Beiträge von Titus Aurelius Ursus

    Es war ihr wohl nicht auszureden, daß er kein Lehrer war, also ließ er es. Sollte sie es doch glaube, das schadete doch niemandem. Und es sorgte dafür, daß sie ihm Respekt zollte. Auch das war gut, denn eigentlich war er schon viel zu persönlich mit ihr umgegangen. Nicht, daß sie es noch falsch verstand.


    Aber bisher hatte er den Eindruck, daß sie eher kindlich an ihn heranging. Und das war ihm im Moment auch ganz recht. Bat sie ihn da gerade, Schweigen über das schwangere Karnickel zu bewahren? Das ließ ihn schmunzeln, was widerum eine ganz und gar untypische Regung für ihn war. Irgendwie brachte dieses Mädchen ihn dazu, viel sanfter und freundlicher zu sein, als sonst.


    "Ich werde sie nicht verraten. Und bald bekommt sie ja einen Stall, dann ist sie sicher. Brix ist bestimmt der richtige Mann dafür. Und wenn nicht er, dann weiß er, wer es kann." So gut kannte er sich mit den Fähigkeiten der Sklaven auch nicht aus, dafür war er einfach zu lange fort gewesen.


    "Geh nur", lächelte er und nickte ihr auffordernd zu. "Ich lasse Dir morgen dann Bescheid sagen, damit wir den Unterricht fortsetzen, ja?"

    "Ein Lehrer?", staunte Ursus und war sich nicht sicher, ob er sie richtig verstanden hatte. "Nein, ich bin kein Lehrer. Ganz im Gegenteil, ich lerne noch. Abgesehen davon, daß man immer lernt, lerne ich auch noch als Schüler, verstehst Du? Und vom Bauen eines Stalles habe ich wirklich keine Ahnung. Ja, frag Brix, der kennt sich damit vielleicht aus."


    Ihre großen Augen gaben ihr wieder einen sehr kindlichen Ausdruck. Staunend und mit dem Wunsch zu glauben, was immer er sagte. "Den Fischteich findest Du schon, jetzt wo Du weißt, daß es ihn gibt. Es ist doch viel schöner, wenn es noch etwas zu entdecken gibt, oder? Und nein, Frösche gib's da nicht. Auch keine Kaulquappen." Das Gequake wollte schließlich niemand haben, da die Biester ja vor allem nachts Lärm machten.

    Ursus schüttelte entschieden den Kopf. "Beim Bau des Stalls? Sicherlich nicht. Dafür haben wir hier Sklaven, die sich wirklich mit so etwas auskennen." Das klang nun wahrhaft patrizisch. Soweit kam es noch, daß er einen Hasenstall baute! Aus dem Alter war er nun wirklich schon heraus!


    Von ihren Gesten zur Gartenarbeit verstand er wieder nicht alles. Doch ihre Kenntnisse schienen eher rudimentär zu sein, wenn er es recht verstand. "Es wird Dir jemand zeigen, was hier zu tun ist. Und nach einer Weile weißt Du dann von alleine Bescheid. - Achja, und die Fische hier sind nicht zum fangen. Die sind zur Zierde." Nicht, daß sie anfing, die bunten Zierfische herauszufischen.


    Wie sie aussah! Eifrig gerötete Wangen zu den völlig verweinten Augen! Sie war ein hübsches Mädchen, aber im Moment sah sie wirklich ein wenig mitgenommen aus, auch wenn sie endlich wieder etwas fröhlicher schien.

    Na, wenigstens versiegten die Tränen langsam und sie wechselte das Thema. Hoffentlich dachte nicht irgendwer, er hätte dem Mädchen was getan, wenn sie so verweint zu den anderen zurück ging. Das wäre wirklich schlimm, denn er war ja noch nicht lange genug hier, daß die Sklaven ihn kennen könnten.


    "Das mit dem Stall läßt sich sicher einrichten." Obwohl sie dann sicher traurig wäre, wenn die Kaninchen nach und nach in die Küche wanderten. Aber das war der Lauf der Dinge und das mußte sie eben auch lernen.


    So wie sie sich über die Kaninchen äußerte, wirkte sie sehr kindlich. Aber sie war ja auch fast noch ein Kind und durfte auf der Straße sicher nicht kindlich sein. Im Umgang mit den Tieren holte sie dies nun nach. Und warum sollte man ihr die Freude nicht lassen? Von den Tieren würde sich sicher niemals verraten werden.


    "Du solltest trotzdem Möhren essen. Es sind ja genug da, daß sie für Dich und das Kaninchen reichen. Also, dann wirst Du im Garten arbeiten. - Kennst Du Dich schon ein wenig mit Gartenarbeit aus? Hast Du sowas schon mal gemacht?" Er mußte doch wissen, ob er sie noch anlernen lassen mußte, bevor sie durch Unwissenheit den herrlichen Garten ruinierte.

    Jetzt weinte sie auch noch! Um der Götter Willen! Noch nie konnte ein Mann mit den Tränen einer Frau umgehen! Nicht zu dieser Zeit und nicht zu irgendeiner anderen Zeit. Er ließ ihren Halsschmuck los und griff dafür nach dem Tuch auf dem Tablett. Es war eigentlich dafür da, sich die Finger sauber zu wischen beim essen. Zum Glück war es noch relativ sauber und so tupfte er damit ihre Tränen von den Wangen und gab ihr anschließend das Tuch.


    Hilflos rang er nach den richtigen Worten. Leider hatte er kaum etwas von dem verstanden, was sie ihm hatte sagen wollen. Es hatte etwas mit Laufen und der Sonne zu tun. Es war wohl etwas, was dieser Sklave ihr gesagt hatte. "Und hatte er nicht recht?", fragte Ursus schließlich und hoffte, damit nicht ganz und gar daneben zu liegen. Wenn sie doch nur aufhören würde zu weinen!

    Ursus zog seine Hand nicht weg, als sie mit ihrer Hand nun nach der seinen tastete. Auch wenn er mit solchen Dingen im Grunde keine Erfahrung hatte, so merkte er doch, daß er sie jetzt nicht zurückstoßen oder gar verlassen durfte. Sie war in diesem Moment noch viel verletzlicher als vorhin, als sie vor ihm so viel Angst gehabt hatte.


    "Ein Sklave kann und darf sich gegen seinen Herrn nicht wehren, Tilla", sprach Ursus ruhig und fast sanft. "Ein Sklave kann Pech haben, wie Du mit Deinem vorherigen Herrn. Oder Glück. Wie Du jetzt. Hier wird Dich niemand quälen. Du bekommst zu essen und gute Kleidung. Und einen ordentlichen Platz zum schlafen. Und wenn Du fleißig und gehorsam bist, wirst Du bestimmt auch mal belohnt. - Diese Träne..." Er hob seine zweite Hand, um das ungewöhnliche Schmuckstück zu berühren. "Diese Träne solltest Du immer in Ehren halten. Denk nicht in Trauer an ihn. Sondern daran, daß er Freude daran hatte, Dir ein besseres Leben zu ermöglichen. Damit gab er seinem Leben einen Sinn. Du gibst seinem Leben einen Sinn. Und meinst Du, er wollte, daß Du traurig bist und von Deinen Erinnerungen gequält wirst? Ich bin sicher, er wollte, daß Du lächelst. Und er wollte, daß Deine Augen strahlen wie vorhin, als wir gemeinsam neue Gesten gesucht haben. Denke an ihn, wenn Du diese Träne siehst. Und lächle dann. Ihm zuliebe."


    Wenn sie so viel Freude am Garten hatte, vielleicht sollte er Dina dann sagen, daß sie Tilla möglichst viel zu Gartenarbeit einteilen sollte? "Würdest Du gerne hier im Garten arbeiten, Tilla? Wenn Du so gerne hier bist und hier so viele schöne Dinge entdeckst?"

    Sie sah irgendwie niedergeschmettert aus, als habe Ursus ihr mit seinen Worten irgendeinen Halt weggenommen. Dabei hatte er ihr nur helfen wollen. Was wohl gründlich schief gegangen war.


    Wieder schrieb sie etwas auf ihre Tafel. Es dauerte eine Weile, bis sie damit fertig war und ihm ihre Tafel zu lesen gab. Mit ernstem Gesichtsausdruck las er ihre Worte. Und blickte dann zu ihr herüber. "Es ist traurig, daß Du Deine Eltern nicht kennst. Doch ungewöhnlich, gerade für Sklaven, ist es nicht. - Es mag ein schlechter Ersatz sein, doch Du bist nun hier zuhause. Die hier lebenden Menschen sind jetzt Deine Familie. Sicher mußt Du hier arbeiten und das mag nicht immer schön sein. Aber in gewissem Sinne arbeiten wir alle. Und wir alle tun es für die ganze Familie. Zum Teil sogar für ganz Rom." Er wollte ihr damit nur klarmachen, daß jeder hier ein Teil eines Ganzen war. Und das jeder Teil irgendwie wichtig war für das Funktionieren des Ganzen. Selbst eine Sklavin wie sie.


    "So ein Mensch wie Dein bisheriger Herr ist krank. Und er wird nie Glück oder auch nur Zufriedenheit in seinem Leben finden, denn er wird ja von allen gehaßt. Und wenn er nicht schon in diesem Leben für seine Grausamkeit bestraft wird, so werden die Götter ihn dafür strafen, wenn er stirbt." Das stand ja auf jeden Fall fest. Die göttliche Gerechtigkeit war etwas, worauf man sich verlassen konnte. Nur auf den Zeitpunkt, wann sie eintraf, konnte man nicht wetten.


    Vorsichtig streckte Ursus seine Hand aus und legte sie sanft auf ihren Arm. Er wollte sie nicht erschrecken, er wollte ihr nur zeigen, daß sie nicht allein war. "Die Erinnerungen, die Du mit Dir trägst, sind furchtbar. Und vermutlich werden sie Dich nie verlassen. Im Moment werden sie noch schwarz und rot und schmerzhaft sein. Aber irgendwann, wenn Du genug schönes erlebt hast, wird das Leuchten der neuen Erinnerungen die schrecklichen alten immer mehr verblassen lassen. Dafür mußt Du nur eines tun, was allerdings nicht ganz leicht ist: Du muß das Leuchten der schönen Dinge, der schönen Momente in Dein Herz lassen."

    @ Decimus Furius Licinus: Hast Du das Geld denn hier im IR von einem verstorbenen, gespielten Charakter geerbt oder hattest Du Dir das Erbe nur als Charakterhintergrund ausgedacht?


    Ich verstehe Stellas Antwort so:
    Du kannst nur Geld verwenden, daß Du Sim-On irgendwie erhalten hast (das sich also auf Deinem Wi-Sim-Konto befindet). Sei es durch Erbschaft von einem hier gespielten, inzwischen verstorbenen Charakter - oder durch Arbeit erwirtschaftet. Du kannst kein Geld verwenden, daß Du Dir lediglich als Charakterhintergrund zugeschrieben hast.


    Ich hoffe, ich habe das jetzt richtig verstanden...

    Ursus sah zwar, daß seine Worte Enttäuschung hervorbrachten. Doch es war besser, als wenn er sie unabsichtlich noch mehr verletzte. Er betrachtete das Mädchen. Sie war so schüchtern, so verletzlich und empfindsam. Es war wirklich nicht leicht, mit ihr umzugehen. Hoffentlich legte sie das im Laufe der Zeit ab. Wenn sie erst begriffen hatte, daß sie hier nicht mißhandelt wurde.


    Sie machte diese Geste mit ihrer Haarsträhne und Ursus brauchte einen Moment, um zu begreifen, daß das ihre Namensgeste sein sollte. "Das bist Du? Haar... nein, Locke..." Er nickte und ahmte die Geste nach. Gut, das war eine leicht zu merkende Geste.


    Dann schrieb sie etwas auf ihrer Tafel. Neugierig nahm Ursus die Tafel und las sie. Er wurde merklich blasser. Sein Gesicht wurde starr und er schüttelte den Kopf. "Jetzt will ich Dir mal was sagen, Tilla. Es gibt einen Unterschied zwischen Werkzeug und Folterinstrument. Ein Werkzeug ist ein Hilfsmittel, um eine Arbeit zu erledigen. Ein Folterinstrument ist etwas, womit man Menschen quält. Dann gibt es noch Mordinstrumente, auch Waffen genannt. Die sind dafür da, um zu töten. Gut, in all diesen Kategorien gibt es Messer. Und doch gibt es da himmelweite Unterschiede, oder? Also, lerne, nicht mehr die Messer zu hassen oder das Wort Werkzeug. Sondern Deinen früheren Herr. Denn kein Schwert, kein Messer, kein Speer ist böse. Nur die Hand, die eine Waffe führt, kann böse sein. Denk mal daran, daß auch Ärzte Messer benutzen. Auch sie schneiden damit ins Fleisch. Aber sie tun es, um zu heilen... - - Du bist jetzt hier. Und hier wird nicht gefoltert oder verstümmelt!"

    Sie war schon wieder irgendwie verängstigt. Nicht ganz so wie am Anfang. Aber trotzdem sprach Angst aus ihrer Körperhaltung. Ursus seufzte. Und beobachtete sie weiter. Wieder ging sie nicht auf die Frage nach einer Geste für sie selbst ein. Sie verweigerte die Antwort zum wiederholten mal und das ärgerte ihn schon irgendwie.


    "Also, Entenschnabel finde ich auch nicht sonderlich nett, auch wenn es eigentlich für reden stehen soll. Warum bleiben wir nicht vorerst beim U? Und wenn Du mir nicht sagen willst, was für eine Geste für Dich steht, werde ich mir eben eine ausdenken, ja? Und ich glaube, für heute ist es genug. Ich habe Dir mit irgendwas Angst gemacht, das ist nicht zu übersehen. Da Du nicht damit rausrücken willst, was es ist, schlage ich vor, wir machen morgen weiter, wenn Du Dich etwas beruhigt hast. - Ich lasse Dich dann rufen." Er blickte sehr ernst drein, als er das sagte. Nicht zornig oder beleidigt. Aber doch auch nicht so fröhlich wie vorhin noch.

    Es ging eine Veränderung mit ihr vor und Ursus konnte nicht sagen, warum. "Was ist los? Habe ich Dich irgendwie verletzt?" Sie war auf einmal nicht mehr fröhlich, das könnte selbst ein Blinder nicht übersehen. Selbst ihre vorhin noch strahlenden Augen waren auf einmal dunkel.


    Wenigstens antwortete sie auf eine seiner Fragen. Die Augenbraue! Natürlich, dieses elende, verräterische Ding! "Ah... das ist Dir also auch schon aufgefallen. Dabei versuche ich, mir das abzugewöhnen! Es ist furchtbar, damit verrate ich viel zu viel. Das ist nicht gut, wenn man in die Politik will. Du magst recht haben, daß es typisch für mich ist, aber mir wäre lieber, wenn Du etwas anderes finden würdest. - Was ist nun mit Dir und Deiner Geste?" Zum wievielten mal fragte er das? Drittes oder viertes mal? Warum war ihr diese Frage so unangenehm? War es das am Ende, was ihr die Laune so verdorben hatte?

    Dieser vorherige Herr von ihr war ja wirklich ein eigenartiger Mann. Wie sollten die Sklaven denn arbeiten, wenn man ihnen kein Werkzeug gab? Aber natürlich, wenn man seine Sklaven so schlecht behandelte, mußte mal wohl auch fürchten, ihnen ein Messer in die Hand zu geben. Dabei gab es auch noch haufenweise Tötungsmöglichkeiten ganz ohne eine Waffe wie ein Messer.


    "Hier bekommst Du ein Messer, wenn Du eins brauchst. Es ist ein Werkzeug, das man doch schließlich dauernd braucht. Also... scheu Dich nicht, in der Küche eines zu nehmen, wenn Du Obst schälen willst." Sie mußte noch vieles lernen, bevor sie hier in diesem Haus zurecht kam. Aber er zweifelte nicht daran, daß sie sich bald eingewöhnte, denn in den meisten Punkten waren es ja offensichtlich Verbesserungen für sie.


    "Eine Geste für mich? Hm. Das ist nicht leicht. Ich finde, andere können sowas viel besser, als man selbst. Was wäre denn die Geste für Dich? Du hast immer noch nicht gesagt, ob Du eine hast." Ihm würde schon eine einfallen für sie.

    Seine Fragen schienen von der Art zu sein, über die sie sich bisher wohl eher weniger Gedanken gemacht hatte, weswegen ihr die Antwort offenbar schwer fiel. Man sah ihr an, wie ihre Gedanken sich überschlugen. Und dann schien sie eine Idee zu haben.


    Sie eilte aufgeregt davon und Ursus blickte ihr kopfschüttelnd hinterher. Sie war wie ein Vogel, ängstlich, wenn man ihm zu nahe kam, ansonsten aber Fröhlichkeit verbreitend und flatternd. Gerade flatterte sie in den hinteren Teil des Gartens und erst als sie zurückkam, verstand er, was sie wollte.


    "Orangen", sagte er überflüssigerweise und schreckte etwas zurück, als sie herumspritzte. Seine Augenbraue hob sich wieder einmal, doch dieses mal merkte er es nicht. "Sei etwas vorsichtiger, sonst werden die anderen Sklaven zornig auf Dich. Solche Flecken sollen ja schwer rausgehen." Ihm selbst war es relativ egal. Er hatte nicht seine beste Kleidung an und waschen mußte er ja nicht.


    "Du magst also lieber Organensaft als Wein." Eine umständliche Art, es ihm zu erklären, sie hätte es ja einfach auf ihre Tafel schreiben können. "Hat man Dir nie gezeigt, wie man Orangen schält, ohne daß sie so spritzen und matschig werden?" Er nahm eine Orange, dann sein Messer, ritzte die Schale ein und schälte sie dann gekonnt und sauber. "Siehst Du?" Er brach die Frucht auseinander in einzelne Schnitze und legte diese auf das Tablett. Eines davon steckte er sich gleich in den Mund. Süß und saftig.


    Als er aufgegessen hatte, fragte er nochmal. "Also, wir brauchen Gesten für jede Person hier im Haus. Das ist gar nicht so einfach. Könnte man nicht mit den Fingern auch Buchstaben zeigen? Es braucht ja nicht immer den ganzen Namen. Anfangsbuchstabe oder die ersten zwei reichen doch meistens." Er zeigte ein C mit seiner Hand an und meinte dann. "Corvinus. Und bei Cotta brauchen wir noch einen zweiten, damit man ihn nicht mit Corvinus verwechselt. - So." Er zeigte C und O. "Was meinst Du?"

    Wie nett, sie wurde rot! Ursus lächelte sie an und mußte sogar auflachen, als sie das Gesicht verzog wegen des Weines. Dabei war der Wein gar nicht trocken, sondern süß und lecker. Aber es war eben nicht jedermanns Geschmack. Vor allem nicht beim ersten Versuch.


    "Das heißt danke", versuchte er die neue Geste. "Aber den letzten Satz habe ich nicht verstanden. Irgendwas ist gut? Was ist gut?" Es mußte ein Getränk sein, denn sie hatte es im Zusammenhang mit dem nicht schmeckende Wein gesagt. Aber nach Wasser hatte es irgendwie auch nicht ausgesehen.


    Er nahm sich eine Handvoll Trauben und zupfte sich eine ab, um sie sich in den Mund zu stecken. Nachdem er ausgekaut hatte, fragte er sie: "Wir hatten Mann und Frau. Aber wie machst Du es, wenn Du eine bestimmte Person meinst? Dina oder meinen Onkel oder mich? Hast Du für jeden eine Gebärde? Gibt es eine für Dich außer dem Begriff ich?"

    "In Ordnung, ich hab's begriffen", sagte Ursus japsend und ging auf ein paar Schritte Abstand. "Du bist mir weit überlegen. Also hat es keinen Sinn, es so zu versuchen. Bring mir lieber was bei, damit wir irgendwann einen richtigen Kampf ausführen können, in dem ich auch eine Chance habe." Er ärgerte sich darüber, derart unterlegen zu sein, versuchte aber, sich davon nichts anmerken zu lassen. Es gab für ihn nur einen Weg, einigermaßen ehrenvoll hier rauszukommen: Indem er sich beibringen ließ, was Marsus konnte.


    "Wo hast Du das nur gelernt. Das geht doch weit über das hinaus, was man in den leichten Übungskämpfen in den Thermen lernen kann." Denn dies war der einzige Ort, an dem Ursus sich bisher mit Ringen beschäftigt hatte.

    Während er sich die guten Sachen schmecken ließ, sah er dem Mädchen aufmerksam zu. Er versuchte, sich alles zu merken. Dann wischte er sich die Finger sauber und machte die Gesten nach, während er aussprach, was er glaubte, verstanden zu haben. "Trauben... abzupfen... Nüsse .. knacken." Er lächelte und machte weiter. "Ist... richtig... Das ... ist .. einfach..." Das schien ihm recht eindeutig zu sein.


    Aber er machte noch weiter. "Du ... bist... Frau... Du ... bist... Diener ... Du ... trinkst ... Wein... Du ... ißt... Brot." Es war gar nicht so schwer, wenn man gut aufpaßte und das Prinzip begriffen hatte. Die meisten Gesten waren schlüssig und leicht zu verstehen.


    "Das geht ganz gut", stellte er fest und trank noch etwas Wein. "Erste Sätze, auch wenn sie noch kurz sind." Er versuchte noch etwas. *Du... bist schöne Frau* Das war ein Versuch, ihr ein Kompliment zu machen. Gespannt wartete er auf ihre Reaktion. Ob sie jetzt wohl wieder Angst bekam? Das wollte er jedenfalls nicht. Er hatte es einfach nur freundlich gemeint.

    Es dauerte ein wenig, bis sie sich dazu durchrang, sich zu setzen und etwas zu essen zu nehmen. Und sie wagte es auch nur, wenig zu nehmen.


    "Schön", riet er und wiederholte die Geste. "Weitermachen?" Er wiederholte die andere Geste. Als sie dann noch die ganzen Lebensmittel in rascher Abfolge vormachte, lachte er. "Halt, halt, halt, nicht so schnell. - Komm, nimm Dir noch was, Du hast ja kaum etwas ausgewählt!" Er selbst war deutlich weniger bescheiden und trank erstmal einen guten Schluck Wein. Dann aß er etwas Brot und Käse. Kauend machte er dann die Gesten nach, die er sich hatte merken können. *Brot*, *Käse*, Trauben mißlang und die Nüsse hatte er sich nicht so recht merken können. Dafür gelang *Wein* ganz ausgezeichnet, wie wohl nicht anders zu erwarten gewesen war bei einem Mann wie ihm.

    Ursus freute sich, daß sie mit seinen Änderungen ihrer Gebärden einverstanden war und lächelte, als er sah, wie eifrig sie aufsprang, um etwas zu essen zu besorgen. Sie ließ ihre Tafel liegen. Aber sie würde schon wisse, ob sie sie brauchte oder nicht. Auf die Idee, vielleicht alleine ein wenig zu üben, kam er nicht.


    Es war aber auch ein schöner Tag heute. Nicht zu warm und nicht zu kühl. Er atmete tief durch und lehnte sich ein wenig zurück, um die Ruhe und die frische Luft zu genießen bis Tilla wiederkam. Wie anders war ihm doch jetzt zumute als vorhin. Fast mußte er über sich selbst lachen. Aber nur fast.


    Da kam Tilla auch schon mit einem vollen Tablett zurück. "Stell es zwischen unsere Bänke, dann können wir uns bedienen. Und setz Dich doch bitte wieder. Wir wollen doch weitermachen." Er klang nun durchaus auch ein wenig bestimmt, auch wenn es immer noch freundlich war. Nur hatte sie gerade wieder so die Pose der Sklavin eingenommen, daß er das Gefühl hatte, dem mit einer gewissen Bestimmtheit begegnen zu müssen.


    "Und nimm Dir, es ist wirklich in Ordnung so, Tilla. Du bist eine Sklavin, ja. Und Du bist dafür da, uns zu bedienen. Aber im Moment bist Du meine Lehrerin. Und das ist eine anstrengende Arbeit. Also iß, ja?" Er füllte zwei Becher mit dem stark verdünnten Wein, reichte ihr einen und nahm sich dann von dem Käse und den Trauben, dazu ein Stück des noch leicht warmen Brotes.

    Ursus störte sich nicht daran, daß sie ihn berührte. Doch er wunderte sich, daß sie das fertig brachte, nachdem sie vorhin so ängstlich auf den Abstand geachtet hatte. Anscheinend begriff sie wirklich langsam, daß sie keine Angst zu haben brauchte.


    Er ließ sich von ihr belehren und versuchte die Geste für Senator nochmal nach ihren Korrekturen. Das kam wohl eher hin, ja. Er nickte verstehend. "Gut, dann näher am Körper. Vielleicht auch nicht ganz so ausgeprägt? So reicht doch auch?" Er machte die Geste kürzer und blickte sie fragend an.


    Dann blickte er auf die beiden Wörter, die er jetzt darstellen sollte. Reden und essen, das war einfach. Er machte die Gesten und hielt sie auch hier recht sparsam. Ob ihr das reichen würde? "Findest Du nicht, so ist es eindeutig genug?" Wieder blickte er sie fragend an. Es war wirklich interessant, die Sprache nicht nur zu lernen, sondern sie auch noch zu verfeinern.


    "Wie wäre es, wenn Du uns mal einen kleinen Imbiß aus der Küche holen würdest? Und etwas zu trinken? Aber für zwei Personen, hm? Als Lehrerin hast Du Dir das echt verdient." Er lächelte sie an. Sie würden sicher noch eine Weile brauchen und sein Magen meldete sich schon mit leisem Knurren.

    Ursus lachte als er sah, wie sehr sie sich freute. Was für ein Unterschied zu vorhin, wo sie sogar unter der Bank durchgekrochen war vor lauter Angst! So gefiel sie ihm viel besser. Richtig hübsch war sie, wenn sie sich so freute.


    Die Geste mit der Fingerspitze verstand er nicht so ganz. Es schien etwas mit Freude zu sein. Sie freute sich. Aber das war ohnehin nicht zu übersehen. Sie hatte richtig Spaß dabei, mit ihm zu lernen. Und ihm machte es auch Spaß. Versuchsweise ahmte er einfach ihre Geste nach, um ihr zu zeigen, daß er auch Freude an diesem "Spiel" hatte, das ja eigentlich gar keins war.


    Nun schrieb sie alles gelernte untereinander. Und bedeutete ihm, daß er dran sei. "Ich bin dran, ja?" Sie hatte noch ein Bitte angefügt, sicherlich angemessen für eine Sklavin, auch wenn er in diesem Moment das Fehlen gar nicht mal bemerkt hätte. "Gut, dann wollen wir mal." Er machte die Geste für Senator und dann gleich noch die für Bettler.