Beiträge von Titus Aurelius Ursus


    Centurio Potitus Lucretius Luscus
    --------------------------------


    Ein paar der Probati stellten sich beim Bogenschießen gar nicht ungeschickt an, die meisten waren eher schlecht. Doch gerade Zielschießen erforderte viel Übung, um gute Ergebnisse zu erzielen und dies war ja auch gar nicht Zweck dieser Grundausbildung. Wenn sich jemand berufen fühlte, würde er von sich aus mit dem Bogen üben. "Die Bögen niederlegen, Pfeile zurückholen und dann alles zurück in die Horrea. Anschließend tretet ihr hier wieder an! Abite!"






    Centurio Potitus Lucretius Luscus
    --------------------------------


    Der Centurio erkannte an den Blicken der Männer, daß sie solche Kräfte nicht erwartet hatten. Und genau das gehörte zum Zweck der Übung. "Und nun noch ein paar gezielte Schüsse. Spätestens, wenn ihr mal den Speiseplan auf günstige Weise aufbessern wollt, kann es euch nützlich sein, gezielt schießen zu können. Dort hinten die Strohballen sollen als Ziele dienen. Dreht sie um, dann seht ihr die aufgemalten Zielkreise. Geschossen wird von hier, das ist genau die richtige Entfernung. Jeder schießt drei mal."




    "Dann sind wir schon zwei, die sich nicht auskennen. Treffen wir uns einfach am Tor. Wenn wir in der Stadt nichts finden, gehen wir zu mir und schauen, was die Sklaven uns zaubern können." Ursus hatte noch nicht ein mal Zeit gefunden, sich in Mantua ein wenig umzuschauen. Eigentlich eine Schande. Na, das konnte er ja heute Abend nachholen.

    "Siehst Du. Aber trotzdem bin ich Dir sehr dankbar, daß Du den Weg auf Dich genommen hast. Und auch Deinem Onkel, daß er überhaupt ins Auge gefaßt hat, mir ein Grundstück zu überlassen. Das ist in der heutigen Zeit auch nicht selbstverständlich. Und ja, ich bin mir ziemlich sicher, daß es innerhalb der Familie zu Problemen geführt hätte." Und für ihn war das durchaus ein Hinderungsgrund.


    "Danke für Dein Vertrauen in meine militärischen Fähigkeiten. Ich hoffe, andere sehen das auch so", lachte Ursus, der noch nicht so ganz davon überzeugt war, daß er so weit kommen würde.


    "Ja, bis heute Abend. Und bring ordentlich Hunger mit."

    "Du hast wahrhaftig alles versucht, Sedulus. Aber mal ehrlich: Würdest Du Dich auf so eine unsichere Sache einlassen?" Er schaute ihn fragend an, denn er konnte sich nicht vorstellen, daß Sedulus sich auf solch ein Geschäft einlassen würde.


    "Mir gefällt der Militärdienst. Und die wirklich guten Stellen in der Verwaltung werden mit Rittern oder Senatoren besetzt. Außerdem beabsichtige ich, meine Ausbildung an der Militärakademie fortzusetzen. Wer weiß, vielleicht vertraut man mir irgendwann ein Kommando an?" Er zuckte mit den Schultern.

    Ursus lächelte ein wenig traurig. Seinen Freund zu enttäuschen, fiel ihm schwer. "Meine eigene Stimme könnte ich zusagen. Doch ich habe keine Stimme, wenn ich nicht im Senat bin, verstehst Du? Das Land brauche ich, um überhaupt im Senat zu sein. Von meiner Familie ist sonst nur mein Onkel im Senat. Und ich weiß wirklich nicht, wie er zu Germanicus Avarus steht. Und wie Du auch nochmal wiederholst: Nur wenn er wirklich gewählt würde, bekäme ich das Land." Er schüttelte den Kopf. Das war wirklich für ihn ein schlechtes Angebot.


    "Es tut mir leid, Dich so enttäuschen zu müssen. Und ich brauche keine Massen an Land. Ein einziges weiteres Grundstück reicht mir doch schon. Mir würde auch das genügen, das ich besitze. Doch die Gesetze besagen eben, daß man eine bestimmte Menge an Landbesitz vorweisen muß."

    Ursus' Augen wurden immer größer. Dann grinste er breit. "Und dafür bist Du extra nach Mantua gereist? Du bist ein großartiger Mann, weißt Du das? Ich hoffe, Dein Onkel weiß Deinen Einsatz zu schätzen." Der Aurelier griff nach seinem Becher und trank erst einmal einen gehörigen Schluck. So einfach war das ja auch nicht zu verdauen.


    "Ich versuche es, zusammenzufassen: Ich soll versuchen, Stimmen für Deinen Onkel Avarus zu bekommen, damit er zusammen mit Vinicius Lucianus Consul werden kann. Und nur, wenn beide dann wirklich gewählt werden, soll ich Land bekommen, damit ich Senator werden kann? Nein, das ist mir zu teuer. Ich bin zu meinem Patron gegangen wegen des Landes, weil ich fand, daß ich neben meiner Familie vor allem ihm verpflichtet sein sollte. Ich habe allerdings auch schon anderweitige Angebote. Ich kann es mir leisten, ein Angebot abzulehnen, dessen Preis mir zu hoch ist. Vor allem, wenn ich ihn zahlen soll, ohne die Sicherheit, daß ich die Gegenleistung dann auch erhalte. Das ganze Problem besteht überhaupt nur, weil mein Onkel schon so lange krank ist. Er hätte mir sicher schon lange geholfen, wenn er könnte."


    Er schaute Sedulus bedauernd an. "Es tut mir leid, alter Freund, daß Deine Reise hierher vergeblich war. Aber wir werden das einfach ausgleichen, indem ich Dich für heute Abend einlade. Dann hast Du wenigstens einen schönen Abend verbracht."

    Ursus hörte aufmerksam zu. Und er nahm sich Zeit, die Worte seines Patrons richtig sacken zu lassen. Er wollte ja auch keine Schnellschüsse von sich geben und noch weniger jemanden verärgern. "Ich will ebenfalls ehrlich sein. Von Senator Germanicus Avarus würde ich keine solche Hilfe annehmen. Der Preis ist mir einfach zu hoch. Von Dir ist das etwas anderes. Und ich unterstütze Dich gerne nach Kräften und versuche für Dich Stimmen zu sammeln, so gut ich es vermag. Ich gebe meine eigene Stimme auch gerne Germanicus Avarus. Der Mann hat seine Qualitäten und sein Engagement für Rom spricht wirklich für ihn. Aber für ihn einzutreten und für ihn bei Patriziern um Stimmen zu werben, das würde ich weder können noch wollen. Zu oft wettert er offen gegen den patrizischen Adel. Ich würde nur erreichen, meine Verwandten und Freunde zu verärgern. Zudem... möchte ich meine Fühler ausstrecken, um eventuell eine Tiberia zu ehelichen. Tiberius Durus und Germanicus Avarus... ich kann es auf keinen Fall beiden recht machen." Er konnte nur hoffen, daß seine offenen Worte wirklich in diesen vier Wänden blieben.

    Ursus schüttelte den Kopf. "Wie kommst Du nur auf so etwas? Stell Dir vor, wir alle wären gleich. Es muß doch nicht jeder etwas für das Militär übrig haben. Du hast wahrhaftig genug andere Qualitäten, da muß nicht ich kommen und Dir das sagen." Man mußte nur sehen, wie weit Marcus es im Cultus Deorum gebracht hatte. "Du weißt doch, wie diese Leute sind. Vor allem, wenn es um einen Patrizier geht, wird genauestens darauf geachtet, ob er auch persönlich alle Voraussetzungen erfüllt. Ich danke Dir, Marcus. Ich bin ja auch der Meinung, daß der Reichtum der Familie aussagekräftig genug sein sollte. Und der steht ja wohl völlig außer Frage." Aber so waren eben die Gesetze.


    "Über seine Gründe ist mir nichts bekannt, aber ich bin sicher, auch er hat seine Gründe. Wirklich schade, daß er so weit weg eingesetzt wurde. Da ist Mantua weitaus praktischer. Wenigstens ab und an kann man zuhause vorbeischauen. Ich muß ihm dringend schreiben, das habe ich irgendwie völlig vergessen." Das schlechte Gewissen regte sich. Er erinnerte sich gut, wie er selbst auch immer auf Nachrichten von zuhause gewartet hatte.


    "Wir sollten alles versuchen. Wenn dieser Arzt so gut ist wie Du sagst, dann soll er nach ihr sehen. Ob es ein Fehler war, sie ans Meer zu schicken? Meinst Du, hier, mit der ganzen Familie um sich herum, wäre sie glücklicher? Sie hatte sich hier auch schon so zurückgezogen und eingeigelt, daß ich es für eine gute Idee hielt, sie wegzuschicken. Wir hatten ja damals schon darüber gesprochen." Es war schwer, eine Lösung zu finden. Irgendwie schien alles falsch zu sein.


    "Ist denn schon ein Hochzeitstermin für Laevina und Tiberius Durus festgelegt? Die Hochzeiten summieren sich langsam", lächelte er. "Ich selbst habe mich ein wenig in der Gens Tiberia umgesehen. Und vielleicht... Wenn Du nichts dagegen hast, würde ich gerne bald mit Tiberius Durus Kontakt aufnehmen wegen einer möglichen Verbindung. Kann ich dabei auf Deine Unterstützung zählen?"


    Centurio Potitus Lucretius Luscus
    --------------------------------


    Aufmerksam schaute der Centurio zu, wie jeder seine drei Schuß abfeuerte. "Bögen hinlegen. Erst wenn alle Bögen liegen, lauft ihr los und holt die Pfeile zurück. Anschließend stellt ihr euch wieder auf. Aber dieses mal schießt ihr in diese Richtung." Der Centurio zeigte in eine andere Richtung, dort würden sie es mit Seitenwind zu tun bekommen. Er wartete, bis die Männer zurück waren und sich wieder aufgestellt hatten. "Ihr werdet wieder drei Schuß abfeuern, so weit ihr könnt. Danach dann einen Schuß in steilem Winkel nach oben. Aber nicht so steil, daß er zu euch zurück kommt!"





    "Nein, wenn ich den Jungbrunnen finde, dann behalte ich ihn ganz allein für mich und werde ewig leben und ewig jung bleiben." Ursus lachte und schüttelte den Kopf. "Wenn es so etwas gäbe, wäre er sicher schon vor vielen Jahrtausenden leergetrunken worden."


    Doch er staunte, daß Sedulus wohl tatsächlich wegen ihm hier war. "Das beruhigt mich ungemein. Die Politik? Inwiefern die Politik? Ich habe es noch nicht mal in den Senat geschafft und Du nimmst solch eine Reise auf Dich, um mich wegen der Politik zu sprechen?"

    "Och, wir könnten Dich hier schon brauchen. Bist Du sicher, daß Du nicht zur Prima willst?" Ursus lachte, natürlich war das nicht ernst gemeint. Sedulus hatte als Senator gewiß höhere Ziele. "Aber einen Becher mit verdünntem Wein nimmst Du doch sicher?"


    Als der Freund dann über den Rücken klagte, lachte er wieder. "Du wirst wohl alt", lästerte er im Spaß und sagte lieber nicht, wie er sich nach dem Ritt hierher gefühlt hatte. Doch die nächsten Worte versetzten Ursus in Erstaunen. "Das ist ein Scherz, oder? Es ist doch Zuhause nichts passiert?"

    Da Ursus nicht gleich aufgeschaut hatte, war seine erste Reaktion, den militärischen Gruß zu erwidern. Denn erst erkannte er, wen er da vor sich hatte. "Sedulus! Was machst Du denn hier?" Lachend deutete er auf eine Sitzgelegenheit. "Bitte setz Dich doch. Sicher bist Du durstig von der Reise." Er rief nach seinem Burschen, damit der für Becher, Wasser und Wein sorgte. Und für einen kleinen Imbiß.


    "Was führt Dich her? Ich nehme ja mal nicht an, daß ich der Grund Deiner Reise bin." Er lachte, denn das war ja völlig undenkbar.

    Ursus schmunzelte. Wenn Marcus schon wieder scherzen konnte, dann ging es bergauf. "Als vertane Zeit betrachte ich es nicht. Denn ich möchte mir die Möglichkeit eröffnen, vielleicht einmal als Kommandant in Betracht gezogen zu werden. Natürlich hätte es auch noch andere Möglichkeiten gegeben. Und ja, ich müßte längst im Senat sitzen. Jedoch erfülle ich die Voraussetzungen nicht. Ich besitze nicht genug Land. Und damit kommen wir schon auf den Grund, warum ich Dich aufsuche, obwohl Du noch der Schonung bedarfst. Ich möchte Dich um ein Stück Land bitten, damit meiner Berufung in den Senat nichts mehr im Wege steht." Immerhin würde es in der Familie bleiben.


    "Eigentlich müßte Tiberius schon wieder zurück sein. Aber ich glaube, er hat um Verlängerung gebeten. Hast Du das damals nicht auch getan? Und die Mädchen? Minervina macht mir große Sorgen. Sie ist ja bei unserer Tante, ich hoffte, daß sie sich dort an der Küste ein wenig erholen würde. Und ich schreibe ihr oft und schicke ihr Geschenke, um sie aufzumuntern. Aber anscheinend versinkt sie immer tiefer in Depressionen und nimmt so gut wie nichts zu sich. Ich weiß wirklich nicht mehr, was ich noch tun kann." Die tiefe Sorge stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er liebte seine Schwester und wünschte sich nichts sehnlicher, als sie ebenso lebenslustig und übermütig und vor allen Dingen gesund zu sehen, wie Prisca und Laevina.


    "Unsere Cousinen Prisca und Laevina sind unterbeschäftigt und übermütig. Sie brauchen eine Aufgabe - oder einen Mann. Hattest Du nicht schon Verhandlungen begonnen für die beiden?"

    Na, der Schlag hatte ja hingehauen! Beide Mädchen stürzten auf Ursus zu und er umarmte sie auch beide. Froh, daß den beiden nichts passiert war. "Was...", begann er, fand dann aber, daß dies wahrlich nicht der rechte Ort war, um damit anzufangen. Die Mädchen mußten hier raus! Außerdem war es besser, wenn sie sich erst einmal beruhigten. "Kommt", sagte er also und schob sie auf den Gang, ohne weiter auf den Alten zu achten. Die Sklaven des Hauses kümmerten sich ja bereits um ihn. "Brix! Komm her! Und bleib mit den beiden genau hier stehen!" Sein Befehl war unmißverständlich und scharf ausgesprochen. Das sollte sogar den Alkoholdunst durchdringen, von dem der Sklave umgeben war.


    "Danke für das Angebot, aber die beiden Damen und auch ich werden jetzt gehen." Das mußte dem Kassierer genügen. Ursus ging nur kurz in den "Harem des Schah" zurück, ließ seinem Freund Geld da und wünschte ihm einen schönen restlichen Abend, während Ursus sich wieder vollständig ankleidete und sich beim Anlegen der Toga von den geübten Sklavinnen helfen ließ. "Ich muß leider dringend weg, alter Freund. Wir holen das ein anderes mal nach, ja?" Zwar protestierte Varro, doch die Mädchen überzeugten ihn schnell davon, daß er auch allein noch einen wahrhaft schönen Abend erleben konnte.


    Ursus trat auf den Gang zurück und legte seine Arme wieder um seine Cousinen. "Wir gehen nach Hause. Alles weitere besprechen wir dort." Seine Stimme klang sanft und beruhigend, auch wenn es in seinem Inneren ganz anders aussah. Um wütend zu werden, war später noch genug Zeit. Jetzt galt es, dafür zu sorgen, daß sie von niemandem gesehen wurden, wenn sie dieses Haus verließen. Brix wurde vorgeschickt, um das sicherzustellen. "Und ihr beiden verhüllt eure Gesichter. Es darf euch niemand erkennen." Hoffentlich waren sie nicht schon beim Betreten des Hauses gesehen worden.




    Centurio Potitus Lucretius Luscus
    --------------------------------


    "Diejenigen von euch, die mit Bögen umgehen können, treten vor und zeigen den Kameraden, wie man einen Bogen richtig spannt. Und auch, wie man ihn wieder entspannt. Ihr werdet das alle jeweils drei mal üben. Einen Bogen bewahrt man niemals gespannt auf!" Während sie das übten, sprach der Centurio schon weiter. "Ich möchte, daß ihr diese Waffe kennenlernt, daß ihr lernt, wie ein Pfeil sich verhält. Wir haben den Exerzierplatz gerade ganz für uns und das ist günstig. Ihr sollt versuchen, den Pfeil so weit wie möglich zu schießen. Dann sollt ihr ihn so hoch wie möglich schießen. Auch mal gegen den Wind oder mit seitlichem Wind. Vor jedem Schuß vergewissert ihr euch, daß niemand in der Schußlinie steht. Nicht einmal annähernd! So, wir beginnen mit möglichst weiten Schüssen. Immer fünf Mann gleichzeitig, dann die nächsten fünf Mann. Immer abwechselnd und insgesamt drei Durchgänge. Stellt euch hier in einer Linie auf, in diese Richtung wird geschossen."





    Inzwischen sah es in seinem Officium völlig anders aus als am ersten Tag. Alles war geordnet, die Regalfächer beschriftet und überflüssige Dinge waren aus dem Officium herausgeflogen. Es hatte ihn viele Stunden Arbeit gekostet, alles zu sichten und einzuordnen, doch diese Mühe hatte sich gelohnt. Gerade widmete er sich einigen frisch hereingekommenen Listen, als es klopfte. "Ja, herein!", rief er und erwartete natürlich einen der Offiziere. Daß ein alter Freund vor der Tür stand, konnte er ja nicht ahnen.