Beiträge von Titus Aurelius Ursus

    Eigentlich wollte Ursus gerade das Haus verlassen. Er hatte auch noch nicht festgestellt, daß das Wetter ganz und gar nicht danach war, das Haus zu verlassen. Nicht, daß er etwas immens Wichtiges vorhatte. Er wollte einfach zum Forum und hier und da mit dem einen oder anderen plauschen. Noch hatte er einige Defizite, was die Vorgänge in Rom anging. Ein unhaltbarer Zustand!


    Schon als er das Atrium betrat, war nicht zu übersehen, daß jemand angekommen war. Ein Sklave klärte ihn schnell darüber auf, um wen es sich handelte. "Appius!", rief er und sein Tonfall verriet seine ehrlich empfundene Freude. Er eilte auf den Verwandten zu und umarmte ihn mit brüderlicher Herzlichkeit. "He, Du bist ja naß, regnet es? Komm doch herein, was stehst Du noch hier im Vestibulum herum? Wie war die Reise und wie geht es Dir?" Vor lauter Freude merkte er gar nicht, wie sehr er Cotta mit seinen vielen Fragen überfiel und daß das vielleicht für den gar nicht so angenehm war.

    Im Moment war Ursus tatsächlich zufrieden mit Cimon. Der Sklave gab sich redliche Mühe, alles richtig zu machen. Er log nicht und verschwieg nichts. Aus jedem Fehler lernte er für zu Zukunft. Was konnte man schon mehr verlangen? Nein, er hatte mit dem Burschen keinen Fehlkauf getan, im Gegenteil hatte er ein echtes Schnäppchen gemacht.


    "Gut. Natürlich erkläre ich es Dir auch gern, solltest Du das wollen. Aber wie ich Dich kenne, knobelst Du gerne daran herum, oder? Hat Dir schon jemand gezeigt, wo wir unsere Bücher aufbewahren? Ich sagte Dir ja schon, Du darfst sie lesen. Aber aus dem Raum herausnehmen darfst Du nur die, die als mein Eigentum gekennzeichnet sind. Und natürlich darfst Du niemanden von den Familienmitgliedern stören, aber ich denke, das ist Dir klar. Im Laufe der Zeit werde ich Dir immer mal ein paar Aufgaben stellen. Für die Lösung hast Du so viel Zeit, wie Du eben brauchst." Es würde den Sklaven geistig beweglich halten und ihm helfen, zu lernen.


    "Weißt Du, wo Caelyn jetzt gerade ist? Ich möchte mit ihr sprechen. Sag ihr also nach unserem Gespräch, daß sie zu mir kommen soll." Es würde nicht leicht werden, diese erste Begegnung nach so langer Zeit. Sicher gab sie sich die Schuld an Louans Tod. Und vielleicht gab sie auch ihm die Schuld an Louans Tod. Schmerz konnte so vieles hervorrufen. Auch wenn Ursus genau wußte, daß er nichts hätte tun können, um das zu verhindern.

    "Acht Jahre alt. Nun, das ist einerseits noch erschreckend jung, aber andererseits auch nicht so jung, daß Du nicht verstehen würdest, was man Dir sagt. Eigentlich ein gutes Alter." Warum er sich bemühte, freundlich zu der Kleinen zu sein, wußte er selbst nicht so genau. Vielleicht machte es ihm gerade einfach Spaß. "Wie lange man braucht, kommt darauf an, wie schnell man reitet, wie ausdauernd das Pferd ist. Und wie gut das Wetter ist. Im Sommer bei guten Wetter, wenn er täglich das Pferd wechseln kann, schafft ein Bote den Weg nach Germanien in einer Woche. Aber normal braucht man mehrere Wochen. Im Winter, wenn die Pässe in den Bergen zugeschneit sind, muß man die Berge umgehen. Das dauert dann noch viel länger." Eine für ein Kind bestimmt unbefriedigende Antwort. Doch es würde lernen müssen, daß Reisen zu den Dingen gehörten, die von sehr vielen Faktoren abhingen.


    "Nein, ich schummle nicht. Viele dieser Pflanzen, vor allem die Blumen, die man Orchideen nennt, kommen aus sehr fernen Ländern, weil sie hier normalerweise nicht wachsen. Man kann sie auf dem Mark kaufen, sie haben eine lange Reise hinter sich. Sie sind selten und teuer. Und man muß sie sehr sorgfältig pflegen, damit sie hier gedeihen. Frage Siv, sie kennt sich damit sehr gut aus." Er lachte, als er sich vorstellte, wie Phraates durch die Büsche sprang und mit Ranken verziert daraus wieder auftauchte.

    Als Ursus das Atrium betrat, war bereits eine größere Anzahl von Personen anwesend. "Salve Manius. Noch nicht bereit, hinein zu gehen?", fragte er leise und freundlich seinen Vetter, an dem er vorbei muste. Er lächelte ihm aufmunternd zu, ging dann aber weiter, um die Anwesenden zu begrüßen. "Salvete", grüßte er in die Runde, hielt sich aber ansonsten erst einmal zurück. Andere waren die Hauptpersonen und die meisten waren gerade in einem Gespräch. Sicher würde er gleich Gelegenheit erhalten, den amtierenden Consul und auch den Consular Aelius Quarto direkt zu begrüßen.


    Natürlich drehte sich jetzt zuerst einmal alles um das Brautpaar, so mußte es ja auch sein. Auch wenn sie verschleiert war, sah Laevina einfach prachtvoll und elegant aus. Es war ein merkwürdiges Gefühl zu wissen, daß ihre Zeit in diesem Haus nun endete und sie ihr Leben in einem anderen fortführen würde. Er zweifelte nicht daran, daß sie ein gutes Leben haben würde. Trotzdem fühlte er Traurigkeit in sich aufsteigen. Er hatte sie gern, und auch wenn sie nie viel Zeit hatten miteinander verbringen können, würde er sie sehr vermissen. Für einen Moment dachte er an die Geschichte mit dem Lupanar. Es war wirklich ein Glück, daß diese Geschichte nie weitere Kreise gezogen und ihren Ruf dementsprechend nicht beschädigt hatte. Gut, es war auch tatsächlich nichts passiert. Aber wer hätte das schon geglaubt? Nein, nichts überschattete diese Verbindung, die mit Sicherheit für beide Gentes ein Gewinn war.

    Ursus lachte leise. "Es freut mich immer wieder wenn es mir gelingt, jemanden so zu überraschen", scherzte er. Daß er den Flavier so erschrecken würde, hatte er tatsächlich nicht erwartet. Denn immerhin war das Opfer beendet und sie hatten ihre Unterhaltung vorhin sehr abrupt abbrechen müssen. "Das Forum Pacis? Eine Taberna in der Nähe des Forums, die ich noch nicht kenne! Das ist eine Bildungslücke, die ich schnellstens schließen muß. Hatte sie früher einen anderen Namen, kann das sein? Eigentlich kenne ich mich in der Gegend recht gut aus." Nur mußte er zugeben, daß er in den letzten Jahren wenig Zeit gehabt hatte, durch die Straßen zu stromern. Und es war sehr fraglich, daß sich das in den nächstne Jahren ändern würde. Er seufzte innerlich. Diese Zeiten waren wohl endgültig vorbei.


    "Dann schlage ich vor, wir nehmen diese Taberna. Du bist noch immer in der Kanzlei beschäftigt, oder? Hast Du immer noch keinen Drang zu einer höheren Berufung?" Das würde Ursus verwundern, denn Piso war intelligent und besaß Tatkraft. Da durfte Ehrgeiz doch eigentlich nicht fehlen.

    "Der Praefectus Urbi? Es sollte mich wundern, wenn er einen Patrizier auf einen solch bedeutenden Posten setzt. Da ist es vielleicht hilfreich, daß ich noch jung und wenig bekannt bin. Er könnte mich unterschätzen." Vielleicht. Aber Ursus zweifelte stark daran, daß ein Patrzizier eine Chance hatte. "Ich werde bei der Academia nachfragen, wie es mit dem Kolloquium aussieht." Mehr konnte er auch nicht tun, er konnte ja schlecht durch die Straßen laufen und die Menschen zur Absolvierung des Examen Tertium auffordern.

    Endlich wieder in Rom nutzte Ursus die Gelegenheit, nochmal an der Academia vorzusprechen, um nach dem Stand der Dinge zu fragen. Vielleicht gab es ja schon Neuigkeiten, die ihn nur noch nicht erreicht hatten? Fragen kostete jedenfalls nichts.


    "Salve", grüßte er den Schreiber freundlich. "Titus Aurelius Ursus ist mein Name. Ich habe vor einiger Zeit den schriftlichen Teil des Examen Tertium absolviert und wollte einfach mal nachfragen, ob schon ein Termin für den mündlichen Teil in Sicht ist. Gibt es mittlerweile weitere Absolventen?"

    Die Einwände waren durchaus berechtigt, das mußte Ursus zugeben. Aber der Vorschlag seines Patrons kam dann doch überraschend. "Ich? Nun, ich will keinesfalls sagen, daß ich abgeneigt wäre, ganz im Gegenteil. Aber ich habe das Examen Tertium noch nicht vollständig abgelegt. Nur den schriftlichen Teil bisher, denn für den mündlichen müssen genug Kandidaten zusammenkommen. Glaubst Du, unter diesen Voraussetzungen könnten genug Stimmen für diesen Vorschlag zusammenkommen?"

    Jetzt mußte Ursus sogar lachen. "Ja, warum solltest Du jetzt still sein? Da hast Du ganz recht. Ich bin schon sehr gespannt darauf, Dich mucksmäuschenstill zu erleben. Sag mal, wie alt bist Du eigentlich?" Sie sah älter aus als ihre Worte sie wirken ließen. Aber natürlich konnte das auch täuschen.


    "Mantua ist eine Stadt im Norden von Italia, relativ nahe der Ostküste. Germanien ist ein Land weit im Norden, jenseits der Berge. Dort ist es kühler als hier. Im Winter liegt der Schnee manchmal so hoch, daß Du ganz darin versinken würdest. In Griechenland gibt es die besten Schulen und die klügsten Lehrer. Deshalb gehen die Söhne reicher Eltern dorthin zum Lernen." Wenigstens versuchte er, ihre Fragen zu beantworten. Wie lange noch, würde sich zeigen. Seine Geduld war endlich. "Das mit den Büschen ist nicht gut. Viele Pflanzen in unserem Garten sind sehr selten und kostbar. Corvinus hat Pflanzen sehr gern und hat den Garten so anlegen lassen. Er wird sehr zornig werden, wenn etwas davon zerstört wird."

    "Kannst Du das wirklich?", fragte Ursus schmunzelnd und wagte, dies zu bezweifeln. Der Schwall an Fragen, der dann folgte, strafte ihre Worte tatsächlich Lügen. Typisch Kind fragte sie allerlei Dinge, die sie eigentlich nicht das Geringste angingen. "Ich bin in diesem Haus geboren. War aber ein paar Jahre in Griechenland. Eines in Germanien und jetzt vor kurzem eines in Mantua. Aktuell bin ich erst wenige Tage wieder hier. Domina Celerina hat vor einiger Zeit Dominus Corvinus geheiratet. Seit dem wohnt sie hier. Und nein, ich wußte nicht, daß sie eine Katze hat." Er wußte mit diesen Tieren auch nicht viel anzufangen. Sie neigten dazu, zu kratzen und hatten ihren eigenen Kopf, wenn es ums Streicheln ging. Da waren ihm Hunde lieber. Sie gehorchten und ließen alles mit sich machen.

    Cimon hatte es natürlich jetzt etwas schwerer, da der Wein seine Sinne leicht umnebelte. Doch hatte Ursus das sichere Gefühl, daß sein Sklave diese Lektion gelernt hatte. Das war gut so. Fast hätte er es vergessen, Cimon auf so etwas vorzubereiten. Insoweit war der kleine Zwischenfall auf der Reise eher ein Glücksfall gewesen. Aber das mußte er Cimon ja nicht unbedingt verraten.


    "Gut, ich verlasse mich darauf." Für ihn war das Thema damit abgeschlossen. Cimon gehörte zu den Menschen, die nicht so leicht vergaßen, was sie gelernt hatten. Zwar schien er Gefallen an dem Wein gefunden zu haben, doch würde er ganz sicher keinen trinken, wenn Ursus ihn brauchte. Eigentlich schon gar nicht, wenn Ursus es nicht ausdrücklich erlaubte. Das genügte dem Aurelier vollkommen.


    Eigentlich hatte Ursus schon nach der Wachstafel fragen wollen. Doch Cimon kam von allein darauf zu sprechen. Auch ein Fortschritt, wenn auch vielleicht durch den Wein verursacht. Noch vor wenigen Wochen hätte Cimon es niemals gewagt, von allein darauf zu sprechen zu kommen. "Da gibt es nichts zu verzeihen. Wir sind unter uns und sprechen miteinander. Natürlich darfst Du auch von Dir aus Fragen stellen oder Themen ansprechen, die Dich beschäftigen. Du hast die Aufgaben also gelöst? Sehr schön. Laß mal sehen."


    Schnell schüttelte Ursus den Kopf. "Ich hatte Dir doch gesagt, Du hast soviel Zeit, wie Du willst. Dein Schlaf ist auch wichtig." Interessiert nahm er die Wachstafel zur Hand und studierte sie aufmerksam. Er nickte zu jeder einzelnen Aufgabe und lächelte bei der letzten. "Es gibt noch einen leichteren Weg für die letzte Aufgabe. Möchtest Du Dich nochmal daran versuchen? Sie ist nicht falsch, Du hast sie richtig gelöst. Aber ein wenig umständlich."

    "Du hast Recht, es geht uns zur Zeit nicht schlecht. Ein guter Grund, nicht nachzulassen und auch für nachfolgende Familienmitglieder die Karriere zu sichern. Warum sollte ich meine Zeit verschwenden, wenn ich einen gut bezahlten Posten übernehmen könnte? Da ich nun Senator bin, stehen mir viele Türen offen. Eine davon zu durchschreiten, wird die Familie weiter stärken." Zumal ein jedes Amt auch neue Kontakte und zusätzlichen Einfluß mit sich brachte. Nicht nur die Familie wurde dadurch gestärkt, sondern auch der gesamte Adel.


    Tatsächlich hatte Ursus das Gefühl, der Dienst im Cultus Deorum würde ihm nicht wirklich liegen. Doch hatte er dies auch vom Militär gedacht, bevor er damals sein erstes Tribunat ableistete, und wurde eines Besseren belehrt. Sollte das mit dem Kommando nicht klappen, war er durchaus bereit, sich dieser neuen Aufgabe zu stellen, um festzustellen, ob der Dienst an den Göttern nicht doch auch für ihn eine Berufung war. "Ja, es würde gewiß sehr zeitintensiv, daran zweifle ich nicht. Es liegt auch gerade in nächster Zeit noch einiges an Arbeit für die Schola an. Doch Arbeit habe ich noch nie gescheut und ich bin bereit, mich in alles einzuarbeiten. Streben würde ich natürlich nach einer höheren Position, wie etwa dem Flamen Martialis oder dem Flamen Quirinalis." Er wußte, damit griff er sehr hoch. Doch Höheres erreichte nur, wer mit festem Willen und beharrlich danach strebte.

    "Es würde mich freuen, wenn ihr Freunde werden könntet. Das ist kein Befehl, nur ein Wunsch." Ursus wußte, man konnte keine Freundschaft erzwingen. Und er würde so etwas auch nicht verlangen. Aber sie sollten wissen, daß er einer solchen keineswegs ablehnend gegenüber stand. Cimon und Caelyn konnten beide einen guten Freund brauchen.


    "Dir wurde also warm und Du hattest ein Gefühl, als würde Dein Gesicht glühen, wie wenn es rot wird? Merke Dir dieses Gefühl gut, Cimon. Denn wann immer Du dieses Gefühl hast, möchte ich, daß Du aufhörst zu trinken. Oder nur in winzigsten Schlucken mit großen Abständen. Du hast Recht, das ist der Moment, in dem es anfängt. Eigentlich ist es fast schon zu spät, wenn Du dies spürst. Du hast zu dem Zeitpunkt schon einen Teil Deiner Kontrolle verloren. Du redest mehr und auch Dinge, die Du sonst nie ausplaudern würdest. Merke Dir dies auch, wenn Du von jemandem Informationen möchtest. Gib ihm Wein, trink selbst viel weniger als er. Dann wirst Du vieles erfahren." Ursus blickte seinen Sklaven fest an. "Wenn Du mit mir unterwegs bist oder wenn Du unter Fremden bist, erwarte ich von Dir, daß Du Kontrolle über Dich hast."


    Er ließ diese Anweisung sacken. Wartete, bis er auf Cimons Miene Verständnis lesen konnte. Dann ging er auf die Bitte seines Sklaven ein. "Fehler geschehen, Cimon. Jeder von uns macht Fehler. Wichtig ist, daß man sich bemüht, so wenige wie möglich zu machen. Und noch wichtiger ist, aus ihnen zu lernen. Du bist kein schlechter Sklave. Und Du wirst noch ein sehr guter werden. Dessen bin ich mir sicher."

    "In der heutigen Zeit scheint es nicht mehr so wichtig zu sein, ob jemand ein homo novus ist, wenn es um die Besetzung von höheren Stellen geht. Vielleicht hast Du Recht und er hätte nicht genug Unterstützung im Senat. Doch wenn man die möglichen Kandidaten durchgeht, bleibt dann wirklich nicht mehr viel übrig. Decimus Livianus. Ja, er hatte seine Chance. Jedoch schien er in Ehren wieder aufgenommen unter den Mächtigen Roms." Das Vertrauen seines Onkels ehrte ihn, doch ging es Ursus nun tatsächlich fast ein wenig schnell mit allem. Natürlich traute er sich zu, die Prima zu führen. Er hatte dies im letzten Jahr getan und immer mehr Sicherheit erlangt in seinen Entscheidungen. "Versuchen möchte ich es auf jeden Fall, Marcus. Und ich bitte Dich, mit Macer zu sprechen, ob eine vorgezogene mündliche Prüfung möglich ist."


    Fast hatte Ursus es schon vermutet, daß Corvinus so reagieren würde auf sein Ansinnen, einen gut bezahlten Posten anzunehmen. Doch er wollte die Familie auf keinen Fall ausbluten. "Hattest Du nicht gesagt, daß Du es im nächsten Jahr noch einmal als Aedil versuchen möchtest? Und Tiberius wird auch bald soweit sein, dieses Amt ins Auge zu fassen. In kurzer Zeit drei Aedile zu finanzieren, dürfte selbst für eine finanziell gut gestellte Familie wie die unsere eine ziemliche Belastungsprobe sein. Ich möchte die Zeit bis zu meiner Kandidatur nutzen, um zur finanziellen Stabilität der Familie beizutragen. Ich habe die Zeit und die Möglichkeiten. Sollte das mit dem Kommando klappen, dann stellt sich diese Frage nicht mehr. Der Cultus Deorium ist natürlich ebenfalls eine Möglichkeit. Die Probatio I habe ich schon vor Jahren abgelegt. Ich habe auch nichts dagegen, die Probatio II noch zu absolvieren. Was meinst Du, was für ein Amt im Cultus Deorum für mich in Frage kommen würde?"

    Zitat

    Original von Manius Flavius Gracchus


    Es war ein erstaunlicher neuer Ansatzpunkt für Ursus. Nachdenklich legte er sein Stirn in tiefe Falten. Nur wenige Patrizier eigneten sich als Patron für einen jungen Patrizier? Was war mit Tiberius Durus? Oder auch Corvinus? Wäre Tiberius Vitamalacus nicht verschwunden, wäre doch auch er sicher eine gute Wahl. Und Flavius Gracchus selbst? Sicher, er hatte sich lange zurückgezogen. Doch so langsam schien er ja zurückzukehren auf die politische Bühne. Und würde somit sehr wohl auch einen guten Patron abgeben.


    "Mir scheint, die letzte Wahl hat gezeigt, daß Purgitius Macer durchaus Einfluß und Rückhalt im Senat besitzt. Vielleicht war Pisos Wahl doch nicht so schlecht. Zumindest nicht, wenn Purgitius Macer nun aktiver daran arbeitet, an Einfluß zu gewinnen. Als Praetor hat er viele Möglichkeiten." Außerdem hatte Ursus den Eindruck, daß junge Patrizier nachrückten, die eines Tages durchaus helfen konnten, dem Adel wieder zu mehr Einfluß und Macht zu verhelfen.


    Das Thema Prima lag Ursus sehr am Herzen. Er zuckte mit den Schultern. "Im vergangenen Jahr war ich es, der das Kommando vertretungsweise führte. Jetzt wird es wohl mein Nachfolger sein. Ich kann nur hoffen, daß kein ganz grüner Junge dort als Tribunus Laticlavius eingesetzt wurde. Auf jeden Fall ist es dringend notwendig, dort schnell einen neuen Legaten einzusetzen. Ich habe den Männern versprochen, hier in Rom auf die dringende Notwendigkeit aufmerksam zu machen." Wobei die Frage nach dem Verbleib von Tiberius Vitamalacus ebenfalls noch geklärt werden mußte. Ob es allerdings nach so langer Zeit noch möglich war, etwas herauszufinden, war sehr fraglich.


    Erstaunt war Ursus, daß Cimon tatsächlich noch nachkam und ihn in der Menge auch noch zu finden wußte! Nun kam er doch noch zu erstaunlichem Sitzkomfort, denn wie nicht anders zu erwarten war, hatte Cimon daran gedacht, ein Kissen mitzubringen. Und an einige Leckereien hatte er ebenfalls gedacht. Nun konnte Ursus davon ebenfalls anbieten. Er bedeutete Cimon, sich mit den flavischen Sklaven abzusprechen, nachdem er ihm den Becher abgenommen hatte.


    Das Geschehen auf dem Wasser nahm immer mehr an Dramatik zu. Immer häufiger wurden Ursus' Blicke davon wie magisch angezogen. Er konnte sich nicht völlig dem Geschehen entziehen, auch wenn sein Hauptaugenmerk weiterhin auf das Gespräch mit Flavius Gracchus gerichtet war. Er mußte unbedingt später Annaeus Modestus sein Lob aussprechen für diese grandiose Veranstaltung.




    Edit: Ergänzung der letzten beiden Absätze.

    Sehr schade. Aber diese Antwort war zu erwarten gewesen, wie Ursus zugeben mußte. Eine Frage war es dennoch wert gewesen. "Ich habe keinen vollständigen Überblick. Aber Decimus Livianus hatte das Kommando schon mal inne, käme also gewiß in Frage. Und Annaeus Florus wäre sicher ebenso geeignet." Von der Vorbildung her war auch Corvinus geeignet. Doch Ursus wußte ja, daß sein Onkel dem Militär nicht so zugeneigt war wie er selbst.

    Ursus war nicht unzufrieden mit der Kleinen. Sie kannte sich wirklich gut aus, auch wenn sie das letzte Ziel nicht ganz zu erreichen wußte. Sicher würde sie es trotzdem finden, denn auf den Mund gefallen war sie nicht. "Zehn Tage also. Das ist wirklich noch nicht lange. Aber ich kann mir kaum vorstellen, daß nur die Tatsache, daß Du noch klein bist, Dich ganz ausmachen soll. Du redest ziemlich viel, das scheint also schon mal eine Eigenschaft zu sein." Sie kam näher zu ihm. Viel Scheu besaß sie offenbar auch nicht.


    "Nein, das sollst Du nicht. Ich werde mit Celerina mal sprechen. Es interessiert mich, was sie mit Dir so vorhat." Süß war die Kleine ja. Nur noch etwas arg vorlaut. Aber man mußte ihr zugute halten, daß sie zum einen ein Kind und zum anderen erst seit wenigen Tagen hier war.

    "Ja, das ist sie, Cimon. Sie ist manchmal gedankenlos und sehr impulsiv. Aber sie hat ein gutes Herz und das wiegt ihre Fehler auf. Zumindest meistens." Ursus lächelte. "Aber sag ihr das um der Götter Willen nicht!"


    So langsam schien der Wein seine Wirkung zu entfalten. Cimons Schlucke wurden größer, folgten schneller aufeinander. Er begann, an Kontrolle zu verlieren. Das war auch seinen Worten anzumerken. Es war gut, sehr gut sogar, daß Cimon selbst seine Hand auf den Becher legte. "Beschreibe mir, was Du fühlst. Und denk genau darüber nach, wann es angefangen hat, daß etwas anders wurde. Versuche, Dich ganz genau daran zu erinnern." Ursus sprach ruhig und eindringlich. Er wußte, daß es nicht leicht war, sich zu konzentrieren, wenn der Wein bereits seine Wirkung zeigte. Aber Cimon sollte jederzeit die Warnsignale an sich selbst erkennen. Um rechtzeitig aufhören zu können.

    "Das weiß ich Cimon. Du hast es mir schon gesagt, daß die Freiheit nicht zu den Dingen gehört, die Du anstrebst. Außerdem habe ich das Gefühl, daß Dir Dein Leben bei mir gar nicht so schlecht gefällt." Ursus wollte nicht, daß Cimon glaubte, er würde ihm nicht vertrauen. Es war wichtig, daß sie einander vollkommen vertrauen konnten. Immerhin sollte Cimon sein Leben schützen. "Mich interessierte nur, ob sie es versucht haben. Ich hätte Dich nie allein auf den Weg geschickt, wenn ich Dir nicht vertrauen würde."


    Als Cimons Becher leer war, wartete Ursus einen Moment, dann schenkte er nach. "Erzähle mir, wie Du auf dem Gut empfangen wurdest. Waren sie freundlich zu Dir? Wie hat Caelyn sich benommen. Und keine Angst, Du brauchst nicht lügen, ich kenne das Mädchen und weiß, daß ihre Sprache manchmal etwas sehr direkt und ungeschminkt ist." Daß er ihn so viel fragte und ihn soviel erzählen ließ, gehörte mit zu dem Trinkexperiment. Cimon sollte merken, wie er sich veränderte, wie er langsam immer leutseliger wurde und es ihm immer schwerer fiel, seine Gefühle zu verbergen.

    Zitat

    Original von Aulus Flavius Piso
    „Das wäre sehr freundlich von dir.“, wisperte Piso zurück. HahaHA! Endlich einmal wurde ER eingeladen, und musste nicht, wie es sonst immer der Fall zu sein schien, die Runden spendieren. Er freute sich schon auf einen wohl verdienten Becher erfrischenden und erfrischend kostenlosen Wein. Frohen Mutes nickte er Ursus, der ihm nun um einiges sympathischer war, zu, um sich anschließend wieder der Zeremonie zuzuwenden.
    Zuerst wurde gebetet, bevor die Opfer dargebracht wurden. Durus sah man an, dass er weitaus mehr Erfahrung hatte als der Vitorier, der allerdings ebenfalls eine relativ respektable Arbeit lieferte. Und dann kam das Opfer.
    Das Blut spritzte aus den Hälsern der Tiere in alle Himmelsrichtungen. Der Flavier fuhr leicht mit seinem Kopf zurück, verkniff sein Gesicht und ließ ein leises „Urks...“ über seine Lippen kommen. Das war ja... saftig. Irgendwie faszinierend und gleichzeitig abstoßend. Die Götter mussten ja ziemlich deftige Gesellen sein, wenn ihnen so etwas gefiel. Es tat ihm irgendwie Leid um die drei wunderschönen Tiere, die geopfert wurden. Aber sie wären ohnehin bald alt und grausig geworden, dachte er sich. So würden sie erhalten bleiben, in seinem inneren Auge, das Leben lassend in einer würdevollen Zeremonie. Sein innerer Ekel entschied sich, von seiner Faszination (ma lese: Neugierde) verdrängt zu werden. Das verspannte Gesicht löste sich, Piso blickte wieder genau so attentiv nach vorne wie bisher, mit seinen Augen das Blut verflogend, wie es durch die Rillen der Steine am Tempelvorplatz sich ausbreitete, talabwärts strebend. Was würde nun kommen?
    Er blickte sich kurz um und erblickte Celerina mit, wie jetzt, etwas mit Raben... Corvinus, genau! Die Aurelier hatten es mit Tieren, wie es aussah. Dass sein eigener Name vom Altitalischen für „Erbse“ kam, übersah Piso schlichtweg in diesem Moment. Von irgendjemanden wurden sie über den Haufen gerannt. Irgendeine Frau. Genau konnte er das nicht sehen.


    Das Opfer war angenommen worden, die Menge jubelte den Consuln zu. Unter ihnen auch Ursus. Dann war die Opferzeremonie beendet. Eigentlich hatte Ursus damit gerechnet, daß die Consuln nun langsam durch die Menge schritten, Hände schüttelten und hier und da mit den Menschen sprachen. Aber das blieb aus. Offenbar hatten die beide alle Hände voll zu tun. Übel schien es ihnen niemand zu nehmen, die Leute waren zufrieden damit, daß das Opfer gut verlaufen war. Die Menge verlief sich nun nach und nach.


    "Jetzt ist es wieder erlaubt, normal zu reden", grinste Ursus den Flavier an. "Um Deine Frage zu beantworten: Mir geht es gut. Das Jahr in Mantua habe ich gut verkraftet. Kennst Du eine gute Taberna in der Nähe?" Er hatte nicht vergessen, daß Piso in der Kanzlei arbeitete. Sicher war er über alles informiert. Dazu war er ein netter Kerl und gehörte zu einer mit den Aureliern eng befreundeten Familie. Viele Gründe, etwas engeren Kontakt zu ihm zu suchen.