Quintus nutzte die wenige Freizeit, die er hatte, um über die Geschehnisse in Borbetomagus nachzudenken. Viel war geschehen in den wenigen Tagen, die sie dort unten verbracht hatten. Kameraden waren gestorben und er hatte in die hässliche Fratze des Krieges geblickt. Und auch an ihm waren die Gefechte nicht spurlos vorbeigegangen. Vorsichtig betastete er die noch frische Narbe auf seiner rechten Wange.
Er war gelobt und gerügt worden und hatte einmal mehr feststellen müssen, dass die Römer in ihm, einem Germanen mit Bürgerrecht, nur einen "zivilisierten Barbaren" sahen.
Er hatte den Entschluss gefasst gehabt, diesen Landstrich, seine Heimat, gegen alle Gefahren, ganz gleich welcher Art, zu verteidigen. Er war als Teil des Imperiums aufgewachsen und konnte sich ein Leben ohne seine Segnungen nicht vorstellen. Aber nicht allen Bewohnern der germanischen Provinzen schien es so zu gehen. Warum nur hatten sich so viele dieser Hand voll marsischer Räuber angeschlossen gehabt? Lag es wirklich nur am Hunger? Oder gab es da eine tiefere Unzufriedenheit mit den Römern? Sie waren schon sehr egozentrisch und hochnäsig, diese Römer. Sie hielten sich für bessere Menschen, nur weil sie den Großteil ihrer kulturellen Entwicklung darauf verwendet hatten, sich der Erkenntnisse vergangener Hochkulturen wie etwa der Griechen, Ägypter und Phönizier, zu bemächtigen und sich so ein luxuriöses Leben zu schaffen.
Aber auch bei den Römern war das nicht überall so. Römische Bauern beackerten ihre Felder auf dieselbe Weise wie germanische oder keltische Bauern. Und auch in anderen Dingen waren sie sich alle gleich. Es gab keinen wirklichen Unterschied, und genau das wollte Quintus auch beweisen. Nur würde er Hilfe brauchen, wollte er seinen Aufstieg und seine Karriere vorantreiben.
Es war schon ein Schlag für ihn gewesen, dass der Präfekt nicht mehr da war, als er aus Borbetomagus zurückkehrte. Balbus wäre der Mann gewesen, der für ihn als Förderer in Frage gekommen wäre. Er hatte gehört, dass er jetzt wieder in Rom war. Vielleicht sollte er... ja, das war eine gute Idee. Er kramte ein Stück Papyrus, ein kleines Tintenfass und eine Feder hervor und begann, einen Brief zu schreiben.
Von: Quintus Duccius Eburnus, Eques Ala II Numidia
Castellum Ala II Numidia
Confluentes
Germania Superior
An: Tiberius Prudentius Balbus
Casa Prudentia
Roma
Italia
Geschätzter Prudentius Balbus,
ich grüße Dich. Du warst mein Präfekt in der Ala II, und mit Bestürzung musste ich nach meiner Rückkehr aus Borbetomagus von Deiner Entlassung und Abreise nach Rom erfahren. Ich hoffe, Dir und den Deinen geht es gut und dass alle gesund sind.
Wie Du vielleicht schon gehört hast...