Beiträge von Titus Aurelius Ursus

    Gerade rechtzeitig hatte Ursus sich gebremst. Septima hatte auch schon "Halt!" gerufen, gerade in dem Augenblick, in dem Ursus stehengeblieben war. Er wollte lächeln, wollte irgendwie zeigen, daß sich niemand sorgen mußte. Aber seine Miene blieb ausdruckslos. Mehr aus Nervosität und Aufregung als aus Berechnung. Er wußte, daß er dieses Kind anerkennen würde. Selbst wenn es nur einen Arm oder zwei Gesichter hätte. Ganz egal. Es war sein Sohn. Septimas Sohn. Aus ihrer Liebe zueinander entstanden, ein göttliches Wunder, wie jedes neue Leben.


    Ganz klein war sein Sohn schon nicht mehr. Trotzdem wirkte er auf Ursus unglaublich winzig. Schon gar in den Armen dieses überaus kräftigen Germanen. Für einen Moment fürchtete der Römer um seinen noch so verletzlich wirkenden Sohn in den groben Armen von Septimas Leibwächter. Doch der war erstaunlich vorsichtig, fast zärtlich und fürsorglich. Sofort spürte Ursus den Stachel der Eifersucht in seinem Herzen. Zumal sein Sohn sich bei Baldemar auch noch ziemlich wohl zu fühlen schien. Er war zu lange fort gewesen! Eindeutig!


    Es schien ewig zu dauern, bis Baldemar ihm das Kind tatsächlich vor die Füße legte. Auch wenn es tatsächlich nur wenige Sekunden gewesen waren. Und da lag der Junge nun, schaute mit großen erstaunten Augen auf die Welt aus einer vermutlich eher ungewohnten Perspektive. Schaute den fremden Mann an. Ursus blieb einen Moment stocksteif stehen, staunte das Kind an, das seins war. Unglaublich. Langsam beugte er sich hinunter. Und nahm den Jungen hoch. Ein wenig unsicher, wie er es anfangen sollte, ohne dem Kind weh zu tun. Den Kopf sollte man stützen, hatte er mal gehört. Also achtete er darauf. Na, war doch gar nicht so schwer. Titus lag in seinen Armen und Vater und Sohn schauten einander an.

    Stolz erfüllte Ursus, als er sah, wie sein neues Heim erstrahlte. Es war ihm wirklich eine Ehre, daß Flora hier mit ihren Hochzeitsfeierlichkeiten beginnen wollte. Nicht nur, weil er so auch eine wunderbare Gelegenheit hatte, das luxuriös ausgestattete Haus der Öffentlichkeit vorzuführen. Nein, es zeigte ihm auch, wie wichtig er ihr war. Denn in der Villa Aurelia hätten sie leider auf ihn verzichten müssen.


    Mit der schönsten Frau des Imperiums an seinem Arm, begab sich Ursus ins Atrium, denn es war ihnen mitgeteilt worden, daß Durus bereits eingetroffen war. Septima begrüßte ihren Onkel sogleich überaus zärtlich. Sie liebte ihn unübersehbar wie einen Vater und so ließ Ursus ihr für diese Begrüßung einige Augenblicke Zeit, bevor auch er den Bräutigam begrüßte. "Sei uns willkommen in unserem Haus, Durus. Auch ich möchte Dir noch dafür danken, daß die Feierlichkeiten hier stattfinden können." Er unterstrich die Worte seiner Frau mit einer einladenden Geste. "Bitte, nimm doch Platz. Einen wunderbaren Tag habt ihr gewählt, die Götter scheinen euch sehr gewogen zu sein." Natürlich würde erst das Opfer zeigen, ob dem auch wirklich so war. Aber Ursus konnte sich kaum vorstellen, daß es da zu Schwierigkeiten kommen würde. Nicht bei einem Mann wie Durus, der dem Dienst für die Götter in seinem Leben so viel Platz eigeräumt hatte.

    Aufmerksam verfolgte Ursus die Worte und die Mimik seines Decurios. Sein Blick war direkt auf die Augen seines Gegenübers gerichtet. Nachdenklich lag seine Hand an seinem Kinn. Er antwortete nicht gleich, sondern ließ einige Augenblicke mit Schweigen verstreichen. "Wer kann das schon verstehen? Solche Dinge geschehen. Das tröstet leider nicht im Geringsten. Doch wir alle wissen, daß er Tod der ständige Begleiter eines Soldaten ist. Und glaube nicht, daß der Tod dieser Männer weniger ehrenhaft wäre, als der Tod derjenigen, die in großen Schlachten fallen. Jeder von uns muß einen Weg finden, um mit dem Verlust fertig zu werden. Ich glaube, Du hast es bisher ganz richtig gemacht, Decimus. Und ich bin sehr stolz auf diese Einheit, die trotz der herben Verluste zu allem bereit ist." Offenbar hatte er die Turma I genau dem richtigen Mann anvertraut.


    "Decurio, ich muß so bald wie möglich für einige Tage nach Rom. Ich möchte, daß Du mich begleitest. Mit Deinen Männern. Der Ritt wird hart, wir haben es eilig. Aber dort werdet ihr einige Tage frei haben. Das könnte den Männern gut tun. Sie sollen sich austoben. Nach unserer Rückkehr werden wir die Reihen etwas auffüllen. Ich versetze aus den drei anderen Turmae jeweils drei Männer zu der Deinen. Das schwächt keine Einheit zu sehr und wird Deine auf eine dienstfähige Stärke bringen. Nach und nach werden wir dann die Reihen mit neuen Rekruten auffüllen." Es war eine spontane Idee, die Eskorte aus den Männern der Turma I zusammenzustellen. Eine noch spontanere, gleich alle mitzunehmen.

    Lange genug hatte es gedauert, bis die Lage sich in Matua und in der Castra soweit stabilisiert hatte, daß Ursus es wagen konnte, für einige Tage nach Rom zu reisen. Er würde sich beeilen müssen. Und durfte seinen Aufenthalt nicht lange ausdehnen. Doch es war besser als nichts. Der Praefectus Castrorum würde den Laden so lange am Laufen halten, da konnte Ursus sicher sein.


    Am Tor meldete er sich und seine Eskorte ab und ritt dann mit Cimon zusammen voraus, Rom entgegen.

    Eine anstrengende Reise war es gewesen, die sie hinter sich gebracht hatten. Seine Männer erhielten etwas Geld, um in Rom eine eigene Unterkunft zu beziehen und sich ein paar schöne Tage machen zu können. Sie durften das Pomerium ja im Gegensatz zu ihm betreten, die Glücklichen.


    Cimon war der einzige, der noch bei ihm war, als sie das Haus erreichten. Müde und leicht verstaubt stieg Ursus von seinem Pferd und übergab es dem herbeieilenden Sklaven, denn die Ankunft des Hausherrn war natürlich sogleich bemerkt worden. "Komm, Cimon", forderte er den Nubier völlig überflüssigerweise auf, "gehen wir uns den kleinen Stammhalter anschauen! Ich kann es schon nicht mehr erwarten." Er grinste seinen Leibsklaven, dem er in den letzten Tagen mit diesem Thema sicher schon mächtig auf die Nerven gegangen war, entschuldigend an und betrat endlich das Haus.


    Im Atrium dann war es endlich soweit. Septima! Einen kleinen Moment blieb Ursus stehen, als könnte er nicht glauben, daß er endlich hier war und seine Frau und sein Sohn erwarteten. Dann ging er mit schnellen, weitausgreifenden Schritten auf sie zu, um sie und das Kind zugleich zu umarmen. Doch das tat er dann doch nicht, mitten im Schritt stockte er, denn ihm war eingefallen, daß noch etwas zu tun war. Sein Blick suchte den seiner Frau...

    Wie eigentlich immer, wenn Ursus Mantua für ein paar Tage verließ, war es eine eilige Sache. Eine gemächliche Reise, er wußte gar nicht mehr, was das eigentlich war. Immer in Eile, immer in Hetze. Im Eilritt strebte er in Begleitung seiner Eskorte Rom entgegen, wechselte mehrfach die Pferde, um auf diese Weise noch schneller zu sein. Er wollte einfach auf der Reise keine Zeit verschwenden. Das bißchen Zeit, das ihm zur Verfügung stand, sollte möglichst seiner Familie gehören. Seinem Sohn, den er noch nie gesehen hatte. Seiner Frau, die er so schmerzhaft vermißte, daß es kaum noch auszuhalten war. Die nötigen Schlafpausen wurden so kurz wie möglich gehalten. Und so kamen sie in erstaunlich kurzer Zeit in Rom an.

    Ruhig studierte Ursus die Aufstellung, die genau so unerfreulich war, wie erwartet. Die Turma war wirklich arg geschröpft worden. Er legte die Liste nieder und blickte seinen Offizier aufmerksam an. "Und wie sieht es mit der Moral der Männer aus? Wie gehen sie mit den Verlusten um?"

    Eine Rüge gab es nicht. Immerhin war es tatsächlich die Turma des Decurios. Und der Decurio mitsamt seiner Turma und den anderen Turmae die Legionsreiterei des Legaten. "Ja, mir ist das Problem bekannt, Decimus. Und ich habe bereits überlegt, einzelne Männer aus den anderen Turmae zu Deiner zu versetzen, damit ihr zumindest alle eine einsatzfähige Stärke habt, bis der Nachwuchs die Reihen wieder auffüllen kann. Ähnlich machen wir es auch mit den besonders stark betroffenen Infanterieeinheiten. Entweder das, oder wir ändern den Einsatzplan so, daß Deine Truppe ein wenig entlastet wird, damit ihr eure Aufgaben trotz der geringen Stärke bewältigen könnt." Zu der Frage, ob Cursor die aktuelle Bestandsmeldung vorlegen dürfte, nickte er und streckte auch schon die Hand aus, um sie entgegen zu nehmen.

    Sim-Off:

    Glatt übersehen! Sorry!


    "Salve Decurio Decimus. Setz Dich und berichte." Ursus erwiderte den Salut und deutete dann auf den Stuhl, der für Besucher bereit stand. Gerade die Turma I hatte herbe Verluste erlitten und so hatte Ursus eine grobe Ahnung, worum es gehen konnte. Aber er wollte auch nichts vorweg nehmen und ließ erst einmal seinen Offizier zu Wort kommen.

    Sim-Off:

    Bitte nicht den Scriba mitschreiben ;)


    Dem Scriba war sein Erstaunen anzusehen. Hatte der Legat denn den Decurio angefordert? Nein, das müßte er doch wissen! Ein wenig hektisch überflog er seine Wachstafel, auf der die aktuellen Termine notiert waren. Nein, zum Glück, sonst wäre das jetzt echt peinlich geworden. "Salve, Decurio. Ich werde ihn fragen, ob er Zeit für Dich hat. Moment." Der Mann verschwand im Officium und kam schon Sekunden später wieder zurück. "Du darfst eintreten."

    Das war es allerdings. Eine große Ehre. Etwas, worauf jeder Mann stolz sein konnte. Ursus hielt sich nicht lange auf, denn es gab noch viele Auszeichnungen zu vergeben. Viele hatten sich hervorgetan. Einer der Tribune kam an die Reihe. Dann war Ursus bei einem Mann angelangt, den auszuzeichnen ihm eine ganz besondere Ehre war. "Primus Pilus Marcus Iulius Licinus. Würde ich all das aufzählen wollen, was Du geleistet hast in dieser Zeit, dann müßte ich schon mal Männer losschicken, um Fackeln zu holen, denn darüber würde die Sonne untergehen. Iulius Licinus, für Deine Verdienste verleihe ich Dir Armillae in Gold. Trage sie mit Stolz!" Bronze und Silber hatte der Centurio bereits erhalten, wie Ursus sehr wohl wußte. Und verdient hatte er diese Auszeichnung schon lange. Eigentlich weit mehr als das. Auch dem Iulier wurde seine Auszeichnung feierlich übergeben.

    Die Entschlossenheit in der Stimme seines Primus Pilus klang gut. Sie nahm Ursus seine eigene Unsicherheit, von der er sich ohnehin nichts anmerken lassen wollte. "Das wirst Du, Iulius!" Klang wie ein Versprechen. Nur, daß er dieses vermutlich nicht halten konnte. Aber versuchen würden sie es. Das auf jeden Fall!


    Jeder Eimer war schwerer als der davor. Es war erstaunlich, daß niemand deswegen klagte. Ursus jedenfalls glaubte, seine Finger würden ihm jeden Moment abfallen. Arme und Schultern würde er vermutlich für Tage nicht brauchen können. Dabei mußte es für die meisten der Menschen hier noch viel schlimmer sein. Auf jeden Fall war er zutiefst erleichtert, als endlich Ablösung kam. Störend war nur, daß sie mit aufgeklappten Mündern dastanden, statt sich die Eimer zu greifen. Wie nach Luft schnappende Karpfen sahen sie aus, die Männer.


    "An die Eimer, aber zügig!" Der Befehl sollte genügen, um die Männer aus ihrer Erstarrung zu reißen. Harsch genug hatte er ihn jedenfalls erteilt.

    Nachdem Vala gesprochen hatte, trat Ursus wieder vor, den Blick ernst auf die Männer dort unten gerichtet. „Heute ist alles anders als sonst, das ist euch nicht entgangen, wie ich in euren Gesichtern lesen kann. Aber was hier geschehen ist, ist ja auch nicht wie sonst. Ich habe euch erlebt, wie ihr mit dieser schier unmöglichen Aufgabe umgegangen seid. Wie furchtlos ihr euch dem unsichtbaren Feind gestellt habt. Und ich möchte, daß jeder da draußen erfährt, was ihr geleistet habt. Männer, viele von euch werden heute belohnt. Beginnen wir mit dem Mann, der bis zu seiner eigenen Erkrankung die Leitung in der Stadt inne hatte. Tribunus Laticlavius Titus Duccius Vala wird für seine Leistungen bei der Organisation der Eindämmung und Bekämpfung der Seuche mit einer Phalera ausgezeichnet.“ Einer der Assistenten reichte Ursus die reich verzierte Ehrenplakette, der wandte sich dann zu dem Duccier um und übergab sie feierlich an ihn.

    Grimmig schüttelte Ursus den Kopf. "Nein, kein Fanal. Sie haben eine Schlacht gewonnen, aber nicht den Krieg. Die Seuche wird bald besiegt sein. Die Ordnung wird wiederhergestellt und dann sind wir es, die am längeren Hebel sitzen. Entweder gehen sie sehr weit weg von hier - oder wir kriegen sie früher oder später. Sie werden Fehler machen." Und dann würden die Männer der Prima bereit sein.


    Ein Eimer nach dem anderen wurde weitergegeben. Es gab keine Pausen und Ursus merkte schon recht bald seine Arme und Schultern. Dabei hatte er sich immer für gut trainiert gehalten. Allerdings hatte er nie mit Wassereimern trainiert. Das Feuer schien immer noch nicht kleiner zu werden. Er war zu unerfahren in der Feuerbekämpfung, um den Erfolg, daß sich das Feuer nicht weiter ausbreitete, erkennen zu können. Die Feuerbekämpfer in der ersten Reihe wußten, was zu tun war. Wo sie noch etwas retten konnten und wo sie es einfach brennen lassen mußten.


    "Sie haben im Moment nur den Vorteil, daß wir nicht überall sein können. Im Moment. Wenige Tage wird das noch so sein. Warte ab, Licinus. Solche Menschen kennen in ihrer Gier keine Grenzen. Sie werden den Hals nicht voll kriegen können. Und das wird ihnen letztendlich das Genick brechen." Er sprach in sehr sicherem Tonfall. Dabei war er sich gar nicht so sicher. Am Ende waren diese Kerle intelligent genug, aufzuhören und fortzugehen. In dem Fall würden sie gewiß niemals gefaßt.



    Hier in der Reihe der Menschen, die volle Eimer nach vorne und leere nach hinten reichten, war es völlig egal, ob man Legionskommandant oder Ölhändler oder Bettler war. Es kam darauf an, schnell und möglichst ohne viel zu verschütten die Eimer weiterzugeben. Plötzlich aber war kein namenloser Unbekannter mehr neben ihm in der Reihe, sondern Iulius Licinus, Primus Pilus der Prima und vor allem auch sein Klient. "Salve, Iulius." Doch der Gruß blieb Ursus fast im Halse stecken, was nicht an dem Rauch und der Hitze lag, die immer wieder über sie hinweggeweht wurden und die Gesichter und die Kleidung langsam aber sicher schwärzten. "Dieses Haus? Du meinst, sie haben es niedergebrannt, um...?" Unwillkürlich hielt er in seiner Arbeit inne und starrte zu den licherloh brennenden Ruinen. Sofort wurde er angestoßen und angemault, weiterzumachen, was er sich dann auch beeilte zu tun. "Alle Männer sind in Ordnung?", fragte er sofort nach, denn das war wohl jetzt die wichtigste Frage.


    Brandstiftung war das verabscheuungswürdigste Verbrechen überhaupt. Aber diese Verbrecher hatten ja schon vorher gezeigt, daß ihre Gier keine Grenzen kannte und sie nicht die geringsten Hemmungen hatten, was das Vernichten von Menschenleben anging. "Wir werden sie kriegen, Iulius. Wir müssen sie kriegen." Wie, das war allerdings eine Frage, die er nicht zu beantworten wußte. Diese Kerle waren nicht nur skrupellos, sondern offensichtlich auch mächtig gut informiert und alles andere als dumm.