Beiträge von Titus Aurelius Ursus

    Ursus legte den Kopf schief. "Warum ich mich gewundert habe? Weil bei uns die Frauen nicht lernen zu kämpfen. Es ist... doch auch bei euch ungewöhnlich, oder? Nicht jedes Mädchen lernt das Kämpfen so wie Du?" Er hatte zwar schon vorher gehört, daß germanische Frauen in der Not durchaus kämpften, doch nur zur Verteidigung ihrers Hauses, ihrer Kinder. Das war etwas anderes als die Ausbildung zur Kriegerin, wie Cadhla sie erhalten hatte.


    Ihre Augen. Ihr Blick schien sich irgendwie einzubrennen. Er wußte in diesem Moment, daß dieser Blick aus diesen unglaublich grünen Augen ihm auch noch in seine Träume folgen würde. Er kannte niemanden sonst mit solchen Augen. Schon gar nicht mit solchem Feuer darin. Bloß nicht zu sehr darüber nachdenken.


    "Die Griechen schreiben noch viel mehr als wir", stellte er richtig und nickte, "Es hat Gründe. Wir schreiben so viel, damit nichts vergessen wird. Wenn man etwas nur erzählt, dann verändert es sich von Mund zu Mund. Aber manchmal ist es wichtig, daß etwas genau weitergegeben wird. Manchmal ist es nur schön, Sprache kann sehr schön sein. Und manchmal... werden Sachen aufgeschrieben, die echt unwichtig und überflüssig sind." Er lächelte wieder. Wenn sie erst einmal lesen konnte, würde sie letzteres sicher schnell feststellen.

    Sie wich nicht noch einmal zurück. Und obwohl er sich einredete, daß sie es sicher nur nicht tat, aus Angst, er würde sie direkt darauf ansprechen, fühlte er tief in sich doch eine echte Freude darüber. Was er sich natürlich nicht erlaubte, zu bemerken.


    "Ich habe eine ruhige Hand, weil ich schon als kleines Kind gelernt habe, zu schreiben. Und seit dem habe ich es täglich getan, oft viele Stunden lang. Es wäre also eine Schande, hätte ich keine ruhige Hand und ordentliche Schrift." Er sagte dies lächelnd, denn er wollte ihr damit sagen, daß sie sich von seinem Können nicht abschrecken lassen sollte. Mit der gleichen Übung würde sie problemlos das gleiche vollbringen.


    Ihre Stimme hatte merkwürdig rauh geklungen und ihre Hand hatte gezittert, als sie die Wachstafel zurückgenommen hatte. Wieder blickte Ursus sie von der Seite an. "Siehst Du, schon viel besser. Du wirst sehen, bald ist es ganz leicht." Er sprach leise und suchte ihren Blick. Diese unglaublich grünen Augen! Im Sonnenlicht waren sie noch viel feuriger als im Mondlicht.

    Na, das Mädel hatte es ja wirklich eilig, zu verschwinden. Was er durchaus versteen konnte. Wenn sie verschlafen hatte, dann hatte sie gewiß noch nichts gegessen. Ja, apropos verschlafen. Wenn das morgen wieder passierte, dann mußte er jemanden anweisen, sie rechtzeitig zu wecken. Mal an einem Tag, das war zu verschmerzen, aber ständig konnte er sich diese Langschlaferei nicht erlauben.


    Beim Frühstück ließ er sich Zeit. Hastiges Essen war nicht gesund. Und auf die paar Minuten kam es nun ja auch nicht mehr an. Trotzdem war er mit Essen schon fertig, als Caelyn klopfte. "Herein", rief er und wusch sich gerade die Hände, damit er die weiße Toga nicht beschmutzte.


    "Da bist Du ja wieder. Nun, dann wollen wir mal sehen, wie gut Du mit der Toga zurecht kommst." Er nickte auffordernd in Richtung dieses etwas unpraktischen, aber dennoch ausgesprochen eleganten Kleidungsstückes.

    Ursus bemerkte durchaus, daß sie etwas von ihm abrückte. Es konnte nicht an unangenehmen Gerüchen liegen, denn er hatte sich gründlich gewaschen und auch seine Kleidung war frisch gewesen. Hatte sie tatsächlich Angst vor ihm? Das war doch wirklich völlig unnötig. Er warf einen Blick auf die Wachstafel, trat wieder etwas näher heran und nahm ihr die Tafel aus der Hand. So mußte seine neuerliche Annährerung wie eine zufällige Bewegung wirken. Doch eigentlich wollte er testen, ob sie wieder abrücken würde.


    Er nahm ihr auch noch das Stilus aus der Hand und malte die von ihr genannten Buchstaben vor. "Versuch es erstmal mit kleinen, geraden Strichen, die Du aneinander setzt. Damit sehen die Buchstaben zwar eckig aus, doch durchaus klar und sauber. Schau Dir an, wie die Steinmetze es machen. Und nicht so tief eindrücken, siehst Du, so." Er machte es ihr einfach vor und gab ihr die Wachstafel dann wieder.


    "Ich werde Dich bestimmt nicht Blumen gießen oder Sandalen putzen schicken", lächelte er leicht amüsiert. "Zum einen verstehe ich nichts von Blumen und halte mich da lieber völlig raus. Zum anderen sind meine Sandalen gerade wirklich perfekt sauber." Er deutete nach unten auf seine tatsächlich tadellos aussehende Fußbekleidung.

    "Er weiß es nicht?", fragte Ursus erstaunt nach und trat näher an sie heran. Er dachte sich nichts dabei, ihre Nähe war ihm eben einfach angenehm. Sie war auf ihre Weise sehr schön, ihre Stärke und ihre Reinlichkeit hatten eine enorm anziehende Wirkung auf ihn. So stand er nun direkt vor ihr, berührte sie aber nicht.


    "Eine neue Sprache zu lernen, ist niemals leicht. Ohne richtige Anleitung schon gar nicht." Er erinnerte sich an seine ersten Versuche in Griechisch. Es hatte lange gedauert, bis er diese Sprache wirklich beherrschte. "Du bist sicher nicht dumm, Cadhla. Aber Deine bisherige Ausbildung hatte sich eben auf ganz andere Dinge bezogen. Deshalb ist es für Dich jetzt schwerer. - Du wirst es schon lernen mit der Zeit. Und Lesen kann Dir dabei sehr helfen." Ihm selbst war es auch leichter gefallen, sich die Wörter zu merken, die er gelesen und nicht nur gehört hatte.


    "So sehr ich mich freue, daß Du Lesen und Schreiben lernen willst, es ist wirklich sehr praktisch, - Du solltest darüber aber nicht Deine anderen Pflichten vernachlässigen. Sonst gibt es schnell Ärger." Er wollte ihr nicht den Spaß an der Sache verderben, doch wenn sie sich gerade vor anderer Arbeit drückte, würde sie bald weitere Schattenseiten des Sklavendaseins kennenlernen.

    Warum erschrak sie nur so furchtbar? Ursus schien sie doch nicht bei etwas verbotenem erwischt zu haben? Gut, er hatte ihr ein paar Dinge gesagt, die ihr vermutlich einen ziemlichen Stich versetzt hatten. Oder war der Kuß das Problem? Er hatte doch ganz deutlich gesagt, daß er ihr nichts weitergehendes aufzwingen würde. Zumal sie das auch sicher zu verhindern wissen würde. Warum also diese Nervosität? Entschlossen schob er ihre erschrockene Reaktion beiseite und konzentrierte sich einfach auf das, was sie sagte.


    Er lächelte, als er ihre Erklärung hörte. Sie wollte tatsächlich Schreiben lernen! Das fand er sehr gut, denn hier in Rom war alles mögliche beschriftet, was das Leben für jemanden, der Lesen und Schreiben konnte, durchaus erleichterte. Daß sie normalerweise vielleicht andere Arbeiten zu erledigen hätte, darauf kam er im ersten Moment gar nicht. Immerhin konnte es sich ja bei diesen Übungen durchaus um Anweisungen von Corvinus handeln.


    "Ja, es ist wie beim Kampftraining. Auch wenn man weiß, wie man sich eigentlich bewegen sollte, so bringt doch nur die ständige Übung den Erfolg. Wenn Du dran bleibst, dann wirst Du Worte lesen, nur weil Du sie ansiehst. Auch ohne es wirklich zu wollen, man kann gar nicht anders. Und es kann auch viel Freude machen, zu lesen. - Und auch zu schreiben." Er blickte auf die Wachstafel, die sie größtenteils mit ihrer Hand verdeckte. "Wenn Du etwas weniger stark aufdrückst, kannst Du den Stilus leichter führen und die Schrift nachher auch leichter auslöschen. Es genügt, nur ganz leicht die Oberfläche des Wachses anzukratzen. - - Will Corvinus Dich zu einer Scriba ausbilden?" Das würde erklären, warum er Ursus diese unsägliche Nervensäge überlassen hatte.

    "Was für Geheimtips hast Du noch auf Lager, Marsus?", fragte Ursus zwischen zwei Bissen von dem köstlichen Mahl. Ganz offensichtilch war Marsus durchaus experimentierfreudig und das bedeutete, daß er wohl auch noch andere Orte besonderen Vergnügens kannte.


    "Wie bist Du eigentlich auf diese Taverne verfallen?", fragte er dann noch neugierig. Denn er persönlich wäre wohl nie von sich aus und auch noch alleine hier hinein gegangen.

    "Füttern?!" Ursus runzelte die Stirn und seine Augenbraue hob sich vor Erstaunen und auch Ablehnung. "Nein, danke, das kriege ich so gerade noch selbst hin. Auch vorkauen wird nicht nötig sein", erwiderte er trocken und schüttelte den Kopf. Auf was für Ideen dieses Mädchen kam, war wirklich unglaublich!


    Die Tunika zog er schon mal an, bei der Toga würde er ohnehin Hilfe benötigen, die war eben nicht gar so leicht ordentlich in Falten zu legen.


    Sie war schnell. Und die Auswahl, die sie getroffen hatte, war auch gut. Eigentlich schon reichhaltiger, als er es erwartet hatte. Er nickte anerkennend. "Ja, sehr gut. Stell es bitte da auf den Tisch. Du kannst jetzt selbst etwas essen gehen, wenn Du möchtest. Danach werde ich Dich nochmal brauchen, damit Du mir mit der Toga hilfst." Er setzte sich an den Tisch, um sich das Frühstück schmecken zu lassen.

    "Du hast mich nicht vertrieben", beruhigte Ursus Fiona, deren Namen er nicht einmal kannte. "Ich weiß, daß ihr mir keinen Vorwurf macht. - Und doch hätte ich dabei sein können, verstehst Du? In einem Jahr werde ich mein Tribunat antreten. Auch wenn ich da vermutlich auch nur Verwaltungstätigkeiten zugewiesen bekomme, könnte es sein, daß ich in Kämpfe verwickelt werde. - Wer weiß, vielleicht gibt es dann Menschen, die Grund haben mich zu hassen, so wie ihr die Angreifer auf eure Familien haßt." Auch wenn er sich nicht vorstellen konnte, Frauen, alte Leute oder gar Kinder zu töten. Krieger, das war etwas anderes. Die ließen sich bewußt auf Kämpfe ein und trugen damit das Risiko des Todes immer mit sich. Wie jeder römische Soldat eben auch.


    Gerade wollte er Fiona seine Hand entziehen und tatsächlich gehen, da begann Cadhla zu singen. Er verstand kein einziges Wort, doch trotzdem ging das Lied sehr zu Herzen. So sehr, daß er sich einfach wieder setzte und mit leicht feuchten Augen zu Cadhla herüber blickte. Wie mütterlich beschützend sie Tilla im Arm hielt. Die Schildmaid, die Kriegerin. Sie sang wunderbar. Nicht lieblich zart, sondern volltönend und ergreifend. Diese Singstimme paßte zu ihr.

    Ursus brummte der Kopf von den gesetzlichen Bestimmungen zum Erbrecht und den ganzen Listen und Tabellen. Stunden hatte er sich nun damit beschäftigt. Und auch wenn er meinte, ganz gut mit der Materie zurecht zu kommen, so hatte er doch inzwischen das dringende Bedürfnis nach frischer Luft.


    Es war auch ohnehin ein guter Moment, sich ein wenig die Beine zu vertreten. Das Wetter war gar nicht so übel. Etwas kühl, aber trocken und sonnig. Nunja, mittlerweile war fast Winter, da konnte man wohl nichts besseres erwarten.


    Die frische Luft tief einatmend schlenderte Ursus durch den Garten und fühlte die innere Anspannung langsam von sich abfallen. Ja, diese Pause war wirklich eine sehr gute Idee gewesen und er hatte noch gar kein Bedürfnis, sich wieder hinein zu begeben. So durchschritt er auch Bereiche des Gartens, die er eher selten betrat.


    Natürlich rechnete er nicht damit, daß sich hier jemand aufhielt. So stockte sein Schritt, als er Cadhla im Schutz einer Hecke dahocken sah. Sie kritzelte auf einer Wachstafel herum, was ihn noch mehr erstaunte als die Tatsache, daß sie hier anwesend war. "Salve, Cadhla. Ich wußte gar nicht, daß Du schreiben kannst." Das war nicht unbedingt in beleidigender Weise abwertend gemeint. Eher waren seine Worte Ausdruck seiner Verwunderung darüber, daß eine Barbarin wie sie eben nicht nur kämpfen und putzen konnte, sondern sich auch mit hoch kultivierten Fähigkeiten befaßte. ( :D )

    Er war nicht halb so cool wie er tat, doch das mußte ja Caelyn nicht wissen. Unter Todesängsten ertrug er die weitere Rasur, doch überraschenderweise passierte nichts weiter. Als sie fertig war, wusch er sein Gesicht und betrachtete es dann im Spiegel. "Sehr gut", nickte er anerkennend. Er hatte nicht nur überlebt, sondern die Rasur war sogar recht ordentlich ausgefallen.


    "Das nächste wäre das Frühstück. Nichts aufregendes. Etwas Brot und Käse oder Puls oder was auch immer schnell verfügbar ist. Möglichst nichts was kleckert, ich habe die Begabung, die beste Kleidung gleich zu ruinieren." Er lächelte ein wenig verschmitzt und griff nach der blauen Tunika, die sie herausgesucht hatte.

    Nun, auch Ursus ließ sich äußerlich nicht aus der Ruhe bringen. Innerlich jedoch war er immer noch enttäuscht und verletzt. Denn er glaubte noch immer, daß Corvinus diese Meinung von ihm hatte. Wäre es nicht so, würde er ihm endlich erlauben, etwas für die Familie zu tun. Statt dessen wurde er mehr und mehr in die Rolle eines Schmarotzers gedrängt, so daß seinen angeblichen schlechten Eigenschaften mit Leichtigkeit eine weitere hinzugefügt werden konnte.


    Das Schmunzeln erwiderte Ursus nicht. Seine Miene blieb unbewegt. Er war hier der Verlierer, das war ihm klar. Und er konnte nichts, aber auch gar nichts dagegen tun. Außer, Corvinus noch mehr aus dem Weg zu gehen, als er es ohnehin schon tat.


    "Den Ring könnte er gestohlen haben", antwortete er schließlich, ohne auf die anderen Themen noch einmal einzugehen, und verzichtete auch darauf, seinen eigenen Ring zu zeigen, den er nach dem Tod seines Vaters erhalten hatte.


    "Du hast die Verlobung schon offiziell gelöst, - ohne mit den Claudiern darüber zu sprechen?" Das Entsetzen in seiner Stimme war nun echt. Und Corvinus behauptete, er sei unreif und verantwortungslos? Was bitte schon war denn mit ihm selbst? Bisher hatten sie ein gutes Verhältnis zu den Claudiern gehabt und sie hatten sich gegenseitig unterstützt. Das würde dann wohl vorbei sein!


    Ursus schüttelte nur leicht den Kopf. Er verstand Corvinus einfach nicht. Warum eine so gute Verbindung aufgeben? Deandra war doch perfekt!


    "Ich habe übrigens noch eine Bitte an Dich", sagte Ursus schließlich und es fiel ihm wirklich schwer, das auszusprechen, was er vergeblich versuchte, sich nicht anmerken zu lassen. Doch er hatte sein Wort gegeben. Und auch wenn vermutlich niemand anderer an sein Wort glaubte, so tat er selbst es doch zumindest. "Ich würde gerne mit Cadhla regelmäßig Kampftraining absolvieren. Bist Du damit einverstanden?" Immerhin war sie Corvinus' persönliches Eigentum.

    Naja, wer zuckt auch nicht, wenn er gerade geschnitten wird. Dabei hatte es sich ganz gut angelassen. Sie hatte etwas arg viel von der Paste genommen, doch dann war die Sache ganz ordentlich verlaufen. Bis auf diesen Schnitt.


    Schnell griff er nach ihrem Handgelenk und schob das Messer ein Stück von sich weg, während er hektisch nach einem Tuch griff, um es sich auf die Wunde zu pressen. Er stellte schnell fest, daß es kein allzu schlimmer Schnitt war. Natürlich blutete es ziemlich, wie jede Verletzung am Kopf. Doch durch das Aufpressen war die Blutung sehr schnell gestillt.


    "Und nun mach weiter", befahl er äußerlich ruhig. "Aber paß bitte etwas besser auf."


    Innerlich sah das natürlich ganz anders aus. Hoffentlich verunstaltete sie ihn nicht völlig! Sonst konnte er sich auf dem Forum heute nicht blicken lassen. Was sicher keinen guten Eindruck machen würde bei einem frisch ernannten Vigintivir.

    Nun, irgendwie hatte er das Gefühl, daß die Sklaven selbst nicht so ganz genau wußten, was sie tun mußten. Vielleicht war es deswegen schief gegangen? Wie hatten sie glauben können, ein Ritual durchführen zu können, ohne jemanden dabei zu haben, der in der Lage war, es zu führen? Jemanden, der genau wußte, was zu tun war? Wußten sie nicht, daß die Götter leicht zürnten, wenn Fehler gemacht wurden? Aber vielleicht war ja auch das bei ihnen anders.


    In Ermangelung genauer Anweisungen goß Ursus nun doch auch noch einen Schluck Met ins Feuer als zusätzliches Opfer. Dann seufzte er.


    "Meine Eltern sind ebenfalls tot", sagte er leise. Sicher, er hatte noch Familie. Doch fühlte er sich wenig zu ihnen gehörig. Etwas, was er sicher nicht vor Sklaven erörtern würde.


    Ihre Schicksale ließen ihn nicht kalt. Es war sicher schwer zu ertragen, nicht zu wissen, ob die Angehörigen noch lebten oder nicht. Doch Trost spenden konnte er ihnen nicht. Er war ja der Feind, dem sie ihr Schicksal zu verdanken hatten.


    Mit zum Boden gesenktem Blick führte er seinen Becher an die Lippen und trank noch etwas von dem Met. Tilla weinte so furchtbar, doch er verstand nicht, warum eigentlich.


    "Ich denke, ich sollte jetzt gehen und euch noch ein wenig allein lassen." Er störte ja doch nur. Sie wollten doch sicher ihre Erinnerungen austauschen. Da war er völlig fehl am Platze.

    Ja, es klang sehr kalt und abweisend. Doch Ursus ließ sich davon nicht abschrecken und schüttelte den Kopf. "Doch, es ist immer noch allein Deine Entscheidung, Cadhla. Und zwar als erstes die Entscheidung, als was Du Dich sehen willst. Du hast vorhin gesagt, Du seist eine Schildmaid. Einige Minuten später hast Du mir erklärt, Du könntest keine mehr sein. Dann sagst Du wieder, Du bist eine. Ich glaube, da liegt das Problem. Cadhla, - was bist Du?"


    Er wollte keine Antwort auf diese Frage. Im Grunde fand er sogar, daß ihn das nicht so wirklich etwas anging. Sie mußte das ganz mit sich selbst abmachen. Sicher, für die Welt, zumindest für die römische Welt, war sie nichts weiter als eine Sklavin. Doch wie sah sie sich selbst? Wirklich noch als Schildmaid? Hatte sie nicht schon einige Schwüre als Schildmaid gebrochen? Warum klammerte sie sich dann so an diesen einen? Belog sie sich damit nicht selbst? Doch diese Überlegungen wollte er ihr nicht sagen. Sie würden sie allzusehr verletzen. Da mußte sie ganz von allein drauf kommen. Mit der Zeit. Wenn sie zu sich selbst fand und einen Weg fand, sich selbst in ihrem neuen Leben zu akzeptieren, dann würde auch der Weg für Gefühle frei sein.


    "Mir ist bewußt, daß ich Dich nur besiegt habe, weil ich Dich überraschen konnte. Das wird mir wohl kaum noch einmal gelingen." Er war selbst erstaunt, wie leicht es ihm fiel, ihr Können derartig anzuerkennen. Dabei war das wirklich alles andere als selbstverständlich. Sie war eine Frau. Eine Sklavin noch dazu. Vielleicht war es die merkwürdige Situation hier, die ihn so selbstverständlich mit ihr umgehen ließ. Irgendwie auf gleicher Ebene. "Ja, gehen wir schlafen. - Ich... wollte Dich nicht verletzen, Cadhla", fügte er noch hinzu, während er sich schon abwandte, um ins Haus zurück zu gehen.

    Es war schade, daß sie sich derart verschloß. Ihre abwehrende Haltung zeugte von Angst. War es Angst vor ihm? Wohl kaum, sie wußte sich ihrer Haut zu wehren. Also war es wohl eher die Angst vor ihren eigenen Gefühlen. Denn sie war gar nicht so abgeneigt gewesen, vorhin. Er hatte ihre Erregung sehen und spüren können


    "Liebe ist für alle, Cadhla. Es ist allein Deine Entscheidung, ob Du Dich auf sie einlassen willst. Aber sie ist für alle da." Er sprach ruhig und freundlich. Und stellte mit seinen Worten gleichzeitig klar, daß er sie sicherlich nicht zu etwas weitergehenden zwingen würde.


    Als sie ihn darauf hinwies, daß ein Kuß ihn vermutlich in echten Kämpfen zu keinem Erfolg bringen würden, mußte er grinsen. "Naja, ich stelle es mir auch nicht sehr angenehm vor, so einen wilden Germanenkrieger zu küssen. Obwohl es ihn sicher so überraschen würde, daß es mir vielleicht den Augenblick verschafft, den ich brauche, um ihn zu besiegen." Es war ein Scherz, erkennbar an seinem Grinsen und dem Blitzen seiner dunklen Augen.


    Doch dann wurde er wieder ernst. "Gut, das mit der Übung will ich ja durchaus auf mich nehmen, wenn Du meinst, daß bei mir Hoffnung besteht. Ich werde mit Corvinus reden." Seine Worte waren nun nichts weiter als sachlich. Keine Anspielungen, eine annähernde Bewegung, keine anzügliche Gestik. Er war einen Moment lang schwach geworden bei dem wundervollen Anblick, den sie geboten hatte. Und auch wenn es ihn reizte, sie zu erobern und ihr zu zeigen, wie schön die Liebe sein konnte, so respektierte er doch ihre Angst und ihre Schwüre als Schildmaid. Vorerst zumindest.

    Tausendmal gemacht. Aha. So ganz glaubte Ursus ihr nicht, aber sie machte einen recht selbstsicheren Eindruck. "So, dann zeig mal Deine Kunst und ich wäre Dir verbunden, wenn Du mich dabei nicht gleich umbringen oder verstümmeln würdest." Es war ein Scherz. Auch erkennbar. Doch er mußte sich eingestehen, daß er ein etwas mulmiges Gefühl dabei hatte, sich ihr so auszuliefern. Andererseits konnte man Vertrauen auch nur gegen Vertrauen erwarten.


    "Wie ich es wünsche? Sanft und ohne Schnitte." Er öffnete ein Kästchen, das ein geeignetes Messer enthielt und ein Döschen mit einer Paste, die angeblich die Sache erleichterte. "Dann wollen wir mal sehen, ob die tausendfache Übung aus Dir eine ordentliche Barbierien gemacht hat." Er setzte sich und legte seinen Kopf zurück, um ihr sein Gesicht zur Bearbeitung darzubieten.


    Wenn sie ihm die Kehle durchschneiden wollte, war dies die Gelegenheit dazu.

    Ursus beobachtete die Veränderungen in ihrer Miene. Es blieb ihm nicht verborgen, daß ein Teil von ihr Gefallen gefunden hatte an dem, was geschehen war. Auch wenn sie es leugnete und verdrängte. Und sich wieder zu Beherrschung und Kühle zwang. Wobei letzteres nicht vollständig gelang.


    "Liebe ist durchaus manchmal Kampf, Cadhla", widersprach er ihr sanft, blieb aber brav auf Abstand. Ihr Stolz war etwas, was einen Teil ihrer Faszination ausmachte. Und den wollte er ganz sicher nicht zerstören. "Man nennt es küssen", sagte er dann noch mit einem leichten Lächeln, ohne zu versprechen, daß er es nicht wieder tun würde. Manche Dinge waren eben ein Risiko wert.


    Er atmete tief durch. "Aber jetzt mal abgesehen von dem Abschluß des Ganzen. Du wolltest mich prüfen. Wie lautet Dein Urteil?" Er versuchte, die ganze Situation auf die sachliche Ebene zurückzuführen, die sie durch seine Schuld verlassen hatten. Doch er bereute nichts. Noch immer konnte er den Duft ihrer Haare wahrnehmen. Und seine Lippen kribbelten angenehm von dem Kuß...

    Wenigstens machte sie nun schnell. Während sie Wasser holte, stellte er sich wieder an das Fenster. Ein kühler Luftzug wehte herein und sorgte für die nötige Abkühlung. Als Ursus hörte, daß sie wieder eintrat mit dem Wasser, drehte er sich zu ihr um. Eifrig schien sie. Und bemüht, ihre Verspätung wieder auszugleichen. Während sie für ihn Kleidung heraussuchte, wusch sich Ursus gründlich. Dann prüfte er seinen Bartwuchs und kam zu dem Schluß, daß er dringend einer Rasur bedurfte.


    "Hast Du schon mal jemanden rasiert, Caelyn?" Wenn sie es konnte, dann konnte er sich den Besuch beim Barbier sparen. Er wandte sich ihr zu und sah, was sie an Kleidung herausgesucht hatte. Geschmack hatte sie jedenfalls und er nickte anerkennend zu ihrer Wahl.


    Es war natürlich ein Risiko, einer Sklavin ein scharfes Messer in die Hand zu geben und sie damit an seine Kehle zu lassen. Doch... wenn sie ihm übles wollte, dann gab es auch so tausend Möglichkeiten dazu. Warum es also nicht wagen?

    Auch wenn er rein instinktiv gehandelt hatte, seinem momentanen Trieb folgend, drang doch zu ihm durch, daß ihre Reaktion mehr als überraschend war. Als sie ihn bei den Schultern faßte und von sich schob, wehrte er sich nicht dagegen. Zwar hatte er ihr einen Kuß geraubt, doch er hatte natürlich nicht vor, sich ihr weitergehend aufzudrängen.


    Allerdings schien sie es nicht unbedingt als Aufdrängen zu empfinden. Ihr schneller Atem verriet sie ebenso wie das Seufzen, daß ihr eben entschlüpft war. Und doch verriet ihr Gesichtsausdruck neben Erregung auch Schrecken. Und einen Schrecken wollte er ihr nicht einjagen. Ursus blickte sie an und lächelte. "Du hast gesagt, alles ist erlaubt." Natürlich war ihm klar, daß er sie so schnell nicht wieder überraschen können würde.


    Noch ging er nicht von ihr herunter, doch er wich ein wenig zurück, um ihr zu zeigen, daß er die Situation nicht weiter ausnutzen wollte. "Du bist sehr schön, Cadhla", sagte er leise, fast wie zu sich selbst, und rollte sich dann von ihr herunter. Er rappelte sich auf und hielt ihr dann eine Hand hin, um ihr aufzuhelfen. "Und Du weißt wirklich, wo es weh tut." Er lächelte wieder und rieb sich mit der anderen Hand den malträtierten Bauch.