Als Valerian das Atrium betrat, waren Melina und Calvena anwesend. Abschied war immer eine traurige Angelegenheit und schon aus diesem Grund wollte Valerian den Abschied nicht zu lang auswalzen. "Guten Morgen, ihr beiden", begrüßte er die Frauen und umarmte erst einmal seine Frau, als sie ihm zu einem Kuß entgegen kam. Den Kuß ließ er sich nicht nehmen, auch nicht durch Melinas Gegenwart. Doch das Mädchen vergaß er natürlich nicht. Er löste sich von Calvena und umarmte auch Melina herzlich. "Natürlich darfst Du uns umarmen." Sie hatte manchmal wirklich merkwürdige Ideen.
"Germanien ist gar nicht so schlimm wie sein Ruf. Ich war ja schon mal dort. Sicher, es ist nasser und kühler als hier. Aber die Bäume sind groß und mächtig und unglaublich grün. Auch die Wiesen sind grün und saftig. Es gibt tiefblaue Flüsse und Seen und die Wälder sind überwältigend. Wenn es Dir hier zu einsam wird, Melina, dann komm uns besuchen. Wie wäre es damit?" Valerian sagte dies nicht belehrend, sondern eher bewundernd. Ja, er liebte Rom und Italia und Germanien konnte da wirklich nicht mithalten. Er hatte dort gefroren und sich nach der Heimat gesehnt. Doch wenn er ehrlich war, dann hatte es dort auch viel Schönes gegeben. Und wenn man bereit war, dies zu sehen, dann war es gar nicht so schlimm, dorthin verschlagen zu werden. Ja, er bemerkte, daß auch Calvena versuchte, es sich schönzureden, doch vielleicht würde auch sie entdecken, daß man überall ein schönes Leben haben konnte, solange man sich gegenseitig hatte.
Überraschend gesellte sich Serrana zu ihnen und Valerian begrüßte sie lächelnd. "Salve, Serrana. Nein, Du störst gar nicht. Ganz im Gegenteil machst Du uns eine große Freude." Wußte er doch, wie eng seine Frau mit der sympathischen Iunia befreundet war. Und sicherlich war es für diese auch nicht ganz so einfach gewesen, sich so früh am Morgen auf den Weg hierher zu machen.
Melinas Traurigkeit war unerwartet tief und Valerian konnte nicht verhindern, daß er Mitleid mit dem Mädchen empfand. "Du kannst es Dir noch überlegen, Melina. Heute Abend erst werden die Wagen mit unserem Gepäck von hier losfahren. Pack Deine Sachen und fahr mit, wenn Du möchtest." Er meinte es ernst. Sehr ernst. Im Grunde wäre es gut für das Mädchen, hier heraus zu kommen. Weg von diesen Freunden, die sie immer wieder zu Unsinn anstifteten. Auch waren die gesellschaftlichen Zwänge in Germanien nicht so streng wie hier. Beides zusammen mochte dem Mädchen helfen, sich in die eigene Rolle hineinzufinden. Aber zwingen wollte er sie nicht, schon gar nicht ohne dies mit Sermo zu besprechen. Doch anbieten, das konnte nicht schaden. Und wenn sie es gerne wollte, würde sich auch Sermo sicherlich nicht dagegen sperren.