Beiträge von Quintus Duccius Eburnus

    Callista schien mehr als nur verwirrt zu sein. Arbjon und die anderen Zeugen hatten die Kammer nach dem frischgebackenen Ehepaar betreten. Und in genau diesem Moment schlichen sich die Fragen in das Gesicht seiner Schwägerin. Sofort war dem Prätorianer klar, was geschehen war... oder besser, was nicht geschehen war.


    Du hast es ihr nicht gesagt, oder Bruder?

    Arbjon, der von Berufswegen her eine gesteigerte Aufmerksamkeit besaß und ohnehin alles ständig unauffällig beobachtete, fiel auf, dass er mit dieser Tätigkeit nicht alleine war. Vala ließ ebenfalls die Runde nicht aus den Augen, auch wenn er sich redlich bemühte, abgelenkt zu tun. Der Prätorianer konnte diesem jungen Mann aus irgendeinem Grund nicht trauen. Er kannte ihn nicht wirklich und wusste nichts über ihn. Während Vala auf einem Stück Trockenfleisch kaute, reifte in Arbjon der Gedanke, sich vor seiner Abreise noch einmal mit Lando unter vier Augen zu unterhalten...

    Er hatte darüber gelesen, er hatte davon gehört. Er war unter Römern aufgewachsen und hatte es trotzdem nie so richtig verstanden. Seinen Bruder nun dabei zu sehen, stürzte Arbjon in ziemliche Verwirrung. Was bei Hel hatte der Bengel vor?
    Ruckartig wechselte sein Blick zwischen dem sich entfernenden Brautpaar und Balbus, der das alles völlig gelassen und mit einem Lächeln bedachte...


    Und nur ganz ganz langsam sickerte in sein Bewusstsein, dass dieses seltsame Ritual bei den Römern einfach dazu gehörte...


    Seinen Schwestern schien es da ähnlich zu gehen, nur seine Mutter schien ein wesentlich ärgeres Verständnisproblem zu haben, denn sie heulte laut los und stammelte immer wieder halbe Sätze wie "Was macht der Junge bloß?"...

    Der Praefect war irritiert und wollte wissen, worum es ging. Das war natürlich sein gutes Recht, aber Quintus verwirrte dieser Umstand seinerseits nun auch. Er war eigentlich davon ausgegangen, dass ein entsprechender Befehl hierhin geschickt worden war... Wenn man sich nicht um alles selbst kümmerte...


    Atius Romanus ist für den Dienst auserwählt worden, Herr. Ich weiß nicht, wer ihn vorgeschlagen hat, aber soweit ich informiert bin, kam der Befehl direkt aus dem Palast des Imperators Augustus.

    Lando machte einen eher dümmlichen Witz, der lediglich Arbjons Augenbraue nach oben zucken ließ. Der Praetorianer war verunsichert, aber das konnte er hier unter keinen Umständen zeigen, zumal er aus dem Augenwinkel wahrgenommen hatte, dass sein Patron interessiert herüber blickte. Wie viel Germanisch er wohl verstand...
    Auf die neuerlichen Fragen Elfledas antwortete er daher so gut er es eben wusste... oder zu wissen glaubte.


    Nun, es kommt eher selten vor, dass die Römer jemanden erhängen. Sie kennen andere Strafen, von denen das Kreuzigen wohl die gebräuchlichste Todesstrafe sein dürfte. Ans Kreuz aber schlagen sie, zumindest in der Theorie, jeden, egal welchen Stand er hat. Da kann ein Patrizier neben einem Mörder hängen. Im Allgemeinen, zumindest soweit ich das weiß, wird der Patrizier aber versuchen, sich freizukaufen. Und wenn das nicht gelingt, wird er sich mit ziemlicher Sicherheit selbst töten, um Ansehen und Ehre seiner selbst und seiner Familie nicht zu beschmutzen.


    Arbjon trank erst nochmal was.


    Innerhalb ihrer Sippen ist der Zusammenhalt geringer als bei uns. Der Kern der römischen Gesellschaft ist die direkte Familie, die zusammenhält, also die Eltern und ihre Kinder und deren Ahnen. Vettern und Basen sind zwar willkommene Gäste, aber es kommt nicht selten vor, dass man einander Konkurrent oder gar Feind ist. Ein Mann wird sich aber um seine direkte Familie kümmern. Und außerdem gibt es noch Patrone und ihre Klienten. Mit diesem System schaffen sich die Römer Gefolgsleute. Der Klient folgt seinem Patron, der dafür seinen Klienten bei dessen Bestrebungen unterstützt.


    Arbjon trank erneut einen Schluck.


    Aber insgesamt ist das alles sehr kompliziert. Ich denke, du solltest es dir nach und nach von Lando erklären lassen. Er sollte sich zumindest mit der römischen Bürokratie und im Wesentlichen auch mit der Gesellschaft auskennen.


    Hoffentlich bin ich den Kelch damit losgeworden, dachte er...

    Arbjon hob die Augenbraue. Sollte Elfleda tatsächlich nicht wissen, wie die römische Gesellschaft funktionierte? Dann würde sie es aber schnell lernen müssen, wollte sie nicht von einem Fettnapf in den nächsten treten...


    Die Gesellschaft der Römer funktioniert nicht ganz so wie die germanische. Grundlegend sind bei den Römern alle, entsprechend ihres Standes, vor den Gesetzen gleich. Es gibt auch bei den Römern Freie und Unfrei und auch Adlige und Nichtadlige, aber das sagt recht wenig über die Möglichkeiten aus, die man als einzelner Mensch hat. Mit einem guten Herrn kann auch ein Sklave zu Ansehen und Einfluss kommen. Und es kann sein, dass ein Spross aus patrizischem Hause seine letzten Sesterzen auf Wagenrennen verwettet oder versäuft.


    Er nahm einen Schluck Wein.


    Römer leben in ihren Sippen nicht isoliert, sondern mit anderen Sippen zusammen. Damit jeder zu gleichem Recht kommt, setzen sie per Wahl Beamte ein, darunter auch die Richter, die dann nach den Regelungen der Gesetze alle gleich behandeln, ob arm oder reich, Sklave oder Adel. Natürlich gibt es für jene mit Einfluss, Macht und dem nötigen Kleingeld immer einen Weg, sich auch frei zu kaufen, selbst wenn das Gesetz dies eigentlich nicht vorsieht.


    Er wusste nicht, wie er es anders erklären sollte, schließlich kannte er sich ja auch nicht so ganz genau mit alledem aus. Er hatte zum Beispiel keine Ahnung, wie die Bürokratie des Imperiums so von innen aussah. Aber eigentlich musste Lando so etwas doch wissen... Ein wenig Hilfe suchend sah Arbjon zu seinem Vetter herüber...

    Als Phelan Elfleda so derb antwortete, fiel Arbjon das hartgekochte Wachtelei, das er gerade pellte aus der Hand und sprang vom Tisch herunter. Er räusperte sich hörbar und sah sich verstohlen um. Wer konnte schon wissen, welcher der anwesenden Römer vielleicht doch ein paar Brocken der lokalen Sprache beherrschte.
    Er nahm einen Schluck Wein und beantwortete dann Elfledas andere Frage.


    Ein Gericht ist sowas Ähnliches wie ein Thing, kann man wohl sagen. Zwei Seiten tragen einen Streit vor und der Vorsitzende, Richter genannt, entscheidet, wer Recht hat und wer nicht. Er geht dabei nach strengen Richtlinien vor, die von den Gesetzen der Römer bestimmt werden. Wenn sich jetzt also zwei Römer arg betrinken und es zu einer Rauferei kommt, bei der unter Umständen auch noch das Gasthaus Schaden nimmt, werden diese Römer normalerweise verhaftet und vor Gericht gestellt. Der Richter entscheidet dann, wie die beiden bestraft werden.

    Zitat

    Original von Elfleda
    “Was ist das, Arbjon, diese Castra? Eine Trinkhalle?“


    Die Castra ist das befestigte Lager, das wir Praetorianer – das ist die Leibgarde des Imperators – mit den Cohortes Urbanes teilen. Die Urbanes sind für Ruhe und Ordnung in Rom zuständig und würden beispielsweise bei einer Schlägerei erst einmal alle Beteiligten einsammeln und in ihren Teil des Carcers sperren. Dann würden sie die Sachlage klären und die Verantwortlichen den Gerichten zuführen.


    Arbjon hatte absichtlich germanisch gesprochen, damit Elfleda auch alles verstand. Landos Frau würde jedoch Latein lernen müssen, damit sie hier in Mogontiacum in jeder Situation zurecht kam...

    Die Tür öffnete sich und ein Soldat in der schwarzen Rüstung der Praetorianergarde betrat das Officium.
    Ein Scriba schien nicht anwesend zu sein, also trat er direkt vor den Tisch des Praefecten, der ganz offensichtlich schon wieder ein anderer war als damals, als dieser Soldat die Ala in Richtung Rom verlassen hatte.


    Quintus grüßte militärisch zackig, ehe er sprach.


    Salve, Praefectus, ich bin Miles Duccius Eburnus, erste Centurie fünfte Cohorte der kaiserlichen Garde. Ich wurde beauftragt, den Decurio Atius Romanus abzuholen, er wurde für den Dienst bei den Praetorianern auserwählt.


    Ja, so war es richtig, direkt und ohne Umschweife...

    Quintus hatte gerade angeklopft, als er von der Seite angesprochen wurde.


    Ja, schau an... Salve, Merowech, alter Freund.


    In just diesem Moment kam aus dem Officium die Aufforderung zum Eintreten.


    Wir müssen uns später unbedingt unterhalten, aber jetzt muss ich erst mal etwas erledigen.


    Er lächelte dem alten Kameraden zu und öffnete dann die Tür...

    Ohne aufgehalten oder nach seinem Ziel befragt zu werden, war Quintus hier vor dem Officium des Praefectus Alae angekommen. Mit der Disziplin schien es in diesen Tagen wirklich nicht weit her zu sein.
    Der Praetorianer strich nochmals über seine Rüstung und klopfte dann an die Tür.


    Tock Tock Tock


    Er war gespannt, wie lange es dauern würde, bis der Schreiber des Praefecten reagierte...

    Arbjon, der sich gerade von seiner jüngsten Schwester eine Schale mit Wachteleiern hatte reichen lassen, blickte zu seinem Vetter herüber.


    Besonders ausufernd kann das aber nicht gewesen sein, sonst hätten wir uns bestimmt am Tor der Castra getroffen. Und die Kameraden von den Urbanes haben auch nix erzählt. Viel kann der Gallier also nicht ausgehalten haben.


    Der Praetorianer grinste breit, ihm kam schon wieder Eilas Attacke auf den Praefecten ins Gedächtnis...

    Es schien ganze Zeitalter her zu sein, dass Quintus und Fuhon diesen Weg geritten waren. Wenn nichts dazwischen kam, würden sie schon bald den Ort erreicht haben, an dem sie zusammen zum Militär gegangen waren. Als Ross und Reiter für die Ala. Viel Wasser war seitdem den Rhenus herabgeflossen...

    An Bäumen. Aus ihnen wird auch das Öl gewonnen, das die Römer zum Kochen verwenden und mit dem sie sich einschmieren. Angeblich ist es sehr gesund und auch noch gut für die Haut. Das behaupten zumindest einige Kameraden in Rom. Auf deren Wort vertrauen würde ich allerdings nicht, ihr Wissen über Körperpflege dürfte von Damen zweifelhaften Rufes stammen.


    Arbjon warf sich auch ein paar Oliven in den Mund, ehe er sich an Sontje wandte.


    Natürlich schreibe ich dir. Betrachte Brief und Paket als bereits in Händen des CP.


    Er lächelte, wandte dann den Kopf zu Elfleda.


    Es wird mit Sicherheit noch einige Gelegenheiten geben, zu denen ich hierher komme. Außerdem könntet ihr mich ja mal in Rom besuchen. Ich denke, Eila kann euch da ein paar besonders gute Tipps geben, wie man sich dann auch direkt bei meinen Vorgesetzten beliebt machen kann.


    Bei den letzten Worten musste er lachen...

    Etwas verdutzt sah Arbjon Oda an. Warum schenkte sie ausgerechnet ihm den Brautschuh? Er würde in nächster Zeit ganz sicher keine Braut finden, zumindest keine, die noch über anderthalb Jahrzenhte auf ihn warten würde. Andererseits brachte der Brautschuh aber auch Glück, und das konnte ein Soldat immer gebrauchen.
    Arbjon nahm die Gabe also schließlich mit einem Lächeln an.


    Vielen Dank.

    Silko wollte also nach Süden, das traf sich eigentlich recht gut...


    Sag, Silko, kannst du deine Abreise noch um ein paar Tage verschieben? Ich euch nämlich mitteilen, meine Familie, dass auch ich abreisen muss. Ich habe einige Befehle aus Rom erhalten, die mich nur noch kurz in Germania verweilen lassen. Der Dienst ruft und ich schätze, es wird eine ganze Menge Schreibarbeit auf mich warten. Es war sehr schön, wieder einmal hier bei euch zu sein. Und vor allem war es mir ein Vergnügen, dabei zu sein, wie zwei so bezaubernde junge Frauen zu unserer Sippe stoßen.


    Arbjon nahm einen Schluck Wasser.


    Wenn du also deine Abreise noch ein wenig aufschieben könntest, Silko, könnten wir zusammen nach Süden reisen.


    So, jetzt war es raus, Arbjon musste zurück nach Rom...