Beiträge von Lucius Quintilius Valerian

    Es war schon ein wenig spät, aber früher hatte sich Valerian nicht loseisen können. An einem Tag wie heute war eben viel zu tun. Vor allem hatte er seine Männer zusammenstauchen müssen, weil sie auf seinen Pfiff nicht reagiert hatten. Hilfe hätte er wahrhaftig brauchen können. Aber angeblich hatte ihn keiner gehört.


    Als wäre das alles nicht schon nervig genug, stand ihm auch noch das Gespräch mit Sermo bevor. Es war nicht gut, schon genervt in so ein Gespräch zu gehen. Er wußte es ganz genau. Auch ohne die Aufforderung des Vetters ließ er sich auf die Cline fallen. Immerhin fühlte er sich hier als Hausherr. Spätestens nachdem er so viel Geld in die Hütte gesteckt hatte. "Das gibt es in der Tat."


    Er nahm den Becher und trank einen guten Schluck. Dann wartete er erst einmal ab, was Sermo zu sagen hatte. Und was er hörte, stimmte ihn nicht gerade fröhlicher. "DAS war Melina? Deine Schwester? Meine Cousine? Dieses ungezogene Gör? Wie alt ist sie eigentlich genau?" Vielleicht sah sie älter aus als sie war, dann wäre der Schaden vielleicht noch gut zu machen, bevor sie zu verheiraten war.

    Oje, da hatte es sich Sermo wohl auch gleich mit Calvena verdorben. Das war nicht gut. Aber hier war wirklich nicht der richtige Ort, um das auszudiskutieren. Dann ergoß sich aber auch noch ihre Wut über ihn. Verständnislos schaute er Calvena an. Was meinte sie nur? Glaubte sie etwa, er hätte Sermo gegenüber diesen Ausdruck gebraucht. "Ich habe ihm erzählt, daß mein Herz ganz Dir gehört und daß ich vorhabe, Dich zu heiraten. Das habe ich ihm erzählt. Was glaubst Du denn, was ich ihm gesagt habe? Frag ihn, er wird es Dir bestätigen." Das konnte doch wirklich nicht wahr sein, daß sie auf ihn sauer war, weil Sermo so einen Schwachsinn von sich gab! Seufzend wollte er sich an Centho wenden, da flog eine Frau auf ihn zu und umarmte ihn stürmisch. Jetzt zog das mit Sicherheit viel mehr Aufmerksamkeit auf sich als eben Calvenas Umarmung. Unwillkürlich mußte Valerian grinsen. Hier gab es anscheinend noch mehr Liebende.

    Erst wanderte eine Augenbraue nach oben. Valerian nickte zu der Bemerkung, daß es später eine Erklärung geben würde. Darauf war er schon sehr gespannt. Doch dann wanderte die zweite Augenbraue nach oben. Versuchte sein Vetter gerade, ihn zu maßregeln? Ausgerechnet Sermo? "Techtelmechtel? Ich muß schon sehr bitten, Iullus! Wir... sollten später sprechen. Ausführlich." Fast ein wenig ruckartig wandte er sich von seinem Vetter ab. Das war ja wohl die Höhe! Na, das konnte ja noch gemütlich werden, heute.

    Vorhin, als sie hereinkam, war sie aber noch sehr gut zu Fuß gewesen, stellte Valerian mit der scharfen Beobachtungsgabe eines Praetorianers fest. Es war nicht zu übersehen, daß diese Dame ausgesprochen neugierig war und offensichtlich nur die Absicht hatte, dieses Gespräch zu belauschen.


    "Nunja... ich muß zugeben, daß ich den Goldenen den Vorzug gebe." Ursprünglich nur, weil der Nachbarsjunge für die Veneta geschwärmt hatte und ihm wirklich jeder Grund recht gewesen war, um dem hin und wieder die Nase zu verbiegen. Später dann war er allerdings zu einem echten Fan geworden, auch wenn die Aurata leider nur selten gewann. "Ich hoffe, Du nimmst mir das nicht übel? Der Ausgang des letzten Rennens hat mich schon sehr überrascht. Die Albata hat mächtig aufgeholt, Patroklos, der alte Trottel, hat einige gute Gelegenheiten verpaßt." Wagenrennen, das war bestimmt kein Thema, das eine alte Dame interessierte. Valerian mußte die Gewitztheit des Senators wirklich bewundern, da er das Gespräch so geschickt auf dieses Thema gelenkt hatte.

    Valerian war schon ein wenig verdutzt, daß diese Dame einfach so in das Gespräch platzte. Doch natürlich erhob er sich höflich, als sie eintrat. Verlegen hüstelte er zur Seite, um zu verbergen, daß er fast losgelacht hätte, als Sedulus die Bemerkung wegen der Verwandtschaft machte. Es brauchte nur einen winzigen Moment, bis er sich wieder voll unter Kontrolle hatte.


    "Salve. Sehr erfreut, Dich kennenzulernen, Germanica Laevina. Ich bin Lucius Quintilius Valerian." Da der Senator ihn nicht vorgestellt hatte, nahm er das mal eben selbst in die Hand.


    Und setzte sich wieder, da ja sicherlich diese Dame den Raum sofort wieder verlassen würde, da ihr Stock nicht hier war. Valerian ging davon aus, daß Sedulus und er die für ihn sehr wichtige Unterhaltung allein weiterführen würden.

    Ein wenig sehnsüchtig blickte Valerian zu Calvena, die sich mit ihrem Onkel unterhielt. Ob er...? Nein, das wäre wirklich nicht der richtige Moment. Sein Blick schweifte über die anderen Beteiligten an diesem Kampf. Und eine laute Stimme zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Dieses wilde Mädchen schon wieder! Was wollte sie denn von seinem Vetter? Und Sermo schien ziemlich auf sie einzureden. Unwillkürlich ging Valerian näher heran. "Sermo? Bist Du in Ordnung? Sag mal... wer war das denn?" Ungeheuerlich! Nun ging diese Göre inmitten eines Pulkes von Jugendlichen fort. Einen guten Eindruck machten die jungen Leute wirklich nicht.

    Valerian erhob sich auch. "Ich hoffe, es gefällt Dir. Schlaf gut!" Er schaute seinem Vetter noch kurz nach, dann trank er im Stehen seinen Wein aus. Allerdings ging er nicht gleich, sondern wartete auf Diomedes, um sich kurz mit ihm zu besprechen und ihm noch ein wenig Geld für Einkäufe dazulassen. Eigentlich schade, daß er in der Castra wohnen mußte. Langsam wurde das Haus wieder richtig schön. Und Leben kam auch hinein! Aber das war leider nicht zu ändern. Er verabschiedete sich noch von Diomedes, mit der Ermahnung, ihn gleich zu informieren, sollten sich irgendwelche Probleme auftun. Dann machte er sich auf den Weg zurück zur Castra.

    "Das wäre es", bestätigte Valerian. Er brachte nur wenige Worte hervor, vor lauter Spannung. Aus Verlegenheit nippte er ebenfalls an seinem Glas, nur konnte er dem wirklich guten Tropfen nicht die Aufmerksamkeit schenken, die er sicherlich verdiente. Und dann kamen die Worte, die er kaum zu glauben wagte. "Dann... dann bist Du grundsätzlich einverstanden?" Seine Augen leuchteten vor Freude. Er konnte sein Glück kaum fassen. "Ich danke Dir, Senator Germanicus! Und ich werde Deine endgültige Antwort mit großer Ungeduld erwarten."

    Ohoh, da hatte er seine liebste Calvena gerade in die Sch... geritten. Das war nicht gut. Ganz und gar nicht gut. "Ich kann Dir versichern, daß sie nicht die Absicht hatte, dieses Viertel zu betreten", beeilte sich Valerian zu versichern. "Ich habe ihr eingeschärft, nicht mehr allein in Rom herumzustreifen. Und ich glaube, sie hat sich seit dem daran gehalten." Meistens war er es, der sie begleitete. Aber das sollte er jetzt vielleicht nicht erwähnen. Zumal jeder ihrer Ausflüge in irgendwelchen Katastrophen zu enden schien.


    "Es... es war mir eine Ehre. Und meine Pflicht war es auch." Er errötete leicht. Immerhin hatte er mehr gewonnen als verloren bei seiner Tat.


    "Das ist eine schwere Frage. Ich weiß es schlicht nicht. Vermutlich beide gleichzeitig. Ich kann Dir gar nicht sagen, wie und wann es geschehen ist." Das war die reine Wahrheit. Er wußte nur, daß er sein Leben gerne mit Calvena verbringen würde. Zum ersten mal in seinem Leben konnte er sich vorstellen, zusammen mit jemand anderem alt zu werden. Eine Familie zu haben.

    Valerian hatte natürlich keine Ahnung, was Calvena erzählt hatte. Oder eben nicht erzählt hatte. Er hatte ohnehin nicht die Absicht, die Unwahrheit zu sagen. Schließlich wußte er, wie leicht man sich in Lügen verstrickte und wie geschickte Fragen dies ans Licht bringen konnten.


    "Meine Männer und ich hatten bereits seit mehreren Tagen ein Haus beobachtet, indem sich eine Gruppe traf, die sehr unschöne Dinge vorhatte. Was, tut ja hier nichts weiter zur Sache. Auf jeden Fall fiel mir auf einmal eine edel gekleidete Dame auf, die von einigen Rüpeln arg bedrängt wurde. Nunja, ich habe mich eingemischt..." Er räusperte sich verlegen. "Ich muß dazusagen, daß ich nicht besser aussah als diese Rüpel. Aber wenn man in der Subura verdeckt arbeitet, dann sollte man eben aussehen wie solche Kerle. Naja, ich habe mich als Praetorianer zu erkennen gegeben und da ließ sich sich bereitwillig von mir aus der Subura herausführen. Sie hatte sich schlicht verirrt."

    Valerian lachte. "Schwierig nicht. Nur aurwendig. Ich wünsche Dir viel Glück dabei." Tatsächlich wünschte er seinem Vetter Erfolg bei seinen Plänen. Er hatte sich ein hohes Ziel gesetzt. Aber warum sollte er es nicht schaffen? Auch andere hatten es von ganz unten nach oben geschafft. Und immerhin hatte Sermo ritterliche Vorfahren.


    "Dann wünsche ich Dir eine geruhsame Nacht. Sehr oft werde ich nicht herkommen können. Doch wenn etwas ist, dann schick mir eine Nachricht, ja? Ich komme, so oft ich kann. Achja, erzählte ich schon von den Mosaiken, die verlegt werden sollen? Es wird also eine Weile unruhig im Haus, wenn die Handwerker kommen."

    Der Tonfall des Senators war sehr freundlich, das war doch wohl ein gutes Zeichen. Hoffte Valerian zumindest. Und das Lob ging runter wie Öl. Gut, er war nicht umsonst von den Praetorianern ausgewählt worden. Aber damals war er noch am Anfang seiner Laufbahn gewesen. Und hatte noch vieles durch hartes Training verbessern müssen. "Ich danke Dir für das Lob, Senator", sagte er bescheiden und fühlte sich angesichts des Lächelns des Senators tatsächlich etwas besser. Nun wartete er auf die nächsten Worte. Jetzt ging es zur Sache.


    "Auch wenn wir uns noch nicht lange kennen, haben wir natürlich darüber gesprochen. Ohne ihr Einverständnis wäre ich nicht hergekommen. Aber vielleicht solltest Du sie selbst fragen, denn ich könnte ja alles behaupten." Es hatte schon Männer gegeben, die um ihre Hand angehalten hatten? Das hatte Valerian gar nicht gewußt. Und sie waren gescheitert? Er fragte sich, woran.

    Valerian setzte sich nach der Aufforderung. Und versuchte, sich seine Nervosität nicht anmerken zu lassen. Was vermutlich nicht vollständig gelang. Der Senator erinnerte sich also an ihn? Nach so langer Zeit. "Dein Gedächtnis ist wahrhaftig vortrefflich. Immerhin war ich doch nur einer von vielen Soldaten." Das Staunen war ihm ebenfalls anzusehen. Als der Sklave das Getränk für Sedulus brachte, wagte auch Valerian, wieder nach seinem Becher zu greifen. Es war leichter, wenn er etwas in den Händen halten konnte.


    "Sie hat Dir davon erzählt? Ja, wir haben uns angefreundet. Und... Nun, ich möchte offen und ehrlich zu Dir sein. Ich empfinde noch viel mehr für sie. Und deshalb, bitte ich Dich darum, sie zur Frau nehmen zu dürfen, wenn es mir gelingt, eine Heiratserlaubnis zu erwirken." Nun war es heraus. Am liebsten würde er gleich weiterplappern, wie gut sein Einkommen war, daß er ihr ein gutes Leben ermöglichen konnte, daß er sie auf Händen tragen würde... Und noch vieles mehr. Doch er wollte den Senator natürlich nicht niederreden. Das würde auch keinen guten Eindruck machen.

    Es war schön, sie einfach nur in den Armen zu halten. Ein Moment, der ewig hätte dauern dürfen, wenn es nach ihm gegangen wäre. Aber natürlich ging es nicht nach ihm. Sie standen inmitten einer Menschenmenge. Viele neugierige Blicke trafen sie. Da war es gut, daß Calvena sich von ihm löste, auch wenn er es sehr bedauerte. Doch sie mußten sich zusammenreißen! "Ich glaube, es sind nur Kratzer. Nichts schlimmes. Ich... werde es mit Wasser abwaschen, dann sieht es gleich nicht mehr so schlimm aus." Doch zunächst kam er nicht dazu, den Centho stand plötzlich da und hielt ihm einen Krug Wein hin. "Mut? Ich war der einzige, mit einer anständigen Waffe. Ihr anderen ward wesentlich mutiger." Trotzdem nahm er den Krug und trank einen tüchtigen Schluck. Das tat gut. "Danke! Du bist der Held der Stunde!" Er klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. Wo war Sermo? Da, er hatte offenbar auch etwas abbekommen. Die Claudia kümmerte sich um ihn. Ausgerechnet! Sein Blick schweifte weiter. Jeder schien versorgt zu sein, niemand schwer verletzt. Auch nicht die beiden Germanen oder dieser tapfere Sklave, der wie ein Gladiator anmutete.


    "Und jetzt mach ich mal eben wieder einen Menschen aus mir." Er trat an den Brunnen und schöpfte reichlich Wasser, das er über seinen Ärmel und seinen Arm laufen ließ. Kaltes Wasser wusch Blut ohnehin am besten aus. Dann wusch er sein Gesicht, auch, um sich zu beleben. Das tat so gut! Das Schwert mußte grob gereinigt und wieder eingesteckt werden. Und dann... wo war eigentlich seine Toga? Valerian sah seine Toga schließlich auf dem Boden liegen. Verschiedene Leute hatten draufgetreten, dementsprechend mitgenommen sah sie aus. Er schüttelte sie aus. "Hoffentlich ist sie noch zu retten. Sie war teuer. Gehen wir zurück zu Centho, ja? Er ist der Held der Stunde, er hat den Todesstoß vollbracht." Er kam gerade noch zurecht, um die Worte des Iuliers zu hören. "Ja, ein würdiger Gegner war er in der Tat."



    Edit1: Wegen schandhafter Blindheit
    Edit2: Wegen Edit vergessen...

    Nanu? Der Senator wußte etwas mit seinem Namen anzufangen? War das nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Valerian wurde gleich noch ein wenig nervöser. Er hatte sich natürlich gleich erhoben und den Becher weggestellt, als der Senator den Raum betreten hatte. "Salve, Senator Germanicus. Nein, da kann ich Dich beruhigen. Ich bin nicht dienstlich hier, sondern aus privatem Grund." Er wäre auch in Uniform und mit seinen Männern gekommen, wenn er das Haus hätte durchsuchen müssen.


    "Zunächst einmal möchte ich mich näher vorstellen. Ich bin Centurio bei den Praetorianern und habe vor Jahren bei der Legio II gedient. Auch zu der Zeit, als Du dort als Tribun gedient hast. Du hast mir einmal die Ehre erwiesen, mit mir zusammen zu trainieren." Bestimmt erinnerte der Senator sich nicht mehr daran, für Valerian war es damals, so kurz nach der Grundausbildung, ein großes Erlebnis gewesen, von einem so hochstehenden Mann bemerkt worden zu sein.


    "Nun, vor kurzem hatte ich die Ehre und das große Glück, Deine Nichte Calvena kennenzulernen. Und... ich würde gerne mit Dir über sie sprechen." Er räusperte sich verlegen.

    Die Gastfreundschaft der Germanicer war wirklich großartig. Valerian setzte sich und ließ sich stark verdünnten Wein einschenken. Von den Speisen nahm er allerdings nur ein, zwei Oliven. Er wollte nicht kauend vom Senator angetroffen werden. Aufmerksam beobachtete er die Zugänge zu diesem Raum, um sich rechtzeitig erheben zu können, wenn Sedulus hereinkam.

    Irgendwie geriet alles außer Kontrolle. Zuviele Menschen waren direkt bei dem Bären. Und Centho? Endlich reagierte er. Und wie er reagierte! Er schien die richtige Stelle zu treffen. Der spitze Holzstab drang in den Bärenkörper ein, spießte ihn auf. Das nun sollte ihm doch den Garaus machen, wenn es schon der Schwertstoß in den Hals nicht geschafft hatte! Valerian machte wieder ein paar schnelle Schritte vor, um nochmals zuzustoßen, doch da brach der Bär schon zusammen und röchelte sein armes, gequältes Leben aus.


    Schwer atmend stand Valerian einfach nur da, blickte auf dieses Chaos und wußte schlicht nicht, ob er etwas sagen sollte. Deshalb schwieg er.


    Plötzlich wurde er fast umgeworfen. Etwas fiel ihm um den Hals und er brauchte einen Moment, um zu begreifen, daß es Calvena war. Calvena! "Es.. es ist vorbei. Alles ist gut!", versicherte er ihr leise und legte nun seine Arme um sie. Daß er sein Schwert noch immer in der Hand hielt, nahm er gar nicht wahr. Er war nur glücklich und erleichtert, daß ihr nichts geschehen war.

    Eine ältere Frau öffnete die Tür. Das war ja mal ungewöhnlich. Sonst waren es immer mürrische Männer, die aufmachten. Und höflich war sie obendrein. "Salve. Mein Name ist Lucius Quintilius Valerian und ich möchte gerne mit Senator Germanicus Sedulus sprechen, wenn er denn ein wenig Zeit für mich erübrigen kann."