Beiträge von Titus Aurelius Ursus

    Gerade bei solch ungemütlichem Wetter war es in einem warmen Raum wie diesem gleich doppelt gemütlich. Dies schien Cotta ebenso zu empfinden, obwohl der wohlige Seufzer ausblieb, den Ursus sicherlich von sich gegeben hätte nach einer langen Reise voller Unbequemlichkeiten. Vielleicht war diese Sache mit den verweichlichten Senatoren doch nicht völlig von der Hand zu weisen? Fast hätte er aufgelacht bei diesem Gedanken.


    Das Staunen auf der Miene des Vetters zu lesen, machte geradezu Spaß. Anscheinend hatte er tatsächlich nicht damit gerechnet, daß Ursus den Sprung in den Senat bereits geschafft hatte. Und er war ja auch nicht wenig stolz darauf, auch wenn es seiner eigenen Meinung nach fast ein wenig zu lange gedauert hatte. Trotzdem bereute er nichts von dem, was er vorher getan hatte. Er hatte wertvolle Erfahrungen sammeln können, die ihm bei der Gestaltung seiner Zukunft sehr dienlich sein konnten.


    Sie stießen an. "Dann eben sowohl auf Deine Heimkehr als auch auf meine Berufung in den Senat." Ein wenig des Weines landete als Trankopfer auf dem Boden, ein tiefer Schluck folgte, der heiße Wein suchte sich seinen Weg bis in den Magen und wärmte den Körper innerlich. Ursus fühlte gar Hitze auf seinen Wangen, die aber weniger von dem durchaus verdünnten Wein kam, als vielmehr von der großartigen Lobrede, die Cotta da auf ihn hielt. Natürlich tat es gut, so etwas zu hören, aber verlegen machte es ihn dennoch. "Übertreib's nicht, Appius, sonst glaube ich das am Ende noch und werde furchtbar eingebildet." Er lachte, als Cotta nochmals auf die verweichlichten Senatoren Roms ansprach und ihn damit ein wenig stichelte. "Natürlich, ein Nichtsenator steht ein wenig Nässe schon schadlos durch", spottete er nun selbst.


    "Und keinesfalls kann das auf mich zutreffen, bin ich doch gerade erst von meinem zweiten Tribunat heimgekehrt." Er lachte wieder, denn sein Einsatz in Mantua war nicht halb so militärisch gewesen als jener damals in Germanien. Und wenn er ganz ehrlich zu sich war: Ein klein wenig verweichlicht war er in den letzten Jahren schon. "Ich wäre einem Kommando nicht abgeneigt, allerdings habe ich das Examen Tertium noch nicht vollständig beendet. Und, nunja, es gibt andere mit mehr Erfahrung. Jedenfalls muß in naher Zukunft ein neuer Legat für die Prima eingesetzt werden. Mein Name ist dabei im Spiel. Aber ich bezweifle noch, daß sie sich für mich entscheiden. Obwohl ich natürlich den Vorteil habe, daß ich im vergangenen Jahr praktisch schon das Kommando über die Prima inne hatte. Wenn auch nur vertretungsweise."

    Nein, das Latein des Aegypters war keinen Deut besser geworden. Ursus mußte unwillkürlich schmunzeln bei dieser Feststellung. "Salve, Nakhti. Ja, ich würde gerne mit Deinem Herrn sprechen. Falls er ein wenig Zeit für mich erübrigen kann." Immerhin kam er unangemeldet und mußte damit rechnen, auf einen späteren Termin vertröstet zu werden.

    Ein hilfesuchener Blick traf Cimon. Ursus fühlte sich ein wenig überfordert damit, Caelyn zu trösten. Er war dafür nicht der Richtige. Oder? Vorsichtig legte er eine Hand auf die ihre. "Diese Leere... Ich weiß, was Du damit meinst. Sie... wird niemals gefüllt werden, denn niemand kann Louan ersetzen." So wie niemand Minervina ersetzen konnte. "Aber... diese Leere kann kleiner werden, wenn Du zuläßt, daß andere Dich gern haben. Und sie muß nicht so entsetzlich kalt und schmerzhaft sein, wenn Du zuläßt, daß Du Dich an ihn erinnerst. Jedes mal wird es etwas weniger weh tun, wenn Du nur bereit bist, es anzunehmen." Er hatte nun selbst Tränen in den Augen. Auch wenn es nicht der Gedanke an Louan war, der sie hervorrief. Ging es ihm denn anders als Caelyn? Jeder redete ihm ein, daß er keine Schuld an Minervinas Tod hatte. Daß er alles getan hatte, was menschenmöglich war. "Hinterher ist man immer klüger, Caelyn. Ich weiß nun, daß ich Minervina niemals hätte fortschicken dürfen. Du weißt nun, daß Du mit jenem Mann niemals hättest mitgehen dürfen. Doch daß es Fehler waren, stellte sich erst im Nachhinein heraus. In dem Moment, in dem wir die Entscheidungen gefällt haben, schienen sie richtig zu sein. Wenn wir mit dem gleichen Vorwissen in der gleichen Situation wären, würden wir anders handeln als wir gehandelt haben? Schuld... Nein. Du bist nicht Schuld. Genauso gut hätte er in der Stadt von einem herabfallenden Ziegel erschlagen werden können. Wer hat Schuld, daß der Ziegel fällt? Hör auf, Dich zu quälen! Du hast ihn geliebt. Liebe ihn weiterhin. Sprich über ihn. Laß die Erinnerung lebendig bleiben. Aber quäle Dich nicht und nimm wieder am Leben teil. Er hätte nicht gewollt, daß Du Dich in ein Schneckenhaus verkriechst. Er hätte gewollt, daß Du Dich wieder freuen kannst. Glaubst Du nicht auch?"

    Der Praetorianer führte Ursus bis an die Porta, wo der Senator dann selbst anklopfte. Cimon hatte er heute nicht dabei, da er ja wußte, daß Sklaven nicht mit in den Palast genommen werden durften. Es war auch kein Problem, er war sich noch nicht zu fein, selbst anzuklopfen. Ob wohl der Aegypter öffnen würde? Hoffentlich konnte der inzwischen etwas besser Latein.

    Da Ursus keine Gedanken lesen konnte, war es aber genau das, was er nannte als Möglichkeit. "Wie wäre es mit dem curator aquarum? Jetzt, nachdem Purgituis Macer zum Praetor gewählt wurde, ist diese Stelle frei. Und es gibt sicher Schlechteres, als sich um die Wasserversorgung zu kümmern." Er zumindest fand diese Stelle gar nicht so schlecht. Sicher, man mußte sich erst einarbeiten. Aber auf welcher Stelle mußte man das nicht?


    "Hab Dank. Ich werde es schon schaffen, ich habe gründlich gelernt, schon für den schriftlichen Teil. Und den habe ich ja auch geschafft. Nein, ich weiß nicht, wer noch dabei sein wird. Macer sicherlich. Hast Du vorher gewußt, wer noch dabei sein würde?" So sehr viele kamen gar nicht in Frage dafür. Aber was sollte Rätselraten schon nutzen? Er würde mit dem leben müssen, was andere entschieden. Diese Prüfung fürchtete er ohnehin nicht. Er war gut vorbereitet.

    Nun war Ursus schon einige Zeit wieder in Rom. Und inzwischen in den Senat berufen. Es wurde Zeit, sich mal wieder bei Consular Aelius Quarto zu melden, zumal Ursus auch das eine oder andere hatte, was er mit diesem gerne besprechen würde. Blieb zu hoffen, daß er Zeit für ihn hatte.


    "Salvete", grüßte er die Wachen am Tor, von denen er nicht erwartete, daß sie sich nach all der Zeit an ihn erinnerten, auch wenn er als Quästor Consulum hier ein- und ausgegangen war. "Ich bin Senator Titus Aurelius Ursus und möchte zu Consular Aelius Quarto."

    Ursus nickte leicht und fragte sich unwillkürlich, warum sein Onkel denn nun seufzte. Hatte er etwas Falsches gesagt? Ihn irgendwie vor den Kopf gestoßen? In Gedanken ging er seine Worte nochmal durch und abgesehen davon, daß er sehr hoch griff mit seinen Wünschen und Zielen, konnte er nichts entdecken, was Corvinus zu einem Seufzer hätte veranlassen können. Dann hatte es hoffentlich nichts mit ihm zu tun.


    "Im Moment scheint kaum jemand Interesse an einer militärischen Karriere zu haben. Vier Teilnehmer, das ist heutzutage völlig utopisch. Ich bin schon froh, daß es so bald nach meiner Rückkehr aus Mantua geklappt hat." Die Erleichterung war ihm deutlich anzusehen, als er die Wachstafel auf den Tisch legte. "Ein zweites Standbein in der Verwaltung? An was hast Du denn gedacht? Hast Du eine spezielle Stelle im Auge?"

    Es wurde immer voller im Atrium und die Auswahl der Gäste war wahrhaft exklusiv. Das Brautpaar war stets umlagert und Ursus hob sich die Glückwünsche einfach für später auf. Dann gab es ja auch mehr, was zu beglückwünschen war. Den Überblick hatte er inzwischen ohnehin verloren, er kannte nicht mal alle Anwesenden. Wer wohl der junge Mann dort hinter der Säule war? Septima, die von eben diesem verdeckt wurde, hatte er noch gar nicht entdeckt.


    Das Opfer begann und für einen Moment stockte Ursus der Atem, als der Mann verkündete, es wäre kein gutes Omen. Umso erleichterter war er, als er hörte, ein sehr gutes Omen sei durch die Götter gewährt. Erfreut schaute er zu seiner Cousine herüber, wünschte ihr ein schönes Leben und eine sorgenfreie Zukunft. An der Seite des erfolgreichen Tiberiers würde ihr dies bestimmt gewährt sein. Glückliche Laevina!

    Zitat

    Original von Lucius Aelius Quarto


    “Salve Spurius Purgitius! Euch auch viel Erfolg, aber weniger als uns.“, antwortete Quarto gut gelaunt.
    “Mit Eponas Unterstützung hoffe ich auf drei blaue Gespanne im Endlauf und eine ordentliche Platzierung.
    Aber machen wir uns nichts vor: Gewinnen wird Fortunatus, zumindest wenn er sich nicht überschlägt oder ein krankes Pferd im Geschirr hat.“


    Ursus war ein klein wenig spät dran, denn er hatte noch nach seinen Fahrern und Gespannen geschaut. Ihnen Mut gemacht und ihre Moral gestärkt. Nun war er auf der Suche nach einem guten Sitzplatz. Er erblickte die Senatoren Purgitius Macer und Aelius Quarto im Gespräch miteinander und versuchte, sich zu ihnen durchzukämpfen. Als ihm dies schließlich gelungen war, grüßte er lächelnd. "Salvete. Ist noch ein Plätzchen für mich frei?"

    Das war ja ausgesprochen schnell gegangen! Ursus hätte nicht gedacht, daß der Consul die Angelegenheit so schnell zur Diskussion stellen würde und er bekam unwillkürlich rote Ohren, da er es ja war, der alles angestoßen hatte. Bisher hatte nur Germanicus Avarus reagiert, wie erwartet ablehnend. Doch Consul Tiberius hatte sich gründlich vorbereitet, wie sich zeigte. Er hatte die Angelegenheit also so ernst genommen, wie sie es auch für Ursus war.


    Der Vorschlag, den der Consul machte, ließ Ursus aufhorchen. Er ging weit über das hinaus, über das sie gesprochen hatten. Eigentlich keine dumme Idee. Ein spezieller Kurs für angehende Senatoren, der sicherstellte, daß jeder, der in die Curie einzog sich der Bedeutung dieses Schrittes vollauf bewußt war. Natürlich war dies eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Doch wenn Ursus so seinen Blick schweifen ließ, sah er viele Gesichter, die teilnahmslos blickten und nur auf einen Wink ihres Patrons warteten, um so abzustimmen, wie er es wollte. Daß jeder von ihnen wußte, warum er eigentlich hier war und welche Bedeutung dem Senat zukam, war stark zu bezweifeln. Ein derartiger Kurs hätte jenen gewiß gut getan.


    Schon wollte Ursus um das Wort bitten, um den Antrag des Consuls zu unterstützen, als er sich doch auf die Unterlippe biß. Er sollte abwarten. Noch ein wenig. Ältere Senatoren zu Wort kommen lassen, bevor er um das Wort bat.

    Als Ursus hörte, daß es um einige Provinzen ging, war er eigentlich nur mäßig interessiert. Doch dann stellte sich heraus, daß es sich tatsächlich nicht nur um kleine Nebensächlichkeiten handelte. Woher auf einmal gleich an mehreren Stellen ein so großer Bedarf an Unterstützung? Sein Interesse war geweckt und er hörte nun aufmerksamer zu, was gesagt wurde. Was war in den Provinzen los? Gab es etwas zwischen den Zeilen zu lesen, das sich ihm noch nicht erschloß? Auf jeden Fall war es angebracht, all diese Dinge weiterzuverfolgen und im Auge zu behalten. Nichts geschah ohne Grund, alles war miteinander verwoben und konnte Auswirkungen haben, wo man sie gar nicht erwartete.

    Hatte er den Vetter jetzt doch allzu sehr überrumpelt und überfahren? Ursus war sich erst nicht ganz sicher, doch dann schien ihm Cotta nicht völlig unglücklich über die Vorschläge zu sein. Gemeinsam schlenderten sie zum Tablinum herüber, in dem angenehme Wärme herrschte. Ursus ließ sich in einem der bequemen Sessel nieder und nahm dann das Gespräch wieder auf.


    "Bist Du sehr durchnäßt? Dann solltest Du vielleicht zuerst die Tunika wechseln? Nicht, daß Du wieder krank wirst." Die Frage klang besorgt. Er wollte schließlich nicht schuld daran sein, daß Cotta krank wurde, nachdem er gerade erst eine schwere Krankheit überwunden hatte. Er sah immer noch ein wenig blaß um die Nase aus. Was natürlich auch an dem kalten Wind draußen liegen könnte.


    "Ja, in der Tat sind wir Römer alle Weichlinge, die den Regen und den kalten Wind scheuen", lachte Ursus und ging somit auf den Scherz des Vetters ein. "Du siehst, es hat sich nichts geändert, hier in Rom. Zumindest nichts wesentliches. Es ist, als seist Du niemals fort gewesen. Und was willst Du damit sagen, Du hättest gehört, ich sollte in den Senat berufen werden? Du siehst den frischgebackensten Senator Roms vor Dir!" Die Sklaven brachten den heißen Gewürzwein und Ursus ergriff einen der Becher und hob ihn an. Dabei blinkte der Senatorenring an seiner Hand auf. "Laß uns auf Deine glückliche Heimkehr anstoßen."

    Der Rat von Gracchus war gut und wertvoll. Ursus nickte dazu. "Ich hatte ohnehin vor, das Gespräch mit Tiberius Durus zu suchen. Bei der Gelegenheit werde ich das Thema gleich mit ansprechen. Allerdings glaube ich auch, daß diese Angelegenheit eher vom Kaiser entschieden werden muß." Zumindest stand es so in den Gesetzen, daß der Kaiser die Legaten ernannte.


    Die Worte des Flaviers verrieten nichts darüber, wie er über den Praefectus Urbi dachte. Wen auch immer Ursus bisher gesprochen hatte, immer war Schlechtes über Salinator gesagt worden. Bisher hatte Ursus noch keine Gelegenheit gehabt, persönlich mit dem Vescularier zu sprechen. Jedoch gaben ihm dessen offensichtliche Abneigung gegenüber den Patriziern und die verschiedenen willkürlichen Entscheidungen, von denen ihm berichtet worden war, erheblich zu denken. "Hast Du schon persönlich mit dem Praefectus Urbi zu tun gehabt?", fragte er denn auch durchaus neugierig. Zwar hatte Flavius Gracchus manchmal eine, wie er fand, etwas umständliche Art. Aber er hatte eine hohe Meinung von ihm, so daß seine Meinung für ihn durchaus einiges Gewicht besaß.


    Das Schiffsgedränge unten im Becken hatte sich mittlerweile erheblich gelichtet. Das fand Ursus gar nicht schlecht, als er nun seine Aufmerksamkeit auch wieder auf das Geschehen richtete. Nun konnte man viel besser beobachten, was auf den Schiffen vor sich ging, was vorher wegen der großen Anzahl nur bedingt möglich gewesen war.

    Die vertrauliche Ansprache hatte durchaus in Ursus' Absicht gelegen. Er sah die Flavier als Freunde der Familie an. Und auch wenn Piso jünger war als er selbst, so lagen doch keine Welten zwischen ihnen. "Ich bin mir völlig sicher, daß Du eines Tages selbst erfahren wirst, wie sich das anfühlt. Bei mir hat es auch länger gedauert, als ich das anfangs geplant hatte. Aber gelungen ist es mir doch. Verlier Dein Ziel nicht aus den Augen und geh einen Schritt nach dem anderen." Er erinnerte sich noch gut daran, wie fern das Ziel schien, als er noch vor seinen ersten Wahlen stand. Und wie nervös er gewesen war, als er das erste mal vor dem Senat gestanden hatten. Diese Erfahrung veranlaßte ihn, Piso einen guten Rat mit auf den Weg zu geben. "Laß Dir von mir einen Rat geben: Bereite Dich gut auf Deine Vorstellung vor dem Senat vor. Der Eindruck, den Du dort hinterläßt, gerade beim ersten mal, entscheidet zu einem großen Teil über das Ergebnis der Wahl." Einige Kandidaten waren an dieser Hürde gescheitert, weil sie es auf die leichte Schulter genommen hatten. Daran, daß Piso in den Ordo erhoben wurde und somit überhaupt kandidieren konnte, zweifelte er nicht im Geringsten, was durch seine Worte ja auch verdeutlich wurde.


    "Du meinst, ein langes Gedicht bleibt besser im Gedächtnis, als ein kurzes? Ich dachte immer, ein gutes Gedicht bleibt besser im Gedächtnis als ein nicht so gutes. Ganz unabhängig von seiner Länge. Was ist denn eigentlich das Thema Deines Gedichtes?" Er zweifelte sehr daran, daß der Erfolg ein immer besserer wurde, je länger das Gedicht wurde. Doch wollte er Piso auch nicht in seinem Tatendrang bremsen.


    "Ja, es war ein guter zweiter Platz. Das Rennen davor haben wir gar gewonnen. Aber unsere erfahrenen Fahrer sind nun alle in den Ruhestand gegangen, die jungen müssen erst aufgebaut werden. Ich hege aber keinen Zweifel, daß uns das gelingen wird. Man muß eben Geduld haben. Das Gute an der Sache ist, daß es den meisten anderen Factiones nicht anders geht. Gerne würde ich Dich für die Aurata gewinnen. Aber drängen möchte ich Dich auch noch. Du bist überhaupt der erste, der einer Factio beitreten möchte, obwohl er sich nicht so für Wagenrennen begeistert. Hattest Du denn nicht mal als Kind einen Favoriten?" Ursus kannte keine Zeit, in der er nicht für die Aurata gejubelt und gesungen hatte. Sein Vater hatte ihn mit seiner Begeisterung für diese Factio eben angesteckt.

    Daß Cimon derart schnell in seine alten Verhaltensweisen zurückfiel, war ein umso deutlicheres Zeichen dafür, daß er sich ertappt gefühlt hatte. Und dann dieses Herumgestottere! Das paßte so gar nicht zu dem Nubier. "Ihr müßt euch nicht entschuldigen oder so. Also nicht dafür, daß ihr euch umarmt habt. Ob nun zum Trost oder weil es einfach gut tut." Trotzdem war da immer noch dieser Stich im Herzen. Als würde Caelyn Cimon ihm vorziehen. Nein, das war völlig unmöglich. Sicher hatte sie nur erkannt, wie sinnlos es war, sich in ihn zu verlieben. Immerhin würde er bald heiraten. Das hatte er ihr ja schon mal gesagt, daß es so kommen würde. Sie hatte nur auf ihn gehört. Ja, da war der Grund, warum sie sich so bereitwillig in Cimons Arme flüchtete. So und nicht anders konnte es sein.


    "Caelyn... Es war nicht Deine Schuld. Nichts davon konntest Du vorhersehen. Niemand konnte das. Solche Dinge geschehen. Es ist nicht Deine Schuld, hörst Du? Louan hätte alles für Dich getan. Hat alles für Dich getan. Ich bin sicher, Du wärst auch für ihn gestorben, und zwar gern, wenn das der einzige Weg gewesen wäre, um ihn zu retten. Nun hat er dies für Dich getan. Er liebte Dich über alles, so wie Du ihn. Die Götter werden ihn für seine selbstlose Tat belohnen. Daran glaube ich fest. Und indem wir uns an ihn erinnern, wird er niemals wirklich tot sein. Er lebt fort, in unseren Herzen, in unserer Erinnerung." Ob seine Worte halfen? Vermutlich nicht. Sie war ja immer schon unempfänglich für seine Worte gewesen. Warum sollte sich das geändert haben?

    "Regen und Wind? Das klingt ungemütlich. Und ist ein guter Grund, doch nicht zum Forum zu gehen. Bei dem Wetter ist da eh niemand von Bedeutung." Sie klopften sich auf die Rücken, bevor sie sich voneinander lösten. "Komm doch erstmal herein. Was hältst Du davon, wenn Du mir bei einem helißen Gewürzwein Gesellschaft leistest, während Dein Gepäck auf Dein Zimmer geschafft und ein Bad für Dich vorbereitet wird? Du bist sicher ganz durchgefroren." Er deutete in Richtung Atrium, das sie auf jeden Fall durchqueren mußten, wo es heute aber auch nicht allzu gemütlich war. "Im Tablinum vielleicht? Dort ist geheizt." Weshalb sich Ursus in den letzten Tagen dort immer wieder gern aufgehalten hatte.


    Als die Sprache auf Minervina kam, erlosch die Freude auf seiner Miene. Ursus seufzte und nickte. "Ich danke Dir, Appius. Es... es ist immer noch nicht zu fassen für mich. Sie... sie wird wohl bald ankommen." Er fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht und zwang sich dann zu einem Lächeln. "Bitte, laß Dir Deine Heimkehr nicht verdunkeln. Der Verlust trifft die ganze Familie hart, nicht nur mich. Und... nun, es gibt eine Zeit zu trauern und eine Zeit, sich zu freuen. Ich freue mich, Dich zu sehen. Es ist so schrecklich lange her." Und Cotta jetzt mit seinen Schuldgefühlen zu belasten, wäre ganz sicher nicht der richtige Willkommensgruß.

    "Gut, dann werde ich mich darum kümmern und Dich baldmöglichst über das Ergebnis informieren." Eigentlich hegte er keinen Zweifel daran, wie Corvinus zum Praefectus Urbi stehen würde. Trotzdem mußte er erst mit ihm sprechen, bevor er irgendwelche Behauptungen in den Raum stellte, die ihm am Ende doch nicht recht waren. "Ich danke Dir dafür, daß Du mir so viel Deiner Zeit geopfert hast." Da sein Patron keine weiteren Wünsche an ihn hatte, schien das Gespräch beendet zu sein.

    "Vielen Dank für die Glückwünsche." Ursus konnte nicht verhehlen, daß seine Ernennung für ihn ein wirklich großartiger Erfolg war. Auch wenn er nicht vorhatte, an dieser Stelle stehen zu bleiben. "Es fühlt sich sehr gut an. Kein Vergleich zu dem Tragen einer gewöhnlichen Toga", lachte er und meinte es dennoch nur halb im Scherz. Denn es war tatsächlich ein ganz neues Gefühl, mit dieser Toga durch die Stadt zu gehen. Die Blicke, die einem folgten, waren anders als zuvor.


    "Es ist nur eine Vermutung, Piso. Was sagen denn die Procuratoren in der Kanzlei? Vielleicht gelten schon länger neue Regeln? Man kann ja nie wissen. Und ich bin zu lange nicht in Rom gewesen, um darüber umfassend informiert zu sein. Aber Du hast doch eigentlich an der Quelle gesessen?" Vielleicht hatte Ursus auch einfach falsch verstanden und Piso hatte bereits Erkundigungen eingezogen und festgestellt, daß der Vescularier ihn tatsächlich spontan abgelehnt hatte.


    "Das wird er kaum können. Ein Ritterposten mag für einen Patrizier ungewöhnlich und deshalb ein Ablehnungsgrund sein. Zumindest in den Augen dieses... Das spreche ich lieber nicht aus. Aber wir sind doch wohl für den Cursus Honorum prädestiniert. Dir das zu verweigern dürfte schwer zu begründen sein." Es wäre absolut empörend.


    Ein langes Gedicht? Ursus war nicht ganz sicher, ob er das bei aller Liebe zur Literatur wirklich hören wollte, doch er lächelte gleichbleibend freundlich. "Ich komme gerne. Gib mir Bescheid, wann es soweit ist." Hoffentlich ging das für den Flavier nicht nach hinten los. Wenn das Gedicht schlecht oder auch nur einfach langweilig war, konnte Piso Stimmen verlieren, statt welche zu gewinnen.


    "Ich kann Dir natürlich die Factio Aurata wärmstens empfehlen", lachte Ursus, während der Wirt den Wein und den Imbiß brachte. Die Becher wurden gefüllt. "Wir haben im Moment nur sehr junge Fahrer am Start, es ist also kaum damit zu rechnen, daß wir gewinnen bei den nächsten Rennen. Aber die Jungs sind gut, sie werden schnell lernen und dann können wir rasch auf der Siegerseite stehen."