Beiträge von Titus Aurelius Ursus

    Auch Ursus sah den traurigen Blick von Fhionn. Gerade noch, als er schon auf die Straße reiten wollte. Er wendete sein Pferd und ritt zu ihr zurück. "Du weißt, ich würde Dich mitnehmen. Doch nicht ich habe über Dich zu entscheiden, sondern Corvinus. Ich nehme nicht an, daß Du ihn um Erlaubnis gefragt hast?" Er wußte nicht einmal, was für Beschränkungen ihr auferlegt waren - falls ihr Beschränkungen auferlegt waren. Doch da sein Verhältnis mit Corvinus mittlerweile mehr oder weniger eingefroren war - der Onkel verweigerte ja jedes Gespräch - konnte Ursus wohl davon ausgehen, daß es Ärger geben würde, wenn er Fhionn mitnähme. "Komm schon, sei nicht traurig. Wir werden im Frühjahr ganz sicher wieder einen Ausflug machen. Und dann kannst Du bestimmt dabei sein."


    Sein Blick schweifte zu Tilla. Er konnte ihr ansehen, wie sehr sie Fhionn bedauerte. "Tilla... warum achtest Du nicht bei diesem Ausflug auf ganz besondere Dinge? Und bringst ihr vielleicht eine Kleinigkeit mit? So kann sie auch ein wenig daran teilhaben, auch wenn sie nicht dabei sein kann. Komm, wir wollen los."

    "Das ist gut zu wissen, daß wir derart fähige Sklaven haben. Die Bibliothek ist auch wirklich gut bestückt und soweit ich beobachten konnte, lief der Verkauf der Abschriften schon gut an." Er hatte sich bisher nicht die Mühe gemacht, die Arbeit dieser Sklaven mal zu begutachten. Aber das war ja auch nicht seine Aufgabe.


    Bei ihren nächsten Worten schüttelte Ursus dann den Kopf. "Also wirklich, Clara! Geld sollte das letzte sein, das Dich hindert, einen Cursus zu besuchen. Immerhin hast Du jetzt einen Patron. Schon vergessen?" Das würde er sich noch so gerade leisten können, ihr die Kursgebühr zu finanzieren. "Also bitte, beim nächsten Kurs kommst Du zu mir! Und dann nimmst Du auch daran teil, wenn er Dich interessiert!" Er sprach ein wenig vorwurfsvoll, damit sie merkte, daß sie sich keineswegs zu schämen brauchte, wenn sie derartige Hilfen annahm.

    Das war ja erfreulich zu hören, daß die Sklaven gut arbeiteten. Ursus nickte lächelnd. "Wer immer sie gekauft hat, hat sehr gut ausgewählt. Scheue Dich nicht, sie in Anspruch zu nehmen. Meistens sind sie hier doch eher unterbeschäftigt."


    Er sah zu, wie sie sich selbst auch noch einmal nachschenkte und freute sich, daß sie einfach mitlachte und nicht am Ende glaubte, er würde sie auslachen. Denn nichts läge ihm ferner. "Na, das hoffe ich doch stark, daß Du meinen nächsten Kurs besuchen wirst. Und... diese weiterführenden Kurse kosten nur einmal Kursgebühr. Hat man sie einmal entrichtet, darf man so viele dieser Kurse besuchen, wie man möchte." Das wußten viele nicht, obwohl es eindeutig in den offen aushängenden Informationen stand.

    Ursus wartete noch einen Moment, ob noch Fragen gestellt würden. Doch das war offensichtlich nicht der Fall. "Nun, wie ich sehe, ist soweit alles klar. Wir sehen uns dann morgen zur Prüfung und ich wünsche allen viel Erfolg!" Er blickte noch einmal in die Runde, lächelte aufmunternd und packte dann seine Unterlagen zusammen, um zu gehen. Morgen würde dann die Prüfung abgehalten werden. Er hoffte, daß alle Teilnehmer bestehen würden.

    Ursus nahm den Becher ein weiteres mal entgegen und nippte daran, bevor er ihn wieder auf dem Tisch abstellte. "Nun, natürlich nicht alle Sklaven. aber die, die ihm zuarbeiten schon." Er lächelte und nickte. "Ja, ich habe sie auch als sehr hilfsbereit empfunden." Sie waren offenbar gut ausgesucht worden.


    Bei ihrer nächsten Frage lachte er und hob abwehrend die Hände. "Ihr Götter! Laß mich erst einmal diesen durchstehen. Ich habe noch keine Ahnung, welches Thema der nächste Kurs behandeln wird. Und ich weiß auch noch nicht, ob ich ihn durchführen werde oder jemand anderer." Vielleicht wollte ja auch niemand, daß er noch einmal einen Kurs durchführte?

    Ursus kam erst einmal der Aufforderung nach und legte die Unterlagen auf einem Tischchen ab. "Nun", begann er ein wenig zögernd, "ich habe leider nicht viel Gutes zu berichten. Die Arbeiten sind bei weitem nicht so weit fortgeschritten, wie sie es zu diesem Zeitpunkt sein sollten. Auf der Baustelle erfuhr ich, daß schlicht zu wenig Arbeiter da sind. Der Leiter der Bauarbeiten berichtete, daß er mit dieser Anzahl an Arbeitern nicht in der Lage sei, die Kuppel zu errichten. Er bekäme schlicht zu wenig Geld zur Verfügung gestellt, um weitere Arbeiter einstellen zu können. - Vom derzeitigen Stand der Arbeiten kannst Du Dich anhand dieser Zeichnungen selbst überzeugen." Er reichte die Mappe mit einigen Seiten aus feinstem Papyrus weiter, auf denen Louan die Szenen auf der Baustelle sehr eindrucksvoll festgehalten hatte.


    "Nun, natürlich gab ich mich mit dieser Auskunft nicht zufrieden, denn ich fragte mich, was aus dem Geld geworden war, das vom Senat schon vor Jahren bewilligt worden ist. Ich ließ mir die Unterlagen aushändigen und suchte den eigentlichen Bauherrn, sein Name ist Titus Statilius Taurus, in seinem Haus auf. Seinen Angaben zufolge hat er alle Aufwendungen bisher allein getragen und noch keinerlei Geld vom Senat erhalten. Er habe sich bereits an Consul Vitorius Marcellus gewandt, sei aber nur vertröstet worden, wie von dessen Vorgängern auch bereits. Statilius drohte an, die Arbeiten vollständig einstellen zu lassen, wenn er nicht bald Geld erhält. Es seien 40.000 Sesterzen vereinbart worden und die Hälfte davon verlangt er jetzt. Die andere Hälfte nach Fertigstellung." Damit war er erst einmal das Wichtigste losgeworden. Und war tatsächlich gespannt auf die Reaktion des Consuls.

    Ursus mußte unwillkürlich lachen. das hatte wahrhaftig anders geklungen! Da konnte nur ein Mißverständnis dahinter stecken. Aber gut, nun war er hier. Und Laevina sah wieder einmal zum Anbeißen reizend aus. Wie schade, daß sie miteinander verwandt waren. Aber zuvorkommend konnte - und sollte - man ja auch zu Verwandten sein. "Nun, zu tun habe ich natürlich immer. Aber wenn dieser Stadtbummel nicht gerade den ganzen Tag dauert, dann kann ich wohl durchaus mitgehen. An was hast Du denn gedacht? Willst Du einkaufen?" Oje, wenn Frauen einkauften... Aber gut, einmal konnte er das durchaus ertragen. Und vielleicht konnte er ja auch die Angelegenheit ein wenig lenken, wenn es zu langweilig werden sollte.


    Bei diesem Blick, den sie auflegte, hätte er sowieso nicht ablehnen können. Der arme Mann, der sie einmal zur Frau bekommen würde. Er würde ihr nichts abschlagen können, soviel war klar. "Hast Du Dich denn hier bei uns schon ein wenig eingelebt? Fühlst Du Dich wohl?", fragte er fürsorglich und interessiert. In letzter Zeit war es erschreckend still geworden in diesem Haus.

    Na, das wollte Ursus aber nicht hoffen, daß schon beim Vertragsabschluß irgendetwas gemauschelt worden war und der Vertrag deswegen in der Versenkung verschwunden war. "Ja, wenn überhaupt. Doch wie heißt es so schön: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Also nochmal vielen Dank. Und ich denke, wir begegnen uns bald wieder. Vale." Ursus nichte dem Tiberier nochmal zu und verließ dann das Officium. Wirklich ein patenter Mann, dieser Tiberius Iuvenalis. Den Namen wollte er sich merken. Wirklich, Ursus verstand gar nicht, warum Corvinus so mißtrauisch gegenüber den Tiberiern war - abgesehen von Durus. Vielleicht sollte er mal sehen, daß er auch die restlichen Angehörigen der Gens Tiberia einmal kennenlernte. Bisher kannte er ja praktisch nur Durus. Und den hielt Ursus ebenfalls für einen hervoragenden Mann.

    Ursus schaute ein wenig entsetzt drein. "Das wäre wirklich die schlimmste aller Möglichkeiten, denn soweit ich weiß, ist Octavius Detritus verreist - irgendwo ins Ausland. Es dürfte schwer, vermutlich sogar unmöglich sein, ihn zu erreichen. Nun, sein Officium ist sicher eine Möglichkeit, der ich auf jeden Fall noch nachgehen werde. Vielen Dank für diesen Hinweis." Aufseufzend erhob sich Ursus. Das war alles andere als einfach. Daß gerade solche Unterlagen mit so wenig Sorgfalt behandelt worden waren, war ja eigentlich eine Schande. Wer da wohl geschlampt hatte?


    "Ich danke Dir für das Wasser und für Deine Zeit. Und erwarte Deine Nachricht, ob in den Archiven etwas zu finden war. Sollte ich selbst vorher fündig werden, dann informiere ich Dich selbstverständlich, damit hier nicht weiter gesucht werden muß."

    Die Unterhaltung der Vettern fand ein Ende, als es ruhiger im Raum wurde und die Opferung begann. Ursus wandte sich dem Geschehen zu und schaute aufmerksam zu. Ein schönes Tier. Das Schaf war so makellos weiß, daß er sich unwillkürlich fragte, wie lange man es dafür hatte waschen müssen. Dann schalt er sich für diesen Gedanken und richtete seine Aufmerksamkeit auf das Geschehen. Balbus nahm das Opfer vor, als hätte er nie in seinem Leben etwas anderes getan. Bisher lief jedenfalls alles reibungslos. Das Blut wurde sorgfältig aufgefangen, das Tier war ohne große Gegenwehr gestorben. Nun kam der spannende Moment. Würden die Innereien des Schafes einwandfrei sein?

    Man konnte ihr ansehen, wie erleichtert sie war, daß sie doch einigermaßen problemlos an die nötigen Informationen kam, um eventuellen Besuchern eine ordentliche Auskunft geben zu können. Ursus nickte lächelnd. "Falsch ist das auf keinen Fall. Auch wenn die Besucher vermutlich gar nicht bis zum Rector vorgelassen werden, wissen die Sklaven, die ihm direkt zuarbeiten doch meistens über die neuesten Pläne des Rectors Bescheid. Und die kannst natürlich auch Du fragen, wenn mal was unklar ist. Die kennen den Laden, denn die meisten arbeiten schon viele Jahre hier. Und sie sollen ja auch Dir zuarbeiten." Es war nicht gut, wenn Sklaven unterbeschäftigt waren, da kamen sie nur auf dumme Gedanken.


    "Ja, gerne, das schmeckt wirklich gut." Er hielt ihr nochmal den Becher hin, damit sie ihn füllen konnte.

    Die kleine Tilla öffnete die Tür und sah auch recht fröhlich aus. Anscheinend hatte sie sich schon ein wenig mit Laevina angefreundet. Das war ja schon mal erfreulich. Oft hatte er das Gefühl, daß Tilla nicht ganz glücklich war. Doch er konnte wenig dagegen tun.


    "Salvete, die Damen", grüßte er, als er eintrat und betrachtete lächelnd die heimelige Szene. Er hatte noch nicht oft Gelegenheit gehabt, zuzusehen, wie einer Dame die Haare zu einem Kunstwerk gerichtet wurden. Und eigentlich war er sehr froh, selbst kurze Haare zu haben, mit denen es nicht viel Arbeit gab. Und natürlich war er erleichtert, daß die beiden fröhlich und gesund aussahen. Einen Unfall hatte es demnach schon mal nicht gegeben.


    "Mir wurde berichtet, Du brauchst mich dringend? Ist irgendetwas passiert? Brauchst Du Hilfe?", wandte er sich in besorgtem Ton an seine Cousine.

    Ursus legte den Kopf leicht schief. "Soweit ich informiert bin, braucht er nur eine Anmeldung für den Cursus Iuris einzureichen und wird dann von einem der Juristen angeschrieben werden. Das gehört zu den Kursen, die immer bei Bedarf stattfinden, genauso wie die Kurse des Cultus Deorum. - Aber der Rector wird ihm dies sicher auch erläutern. Ansonsten, diese Informationen sind doch öffentlich ausgehängt. Die kannst Du ruhig auch so weitergeben. Und ansonsten frag einfach, ich bin sicher, die Informationen sind nur durch ein Versehen nicht an Dich gelangt."

    Zitat

    Original von Decimus Annaeus Varus
    Ich hatte derweil bis zum Eintreffen von Ursus und all denen, die heute auf den Sieg der Aurata bei einer ausgelassenen Feier frönen wollten, alles vorbereiten lassen. Eine lange Tafel war im hinteren Teil der Taberna aufgestellt wurden und allerlei Getränke und Leckereien schmückten die Tafel, die nur darauf warteten, verzehrt zu werden. Es dauerte eine Weile, bis Ursus den Weg in die Taberna gefunden hatte. Die eigens dafür aufgestellte Tafel war schon gut besetzt und auch die letzten in Ursus´ Schlepptau würden sich nun einen Platz in der schon fröhlichen Runde suchen. "Wie du siehst, habe ich alles vorbereiten lassen." Meinte ich zu Ursus, als dieser sich auf einem freien Platz an der Tafel niederließ. Die ersten leeren Teller und Schalen wurden sofort durch neue gut gefüllte ersetzt, so das jeder zugreifen konnte, wonach das Herz begehrte. "Es ist für alles gesorgt." Meinte ich abermals zu Ursus und nahm neben ihm mit einem Augenzwinkern Platz. Alcimus der Wirt brachte eine neue Kanne Wein und füllte gleich einen Becher eigens für Ursus ab, welchen er ihn dann vor ihm abstellte. Ich hielt meinen Becher Ursus zum anstoßen entgegen. "Auf dich und die Aurata." Und diesen Satz konnte man bis in die letzte Ecke der Taberna hören.



    Es war wahrhaftig für alles gesorgt. Ursus schaute sich aufmerksam um und nahm sich ein paar der Leckereien, die angeboten wurden. Innerhalb kürzester Zeit stand auch ein gut gefüllter Becher vor ihm. Er hob ihn an, um mit Varus anzustoßen und fiel lachend in den Trinkspruch mit ein. "Auf die Aurata. Und einen glorreichen Sieg!" Auch er sprach laut genug, daß alles es hören konnten. Der Trinkspruch wurde aufgenommen und tönte dann aus vielerlei Kehlen durch die Taberna. Die gute Stimmung war fast greifbar, fröhliches Gelächter klang aus mehreren Richtungen und die Schwatzereien an den Tischen waren lebhaft und freudig.


    "Du hast Dich ja ganz schön ins Zeug gelegt, Varus! Eine schöne Taberna ist das hier. Der Wein ist hervorragend. Wenn das Essen auch so gut ist, muß ich am Ende doch um meine Figur fürchten und verliere meine Wette." Er lachte wieder und trank einen weiteren Schluck Wein, bevor er etwas Brot und Käse aß.

    Ursus folgte dem aegyptischen Sklaven in das Tablinum, wo er auch gleich den Consul antraf. "Salve, Consul Aelius. Ich komme, um Dir von meinem Besuch auf der Baustelle zu berichten. Ich habe ein paar Notizen und Unterlagen mitgebracht. Und auch ein paar Zeichnungen, die einer meiner Klienten angefertigt hat. Ein künstlerisch sehr begaber junger Mann." Er wollte nicht gleich sagen, was für schlechte Nachrichten er mitbrachte. Das konnte warten, bis sie beide saßen. Besser war das wohl.

    Gerne nahm Ursus den Becher entgegen und trank auch gleich einen tüchtigen Schluck davon. Es schmeckte wirklich sehr gut, wie er auch lobend erwähnte, während er sich ein paar Nüsse nahm. Dann hörte er sich an, was Clara im Moment plagte. "Ich glaube, das liegt ganz einfach daran, daß die Schulleitung es selbst noch nicht so genau weiß. Es herrscht dramatischer Mangel an geeignetem Lehrpersonal. Was Du schon daran erkennst, daß man mich gleich einen Kurs abhalten läßt, der als weiterführender Kurs gekennzeichnet ist. Und das, ohne daß ich hier einen solchen absolviert hätte. Es ist ein Risiko für die Schulleitung, mich dafür einzusetzen. Und zugleich ein Vertrauensbeweis in meine Fähigkeiten." Er hoffte, daß er den Erwartungen gerecht werden würde. "Soweit mir bekannt ist, gibt es noch keinen weiteren Kurs. Sicher wird in einigen Wochen wieder ein Cursus Res Vulgares stattfinden, soweit ich gehört habe, soll nun wieder sicher einer in jeder Amtszeit stattfinden." Das war natürlich noch sehr dünn als Information. Doch Ursus war sich sicher, daß es schlicht noch nicht mehr Informationen gab. "Gab es denn in letzter Zeit spezielle Anfragen?"

    Zitat

    Original von Nakhti
    Die Porta wurde geöffnet und gab den Blick auf die bekannte Gestalt Nakhtis frei. Der erkannte Aurelius Ursus, verneigte sich und begrüßte ihn:
    “Willkommen in der Domus Aeliana, 'err. Du zu meinem 'errn Aelius Quarto möchtest, 'err?“


    Eigentlich eine überflüssige Frage, doch Ursus blieb gleichbleibend freundlich, als er antwortete. "Salve. Ja, zu eben jenem möchte ich. Ich nehme an, daß er mich schon erwartet." Immerhin wollte der Consul ja umgehend Bericht erstattet haben.

    "Nunja, zumindest steht darin, welche Partei welche Verpflichtungen eingegangen ist. Dies ist die Grundlage für alles weitere, deshalb ist es so wichtig." Da der Bauunternehmer seine Ausfertigung des Vertrages nicht hatte zeigen wollen, vermutete Ursus eben, daß darin etwas vereinbart war, was der Mann unter den Tisch kehren wollte.


    "Wenn nichts zu finden ist, wird es problematisch. Wo könnte denn solch ein Dokument noch lagern, wenn nicht im Archiv? Du mußt verzeihen, so sehr bin ich mit den Strukturen des Verwaltungsapparates noch nicht vertraut. Ich hielt Dich für die sicherste Anlaufstelle für derlei Anliegen." Irgendwie mußte das doch herauszufinden sein, was damals vereinbart worden war.

    Am nächsten Tag fanden sich wieder alle pünktlich ein, wie Ursus erfreut feststellte. Dann war sein Vortrag hoffentlich nicht zu schlecht gewesen. Oder sie waren auf den Abschluß angewiesen, das konnte natürlich auch sein. Aber er wollte dann doch lieber die erste Möglichkeit annehmen.


    "Salvete", grüßte er die Anwesenden in freundlichem Ton. "Heute folgt nun der zweite Teil des Vortrages. Ich hoffe, ihr seid alle gut ausgeruht und bereit für eine weitere Vielzahl von Jahreszahlen und Namen." Er lächelte. Bei einem reinen Überblick, wie er ihn bot, war es eben normal, daß es vor Jahreszahlen und Namen nur so strotzte.


    "Herrschaftsübernahme


    An Tiberius als Nachfolger von Augustus schien es nicht den geringsten Zweifel zu geben. Er übernahm noch im August 14 den Prinzipat. Die Consuln zögerten nicht, ihm den Gefolgschaftseid zu leisten und ebenso der praefectus praetorio L. Seius Strabo. Die Ermordung des Agrippa Postumus, die kurz nach der Regierungsübernahme des Tiberius erfolgte, führte zu Spekulationen, Tiberius hätte dahinter gesteckt, was jedoch kaum als sicher angesehen werden kann. Die Provinzen leisteten den Huldigungseid auf Tiberius. Trotzdem brach eine Meuterei der Legionen in Pannonien und Untergermanien aus. Tiberius blieb dennoch in Rom, er schickte seine Söhne Drusus und Germanicus, um diese Probleme zu lösen.


    Tiberius widmete sich derweil den Regierungsgeschäften. Er beachtete dabei streng die Normen der Nobilitätsherrschaft und bezeichnete sich selbst als Diener des Senates und der Gesamtbürgerschaft. Er war konservativ und bemühte sich darum, den von Augustus vorgezeichneten Weg einzuhalten. Sein Hauptaugenmerk lag darauf, die Finanzen im Rahmen zu halten, was ihm den Ruf übertriebener Sparsamkeit einbrachte. Gute Statthalter behielt er lange in den Provinzen. Außenpolitisch versuchte er, das Reich so zu erhalten, wie es war. Es weiter auszudehnen, lag nicht in seiner Absicht. Auch Germanicus, der in den Jahren 15 und 16 verlustreiche Feldzüge in Germanien durchführte – und dies ohne endgültige Erfolge verbuchen zu können, wurde schließlich von Tiberius zurückgerufen. Er gewährte ihm zwar einen Triumph, schickte ihn dann aber im Jahr 17 in den Osten, um dort die Verhältnisse zu ordnen und Kappadokien als Provinz dem Reich anzugliedern. Im Jahr 18 war Tiberius Consul, gemeinsam mit Germanicus.


    Als dieser im Jahr 19 infolge einer Krankheit in Syrien starb, nachdem er ohne Erlaubnis des Kaisers Ägypten bereist hatte, wurde dem Statthalter von Syrien, Cnaeus Calpurnius Piso, aufgrund der schweren Anschuldigungen, ihn vergiftet zu haben, die Germanicus noch auf dem Sterbebett gegen ihn erhoben hatte, der Prozess gemacht. Dieser entzog sich dem Urteil durch Selbstmord, um seine Familie zu schützen. Die Unparteilichkeit des Tiberius während des Prozesses gegen Piso wurde besonders hervorgehoben.


    Im Jahr 21 war Tiberius Consul, gemeinsam mit seinem Sohn Drusus. Tiberius zog sich, mit der Begründung seine Gesundheit festigen zu müssen, nach Campanien zurück, wodurch sein Sohn Drusus praktisch allein das Consulat ausführte. Von Campanien aus traf Tiberius die Maßnahmen zur Niederschlagung eines Aufstandes in Gallien, der in Rom große Wellen geschlagen hatte.



    Aufstieg und Fall des Seianus


    Lucius Aelius Seianus, Sohn des Lucius Seius Strabo, adoptiert von Lucius Aelius Gallus, war zunächst Praetorianerpraefekt neben seinem Vater Strabo. Als dieser jedoch zum Preafectus Aegypti ernannt wurde, blieb Seianus allein auf dem Posten des Praetorianerpraefekten. Er schaffte es, immer größeren Einfluß auf Tiberius zu gewinnen und unterhielt, natürlich ohne Wissen des Kaisers, eine ehebrecherische Beziehung zu Livia (auch Livilla genannt), der Ehefrau des Drusus. Im Jahr 23 starb Drusus, der Sohn des Tiberius, infolge eines Giftanschlages. Dieser war von Seianus angestiftet und von Livilla ausgeführt worden, was natürlich erst viel später bekannt wurde. Tiberius versagte es dem Seianus im Jahr 25, Livilla zu ehelichen.


    Tiberius verließ Rom im Jahr 26, wohl auf Betreiben des Seianus hin, und ging über Spelunca und Tarracina nach Capri, das er im Jahr 27 erreichte. Auf dem Weg gerieten sie während einer Rast in einen Steinschlag, wo Tiberius von Seianus vor herabstürzendem Gestein beschützt wurde, was sein großes Vertrauen in diesen Mann mit erklären mag. Tiberius blieb auf Capri. Auch als 28 Livia starb, verließ er es nicht. In Rom baute Seianus derweil seine Macht immer weiter aus und wandte sich vor allem gegen die Familie des Germanicus, Agrippina und ihre Söhne Nero und Drusus, die verbannt oder inhaftiert wurden.


    Wohl plante Seianus auch eine Verschwörung, um selbst zum Prinzipat zu gelangen, doch Tiberius erfuhr davon. Auf welchem Wege, ist nicht vollständig bekannt, doch wird vermutet, dass Antonia, die Witwe von Tiberius’ Bruder Drusus, ihm davon berichtete. Tiberius ernannte daraufhin Naevius Sertorius Macro zum Praetorianerpraefecten und verfasste eine Anklage gegen Seianus, die er an den Senat sandte. Seianus wurde verhaftet und vom Senat zum Tode verurteilt. Noch am gleichen Tag wurde er hingerichtet. Das gleiche Schicksal erlitten seine Kinder. Seine Ehefrau, von der er sich schon Jahre vorher getrennt hatte, wurde verschont. Sie berichtete Tiberius in einem Brief von dem Giftmord des Seianus und der Livia (Livilla) an Drusus und nahm sich selbst daraufhin das Leben. Viele Vertraute des Seianus verloren kurz darauf noch ihr Leben, unter ihnen auch Livia (Livilla). Dies geschah im Jahr 31 n. Chr.



    Die letzten Jahre und Tod des Tiberius


    Tiberius betrat Rom nicht mehr. Doch half er mit großzügigen Mitteln bei einer Wirtschaftskrise im Jahr 33 und bei einer schweren Feuersbrunst im Jahre 36. Im Jahr 35 griff er energisch in Thronstreitigkeiten im Partherkrieg ein. Er machte Tiridates II. zum König von Armenien und setzte Lucius Vitellius als Statthalter in Syrien ein. Dieser zwang den Partherkönig Artabanos zur Anerkennung dieser Maßnahme. Dies war aber nicht von langer Dauer, denn Artabanos verbündete sich mit den Skyten und trieb seinen Rivalen ohne große Mühe wieder aus dem Land.


    Im Jahr 37 begab sich Tiberius wieder in die Nähe Roms, betrat die Stadt aber nicht. Auf der Rückreise kam er nur bis zum Kap Misenum, wo er, bereits sehr krank, starb. Trotz seiner Krankheit gab es Spekulationen, ob seinem Tod nicht etwas nachgeholfen wurde, zumal sein Nachfolger Gaius Iulius Caesar Germanicus (Caligula) anwesend war. Doch bewiesen werden konnte dies nicht.


    Der Leichnam des Tiberius wurde in Rom auf dem Marsfeld verbrannt und die Asche im Mausoleum Augusti beigesetzt.



    Allgemeines zur Person des Tiberius


    Die Quellen sprechen sich unterschiedlich über Tiberius aus. Sicher scheint zu sein, dass es sich um einen ausgesprochen verschlossenen, am Ende seines Lebens sogar menschenscheuen Mann gehandelt hat, der seine Gefühle und Absichten niemals zu erkennen gab. Dem Augustus gegenüber war er treu und gehorsam, er gab dem Reich Stabilität durch gezielte militärische Maßnahmen und durch sparsamen Umgang mit den Staatsfinanzen. Doch es wird auch berichtet über eine Vielzahl von Prozessen, die aufgrund unbewiesener Anschuldigungen geführt wurden. Sogar von hohen Belohnungen für Ankläger wird berichtet. Selbst die Nachkommen der Angeklagten wurden demnach in vielen Fällen nicht verschont, sondern auf grausame Weise ums Leben gebracht. Vor allem für die letzten Jahre seines Lebens wird von Tyrannei, Ausschweifungen, Grausamkeiten und Schändlichkeiten berichtet. Inwieweit diese Anschuldigungen zutreffend sind, beziehungsweise jene Prozesse tatsächlich auf Tiberius zurückzuführen sind, ist allerdings ungewiß.


    Es ist bekannt, daß er kein Vergnügen an Schauspielen oder gar Gladiatorenspielen hatte, besuchte sie nur ausgesprochen selten und veranstaltete selbst keine. Er war nichtrömischen Religionen gegenüber tolerant, wenn sie sich in erträglichen Grenzen hielten und nicht zu öffentlichen Skandalen führten. Zweifelsohne war er ein hervorragender Feldherr. Einige Quellen sprechen davon, dass er den Prinzipat nicht angestrebt hat, andere, dass er dies nur vorgetäuscht habe.


    Die Persönlichkeit Tiberius bleibt somit für die Nachwelt im Dunkeln, da kaum festgestellt werden kann, welche der Beurteilungen übertriebener Bewunderung oder übler Nachrede zuzuschreiben sind. Doch immerhin regierte er Rom dreiundzwanzig Jahre lang und ist dabei sicherlich erfolgreich zu nennen." Damit endete der heutige Vortrag. Wieder griff Ursus als erstes nach dem Wasserglas, um seine Kehle anzufeuchten. Und auch, damit sich bei den Zuhörerern das Gehörte erst einmal setzen konnte.



    Sim-Off:

    Quellen:


    Der kleine Pauly, Lexikon der Antike; Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München; März 1979


    Publius Cornelius Tacitus; Sämtliche erhaltene Werke; Unter Zugrundelegung der Übertragung von Wilhem Bötticher neu bearbeitet von Andreas Schäfer; Magnus Verlag, Essen 2006


    Cassius Dio; Römische Geschichte Band IV (Bücher 51 – 60), übersetzt von Otto Veh; 2007 Patmos Verlag GmbH & Co. KG Artemis und Winkler Verlag, Düsseldorf


    C. Suetionius Tranquilius; Sämtliche erhaltene Werke; Unter Zugrundelegung der Übertragung von Adolf Stahr, neu bearbeitet von Franz Schön und Gerhard Waldherr; Magnus Verlag 2004


    Ingemar König; Kleine römische Geschichte; 2001, 2004 Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart


    Geschichte 9/07; Roms Kaiser von Tiberius bis Nero; Johann Michael Sailer Verlag GmbH & Co. KG, Nürnberg

    Auch Ursus setzte sich und er nickte bei ihrem freundlichen Angebot. "Danke, sehr gerne. Ich bin ziemlich durstig, da ich schon einige Zeit unterwegs bin. Mein Amt fordert mich doch ganz schön. Aber ich muß gestehen, daß es mir auch Spaß macht. Mit dem Consul Aelius zusammenzuarbeiten, ist eine Freude. Das überwältigende Wahlergebnis lag ganz sicher nicht nur daran, daß er der Bruder des Kaisers ist. Er ist ein kluger und fähiger Mann. Noch dazu dem Kaiser treu ergeben. Das klingt jetzt fast idealisiert. Doch es ist tatsächlich so. - Wie geht es Dir mit Deiner Arbeit hier? Macht sie Dir Freude? Oder ist irgendetwas nicht in Ordnung?" Da er nun ja auch für die Schola arbeitete, konnte er vielleicht das eine oder andere für sie tun.