar nicht wahrgenommen. Doch er war sich ziemlich sicher, daß ihm das niemand übel nahm. Hatte er doch schließlich die - in seinen Augen - schönste und liebste Frau des gesamten römischen Imperiums geheiratet. Und als die Erklärung für das Lachen folgte, schmunzelte Valerian schon wieder amüsiert. Sein neuer Kommandant hatte zumindest Humor.


    "Ich bin nun gute acht Jahre bei den Cohortes Praetoriae gewesen und wurde vor knapp vier Jahren zum Centurio befördert*. Praefectus Prudentius hatte mir eine baldige Beförderung in Aussicht gestellt. Auf die besonderen Aufgaben, die dabei auf mich zugekommen wären, hatte ich mich auch schon intensiv vorbereitet. Das alles ist nun hinfällig - und das ist in vielerlei Hinsicht mehr als ärgerlich." Wenn Balbus zurückkehrte, würde er sicherlich aus allen Wolken fallen.


    "Hab Dank für Dein freundliches Willkommen, Legatus. So sehr mich die Schmach der Versetzung trifft, - irgendwie ist es auch ein Heimkommen, denn hier bei der Legio II hat meine militärische Laufbahn begonnen. Als ich vorhin durch das Tor hereinkam, traf ich als erstes einen Kameraden aus meinem alten Contubernium: Terentius Primus, der gerade erst zum Praefectus der Ala II ernannt wurde. Das empfinde ich als gutes Omen."



    Sim-Off:

    *Sim-On-Jahre. Sim-Off waren es gute zwei Jahre bei den Praetis und etwa eins als Centurio

    Bereits am Tag nach seiner Ankunft in Mogontiacum machte sich Valerian auf den Weg zur Casa Duccia. Jahre war es her, daß er in diesem Haus gefeiert hatte. Ob überhaupt noch jemand hier wohnte, der ihn kannte? Na, Lando ja sicherlich. Als der Quintilier sich dem Haus näherte, stockte sein Schritt. Unübersehbar waren die Zeichen der Trauer angebracht. Es war jemand gestorben? Wer? Nun, er würde es sicher gleich erfahren. Die letzten Schritte zur Tür legte er schneller zurück, als könnte er durch die gewonnene Sekunde einer traurigen Nachricht den Schrecken nehmen. Sogleich klopfte er an und fühlte sich mit einem Male gar nicht mehr wohl in seiner Haut. Hatte er doch eigentlich fröhliche Grüße überbringen wollen. Und nun?