"Ja, er ist der jüngere Bruder meines Vaters", erklärte Ursus sichtlich verlegen wegen der leicht vorwurfsvollen Frage, ging auf diese aber lieber nicht ein. Immerhin stand es mit seinem Verhältnis zu Corvinus nicht zum besten. Doch das war etwas, was innerhalb der Familie bleiben sollte, zumal das ja auch kein Dauerzustand sein mußte. "Ich danke Dir sehr für die Unterstützung. Und stehe Dir, wie schon erwähnt, gerne zur Verfügung, wenn es etwas gibt, das ich für Dich tun kann." Es mochte der Tag kommen, an dem er sogar einem Mann wie Vinicius Hungaricus nützlich sein konnte.
Beiträge von Titus Aurelius Ursus
-
-
Ursus nickte ernst. "Nun, ich dachte daran, mit Louan darüber zu sprechen. Dann kommt er auch mehr in die Stadt, lernt auch noch Leute kennen, die ihm vielleicht ebenfalls weiterhelfen können. Du weißt schon, der Bursche, der mit uns von Germanien kam... Er könnte sich sehr gut um die Schreine kümmern. Aber ich muß erst mit ihm reden." Er war zwar sein Klient, aber aufzwingen konnte er ihm so etwas schließlich trotzdem nicht. Und wollte es auch nicht.
"Aber jetzt genug davon", meinte Ursus und griff nach dem Krug, um alle drei Becher wieder aufzufüllen. "Wirst Du auch zum Wagenrennen nach Misenum kommen, Sedulus?"
-
Ursus legte den Kopf schief. Zählte wirklich nur der Ablauf der Riten? "Nein, ich glaube nicht, daß ich es so sehen kann: nichts weiter als der völlig korrekte Ablauf der Riten. Natürlich müssen sie völlig korrekt durchgeführt werden. Aber das kann doch nicht alles sein. Die Götter schauen in die Herzen. Also wenn sie überhaupt schauen, uns also überhaupt anhören. Wie könnte es da genügen, die Riten in vorgeschriebener Weise durchzuführen?" Er atmete tief durch. So rein sachlich als reinen Arbeitsgang konnte er den Tempeldienst wahrhaftig nicht sehen.
"Zur Fors Fortuna war ich noch in Germanien. Ich wäre gerne dabei gewesen. Zu den Festtagen bin ich eigentlich immer dabei. Das habe ich stets so gehalten und Corvinus weiß das auch. Aber Du hast recht, die Bürger sollten sich wieder mehr beteiligen, die letzten Festtage, die ich hier in Rom erlebt habe, waren nicht übermäßig gut besucht. Was meinst Du, woran das liegt?" Ob die Menschen sich einfach nicht mehr interessierten? Warum hatten sie denn dann früher mehr an den Festtagen teilgenommen?
"Ja, natürlich. Das ist ja klar, daß ihr hauptsächlich darüber sprecht. Ich dachte nur, er hätte es vielleicht zufällig erwähnt. Ich habe mich eben in Germanien ein wenig mit den germanischen Stämmen befaßt und hatte auch mit den Ducciern zu tun. Da hätte es mich interessiert, wo ihre Ursprünge liegen." Er zuckte die Schultern. Einen Versuch war es wert gewesen.
-
Daß sich der Senator nicht gleich und genau an seinen Vater erinnerte, wunderte Ursus nicht sonderlich. Sein Vater war ja nun schon recht lange tot und so lange hatte er in der Curia provincialis auch nicht gearbeitet. Er war eben auch noch in anderen öffentlichen Ämtern tätig gewesen. Und einige außerhalb Roms.
Ein klein wenig verlegen antwortete Ursus auf den Hinweis des Vinicius bezüglich Crassus: "Nun, das ist mir natürlich bekannt, daß Caecilius Crassus mir bei meinem jetzigen Anliegen nicht weiterhelfen kann. Ich erwähnte ihn auch nur, um die Worte Deines Bruders zu wiederzugeben. Auf den Rat Deines Bruders hin, und weil Du zudem der Patron meines Onkels Aurelius Corvinus bist, wagte ich es, Dir meine Bitte um Unterstützung bei der Wahl vorzutragen." Es war gar nicht so leicht, zu einem Fremden zu gehen und um Unterstützung zu bitten. Doch wer Erfolg haben wollte, der brauchte die Unterstützung derjenigen, die es schon weit gebracht hatten.
-
"Ja, ohne mein kleines Landgut wäre ich auch aufgeschmissen, das kannst Du mir glauben. Schließlich will ich der Familie nicht mehr auf der Tasche liegen als unbedingt nötig." Die Politik war eine spannende Sache. Und es war ehrenvoll, diesen Weg zu beschreiten. Aber bis er etwas einbrachte, mußte man erst unendliche Durststrecken überstehen. Und spätestens beim Aedil wurde es echt teuer.
"Hm, keine Verpflichtungen, das klingt natürlich verlockend. Aber was hat denn der Verein davon, jemanden zu nehmen, der nichts gibt und nichts tut? Ich fände das wirklich nicht richtig. Laß mich erst meine Quästur schaffen, dann habe ich wieder Kapazitäten frei. Oder... hm. Bevor Du nach Germanien zurückkehrst, laß uns doch nochmal einen trinken gehen. Dann reden wir nochmal drüber, ja?" Ihm war gerade eingefallen, wie er sich doch einbringen konnte, trotz Zeitmangels. Aber das mußte er natürlich erstmal besprechen mit der Person, an die er da dachte. "Wer kann eigentlich so Mitglied werden? Gibt es Bedingungen, die erfüllt sein müssen?"
-
Ursus lachte. "Ich fühle mich wie ein Fisch, der nach einem zu dicken Köder geschnappt hat." Immer noch lachend bediente er sich am Käse und biß noch einmal vom Brot ab. Während er kaute hatte er noch einmal eine Gnadenfrist, in der er nachdenken konnte, was er weiter sagen könnte. Er ließ sich Zeit dabei und nahm auch noch einen Schluck Wein, bevor er tatsächlich weitersprach. "Hör zu, im Moment ist wirklich ein ungünstiger Zeitpunkt. Ich habe nicht viel eigenes Geld, Du weißt selbst, wie wenig einträglich die Politik ist. Eine großartige finanzielle Unterstützung kann ich also nicht bieten. Und meine Zeit wird im kommenden Jahr vollständig ausgefüllt sein. Doch nach dem Jahr sieht das schon wieder ganz anders aus. Wie wäre es, wenn wir dann noch einmal darüber sprechen würden? Oder sagen wir, wenn Du das nächste mal in Rom bist oder ich das nächste mal in Germanien?" Ganz so leicht war er ja nun auch wieder nicht zu ködern. Und der Zeitpunkt war wirklich denkbar schlecht.
-
Ursus brauchte in der Tat ein wenig länger. Und es lag natürlich daran, daß Caelyn so ein Theater machte. So sehr er derartige Bestrafungsmethoden ablehnte, mußte er doch zugeben, daß die Alternative der Peitsche zu den Näharbeiten, mit denen er ihr zur Zeit das Leben vermieste, immer mehr an Attraktivität gewann. Dieses sture Kind! Es war nichts weiter als eine Kraftprobe, wer länger aushielt, das war ihm klar. Und er war selbst stur genug, um nicht nachzugeben. Sollte sie sich eben die Finger blutig nähen, wenn ihr das so viel lieber war.
Nun, irgendwann war auch Ursus soweit, daß sie losgehen konnten. Lange war er nicht mehr des Abends in der Stadt gewesen. Und er wußte, die Gelegenheiten würden immer weniger werden, je älter er wurde. Es war an der Zeit, sich mal wieder richtig zu vergnügen. Den ganzen Ärger hinter sich zu lassen und das Leben zu genießen. Louan mitzunehmen, war eine spontane Entscheidung gewesen. Ob es dem Jungen gefallen würde, mußte sich zeigen. Jedoch wurde es Zeit, daß er auch einmal diese Seite Roms kennenlernte.
Louan wartete bereits draußen, als Ursus dazukam. Und sein Äußeres war auch durchaus ansprechend. Er machte sich, der Junge. "Na, bereit, das Nachtleben Roms zu erobern?", fragte Ursus und grinste dabei sogar ein wenig verschmitzt.
-
Ursus nickte ernst. Ein gutes Gespann sollte man nicht durch Unterbeschäftigung verderben. "Ich werde mich nach den Bedingungen erkundigen. Es wird sich bestimmt machen lassen." Ursus' Blick wurde unweigerlich von dem Farbenspiel angezogen, das die aufgehende Sonne an den Himmel malte. "Schau nur, ist das nicht herrlich? Ich finde, Sonnenaufgänge sind irgendwie noch prächtiger als Sonnenaufgänge", sagte er fast wie zu sich selbst und ein wenig in Gedanken.
Doch ihre Zustimmung auf seine Bitte holte ihn schnell aus seiner Versunkenheit. "Oh, ich glaube, er hält schon einiges aus, so schnell läuft er Dir nicht weg. Aber ich muß Dich auch warnen. Mit Sicherheit hat er gute Anlagen. Aber von allen ungeschliffenen Diamanten der Welt ist er wohl einer der ungeschliffensten. Seine Ausdrucksweise ist manchmal... Naja, wie Caelyns eben. Aber immerhin gibt er sich Mühe. Weit mehr als seine Schwester. Ich wäre Dir wirklich dankbar, wenn Du mit ihm arbeiten würdest. Er soll baldmöglichs den Cursus Res Vulgares absolvieren, benötigt dafür aber natürlich noch Vorbereitung. Und wenn Du herausfinden könntest, wo seine Talente liegen, dann würde das helfen, die richtige Ausbildung für ihn zu finden. Er sagt von sich selbst, daß er gut zeichnen und gut mit Zahlen umgehen kann."
Auf die Frage nach Hektor konnte Ursus nur mit den Schultern zucken. "Hektor reiste ja mit den anderen schon früher nach Rom zurück. Er gehört Prisca und ich nehme an, daß sie ihn irgendwie benötigt. Gesehen habe ich ihn schon länger nicht."
-
Ursus seufzte. "Es ist ja nicht so, daß ich mich nicht einbringen möchte in den Cultus Deorum. Nicht umsonst habe ich die Probatio I bereits abgelegt. Aber eben nicht jetzt. Ich bin der Meinung, daß ein Priesteramt nicht einfach ein Amt ist. Sondern eine Berufung. In ein solches Amt sollte man nicht gehen, weil es der Karriere förderlich ist oder weil jemand in der Familie meint, man sollte doch auch mal Tätigkeiten im Dienst der Götter vorweisen können. Ich fühle, es ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt."
Auch Ursus nahm sich eine der Aprikosen, die sahen wirklich gut aus. Er aß sie erst in Ruhe, dann sprach er weiter. "Nun, es ist doch nicht verkehrt, wenn Corvinus Dich fördert. Und er würde es sicher nicht tun, wenn er Dir nicht vertrauen könnte... Ein Duccier sagst Du? Ich habe einige Duccier kennengelernt in Germanien. Und habe vergeblich versucht herauszufinden, welchem Stamm sie eigentlich angehören. Nur von Duccius Lando weiß ich es, doch er ist adoptiert und stammt von einem anderen Stamm als die anderen. Wie heißt Dein Schüler denn? Hat er mal erwähnt, welchem germanischen Volk er entstammt?" Ein Duccier in Rom im Cultus Deorum. Eine umtriebige Familie.
-
"Na, das hat Dir wohl die Sprache verschlagen, was?", neckte Ursus den stummen Verus. Der Blick, mit dem er Sedulus musterte, war irgendwie merkwürdig. Hatte er etwa etwas gegen Sedulus? Oder gegen diesen Verein? Schon merkwürdig.
"Nun, ich muß gestehen, daß meine Motivation, einem derartigen Verein beizutreten zur Zeit gegen Null tendiert. Ich könnte mich auch gar nicht einbringen, dafür fehlt mir schlicht und ergreifend die Zeit. Ich möchte zur nächsten Wahl kandidieren. Ich möchte an der Schola mitarbeiten. Ich schreibe für die Acta. Und ich engagiere mich in der Factio. Nur um einiges zu nennen. Du siehst also, gerade das, was Dein Verein braucht, kann ich im Moment nicht leisten. Obwohl ich den Zweck des Vereins für durchaus wichtig und förderungswürdig erachte, muß ich Dir zu diesem Zeitpunkt leider eine Absage erteilen." Es fiel ihm nicht leicht, abzulehnen. Tatsächlich war es nötig, daß die Schreine erhalten wurden, Ursus wußte nur zu gut, daß einige in wahrhaft erbarmungswürdigem Zustand waren.
-
Natürlich hatte Ursus schon seit geraumer Zeit überlegt, was für Fragen ihm wohl gestellt werden könnten. Und hatte überlegt, was er darauf wohl antworten könnte oder sollte. Es waren ihm auch unzählige mögliche Fragen eingefallen. Aber er mußte zugeben, diese war nicht dabei gewesen. Sein Blick suchte unwillkürlich Senator Aelius, der sicher auch anwesend war. Nein, Ursus zweifelte nicht daran, daß der Mann zum Consul gewählt werden würde. Er war der Bruder des Kaisers, galt als sein Vertrauter, hatte einen tadellosen Ruf und lebte die Traditionen. Zudem hatte er das Amt schon einmal ausgeübt und war anschließend mit Auszeichnungen geradezu überschüttet worden. Nein, es war keine Frage, Aelius Quarto würde gewiß Consul sein im kommenden Jahr. Spannend war die Frage, wer wohl der zweite Consul werden würde.
Ursus hatte nicht viel Zeit, über seine Worte nachzudenken, denn zu langes Zögern konnte nur negativ wirken. "Leider hatte ich noch keine Gelegenheit, Consular Aelius Quarto persönlich kennenzulernen. Doch zweifele ich nicht daran, mit ihm, sollte er zum Consul und ich zum Quästor Consulum gewählt werden, in Einklang zu kommen. Seine Vertrauenswürdigkeit ist über jeden Zweifel erhaben. Und ich kann nur hoffen, daß er und sein Amtskollege mir ebenfalls vertrauen, sollte ich gewählt werden. Wie ich den Consul im Besonderen zu unterstützen weiß? Im Besonderen ist schwer zu sagen, da es bei ihm und seinem Amtskollegen liegt, einem Quästor Consulum die Aufgaben zuzuweisen und ich somit nicht im einzelnen weiß, was an Aufgaben auf mich zukommen würde. Ich kann nur sagen, daß ich mich vor Arbeit nicht scheue und auch fähig bin, mich schnell in neue Aufgaben einzuarbeiten. Und daß die Consuln auf meine Zuverlässigkeit, mein Pflichtgefühl und meinen Willen, sie mit all meiner Kraft zu unterstützen, bauen können." Gut, das behauptete natürlich jeder Kandidat. Doch hatte er nicht während seines Vigintivirats deutlich bewiesen, daß er diese Eigenschaften besaß und für Rom nur allzu gerne einsetzte?
-
Das war jetzt natürlich für Ursus ein wenig peinlich, daß Hungaricus gar nichts davon wußte, doch wirklich erschüttern ließ er sich davon auch nicht. Zwar konnte man ihm ansehen, daß er damit nicht gerechnet hatte, doch er zögerte nicht, von sich zu berichten. "Mein Vater war Decimus Aurelius Maxentius, vielleicht ist Dir sein Name ja bekannt durch seine Tätigkeit in der Curia Provincialis Italia? Nun, ich habe einige Jahre in Athen studiert, bevor ich die politische Laufbahn einschlug. Vor drei Jahren wurde mir das Amt des Decemvir litibus iucandis anvertraut und ich habe für die Amtsausübung auch eine Auszeichnung erhalten. Ich kann es nur vermuten, aber ich denke, die Auszeichnung hatte etwas mit dem Leitfaden zu tun, den ich für meine Nachfolger verfaßte, damit sie es mit der Einarbeitung in die Materie ein wenig einfacher haben. Direkt nach dem Vigintivirat trat ich mein Tribunat an. Zwar bin ich als Patrizier nicht zum Militärdienst verpflichtet, doch ich wollte auf diese Erfahrungen nicht verzichten. Ich wurde in Germanien eingesetzt, bei der Legio II in Mogontiacum. Dein Bruder übertrug mir das Kommando über die Reiterei und die Leitung der Bauarbeiten am Limes. Und gegen Ende meines Tribunats nahm er mich als Klienten an. Er betonte, daß ich mich an Dich und auch an seinen Freund Caecilius Crassus wenden kann, sollte ich etwas benötigen. Doch natürlich möchte ich dieses Angebot nicht über Gebühr beanspruchen und sollte es etwas geben, das ich im Gegenzug tun kann, so ist es selbstverständlich, daß Du auf mich zählen kannst."
-
Auch Ursus schenkte sich noch einmal ein. Die Süßholzraspelei war für ihn eigentlich nur ein kleiner Spaß. Ein paar Komplimente und etwas Herzlichkeit, damit sie sich willkommen fühlte. Er nahm nicht an, daß Laevina daraus irgendwelche falschen Schlüsse zog. Immerhin waren sie Verwandte.
Bequem schlug Ursus die Beine übereinander und hörte dem Vetter zu, als er berichtete. "Ein ehrenhafter Weg ist es allemal. Ursprünglich hatte ich vorgehabt, nach dem Tribunat ebenfalls erst einmal in den Dienst der Götter zu treten. Für ein oder zwei Jahre erst einmal, bevor ich meine politische Karriere weiterführe. Doch als das Tribunat endete... Ich kann es nicht mal genau begründen. Es fühlt sich im Moment einfach falsch an. Ich habe mich zu nichts verpflichtet, also denke ich, ist eine Umentscheidung nicht das Problem und eine Kandidatur zum Quästor bei der nächsten Wahl der richtige Weg für mich. Ich denke, wenn ich innerlich wieder mehr zur Ruhe gekommen bin, werde ich diesen ursprünglichen Plan wieder aufgreifen." Er hatte sich die Entscheidung keinesfalls leicht gemacht. Doch er war eben der Meinung, daß ein Priester selbst mit sich im Einklang sein sollte. Wie sollte er sonst anderen helfen können? Wie sollte er sonst als Verbindung zwischen den Göttern und den Menschen fungieren können?
Vielleicht hatte ja auch die ganze Geschichte mit Fhionn damit zu tun. Seit er damals den Brief von Corvinus erhalten hatte, war er nicht mehr richtig zur Ruhe gekommen. Vielleicht sollte er vielmehr die Dienste der Priester in Anspruch nehmen? Das könnte helfen. Doch jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, hierüber nachzudenken.
"Ich finde, das hört sich alles sehr gut an und Du hast recht, solch ein Geschenk sollte man wirklich nicht ungenutzt lassen. Wie weit bist Du denn eigentlich mit Deiner Ausbildung als Priester? Bist Du schon im Tempel aktiv eingesetzt?"
-
Eine Frage, über die sich Ursus sehr lange Gedanken gemacht hatte. Und eigentlich hatte er dem Senat diese Entscheidung vollständig überlassen wollen, da er im Grunde jede Quästur als reizvoll empfand. Doch als er seine Kandidatur beim Consul bekannt gab und mit ihm ins Gespräch kam, hatte dieser einen entscheidenden Hinweis gegeben, die nun seine Antwort erheblich beeinflußte. Kontakte. Das war etwas, was Ursus noch fehlte, und was er dringend brauchte.
"Nun, dies ist eine Frage, die mich natürlich in der letzten Zeit sehr beschäftigt hat. Jede Quästur hat ganz ohne Frage ihren Reiz und was immer ihr beschließt, mir als Aufgabe zu übertragen, sofern die Wahl zu meinen Gunsten ausfällt, werde ich gerne ausführen. Doch tatsächlich reizt mich das Amt des Quästor Consulum am meisten." Direkt im Herzen des politischen Lebens arbeiten zu dürfen, auf welchen angehenden Politiker übte dies nicht einen unwiderstehlichen Reiz aus? Doch natürlich war Ursus klar, daß gerade dieses Amt auch bei anderen Kandidaten heiß begehrt war.
Außerdem war auch die Möglichkeit, in Rom bleiben zu können, ein Grund für diesen Wunsch. So konnte er sich, wenn es die Zeit erlaubte, an der Schola engagieren und vor allem auch die dortige Bibliothek nutzen. Doch da er noch nicht öffentlich in Erscheinung getreten war im Zusammenhang mit der Schola, brachte er diese Begründung nicht an. Es war besser, schon Leistungen vorweisen zu können, bevor er sein Engagement als Argument dafür heranzog, in Rom eingesetzt zu werden.
-
Es dauerte eine Weile, bis der Senator erschien, doch mit nichts anderem als einer gewissen Wartezeit hatte Ursus gerechnet. Schließlich erschien er unangemeldet und da hatte er schon Glück, daß der Vinicier nicht nur anwesend war, sondern auch noch Zeit für ihn hatte. Und da kam er auch schon, eine würdevolle Erscheinung, ein Senator wie aus dem Bilderbuch.
"Salve, Senator Vinicius. Ja, das ist richtig." Gerne kam er der Aufforderung nach und setzte sich, als ihm Platz angeboten wurde. War es nun richtig, gleich zur Sache zu kommen oder sollte dem eine lockere Plauderei vorausgehen? Ursus war sich nicht sicher, er kannte Hungaricus noch nicht. Mancher mochte es lieber, gleich zu erfahren, um was es ging, andere bevorzugten einen gewissen Vorlauf. Ursus selbst war eher praktisch veranlagt. Daher entschloß er sich recht rasch, einfach zur Sache zu kommen. "Ich komme zu Dir als Klient Deines Bruders Vinicius Lucianus. Er hat mir ans Herz gelegt, sollte ich je etwas benötigen, könnte ich mich auch an Dich wenden, da er selbst ja nicht in Rom weilt. Und so komme ich, um eine Bitte auszusprechen."
Hier allerdings hielt er erst einmal inne, sprach dann aber nach einer kurzen Pause weiter. "Ich möchte zur kommenden Wahl als Quästor kandidieren und bitte Dich hierfür um Deine Unterstützung."
-
"Gute Nacht", wünschte Ursus der Cousine mit einem freundlichen Lächeln, als sie doch sehr schnell beschloß, sich zurückzuziehen, "und träum etwas schönes. Du weißt doch: Was man in der ersten Nacht in einem neuen Haus träumt, das geht in Erfüllung." Schade eigentlich, daß sie schon ging. Er fand ihre Gesellschaft recht angenehm. Doch auch die Gesellschaft von Orestes war nicht zu verachten. Ganz im Gegenteil.
"Es ist wirklich schön, daß wir uns endlich mal wieder treffen, Vetter. Hast Du noch ein wenig Zeit? Wollen wir noch einen Becher zusammen trinken und uns ein wenig unterhalten? Du hast Dich ganz dem Cultus Deorum verschrieben? Oder strebst Du gleichzeitig auch in die Politik?" Ursus wußte ja, daß dies kein schlechter Weg war, seine Karriere anzufangen, auch wenn er selbst einen anderen Weg gewählt hatte.
-
Zitat
Original von Narrator
Die Bewunderung schmeichelte dem Consul, natürlich. "Ja, es war eine ereignisreiche Zeit. Und lange her ist es." Er mochte gar nicht daran denken, denn obwohl er noch nicht gar alt war, immerhin ist 48 noch kein Alter! merkte er doch schon die Gebrechen, die einher kamen mit all den anderen Erscheinungen, wie Falten oder graue Haare. Schrecklich, wenn der Geist jung bleibt, der Körper aber welkt wie eine Blume."Meine Frau war damals nicht besonders begeistert. Bist du verheiratet?" Eine wichtige Frage, denn Politik endete nicht beim Verlassen der Curia.
Schmeichelei gehörte natürlich durchaus dazu, wenn man sich auf dem politischen Parkett bewegte. Und Ursus scheute sich auch nicht, sich dieses Mittels zu bedienen. Doch war die Bewunderung tatsächlich nicht gespielt. Als Quästor bereits derartige Aufgaben bewältigt zu haben, war der Bewunderung ja auch durchaus wert.
Dann kam das Gespräch auf die Ehe und Ursus konnte nicht verhindern, daß eine leichte Röte in seine Wangen stieg. "Nein. Leider bin ich noch nicht verheiratet. Doch ich habe vor, diesem unhaltbaren Zustand möglichst bald abzuhelfen." Da sein Vater verstorben war, bevor er für ihn entsprechende Abmachungen treffen konnte, mußte Ursus sich selbst darum kümmern. Was nicht so leicht war, denn noch fehlte es ihm an den nötigen Kontakten, um eine Braut zu finden, die nicht nur ihn selbst, sondern auch die Familie weiterbringen konnte.
-
Zum zweiten Mal in seinem Leben stand er also nun hier in diesen heiligen Hallen, um vor dem Senat zu sprechen. Wieder war er sehr nervös, doch es war nicht ganz so schlimm wie damals beim ersten Mal. Seine Erscheinung war absolut makellos. Er hatte heute sich heute Alexandros anvertraut zur Rasur und der Grieche hatte darauf bestanden, auch das Haar ein wenig zu stutzen. Auch wenn es Ursus für gewöhnlich lästig war, derart viel Zeit in sein Äußeres zu investieren, war doch der heutige Anlaß bei weitem wichtig genug, es zu ertragen. Und das Ergebnis konnte sich wahrhaftig sehen lassen. Caelyn hatte die Tunika und die Toga ausgewählt und angelegt. Mittlerweile hatte sie diese Tätigkeit zur Perfektion gebracht. Jede Falte lag genau so, wie sie sollte und Ursus hatte auf dem Weg hierher peinlichst darauf geachtet, dass nichts verrutschte.
Es war ein Wagnis, sich so bald schon als Quästor zur Wahl zu stellen. Das war ihm durchaus bewusst. Doch er hatte das nötige Selbstbewusstsein, um zu hoffen, trotzdem gewählt zu werden. Als er schließlich aufgerufen wurde, zu sprechen, trat er vor und begann mit fester, ruhiger Stimme zu sprechen. "Hochverehrte Senatoren! Mein Name ist Titus Aurelius Ursus, Sohn des Decimus Aurelius Maxentius und der Claudia Tusca. Ich wurde hier in Rom geboren, dem Herzen der zivilisierten Welt, bin hier aufgewachsen. Einige Jahre verbrachte ich in Athen, um zu studieren und mir das Wissen anzueignen, das als Grundlage für die Arbeit in öffentlichen Ämtern unentbehrlich ist. Nach meiner Rückkehr nach Rom war es für mich an der Zeit, Rom etwas von dem zurückzugeben, was mir durch meine hohe Geburt an Privilegien zugestanden wurde. Eine Pflicht, der zu stellen mich mein Vater lehrte, der sein Leben ja auch in den Dienst der Allgemeinheit stellte. - Drei Jahre ist es nun her, dass ich hier schon einmal vor euch stand. Ich bat euch um euer Vertrauen. Um das Vertrauen, mich zum Vigintivir zu wählen. Und obwohl ich damals noch keinerlei Leistungen vorweisen konnte, habt ihr mir dieses Vertrauen entgegen gebracht und mich zum Decemvir litibus iucandis ernannt. Hierfür möchte ich euch auch heute noch danken."
Er machte eine kleine Kunstpause, bevor er weitersprach. "Euer Vertrauen wurde von mir nicht enttäuscht. Keine Klage folgte meiner Amtszeit und ich habe mein Amt offenbar auch zu eurer Zufriedenheit ausgeführt. Sogar mehr als das, denn ihr befandet meine Arbeit sogar einer Auszeichnung würdig. Und auch für das Tribunat, das ich direkt nach meinem Vigintivirat in Germanien ableistete, erhielt ich eine Auszeichnung. Dort hatte ich die Gelegenheit, nicht nur die Verwaltungsstrukturen der Legionen kennenzulernen, sondern führte auch das Kommando über die Legionsreiterei und durfte die Bauarbeiten am Limes leiten. - Verehrte Senatoren. Es ist mein Wunsch, auch weiterhin Rom, dem Kaiser und dem römischen Volk zu dienen. Mit all meinem Wissen und mit all meiner Kraft! So wie ich es auch schon getan habe, als Vigintivir und als Tribun Laticlavius! Deshalb stehe ich heute hier vor euch. Um euch zu bitten, mich zum Quästor zu wählen. Ich bitte euch abermals um euer Vertrauen. Um eure Stimme."
-
Zitat
Original von Narrator
"Das ist schön zu hören." antwortete der Consul auf die Erklärung des jungen Mannes vor sich und neigte sich zurück an die Lehne."Ach, das ist schon so lange her. Ich war damals Quaestor Consulum bei ... nein, ich sage den Namen lieber nicht. Man soll über Toten nicht schlecht sprechen, aber das sei erwähnt: Er war ein Lebemann. Und ich hatte die Arbeit." Er hatte während er sprach das Gesicht angesäuert verzogen. Ein Schluck aus seinem Becher linderte diesen Ausdruck sogleich. "Es war dennoch eine schöne Zeit, ich konnte dabei viele Kontakte knüpfen, die mir später sehr hilfreich waren."
Ursus hörte interessiert zu. Das klang nicht gerade beneidenswert, denn so etwas mußte man erst einmal bewältigen. "Das war sicher eine sehr schwere Zeit für Dich. Doch hast Du dabei auch Erfahrungen sammeln können, die anderen verwehrt bleiben. Es ist bewundernswert, daß Du das damals geschafft hast. Kein Wunder, daß Du es bis zum Consul geschafft hast, wenn Du so früh schon solche Leistungen erbracht hast." Im Grunde wußte er nicht sehr viel über den Consul, nur daß, was eben jeder wußte. Doch er begann, diesen Mann mit anderen Augen zu sehen.
-
Erfreulicherweise schien der Senator zuhause zu sein. Ursus folgte dem Sklaven ins Atrium. Als dieser ankündigte, den Senator zu verständigen, nickte Ursus. "Danke."
Während der Sklave verschwand, blickte sich Ursus neugierig im Atrium um. Immerhin war dieser Raum so etwas wie ein Aushängeschild für jedes Haus und Ursus war bisher noch nicht in diesem Haus gewesen. Das Plätschern des Brunnens und den leichten Windhauch, der hier zu spüren war, empfand er als ausgesprochen angenehm.