Beiträge von Titus Aurelius Ursus

    Schüchtern war sie, das war auf jeden Fall besser, als wenn sie vorlaut und unverschämt wäre. Ihr Latein schien ganz in Ordnung, auch wenn es enttäuschend war, daß sie kein Griechisch konnte, wo sie doch aus Achaia kommen sollte. Lesen und schreiben und rechnen nur wenig. Aber sie war noch jung, sie konnte lernen. Aufsässig schien sie auch nicht zu sein. Noch während Ursus nachgrübelte, gesellte sich Imbrex zu ihnen. "Salve, Publius! Du auch hier? Bist Du auf der Suche nach neuen Bedien... Marcus. Nanu? Damit wäre die Familie ja fast versammelt." Ursus lachte und zwinkerte den Zwillingen zu. Er ahnte ja nicht, daß die beiden Imbrex noch gar nicht begegnet waren. "Wir sollten auf keinen Fall gegeneinander bieten. Wenn einer von euch ernsthaftes Interesse hat, - ich war eh unentschlossen." Daß die Zwillinge vielleicht ernsthaftes Interesse hatten, konnte er ja nicht ahnen. Sie hatten noch nichts davon gesagt.

    Daß Cimon vielleicht sitzen wollte und auf eine Aufforderung wartete, fiel Ursus gar nicht auf. Es war einfach so normal, daß Cimon stand, während Ursus saß. Außerdem war er viel zu nachdenklich. Cimons Fragen waren alles andere als leicht zu beantworten und Ursus fiel es wirklich schwer, sie brauchbar zu beantworten.


    "Zu weit gehen würdest Du, wenn Du mich oder einen anderen Aurelier verletzen oder in der Öffentlichkeit blamieren würdest. Zu weit gehen würdest Du, wenn Du die Wünsche eines anderen über meine stellen würdest. Hm. Viel mehr fällt mir gar nicht ein. Und Du bist auch einfach nicht der Typ, der auf solche Weise zu weit gehen würde. Woran erkennst Du, daß Du solch einer Grenze nahe kommst? Mit Sicherheit an meinem Blick. Und vermutlich würde ich Dich ermahnen, in scharfem Tonfall." Ursus seufzte. "Ich fürchte, ich bin Dir gerade keine große Hilfe. Denn... es ist für mich auch Neuland, verstehst Du? Ich möchte nach und nach mehr aus Dir machen."

    Bei dem Vergleich mußte Ursus unwillkürlich lachen. "Berg? Ihr beide kommt mir wirklich nicht so unbeweglich wie ein Berg vor. Also wie gesagt, ich sehe da gar keine Probleme, solch eine Reise einzurichten im Sommer. Nur ob euer Bruder und seine Verlobte von dem Vorschlag so begeistert sind? Es kommt sicher auch darauf an, was er gerade für Pflichten hat, nicht wahr?" Wie die Mädchen über ihren Bruder einfach so bestimmten, war wirklich süß. Was Orestes vermutlich anders sah.


    "Puh, da empfinden wir wirklich unterschiedlich, Cimon. Ich glaube, Du kannst wirklich froh sein, daß Du damals in Germanien noch nicht bei mir warst. Es war im Winter bitterkalt, die Sonne ließ sich kaum einmal sehen. Und der Schnee lag so hoch." Er zeigte mit der Hand knapp über Kniehöhe. "So etwas kennen wir hier in Italia ja gar nicht. Zum Glück, möchte ich sagen. Zwar hat eine Schneelandschaft ihren Reiz, aber ein bißchen wärmer habe ich es doch ganz gern."

    Offenbar war ein Gespräch wie dieses schon lange überfällig gewesen. Ursus überlegte unwillkürlich, wie lange Cimon wohl schon auf diesen Fragen herumgekaut hatte, bevor er nun endlich damit herausrückte. Diese Frage zum Beispiel kam für Ursus völlig unvorhergesehen und er wußte auch erst einmal keine Antwort. Vielleicht weil die Frage ihm nicht vollständig klar war?


    "Was genau meinst Du mit meinen Grenzen und meinen Wünschen? Ich verstehe nicht genau, was Du wissen möchtest. Ich dachte... naja, irgendwie dachte ich, daß Du meine Wünsche inzwischen kennen würdest. Das soll kein Vorwurf sein, der Fehler liegt wohl bei mir, weil ich mich Dir gegenüber anscheinend nicht genau genug äußere. Du bist schon so sehr Teil meines Lebens geworden, daß ich wohl voraussetze, daß Du meine Gedanken kennst. So etwas ist natürlich Unsinn, das kann niemand leisten. Also... bitte erkläre mir genau, was Du von mir wissen willst. Ich werde versuchen, es so genau wie möglich zu beantworten."

    Titus Tranquillus, ein stadtbekannter Sklavenhändler, hielt gerade eine Versteigerung ab. Unwillkürlich blieben die drei stehen, um zuzusehen. Eine hübsche blonde Sklavin wurde angeboten, aber ihre Fähigkeiten waren eher kärglich. Sticken und malen und Betthäschen sein. Aber germanischer Herkunft und doch aus Achaia stammend? Das war zumindest ungewöhnlich. Aber allein schon, wie sie präsentiert wurde! Hätte man sie nicht vorher waschen und kämmen können? Und dann das niedrige Mindestgebot. Das verhieß auch nichts Gutes.


    "Wie steht es um Deine Sprachkenntnisse, Mädchen? Sprichst Du ordentlich Latein? Kannst Du Griechisch? Germanisch?" Das wären brauchbare Fähigkeiten, doch Ursus bezweifelte, daß sie solche besaß. Sonst hätte der Händler diese sicherlich großartig angepriesen. "Kannst Du lesen und schreiben?" Ganz bewußt sprach er das Mädchen selbst an. Er wollte ihre Stimme hören. Und war auch gespannt darauf, was sie antworten würde. Falls sie nicht viel zu eingeschüchtert war, um zu antworten.

    Da war die zweite Hälfte des Gespanns ja doch. Und behauptete prompt, Flora zu sein. "Salve. Hm... Flora oder auch nicht. Manchmal bin ich mir wirklich nicht sicher ob ihr mich nicht doch hochnehmt. Immer wenn ich glaube, jetzt kann ich's, behauptet ihr wieder das Gegenteil." Er lachte aber, meinte das also ganz offensichtlich nicht böse.


    "Ihr wollt zum Sklavenmarkt? Das ist aber auch eigentlich kein Ort für junge Damen. Habt ihr denn vor, euch eine weitere Sklavin zu kaufen?" Ein Sklave kam selbstverständlich nicht in Frage! er nahm auch nicht an, daß die beiden so etwas in Betracht gezogen hatten, wenn sie überhaupt Kaufabsichten hatten und nicht nur gucken wollten. Er bot den Mädchen galant seinen Arm und führte sie dann zum Sklavenmarkt.

    Nachfragen gab es offenbar keine. Umso besser, dann stänkerte auch keiner herum. Ursus verlor den Vetter aus den Augen und wandte sich seinen Klienten zu, um ihnen zu sagen, daß er sie vorerst nicht mehr brauchte und sie gehen konnten. Kaum hatte er das ausgesprochen, als eine von den Zwillingen auf ihn zukam, unzweifelhaft gut gelaunt. Nur... welche war es nun? Aufmerksam musterte er sie. Außerdem überlegte er, wer die lebhaftere von beiden war. "Salve, Flora", begrüßte er sie daher freudestahlend, in der absoluten Gewißheit, das Richtige getroffen zu haben. "Du bist ohne Deine Schwester unterwegs? Konnte sie sich wieder von den Büchern nicht losreißen?" Wohlwollend nahm er die Sklaven in ihrer Begleitung zur Kenntnis. Vernünftig, das Mädchen.

    Ihre Blicke hielten einander nun länger gefangen. Ursus lächelte. Ganz leicht nur, aber erkennbar. Zumal dieses Lächeln durchaus seine Augen erreichte. Cimon blickte nicht weg. Ein weiterer Fortschritt. Der Nubier hatte begriffen, daß nicht das demütige Senken des Blickes einen guten Sklaven ausmachte. Ebenso wenig wie hinknien und ständige Verneigungen. Das waren nur Äußerlichkeiten, die etwas demonstrierten, was in den meisten Fällen gar nicht vorhanden war. Ursus zog es vor zu wissen, daß sein Sklave ihm vertraute und sich ihm willig unterordnete. Das mußte nicht demonstriert werden.


    "Wenn Dir diese Schriften auch nur halb so viel Freude machen wie mir, dann lohnt es sich auf jeden Fall. Hast Du eigentlich genug Zeit zum Lesen und Lernen? Du weißt, Du mußt nicht alles selbst erledigen, Du kannst auch Aufgaben abgeben. Gerade, wenn Du etwas holen oder saubermachen sollst. So etwas können auch andere tun. Wichtig ist nur, daß Du dafür gesorgt hast, daß es getan wird." Nur rasieren ließ er sich lieber von Cimon als von jemand anderem. Oder beim Ankleiden helfen. Oder Arbo versorgen... Naja, es gab doch eine ganze Menge, die Ursus lieber von Cimon selbst erledigt sah.

    Ja, freuen würde sich Narcissa ganz bestimmt. Ursus lächelte über die sichtliche Freude des Mädchens. Sie war richtiggehend ansteckend. Hoffentlich spielte das Wetter dann auch mit, denn nichts machte weniger Spaß, als bei Regen in der Stadt herumzulaufen. Flora und Narcissa waren als Pferdenärrinnen bestimmt eine gute Begleitung bei solch einem Vorhaben.


    "Wenn ihr im Sommer eure Mutter besuchen möchtet, läßt sich das bestimmt einrichten. Also ich bin noch nie vor dem Sommer aus Rom geflohen. Aber ich kann verstehen, daß viele es doch tun. Cimon, Du findest die Hitze wirklich angenehm? Vielleicht wegen Deiner dunklen Haut? Da hast Du es gut. Gegen Kälte kann man sich warm anziehen. Aber gegen Hitze läßt sich nicht viel tun. Wenn es gar zu heiß ist, finde ich es schon unangenehm. Deshalb zieht es mich auch nicht so wie andere in die südlichen Provinzen."

    Ganz leicht drückte Ursus den Arm von Cimon. Er nickte ernst. "Das ist wahr, ich sagte es, weil ich das Beste für Dich will. Und natürlich auch für mich." So ehrlich war er immerhin. Er erwiderte den Blick seines Sklaven ruhig und fand es eigentlich schade, daß Cimon sogleich wieder den Blick senkte. Aber er sagte nichts dazu. Er wußte, eines Tages würde Cimon wissen, wann er seinem Herrn offen in die Augen blicken konnte. Noch immer waren sie dabei, sich kennenzulernen. Noch immer entdeckten sie neue Facetten am jeweils anderen. Wie lange würde es wohl dauern, bis sie sich gegenseitig nicht mehr überraschen würden?


    "Ja, das wirst Du, Cimon. So handeln, wie ich es wünsche. Du bist mein Arm. Du bist meine Augen. Und Du bist meine Ohren." Noch einmal drückte er leicht den Arm. Dann zog er seine Hand zurück.


    Er räusperte sich leicht und lächelte, um zu zeigen, daß der Themenwechsel keineswegs ein Stimmungswechsel war. "Zur Hochzeit haben wir übrigens einige neue Schriften geschenkt bekommen. Es wäre schön, wenn Du sie in unsere Bibliothek einsortieren würdest. Natürlich darfst Du sie auch gerne lesen. Es sind wirklich seltene Abschriften von Werken, die in der großen Bibliothek von Alexandria aufbewahrt werden."

    Dieser Schmollmund war so etwas von süß! Ursus konnte sich kaum sattsehen daran. "Es war ein Schock für Dich? So schlimm? Die Prima zu kommandieren ist eine sehr große Ehre und eine ebenso große Verantwortung. Es ist die einzige in Italia stationierte Legion. Legat der Prima zu sein, ist mit sehr hohem Prestige verbunden. Natürlich würde es meine Ämterlaufbahn ein wenig aufhalten. Aber es würde mir gleichzeitig auch einen Karriereschub geben." Es kribbelte, wo sie mit ihrem Finger über seine Brust fuhr und Kreise malte. "Es ist lieb von Dir, es für mich zu wünschen. Und Du müßtest Rom nicht völlig missen. Es sind zwar ein paar Tage Entfernung, doch nichts spricht dagegen, wenn Du ab und an für einige Zeit nach Rom reisen würdest. Auch ich würde hin und wieder nach Rom kommen. Natürlich muß ich dann darauf achten, das Pomerium nicht zu betreten." Irgendwie war es schön, davon zu träumen. Daran zu glauben, daß es wahr werden könnte, wagte Ursus noch nicht.


    "Jeder Patrizier ist in irgendeiner Sodalität. Ich bin ein Salier, ja. Und ich bin nicht einer der übelsten Tänzer und Sänger, es gibt weit schlechtere als mich." Er grinste breit. "Demnächst findet das Quando Rex Comitavit Fas statt. Da werden wir auch dabei sein und unsere Tänze vorführen. Wenn Du magst, kannst Du ja zuschauen und Dir selbst ein Urteil bilden? Unsere halbe Familie ist dabei, da hast Du auch gleich noch den direkten Vergleich."


    Ursus legte den Kopf ein wenig schief. "Nein, die meiste Zeit beansprucht sie nicht, das kann man wirklich nicht sagen. Aber Hilfe könnte ich auf jeden Fall brauchen. Du willst also wirklich helfen? Verstehst Du was von Pferden? Wenn nicht, dann bist Du bestiimmt die richtige, unsere Fahrer zu besseren Leistungen anzuspornen." Ihren enttäuschten Blick konnte bestimmt niemand ertragen, als würden die Männer versuchen, sie nicht zu enttäuschen. Das konnte wirklich funktionieren!


    "Die Veneta ist unser Erzfeind!", erklärte Ursus temperamentvoll und als sie dann noch ihren Scherz auf seine Kosten machte, mußte sie tatsächlich eine Kitzelattacke ertragen. Lachend fiel er über sie her ...

    Die Freude wieder erlöschen zu sehen, war traurig. Ursus tat es schon wieder leid, Cimon ermahnt zu haben. Wußte er doch, daß der Nubier selbst gar nicht nach Freiheit strebte. Daß er sich sicher fühlte als das, was er war. Andererseits wußte er natürlich nicht, ob Cimon nicht mit der Zeit doch auf den Geschmack kam. Zu verdenken wäre es ihm nicht. Eigentlich wäre es ihm sogar zu wünschen.


    Ursus legte eine Hand auf Cimons Arm und schaute ihm in die Augen. "Das weiß ich, Cimon. Ich weiß auch nicht, warum ich so etwas sage. Ich sollte Dich wirklich mittlerweile kennen. Wie schon gesagt, ich überlasse es Deiner Urteilskraft. Besuche Cassim. Lade ihn ein. Wenn sein Herr nichts dagegen hat."

    Ursus nickte und lächelte. "Natürlich, ich werde es erwähnen und ein gutes Wort für Dich einlegen. Das läßt sich einrichten. Ja, Du hast völlig Recht. Je mehr Unterstützer, umso besser." Gerade Patrizier hatten es in letzter Zeit oft nicht leicht. Es konnte wirklich nicht schaden, ein paar Eisen mehr im Feuer zu haben, als auf den ersten Blick nötig erscheint. "Erkenntlich zeigen? Unterstütze mich, wenn ich es nötig habe. Der Tag wird kommen, an dem auch ich jede Stimme wieder jede Stimme brauchen werde."

    Wieder dieser Ausdruck ehrlicher Freude. Als ob er einen Moment überlegen würde, ihm vor Freude um den Hals zu fallen, wie ein kleines Kind. Aber vielleicht hatte Ursus sich das auch nur eingebildet. Doch diese Freude war es wert, ein Risiko einzugehen und den Sklaven vielleicht allzu sehr zu verwöhnen. Cimon war schließlich ein erwachsener Mann und kein Kind. Er würde wissen, wann es zuviel war. Ja, bestimmt würde er es wissen.


    Tatsächlich also war dieser Cassim der, von dem er gehört hatte. Der Sklave, der versucht hatte, zu fliehen. "Cimon... Wir haben gesagt, wir sind ehrlich zueinander. Und so will ich das auch sein. Ich fühle mich damit nicht sehr wohl, denn vermutlich trägt er immer noch Fluchtgedanken in sich. Aber ich möchte es Dir auch nicht verbieten. Ich überlasse es Deinem Urteilsvermögen. Weißt Du, ich verstehe, daß die meisten Sklaven nach Freiheit streben. Es ist ganz natürlich. Aber eine Flucht ist keine Freiheit. Kann es nicht sein. Entflohene Sklaven haben niemals Sicherheit, sie werden immer gejagt, müssen immer damit rechnen erkannt zu werden. Ich finde, das ist eine viel schlimmere Unfreiheit. Naja, also ich erlaube es Dir. Und hoffe, daß Du die Intelligenz besitzt, den Kontakt selbst abzubrechen, wenn er irgendwie versucht, Dich zur Flucht oder zur Fluchthilfe zu bewegen."

    Zur res gestae seines Vetters war natürlich auch Ursus erschienen. Mit ihm die ganze Schar seiner Klienten, um für die nötige Unterstützung zu sorgen. Er wußte nur zu gut, wie schwer es war, sich in diesem Tätigkeitsbericht zu profilieren, wenn man doch im Grunde hauptsächlich einem anderen zugearbeitet hat. Er selbst hatte dieses Amt ja sogar zwei mal ausgefüllt. Es war ein gutes Amt. Man konnte unzählige wertvolle Erfahrungen machen und gute Kontakte schließen. Dies hatte Avianus sicherlich auch getan, er ließ es ja auch bei seinem Bericht durchblicken.


    Nachdem der Vetter geendet hatte, applaudierte Ursus und seine Klienten taten es ihm gleich. Natürlich konnten noch Nachfragen kommen. Aber schon mal applaudiert zu haben, konnte nicht schaden. Jubelrufe auf die Aurelier erklangen, Lob wurde ausgesprochen. Wie es sich gehörte.

    Erlaubte er seinem Sklaven zuviel? War er zu nachgiebig? Für einen Moment fragte sich Ursus dies. Er mußte aufpassen, daß Cimon nicht doch zum Gegenteil umschlug und zu fordern begann, wo ein Sklave nicht zu fordern hatte. Nachdenklich beobachtete Ursus den Nubier. Sah seine unverblümte Freude, seine Dankbarkeit. Dazu seine Ergebenheit. Nein. Es war gut so. Cimon war ein Mensch. Einer, der zu dienen hatte, aber doch ein Mensch. Ein wenig Freude in senem Leben war nur gerecht. "Ja, das darfst Du. Solange ihr in den Sklavenbereichen bleibt."


    Und schon kam die Frage nach noch einem Sklaven. Einem flavischen Sklaven. Ursus nickte zunächst. "Die Flavier sind gute Freunde unserer Familie. Sehr gute Freunde. Flavius Gracchus in besonderem Maße. Cassim... ein Parther? Noch ein Parther als Freund, Cimon? Aber natürlich gibt es im Moment viele parthische Sklaven, so lang ist der Krieg ja noch nicht her. Cassim, wo habe ich den Namen nur schon gehört? Das ist aber nicht der, der versucht hat zu fliehen?" Ursus wußte es nicht. Es war jetzt nur eine Nachfrage der Sicherheit halber.

    Natürlich, sie mußte mit Narcissa sprechen. Aber Ursus ging relativ fest davon aus, daß der zweite Zwilling sich die Möglichkeit eines Erlebnisses nicht entgehen lassen würde. So viel aufregendes passierte schließlich nicht in der Villa. "Gut, dann werden Cimon und ich euch sagen, wann wir Zeit haben, sobald wir es selbst wissen. Heute wird es wohl leider nichts werden. Aber morgen vielleicht? Mal sehen." Er mußte erst wissen, was sich heute und morgen während der Salutatio so ergab.


    Das Thema Wetter schien nun endlich auch Cimon aus seiner Erstarrung zu befreien. Ursus grinste und nickte. "Ja, das leider auch. Warme Luft verstärkt leider den Gestank, unter dem diese Stadt in vielen Teilen leidet. Besonders schlimm ist es am Tiber flußabwärts. Hier oben auf den Hügeln kommt zum Glück selten viel davon an. Aber rein vom optischen her ist die Stadt wunderschön im Frühling. Im Sommer ist es dann wieder oft zu heiß, um wirklich schön zu sein."

    Starker Beschützerinstinkt also? Ursus hatte keinen Anlaß, dies nicht zu glauben, doch er fand nicht, daß dies alles entschuldigte. Immerhin war der Aelier bereits vorher ein Ausbund an Unhöflichkeit gewesen. Decima Seiana hingegen bewies mit ihrer Anwesenheit hier, daß sie sich zu benehmen wußte und zu allem stand, was sie tat und sagte. Ursus hätte nun aus Höflichkeit nicht weiter nachgefragt, obwohl er natürlich nicht weniger neugierig war als seine Frau. Nachdem Septima die Frage aber nun ausgesprochen hatte, schloß er sich ihr an. "Ja, was hat er eigentlich getan oder gesagt?"


    Immerhin hatte Duccius Vala ihnen gegenüber ein tadelloses Benehmen gezeigt. Sogar mehr als das, er hatte sich sogar ausgesprochen ehrenhaft verhalten. Von daher war es nur schwer vorstellbar, daß der Duccier Aelius Archias derartig gereizt hatte, daß ein solches Verhalten, wie eine Schüssel mit Süßspeise über sein Gegenüber auszuschütten, auch nur annähernd als verständlich erscheinen konnte. Iunia Axilla hatte sich jedenfalls nicht so benommen, als hätte sie sich von Duccius Vala bedrängt oder beleidigt gefühlt.

    Ursus begann doch langsam zu staunen. Sein Sklave hatte also angefangen, Freundschaften zu schließen. Mit den Bediensteten anderer Häuser. Das war gut. Sehr gut sogar. Nachdenklich nahm er sich ein Stück Apfel vom Teller und aß es, während er Cimons Worte hin und her wendete. Phaeneas, das war auf jeden Fall eine gute Wahl. "Bei Paeneas habe ich nicht die geringsten Bedenken. Er dient meinem Patron treu und besitzt sein Vertrauen, wie Du das meine besitzt. Du darfst ihn also besuchen, wann immer es Deine und seine Zeit erlaubt." Ob Cimon von Phaeneas lernen konnte? Der Sklave war für Lucianus genau das, was Ursus hoffte, aus Cimon machen zu können.


    "Ist Phaeneas der einzige? Oder gibt es noch weitere Freundschaften? Grundsätzlich habe ich nichts dagegen, Cimon. Ich möchte nur, daß Du es mit mir besprichst. Daß Du in anderen Häusern und zu den Bediensteten anderer Familien keine Dinge ausplauderst, die im Hause Aurelia bleiben sollten, das weiß ich, dazu muß ich Dich nicht ermahnen." Was das anging, vertraute er Cimon bereits jetzt. Der Nubier war zuverlässig, das hatte er schon so oft bewiesen.

    Ursus lächelte. "Dann ist es also abgemacht. Ihr drei begleitet mich, einen Nachfolger für den guten Arbo zu finden. Wir müssen dann noch überlegen, wann wir dies tun wollen. Und bei welchen Pferdezüchtern wir nach ihm suchen wollen." Cimons Schweigen kam ihm mittlerweile dann doch ein wenig merkwürdig vor. Er schaute zu seinem Sklaven herüber. War der Nubier tatsächlich schüchtern? Zuzutrauen war ihm das allerdings.


    Floras Überleitung von dem Thema Siv und ihr Kind war mehr als holprig. Aber dennoch willkommen. Ursus wollte einfach nicht daran denken, was seinem Onkel so in den Sinn kommen mochte. Natürlich, eigentlich war Marcus ein überlegter Mann. Gerade wenn es um das Ansehen der Familie ging, konnte man sich auf die Weisheit seiner Entscheidungen verlassen. Doch wenn er wirklich der Vater war? Noch gab es keine Kinder hier im Haushalt, die sicherstellten, daß der Name Aurelius weitergeführt wurde. Und dann kamen noch die Gefühle hinzu, die ein Vater beim Anblick seines neugeborenen Kindes empfinden mochte. Ursus selbst wünschte sich Kinder. Er konnte nicht wissen, wie man sich als Vater fühlte, wenn man dieses kleine Bündel Leben zum ersten mal im Arm hielt. Aber er besaß genug Phantasie um zu wissen, daß dies ein gewaltiger Moment sein mußte. Daß in solch einem Moment der Verstand hinter den Gefühlen zurückstehen mochte.


    Wetter. Wetter war ein gutes Thema. So unverfänglich. "Ja. Überall hört man schon die Vögel zwitschern und die Tage werden merklich wärmer. Ich freue mich schon auf die Baumblüte, lange kann es nicht mehr dauern, bis sie beginnt. Die Parks sind dann ein besonders schöner Anblick."