Beiträge von Titus Aurelius Ursus

    Ein Bote hatte Post aus Rom gebracht und Ursus war wirklich froh, daß es endlich angekommen war. Schon hatte er nachfragen wollen, wann es denn endlich soweit war, wollte er doch Cimon eine Freude damit machen.


    Heute war es denn endlich soweit gewesen und nun hatte Ursus vor, Cimon damit zu überraschen. Er ließ ihn rufen und hatte aufgetragen, Cimon zu sagen, er solle seinem Herrn etwas vorlesen. Ursus wußte, Cimon hatte Freude daran. Und was er heute lesen würde, das würde ihm besonders gefallen, so kurz es auch war.

    "Wenn die Lupa sich unwohl fühlt, dann arbeitet sie entweder nicht, - oder tut es trotzdem, weil sie das Geld braucht. Das ist letztendlich ihre Entscheidung." Ursus sprach ruhig und sanft. "Sie tut es ja nicht aus Liebe, sondern für Geld. Es ist ihre Arbeit und wie bei jeder Arbeit wird es ihr manchmal Spaß machen, aber meistens nicht."


    Nun wurde es wieder schwieriger. "Ja, es ist unterschiedlich, ob mit Mann oder Frau. Aber was schöner ist, was einen mehr erfüllt, das muß jeder für sich herausfinden. Und es kommt auch darauf an, was man für den Partner empfindet." Er dachte wieder an Cadhla. Da hatte er es zum ersten Mal erlebt, wie es war, wenn man den anderen wirklich liebte. "Du liebst eine Frau und Du liebst einen Mann. Du weißt nicht, was davon die Liebe ist, der Du folgen solltest. Im Herzen meine ich. Denn im Verstand weißt Du es sehr wohl." Noch immer sprach Ursus sehr sanft. Kein Vorwurf war in seiner Stimme.

    Wenn sie keine Krieger sind. Hatte Baldemar nicht vorhin gesagt, alle Germanen seien Krieger? Aber vermutlich meinte er jetzt die Sklaven, ja, das mußte es sein. "Aber er dürfte auch allein entscheiden? Oder gibt es Regeln dafür, wann er ein Thing einberufen muß?" Der Rich schien ja ein ziemlich mächtiger Mann zu sein, wenn er auch allein entscheiden durfte. "Was passiert, wenn den Männern im Dorf die Entscheidungen des Richs nicht gefallen?" Ja, Fragen hatte er immer viele auf Lager, auch wenn er ahnte, daß Baldemar irgendwann die Antworten verweigern würde. Aber solange der Germane es mitmachte, wollte Ursus so viel wie möglich erfahren.


    "Reiten und kämpfen. Du kannst gerne Cimon fragen, ob Du ihm bei der Versorgung des Pferdes helfen darfst. Oder es mal reiten. Ich habe selten Zeit dafür, das Tier zu bewegen. Es wäre mir recht, wenn ihr beiden das tut." Ein Entgegenkommen. Wenn Baldemar gern ritt, traf es sich ja gut, daß Ursus ein Pferd hatte, das bewegt werden mußte. Über das Kämpfen hatten sie ja schon gesprochen.

    Eine kameradschaftliche Geste, dieses leichte Schlagen mit der Faust gegen die Schulter. Ursus fühlte sich in die Vergangenheit versetzt. In seiner Jugend hatte das zuletzt jemand getan. Brutus, ein Junge, mit dem er eine Menge Unsinn gemacht hatte. Er war tot. Aber unvergessen. Es war ein gutes Gefühl, diese Geste noch einmal zu spüren.


    Anscheinend hatte er doch nichts Falsches gesagt. Ursus war erleichtert. Er wollte die gute Stimmung nicht zerstören. Baldemar taute weit mehr auf, als Ursus es je für möglich gehalten hätte. Und auch wenn er selbst irgendwie völlig von seinem üblichen Weg abwich, war es gut so. "Trommeln? Ich habe es nie versucht. Also nie mehr als jedes Kind, das auf irgendwelchen Dingen herumschlägt, um möglichst viel nervenden Lärm zu machen."

    Ursus schüttelte den Kopf. Aber er wußte auch nicht genau, wie er den Unterschied erklären sollte. Jemandem, der es nie ausprobiert, nie gefühlt hatte. "Warum sollte das falsch sein? Man nimmt dem anderen doch dadurch nichts weg? Im Gegenteil schont man den anderen dadurch. Schau, eine Frau hat hin und wieder unter Unwohlsein zu leiden. Und Männer haben oft das Bedürfnis nach körperlicher Vereinigung. Wenn man aber jemanden liebt, dann zwingt man sich ihm nicht auf. Es sollte doch für beide gleich schön sein, nicht wahr? Warum dann also nicht zum Beispiel in ein Lupanar gehen, um dort dem Bedürfnis nachzukommen und ein wenig Spaß zu haben? Was könnte denn der geliebte Mensch dagegen haben?"

    Ursus schüttelte den Kopf. "Nein, Cimon. Es ist nicht an Dir zu entscheiden, ob seine Entscheidung falsch ist. Er trifft die Entscheidung. Wenn er sich entscheidet, zu leiden, weil er das gerne in Kauf nimmt, um auf der anderen Seite das Glück zu haben, bei Dir sein zu können, dann ist das seine Entscheidung. Du hast die Aufgabe, seine Entscheidung zu akzeptieren und mitzutragen. Auch das kann mit Leid verbunden sein."


    Und wieder eine Frage, die kaum zu beantworten war. "Die körperliche Komponente? Das ist sicherlich bei jedem anders. Denke ich zumindest. Die körperliche Vereinigung kann einfach nur Spaß sein, ganz ohne tiefe Gefühle. Aber ich finde, wird sie geteilt von Menschen, die sich sehr lieben, dann ist das... unglaublich erfüllend." Ob Cimon je...? Nein, vermutlich nicht. Seine früheren Herren hatten es ihm gewiß nicht erlaubt. Vielleicht sollte er ihm die Möglichkeit verschaffen? Eine hübsche und saubere Lupa ließ sich gewiß auch in Mantua auftreiben.

    "Das Thing. Daran nehmen alle Männer teil, nicht wahr? Oder gibt es Männer, die ausgeschlossen sind? Was wird verhandelt auf einem Thing? Sind das nur Männerangelegenheiten oder Kriegsprobleme? Oder auch anderes?" Ursus hatte eine Vorstellung von einem Thing, die irgendwie einem sehr primitiven Senat entsprach. Ob er damit die Wirklichkeit einigermaßen traf, war ihm allerdings nicht bekannt.


    "Ja, Pflicht kann Vergnügen sein. Wenn es so ist, hat man Glück. Meist ist ein Teil Vergnügen und ein anderer Teil nicht. Zumindest finde ich an den meisten meiner Pflichten etwas, was mir auch Vergnügen bereitet. Gibt es hier Pflichten, die Dir Vergnügen bereiten?"

    Der Germane lachte. Das war ja mal etwas ganz Neues. Ursus lachte mit ihm und fragte sich unwillkürlich, wie das hier eigentlich zustande gekommen war. Aber vielleicht durfte man so etwas nicht fragen. Es war die Art von Wunder, die man besser einfach hinnahm. "Ja, gut, daß Du zufällig da bist." Ein breites Grinsen begleitete diese Worte.


    Doch dann wurde er wieder ernster. Er schaute quasie durch Baldemar hindurch, denn er versuchte, in sich hineinzuhorchen, um die richtigen Worte zu finden. "Was habe ich gefühlt? Was gedacht? Das ist schwer." Er atmete tief durch. "Der Rhythmus war... tief in mir drinnen. Er war irgendwie - ursprünglich und ergreifend. Der Kampf war zu spüren, noch bevor ich die Bedeutung der Worte kannte. Was dachte ich? Eigentlich dachte ich gar nicht, ich... ich habe mich einfach mitreißen lassen." Hoffentlich beleidigte er Baldemar damit nicht. "Ich habe mich gefragt, wie mitreißend das erst sein muß, wenn Trommeln das Lied begleiten."

    Ursus schmunzelte. "Mit Eiern hat das überhaupt nichts zu tun. Hör noch einmal genau hin: Exerzierplatz. Ein Platz zum Exerzieren, zum Üben und Trainieren." Er betonte das schwere Wort besonders und sprach es langsam und deutlich aus. Sie sollte es ja lernen. Und er wußte, wenn sie es ein wenig übte, würde sie es auch können.


    "Die Offiziere wirst Du sehr leicht erkennen. Das sind die, die den anderen sagen, was sie zu tun haben. Und das tun sie sehr laut, in kurzen, knappen und deutlichen Befehlen. Die Centurionen haben zum Beispiel querstehende Helmbüsche... Ach, ich bin sicher, Du erkennst die Offiziere. Schau Dir die Männer genau an, dann findest Du die Unterschiede." Vielleicht konnte sie so auch ein bißchen was lernen: Wenn sie die Soldaten beobachtete und miteinander verglich. Spannend war das doch ganz sicher. Und welches kleine Mädchen hatte sonst schon dazu Gelegenheit?


    Was die Kleine da aufgeschnappt hatte, hätte Ursus fast zum Lachen gebracht. "Cimon hat schon Recht, dafür bist Du noch ein bißchen jung. Aber es wird sicher nicht mehr lange dauern, bis Du verstehst, was damit gemeint ist. Frija wird schon dafür sorgen und Dir alles erklären." Er würde sich bestimmt nicht aus dem Fenster lehnen und dem wißbegierigen Kind etwas über die Freuden des Sexuallebens erzählen.


    "Malst Du eigentlich gern? Schaffst Du gern Bilder?", fragte Ursus fast nebenbei, als wäre es einfach nur so eine Frage.

    Ursus hatte sich wirklich einen hervorragenden Platz ausgesucht, um zuzusehen. Er konnte alle Geschütze überblicken und hatte auch einen guten Blick auf den angegriffenen Wall. Es war beeindruckend, die Schäden zu sehen. Aber nicht minder beeindruckend, wieviele Geschosse notwendig waren, um nennenswerte Schäden zu verursachen. Der aufwendige Lagerbau hatte schon seinen Nutzen.


    Der Tribun ließ seinen Blick nun wieder schweifen. Er schaute nach den Männern, die für den Schutz zuständig waren. Schauten sie einfach fasziniert zu? Oder kamen sie ihrer Aufgabe gewissenhaft nach?





    Man weiß es. "Wer entscheidet es? Der Junge selbst? Sein Vater? Der Rich? Wer? Ich meine... irgendwer muß doch zu ihm hingehen und sagen: Ab heute gehörst Du zu den Männern. Ab heute darfst Du um eine Frau werben. Ab heute darfst Du entscheiden, wem Du folgst. Oder ist das nicht so?" Ursus konnte nicht anders. Er mußte einfach weiter nachbohren. Vielleicht war das ja auch von Dorf zu Dorf unterschiedlich? Oder von Stamm zu Stamm?


    "Ja, Saturnus gefällt mir auch. Aber ändern? Nein, man kann das Volk nicht ändern. Man kann nur vorleben und hoffen, daß sie folgen. Sie waren ja nicht immer so. Sie sind Vorbildern gefolgt, die nicht gut waren. Und natürlich folgen sie leichter dem Vergnügen als der Pflicht." So war es schon immer gewesen. Und so würde es immer sein.

    "Ja, guter Zufall", grinste auch Ursus. Er lehnte sich ein wenig zurück, stützte sich nach hinten mit den Händen ab und streckte seine Beine aus. Als Baldemar fesstellte, daß es gefährlich war, so allein herumzulaufen, grinste Ursus ein wenig schief. "So populär bin ich zum Glück noch nicht. Ja, Du hast schon Recht. Aber ich Dummkopf gab meinem Leibwächter frei, weil ich dachte, ich bräuchte ihn vorerst nicht. Und eigentlich wollte ich auch gar nicht so weit weg gehen."

    Cimon wirkte, als würde er in tiefe Verzweiflung gestürzt. Doch ersparen konnte Ursus es ihm nicht. Er hatte ihm ja schon einmal gesagt, daß er keine freie Römerin lieben durfte und Cimon schien es an sich verstanden zu haben. Daß es schmerzte, das stand außer Frage. "Ja, zuerst schon. Es tut sehr weh. Und es ist sehr schwer. Aber mit der Zeit wird es leichter. Es ist der einzige Weg. Denn der andere... Cimon, Du weißt, daß ein Sklave keine freie Frau haben kann. Du würdest sie ins Unglück stürzen. Und auch wenn es erst vielleicht weniger schmerzvoll erscheint, wird es auf die Dauer gesehen, viel schmerzhafter und schlimmer sein, denn dann trifft Dich auch noch Schuld." Woher hätte er wissen sollen, daß es schon zu spät war? Daß Cimon bereits den größten aller Fehler begangen hatte?


    Als Cimon dann aber von Phaeneas sprach, lächelte Ursus erleichtert. Wenn der Nubier so von einem anderen Menschen sprechen konnte, dann war es mit der Frau nicht so schlimm. Dachte er. "Nicht würdig? Cimon, das ist Unsinn. Und außerdem hast das nicht Du zu entscheiden, sondern er. Hör auf, Dich herunterzuziehen. Laß ihn entscheiden, ob er Dich würdig findet."

    "Er heißt Exerzierplatz und befindet sich direkt neben dem Lager. Aber Du darfst die Soldaten dort nicht stören, denn sie müssen trainieren. Und auch aufpassen, daß Du von denen wegbleibst, die Bogenschießen üben oder Speerwerfen. Wenn einer der Offiziere sagt, daß Du im Weg bist, dann mußt Du dort auch weggehen. Auch wenn es schwerfällt. In Ordnung?" Er lächelte freundlich, denn natürlich wußte er, daß es schwer für ein Kind war, so viele Regeln zu beachten.


    "Ich denke, Du probierst einfach aus, wie Du Septima aufmuntern kannst. Vielleicht einen Strauß hübscher Blumen pflücken?" Ursus wußte selbst im Moment nicht, wie er seiner Frau das Leben erleichtern konnte. Er hatte noch viel zu tun und hatte wirklich damit gerechnet, daß sie hier auch weibliche Gesellschaft vorfinden würde.


    "Oh, Du mußt Dich deswegen bei mir nicht entschuldigen. Es wäre Dir schon wieder eingefallen, wenn Dir langweilig geworden wäre. Anscheinend ist Dir hier gar nicht oft langweilig, hm?" Er fragte das mit einer sonderbaren Betonung und ein spitzbübisches Schmunzeln umspielte seine Lippen. Er war gespannt, ob die Kleine diese Andeutung verstehen würde. Kinder hatten ja ganz allgemein ein Gespür für so etwas.

    Hm. Für Geschichtsinteressierte ist es natürlich schon spannender ;) Die Frage ist, wie extrem das "eher nicht so interessiert" gemeint ist. Ich war mit Freunden dort, die allgemein schon geschichtsinteressiert sind, nur eben nicht unbedingt so sehr viel Interesse für die Römer mitbrachten. Die waren aber extrem begeistert von der Saalburg.


    Es ist halt ein Römerkastell mit Museumsräumen. Aber sehr anschaulich und interessant gemacht, wie ich finde. Viel zum "anfassen", man kann auch - fast - überall rein - oder über den Wall laufen. Es gibt die Möglichkeit, eine Kleinigkeit zu essen und Kaffee zu trinken, vielleicht kannst Du sie damit locken? Man kann auch ein paar Schritte mehr gehen und zum eigentlichen Limes gehen, der Weg ist ausgewiesen. Sicher schön für den Hund ;) Und es ist nicht sehr weit.

    "Dann bleibe ich erst einmal bei "kleine Maus", ich finde es im Moment recht passend für Dich." Ursus lächelte und lehnte sich ein wenig zurück. "Also mit den Katern. Und mit Cimon. Und mit dem Ball. Wenn auf dem Exerzierplatz nicht zuviel los ist, kannst Du dort sicher auch damit spielen. Vielleicht findet sich auch der eine oder andere Mann, der außerhalb seines Dienstes mit Dir Ball spielt. Kinder gibt es hier leider nicht. Die meisten Offiziere sind nicht mal verheiratet. Septima ist deswegen auch schon traurig." So, Baldemar wollte dem Mädchen also beibringen, was sein Vater ihn gelehrt hatte? Hoffentlich nicht wirklich alles. Er mußte daran denken, daß laut Baldemar alle Söhne zu Kriegern erzogen wurden. Bei einem Mädchen kam er doch wohl nicht auf solch eine Idee.


    "Hat Cimon nicht mal eine Puppe für Dich gemacht? Die hast Du doch bestimmt auch noch, oder? Und die kleine Puppenstube von mir?" Fragend blickte er die Kleine an. Sie hatte doch hoffentlich nichts zurücklassen müssen?

    "Gefällt Dir kleine Maus nicht?" Während er gemütlich ein paar Stücke Obst aß, hörte Ursus dem kleinen Mädchen zu, wie es von seinem Tag erzählte. Kein sehr schöner Tag, abgesehen von den Katern. "Und hast Du hin und wieder ein wenig Zeit zum Spielen? Was spielst Du besonders gerne?", fragte er weiter. Die Aussage mit dem Probieren wollen und nicht dürfen überging er schmunzelnd. Sie würde schon noch genug probieren können, die kleine Naschkatze.

    Nunja, kein Germane, der kein Krieger war. Das war mal eine klare Ansage. Gab es denn keine Künstler bei den Germanen? Keine Liedsänger, die die Legenden weitertrugen? Vermutlich eine Aufgabe der Frauen. Nur Krieger. Eine eigentümliche Gesellschaft. Fand Ursus zumindest. "Zwischen zwölf und fünfzehn also. Woran wird es festgemacht, daß sie dann Krieger werden?" Er hatte nach einer Prüfung gefragt, aber das schien es nicht zu sein. Doch irgendwie mußten die Germanen doch erkennen, ob ein Junge soweit war, wenn es kein festes Alter gab?


    "Ja, gleich. Für diese wenigen Tage. Dem Gott Saturnus zu Ehren. Heutzutage leider nur noch sehr oberflächlich. Selbst zum Opfer erscheinen nicht mehr allzuviele Menschen. Das ist eine Schande, sage ich Dir. Sie denken nur ans Feiern, ans Trinken und ans Würfelspiel." So wie es mit vielen Festen war. Der Sinn dahinter ging mehr und mehr verloren und die Priester kämpften vergeblich dagegen an, daß die Menschen in ihrem Wohlstand die Götter vergaßen.


    "Ja, es hatte Folgen. Einen dicken Kopf und einen geplünderten Weinkeller", lachte Ursus. Seines Wissens nach hatte es keine weiteren Folgen gegeben. Er hatte geschwiegen. Doch ob die flavischen Sklaven bei der Heimkehr erwischt worden waren, das wußte er nicht. Doch er wurde ernst, als Baldemar feststellte, daß das nicht alles war. "Nein, das war nicht alles. Aber das ist sehr privat. Nichts Schlimmes, Baldemar... Jene Nacht... war etwas sehr Besonderes."

    Es war merkwürdig, die führende Stimme zu sein. Und irgendwie nicht richtig. Denn er sah vermutlich nicht die richtigen Bilder, so sehr er sich auch darum bemühte. Aber es war guter Gesang gewesen. Nicht so gut, wie wenn Baldemar geführt hätte, aber dennoch gut. Das kurze Lob des Germanen bestätigte diesen Eindruck.


    Warum war er hier? Eine interessante Frage. Ein kurzes Schmunzeln umspielte die Lippen des Römers. "Zufall. Falls es so etwas gibt." Wer wußte es schon, was ihn gerade heute veranlaßt hatte, allein spazieren zu gehen? Es war Leichtsinn und das wußte er auch. Er hätte sich Begleitung besorgen sollen. Aber vielleicht sollte es heute so sein. Vielleicht sollten sie sich heute so begegnen. Einmal für kurze Zeit gleichgestellt und auf sonderbare Weise verbunden.

    Ursus schüttelte den Kopf, als Cimon vor ihm auf den Boden sank. Aber er sagte nichts. Sah es doch eher so aus, als hätten einfach die Beine des Nubiers unter ihm nachgegeben. Was war nur mit dem Sklaven los? Aber kurz darauf enthüllte sich schon das ganze Dilemma, ohne daß Ursus einen Chance hatte herauszufinden, um wen es eigentlich ging und was genau geschehen war. "Cimon..." Ursus streckte eine Hand aus, um sie dem Nubier auf die Schulter zu legen. "Hör zu, Fehler machen wir alle. Ständig. Gerade wenn es um das Herz geht, passiert es schnell. Und kein Fehler schmerzt so sehr wie jene. Du weißt also gar nicht, was Du fühlst. Du weißt auch nicht, was Du fühlen darfst. Ich werde es Dir sagen. Du darfst lieben. Aber nahe kommen darfst Du nur jenen, die von Deinem Stand sind. Phaeneas ist von Deinem Stand. Die Frau, von der Du schon einmal erzählt hast, nicht."


    Damit wäre schon einmal geklärt, welche Beziehung eine Zukunft haben konnte und welche nicht. "Du mußt jetzt als erstes Dein eigenes Herz erforschen. Deine Gefühle. Was fühlst Du, wenn Du an Phaeneas denkst? Wenn Du daran denkst, wie es sein wird, wenn ihr euch hier gegenübersteht?"