Beiträge von Titus Aurelius Ursus

    Nicht nur Phyrrus, sondern auch Ursus zuckte zusammen, als die Tür mit Schwung zugeknallt wurde. Ob sie die Vestalinnen bei etwas wichtigem gestört hatten? Essenszeit war jedenfalls nicht. Merkwürdig das alles. Und dann dieses Warten. Ewig. Das Zuschmeißen der Tür hatte der Alten wohl alle Energie abverlangt, derer sie fähig gewesen war. Oder litt sie an dieser Krankheit der alten Leute, bei der sie von einem Moment auf andere alles vergaßen? Beim letzten mal jedenfalls hatte es nicht so lange gedauert.


    Ursus war schon versucht, den scriba abermals klopfen zu lassen, als die Tür sich dann doch wieder öffnete. Und nach einer kurzen Antwort wieder zuknallte. "Vale. Und danke für die Mühe und die freundliche Antwort", sagte Ursus unverdrossen zur geschlossenen Tür.


    Dann lachte er. Das war jedenfalls besser, als sich zu ärgern. "Na, wenigstens können wir jetzt weitermachen. - Sehen wir zu, daß wir die Aufstellungen der Besitztümer bekommen."


    Ohne das mißmutige Brummeln des scribas zu beachten, schritt er die Stufen des Tempels herab und betrat die Straße.

    Als Tilla erschien und mit aufgeregten Gesten gleich von den Kaninchen zu erzählen begann, mußte Ursus schmunzeln. "Ah, das freut mich für Dich, Tilla. Aber die Stallvergrößerung... ich denke, der Stall wird schon reichen." Die Köchin würde schon nach und nach dafür sorgen, daß der Stall nicht zu klein wurde. Es war nur besser, Tilla nichts davon zu sagen.


    Und es war auch besser, das Thema erst einmal zu wechseln, bevor sie nachfragte, wie er darauf kam, daß der Stall nicht sehr schnell zu klein wurde. "Das hier ist Sertorio. Führ ihn doch bitte herum, zeige und erkläre ihm alles und arbeitet in den ersten Tagen einfach zusammen. Er ist auch mit Küchenarbeit vertraut. Lesen und schreiben kann er auch, Du kannst Dich also mit Hilfe Deiner Wachstafel mit ihm verständigen. - Wenn ihr keine Fragen mehr habt, wäre das von mir aus erst einmal alles."

    "Nein, tut mir leid, dies ist hier nicht vermerkt", erwiderte Ursus bedauernd. Das war nicht unbedingt ungewöhnlich. Wenn ein Vermögen dem Staat zufiel, brauchte der bearbeitende Decemvir diese Daten nicht. Dies wurde dann von anderen Stellen erledigt.


    Sim-Off:

    Ich habe eine Liste von Corvinus, doch ich weiß nicht, ob dort alle von ihm bearbeiteten Fälle erhalten sind oder nur der zweite Schwung. Soweit ich weiß, besitzt er aber noch sämtliche Daten der von ihm bearbeiteten Fälle.


    "Meines Wissens nach sind alle alten Sterbefälle vollständig abgearbeitet. Dies wurde uns zumindest von unseren Amtsvorgängern versichert. Das Erbe ist sicherlich in beiden Fällen ausgezahlt worden." In den Archiven müßten die entsprechenden Listen mit den Erbberechtigten ja auch noch zu finden sein. "Es tut mir wirklich leid, daß ich Dir nichts näheres dazu sagen kann und ich danke Dir für Deine Mühe wegen der Kelterei der Octavia."


    Sim-Off:

    Wegen der Sache hatte ich auch die SL angeschrieben, habe aber noch keine Antwort erhalten.

    Ursus lächelte und nickte. Irgendwie gefiel ihm der Bursche mittlerweile. Seine schlechte Sprache konnte nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich um einen intelligenten Mann handelte, der noch dazu eine herzerfrischend ehrliche Art hatte. "Ja, Du hast es verstanden, nicht nur den Text, sondern auch, daß es eigentlich nicht um Tiere geht. Das ist gut. - Es ist wichtig, daß Du lesen und schreiben kannst, nicht nur für Botengänge, sondern auch, weil Du vermutlich oft mit einer Sklavin hier im Haus zu tun haben wirst, die stumm ist und sich deshalb zur Verständigung mittels einer Wachstafel mitteilt. - Zumindest das, was sie durch Gesten nicht schafft, begreiflich zu machen. Tilla ist ein liebes junges Mädchen, sie wird Dich gleich herumführen und alles erklären - und Dir auch zeigen, wo Du baden und Dich umkleiden kannst." Zuerst wollte er noch hinzufügen, daß Sertorio gefälligst nett zu Tilla sein sollte, doch dann sparte er sich das. Der Mann machte keinen gemeingefährlichen Eindruck, er würde Tilla sicher nicht grob behandeln. Zumindest war ihm das nicht anzuraten.


    Ein Sklave wurde damit beauftragt, Tilla zu suchen und herzuschicken, dann erklärte Ursus weiter. "Ich möchte, daß Du Dich um ein besseres Latein bemühst. Im Empfangsbereich möchte ich Dich zu Beginn nicht sehen. Nicht solange Du so schlecht sprichst. Doch es gibt genug in anderen Bereichen des Hauses zu tun. Du bekommst hier gutes Essen, anständige Kleidung und einen bequemen Schlafplatz. Dafür erwarten wir Fleiß. Führe Dich gut, Sertorio, dann hast Du auch Grund zur Hoffnung."

    An dem leicht entrückten Gesichtsausdruck des Matiniers konnte Ursus sehen, daß dieser wohl mit den Gedanken weit weg war. Doch es mußten wohl sehr angenehme Gedanken sein. Ursus störte sich nicht daran, sie besprachen ja schließlich keine Staatsgeheimnisse oder Geschäfte.


    "Wenn ich als momentan amtierender Vigintivir Dir da einen Rat geben darf: Einem Senator als scriba zu dienen, dürfte Dich am ehesten darauf vorbereiten, ganz abgesehen davon, daß Du dann sicher auch Gelegenheit hast, den einen oder anderen Senator kennenzulernen, was nie verkehrt ist. Ein Studium ist gut, aber für sich allein zu theoretisch. Schon mal einen Überblick zu haben, wo Du welches Verzeichnis und welche Liste findest, und welche Informationen Du in welchem Verzeichnis oder Liste zu suchen hast, ist ausgesprochen hilfreich. Auch die einen oder anderen Gesetzeskenntnisse sind unerläßlich, aber da kommt es natürlich sehr darauf an, welches der Ämter Du anstreben möchtest. Den cursus res vulgares hast Du sicher schon absolviert? Der ist unerlässlich, eine Voraussetzung für das aktive und passive Wahlrecht, und soweit ich informiert bin, wird gerade wieder einer an der Schola Atheniensis angeboten." Sie kamen an einem kleinen Stand vorbei, an dem ein Obsthändler seine frisch und saftig aussehende Ware feilbot. "Mir ist nach einem Apfel. Möchtest Du auch einen?"

    Ursus sagten die Namen aktuell nichts, was aber natürlich kein Wunder war, wenn sie schon vor längerem verstorben waren. Er nahm also gleich die Liste zur Hand, die Corvinus ihm überlassen hatte. Und fand auch einen der drei fraglichen Namen.


    "Zu Marcus Octavius Vespasianus und Titus Octavius Dio kann ich Dir leider nichts sagen, sie sind in den Listen nicht enthalten. Doch Appius Helvetius Sulla finde ich hier. Da die Erbin das Erbe nicht angenommen hat, ist das Vermögen an den Staat gegangen." Das war zwar nicht viel, was Ursus zu den Fällen sagen konnte, aber immerhin etwas.


    "Da Du gerade hier bist, hätte ich ebenfalls eine amtliche Frage an Dich. Ich habe unter anderem die Erbschaftsangelegenheit des Aulus Octavius Avitus zu bearbeiten. Als ich mit meiner Tätigkeit begann, suchte ich gleich die Betriebe, die von den Verstorbenen geführt worden waren, aus den entsprechenden Listen. Octavius Avitus besaß demnach zwei Betriebe: Das Weingut der Octavia und die Kelterei der Octavia. In meiner Unerfahrenheit verabsäumte ich es, mir gleich auch weitere Details der Betriebe zu notieren. Was ich vor einigen Tagen nachholen wollte, um die Erben entsprechend informieren zu können. Doch in den aktuellen Listen ist nur noch das Weingut der Octavia eingetragen, nicht mehr die Kelterei. Auch in Deinen Listen über Betriebsänderungen oder -schließungen habe ich keine Hinweise gefunden. - Hast Du eine Möglichkeit herauszufinden, was mit der Kelterei geschehen ist?"

    Ursus hörte Sertorio nicht nur aufmerksam zu, sondern beobachtete auch aufmerksam seine Mimik, seine Gestik und Körperhaltung. Seine leichte Ungeduld - oder vielleicht auch Genervtheit - entging ihm nicht. Doch der Mann hatte sich gut unter Kontrolle, sprach sanft und beantwortete nun detailliert die Frage. Es gefiel Ursus, wie er sich zusammenriß. Und die Fertigkeiten waren doch gar nicht so übel. Es war zwar vieles dabei, was er im Haushalt der Aurelier wohl kaum würde anwenden können, doch manches konnte sich noch als brauchbar erweisen. Außerdem schien er das Arbeiten gewöhnt zu sein, war also kein Faulpelz. Allein die Sprache war wirklich schauderhaft. Aber das würde mit der Zeit hoffentlich auch besser werden.


    Lesen und schreiben konnte er also auch. Nach den Erfahrungen mit Caelyn beschloß Ursus, diese Fähigkeit gleich einmal zu testen. Er zog eine kleine Schriftrolle aus dem Regal, die er für Caelyns Leseübung besorgt hatte. "Dies ist eine kurze, schlichte Geschichte. Eigentlich für Kinder geschrieben, aber gerade deshalb für eine Leseübung sehr gut geeignet. Lies sie und sag mir dann mit Deinen Worten, wovon sie handelt."


    Die Geschichte war wirklich sehr kurz. Sie handelte von einem dummen Esel, der elend verhungerte, weil er sich nicht entscheiden konnte, von welchem der beiden herrlich duftenden Heuballen, die vor ihm lagen, er fressen sollte.

    Freundlichkeit schien den Vestalinnen wahrhaftig nicht gegeben zu sein. Oder ob das einfach eine Schutzmaßnahme war, damit sich ihnen wirklich niemand näherte? Nun, bei dieser kam gewiß niemand auf die Idee, selbst wenn sie honigsüße Worte von sich geben würde.


    Unverdrossen lächelte Ursus die Alte an, überließ aber dieses mal Phyrrus, seinem scriba, das Reden. Der versuchte gar nicht erst zu lächeln, vermutlich konnte er so etwas überhaupt nicht, blieb aber zumindest höflich. "Salve. Dies hier ist Titus Aurelius Ursus, amtierender decemvir litibus iudicandis und er hätte gerne Auskunft darüber, ob einer der Verstorbenen dieser Liste ein Testament hinterlegt hat." Er reichte ihr die aktuelle Verstorbenenliste.



    Marcus Helius
    Marcus Didianus Gabriel
    Tiberia Livia
    Helvetia Calvina
    Appius Annaeus Accianus
    Lucius Atius Nepos
    Titus Flavius Milo
    Faustus Furius Corvus
    Iunia Maecia
    Titus Helvetius Gabor

    Ursus runzelte die Stirn. Natürlich konnte er nicht wissen, ob der Mann ihn frech anlog oder die Wahrheit sagte. Doch wenn seine Worte nicht gelogen waren, dann war er Piraten zum Opfer gefallen und von ihnen in die Sklaverei verkauft worden?


    "Ein Bad wirst Du bekommen. Ebenfalls saubere, ordentliche Kleidung. - Doch ich habe Dich nach Deinen Fähigkeiten gefragt. Was kannst Du außer fischen und ich nehme an - Handhabung eines Bootes? Was kannst Du also noch?" In einem Gasthof konnte man schließlich alles mögliche an Fähigkeiten erwerben. Eventuell kochen, die Versorgung von Tieren, mit etwas Glück vielleicht sogar lesen und schreiben und zumindest bruchsstückhaft andere Sprachen.


    Nein, letzteres wohl kaum, so schauderhaft wie sein Latein schon war. Wie kam Corvinus nur darauf, so einen Sklaven zu kaufen? Der sprach ja schlimmer als Caelyn - und das sollte schon was heißen! Nun, wenigstens schien seine momentane Unsauberkeit auch ihn zu stören, was darauf hoffen ließ, daß er normalerweise ein eher sauberer Mensch war. Vielleicht ließ sich ja noch etwas anständiges aus ihm machen. Und wenn er sich gut führte... Vielleicht hatte er ja das Glück, eines Tages die Freiheit wiederzuerlangen.

    Ah, das war natürlich noch besser. Ein Wegbegleiter, mit dem man weiterplaudern konnte. "Ja, da hast Du recht, der Vestatempel befindet sich in der Nähe des forum romanum. Da haben wir also den gleichen Weg, das freut mich. - Gehen wir hier entlang." Er deutete auf die Einmündung einer offenbar belebten Straße und ging gemächlich darauf zu. "Ich hoffe, Du hast es nicht eilig, denn ich wollte das schöne Wetter noch ein wenig genießen, bevor die Pflicht wieder ruft." Der Vater ein ehemaliger proconsul. Ursus versuchte, sich an einen Consul namens Matinius zu erinnern. Die gens war ihm natürlich durchaus ein Begriff, doch er konnte jetzt auf die Schnelle keinen consul aus der Familie benennen, geschweige denn sagen, wann er consul gewesen war. Peinlich genug. Zuhause würde er gleich nachforschen, solche Wissenslücken durfte man gar nicht erst einreißen lassen.


    "Du hast recht, ich bin in Rom geboren und aufgewachsen. Und ich erforschte es gründlicher, als es meinem Vater lieb war." Ursus lachte verschmitzt. Es hatte einige male Ärger gegeben, als er sich in Gegenden herumgetrieben hatte, in denen ein junger Patrizier tatsächlich alles andere als sicher war. Doch als Kind hatte er sich über derlei Gefahren eben wenig Gedanken gemacht - sorglos wie alle Kinder nun einmal waren. "Aber ich habe einige Jahre in Griechenland verbracht und dort studiert. - Mehr von der Welt kenne ich leider noch nicht. Hispania soll ja sehr schön sein, habe ich gehört. Und bringt recht anständige Weine hervor. - Bist Du nur zu Besuch in Rom oder hast Du Deinen Wohnsitz dauerhaft hierher verlegt?"

    "Titus Aurelius Ursus", stellte sich Ursus vor und lächelte. "Erfreut, Dich kennenzulernen, Matinius Ticinius." Dem verwirrten Gesichtsausdruck seines Gegenübers nach zu urteilen, war er wohl ganz und gar nicht dort, wo er sein wollte. Rom war in der Tat groß und unübersichtlich für denjenigen, der erst seit kurzem hier weilte.


    "Das heimtückischste an dieser wunderbarsten Stadt der Welt ist, daß sie sich ständig und andauernd verändert", lachte Ursus und meinte es ganz und gar nicht böse. "Sag mir einfach, wo Du hin möchtest und ich erkläre Dir, wie Du dort hin gelangst. Und sollten wir in etwa den gleichen Weg haben, führe ich Dich auch gerne. Ich bin auf dem Weg zum Vesta-Tempel, habe es aber nicht eilig. Bei diesem schönen Wetter wäre es wahrhaft eine Schande, sich zu hetzen oder gar nur in der Stube zu hocken. Du bist erst seit kurzem in Rom? Darf ich fragen, woher Du stammst?" Er fragte einfach frech und hoffte, daß der andere genauso Lust zu einer Plauderei hatte wie er. Was er natürlich nicht wissen konnte.

    Ursus hatte eigentlich wenig Lust, sich mit Corvinus' neuester Errungenschaft abzugeben. Doch was blieb ihm schon übrig? Außerdem konnte man es ja nicht anders sagen: Er hatte zur Zeit, was er immer hatte haben wollen: Verantwortung. Corvinus konnte sich wirklich glücklich schätzen, daß Ursus so lernbegierig gewesen war und sich eingearbeitet hatte. Wenn er nun länger ausfiel, mußte er sich auf ihn verlassen können, da sein heißgeliebter Cotta noch nicht wieder da war und es einfach niemand anderen gab, dem er alles hätte anvertrauen können. Was mußte das den Onkel doch wurmen!


    Als Leone mit dem Neuen eintrat, blickte Ursus von seinen Unterlagen auf und musterte den Mann. "Nun, Sertorio, erzähl mir mal etwas von Dir: Wo kommst Du her? Was kannst Du und was für Aufgaben haben Deine bisherigen Herren Dir übertragen? Wem hast Du überhaupt bisher gedient?" Seine Kleidung war absolut inakzeptabel, doch das ließ sich ja schnell ändern. Blieb zu hoffen, daß er über brauchbare Kenntnisse und Fähigkeiten verfügte.

    Ursus befand sich wieder einmal auf dem Weg zum Vestatempel, heute ohne den ewig mißmutigen scriba Phyrrus. Da das Wetter endlich mal wieder ausnehmend schön war, kühl zwar, aber sonnig, hatte er sich zu einem Umweg entschlossen und ließ sich auch Zeit auf dem Weg. Er kam mit der Arbeit gut voran und brauchte von daher kein schlechtes Gewissen zu haben, weil er ein wenig Zeit zu seinem Vergnügen vertrödelte.


    Gemütlich schlenderte er durch die Straßen, sprach hier und da mit den Leuten, denn er wollte ja durchaus auch bekannt werden in der Stadt, stand er doch erst ganz am Anfang seiner Karriere. Ganz abgesehen davon, daß es Spaß machte und er auf diese Weise allerlei Neuigkeiten erfuhr.


    So gab er auch ganz bereitwillig und freundlich Auskunft, als ein junger Mann, etwa in seinem Alter, ihn nach dem Tempel fragte. "Dies ist der Tempel der Minerva. Suchst Du einen bestimmten Tempel? Ich erkläre Dir gerne den Weg."

    Es funktionierte! Ursus spürte, wie Aquilius' Körper genau in die Richtung strebte, in die Ursus ihn hatte haben wollen. Doch es wäre zu schön gewesen, wenn das alles gewesen wäre. Der Flavier besaß eine bewundernswerte Geistesgegenwart, denn er verstärkte den Schwung noch und riß Ursus mit sich. Zwar versuchte der Aurelier noch, dem entgegen zu wirken, doch die Kraft, entstanden durch Schwung und Gewicht, war zu stark, als daß dies noch hätte funktionieren können.


    Natürlich ließ Ursus Aquilius so wenig los, wie dieser ihn losließ und so landeten sie beide schwungvoll im Sand. Einen Moment lang war Ursus zu benommen, um zu reagieren. Doch dann brach er in Gelächter aus, ohne zu wissen warum eigentlich, und reichte Aquilius freundschaftlich die Hand. "Das nennt man wohl ein klassisches Unentschieden. Meine Bewunderung für Dein Reaktionsvermögen. Ich bin schon hunderte male auf den Trick reingefallen, den ich bei Dir versucht habe anzuwenden. Jetzt muß ich noch daran arbeiten, mich nicht mit runterziehen zu lassen." Er grinste breit, froh, zumindest ein Unentschieden geschafft zu haben.


    "Und meinen Glückwunsch, was Prisca betrifft. Du bist ein Glückspilz! Sie ist eine wunderbare Frau, Du bist wahrhaft zu beneiden." Natürlich war dann noch interessant zu erfahren, was Prisca denn so davon hielt. Doch welche Frau würde schon einen Mann wie Aquilius ablehnen? Er sah ausgesprochen gut aus und war dazu ein freundlicher Mensch. Sicher würde er seine Frau gut behandeln.

    Ursus hatte bisher keine Unregelmäßigkeiten in den alten Erbfällen entdeckt. Abgesehen davon, daß eine Erbin noch einige Tage Zeit hatte zu heiraten, um erben zu können und die in Parthia kämpfenden Soldaten eine Fristverlängerung erhalten hatten, um ihr jeweiliges Erbe anzunehmen. Die einzige wirkliche Unregelmäßigkeit betraf einen aktuellen Fall und da hatte er schon begonnen, nachzuforschen, was sich leider wegen der Saturnalien etwas in die Länge zog. Er hatte schon gedacht, daß Avarus wegen dieses Falles hier wäre.


    "Mir wurden eine Reihe von Unterlagen zu den alten Erbfällen übergeben. Es kommt ganz darauf an, wie alt die Angaben sind, die Du benötigst und was genau Du wissen möchtest. Um welchen Erbfall geht es denn?" Er war ja gerne bereit, die nötigen Auskünfte zu erteilen, doch dazu brauchte er etwas genauere Angaben, was benötigt wurde.

    Der kleine Sklavenjunge hatte Ursus bereits über den Besuch informiert. Und er war nicht wenig neugierig darauf, was Germanicus Avarus von ihm wohl wollen mochte. Als der Aedile eintrat, erhob er sich zur Begrüßung. "Salve, Germanicus Avarus. Bitte setz Dich doch. Darf ich Dir etwas zu trinken anbieten?" Er deutete mit einer einladenden Geste auf einen Stuhl.

    Sie zitterte so schrecklich! Auch die Decken schienen nicht die notwendige Wärme aufbringen zu können. Als sie dann noch sagte, daß sie fror, blickte er fragend zu Siv herüber. "Vielleicht ein heißer Stein? Oder ein Beutel mit warmem Wasser?" Er kannte sich mit sowas ja nicht aus. Ein wenig hilflos begann er, Helena durch die Decken sanft zu rubbeln. Vielleicht würde ihr so wärmer werden.


    So blaß sah sie aus! Und zerbrechlich! Und dabei doch auch so schön. Es war herzzerreißend, den Kummer und die Erschöpfung, vor allem seelische Erschöpfung, in ihrer Miene zu lesen. Wenn er ihr nur helfen könnte! Doch solange er die Ursache für ihren großen Kummer nicht kannte, würde er gar nichts tun können. Und sie schien weder gewillt, noch in der Verfassung zu sein, mit ihm darüber zu sprechen.


    "Helena... Gib nicht auf. Wir finden eine Lösung. Bitte habe den Mut, weiterzuleben." Wo blieb nur der Medicus? Aber natürlich, es waren erst wenige Minuten vergangen, wie könnte er jetzt schon da sein? Und doch hoffte Ursus, daß der Medicus hier bald erschien. Hoffentlich rechtzeitig, um Helena zu retten.


    Helena riß die Augen auf und blickte ihn an, aber nur für einen Moment. Ob sie überhaupt erkannte, wer er war? Ob sie überhaupt begriff, was um sie herum geschah? Vermutlich nicht. Aber das spielte ja auch keine Rolle, Hauptsache, sie faßte Mut und gab sich selbst nicht auf.


    Ihre Augen schlossen sich wieder. Ursus war sich nicht sicher, ob es gut war, sie einschlafen zu lassen. Andererseits konnte nur der Schlaf ihrem Körper die Kraft zurückgeben. Schlaf und Nahrung. "Siv, kannst Du ihr einen Tee machen? Wenn sie etwas Heißes trinkt, wird ihr vielleicht wärmer", wandte er sich nochmals an die Sklavin.


    "Helena... Helena, schlaf noch nicht ein, hörst Du? Gleich darfst Du schlafen, aber noch nicht." Er hörte für einen Moment auf zu rubbeln und streichelte ihr sanft über die Stirn und die Wangen. "Hörst Du mich, Helena?"

    Anscheinend hatte er sich geirrt. Na, war ja auch egal, irgendwann würde sich dieser geheimnisvolle Vetter wohl mal blicken lassen. Derweil wurden die Speisen aufgetragen und Ursus nahm zunächst kleine Mengen verschiedener Speisen, um diese am Hausaltar den Ahnen und Hausgöttern als Opfer darzubringen, wie es vor jeder Mahlzeit üblich war.


    Dann griff er selbst zu, denn er war recht hungrig. Seine Aufmerksamkeit richtete er wieder auf Philonicus. "Ja, komm, erzähl von Deinen Erlebnissen. Was hast Du für Menschen kennengelernt, was für Abenteuer erlebt?" Daß es heiß war in Ägypten, das war ihm ja bekannt, er wollte eher die Dinge hören, über die man nicht lesen konnte.


    Als Helena nun nach Philonicus selbst fragte, musterte auch Ursus den Vetter neugierig. Gut, sie waren sich als Kinder begegnet und hatten sich gegenseitig Streiche gespielt, wie es Jungen nun einmal taten. Doch im Grunde wußte auch Ursus nichts über den Vetter und so war er ebenso gespannt, was dieser wohl von sich zu erzählen hatte. Er selbst hätte nie so direkt danach gefragt und so war er froh, daß Helena es getan hatte.

    Ursus lachte über ihren Scherz. Warum auch nicht? Noch war er kein Senator, also brauchte er sich schon mal nicht beleidigt zu fühlen. Und Magistrat hin oder her, etwas Spaß mußte man doch trotzdem verstehen! Außerdem war bei den Saturnalien so einiges erlaubt, was sonst nicht möglich war. "Oh, bestreite nur alles! Wird Dir gar nichts nützen, überhaupt nichts", tat er entrüstet, lachte dann aber gleich wieder. "Du wirst lachen, genau dort habe ich einen Ausschank gesehen. Bestimmt werden dort auch einige Senatoren sein, da kannst Du Dich gleich selbst davon überzeugen, ob sie betrunken mehr oder weniger Unsinn reden als sonst." Er zwinkerte ihr mit einem übermütigen Grinsen zu. "Dann schauen wir doch mal, ob wir nicht etwas Wein abgreifen können."


    Mit Beharrlichkeit, doch auch nicht rücksichtslos, bahnte Ursus für Lucilla und sich selbst einen Weg durch die Menge und so schafften sie es tatsächlich bis an den Ausschank. Zwei Becher Wein zu ergattern, erwies sich schon als etwas schwieriger, doch schließlich hatte Ursus auch das zuwege gebracht. "Ein schwerer Kampf", grinste er, als er ihr einen der Becher anbot, "doch gekrönt von einem glorreichen Sieg."

    Zitat

    Original von Cadhla
    Es war kühl draußen, und das war es, was Cadhla gebraucht hatte. Ein wenig Luft, die nicht nach irgendwelchen Essenzen roch, frischer Wind, in dem niemand zuvor gestanden hatte, und sie niemandem nahe sein musste, allein mit ihren Gedanken und der wieder zurückgekehrten Ungewissheit ihrer Zukunft. Wahrscheinlich wusste ihr Herr nicht einmal um die Besonderheit seines Geschenks, aber es war auch keine rationale Reaktion gewesen, die sie nach draußen getrieben hatte, weg von der erzwungenen Fröhligkeit eines idiotischen Festes mit vielen Fremden. Hier waren nur einzelne Lichter aufgebaut und die übliche Dekoration konnte sie auch erblicken, aber ausser ihr schien niemand im Garten zu sein, was Cadhla nur recht war. Sie suchte sich eine Bank neben einer der Hecken und blickte in den schweigsamen, dunklen Himmel, der von glitzernden Sternen durchsetzt war. Die Nacht war sternklar, keine Wolke trübte ihren Blick, und die Sterne schienen so fern zu sein, nicht wie zum Greifen nahe in ihrer Heimat. Die Sehnsucht quälte sie mit einem Mal so heftig, dass sie das Brennen der Augen nur widerwillig zur Kenntnis nahm. Ebenso die Stimme aus dem Dunkel, die nach ihr rief. Ursus.
    "Ich bin hier," sagte sie schlicht und blieb sitzen. Heute musste sie nicht bei seinem Nahen aufstehen, was auch der einzige Vorteil des vermaledeiten Fests war.


    Ursus folgte dem Klang der Stimme und fand Cadhla schließlich hinter einer der Hecken auf einer Bank. Eigentlich war es etwas kühl, um einfach hier zu sitzen. Aber vermutlich empfand sie das anders, war sie doch gewiß ganz andere Temperaturen gewöhnt. Er trat auf sie zu und legte den Kopf schief. "Sicher möchtest Du lieber allein sein", warum sonst wäre sie in den Garten geflüchtet, "und wenn Du mich fortschickst, werde ich auch gehen und Dich allein lassen. Aber... aber vielleicht magst Du es mir auch erklären?" Er selbst fand das Geschenk von Corvinus überraschend passend. Immerhin erkannte er damit an, daß Cadhla eine Kriegerin war und schien ihr einen entsprechenden Platz zuweisen zu wollen. Doch schien es sie irgendwie vor den Kopf gestoßen oder gar beleidigt zu haben.