Beiträge von Titus Aurelius Ursus

    Das war für Ursus eine große Erleichterung. Es wäre nicht gut gewesen, mit Septima in Streit zu geraten über die Behandlung von Sklaven. Er hielt eben nichts davon, sie auszupeitschen. Das erzeugte nur tiefe Gräben des Hasses. Ein kluger Mann sagte einmal, ein jeder habe mindestens so viele Feinde, wie er Sklaven habe. Und Ursus wollte vermeiden, daß dies auch auf ihn zutraf. Wem sollte er vertrauen, wenn nicht den Menschen, die ihn umsorgten?


    "Das freut mich, Cimon. Denn da sie die Leibsklavin und Leibwächter meiner Frau sind, wirst Du unweigerlich viel mit ihnen zu tun bekommen. Und auch mit meiner Frau selbst läßt sich häufiger Kontakt kaum vermeiden. Diene ihr, wie Du mir dienst, Cimon. Ich glaube, ich habe mit ihr wirklich viel Glück gehabt." Ja, er freute sich auf das Familienleben mit ihr. Er freute sich auch auf die Kinder, der sie das Leben schenken würde. Nicht einen Augenblick zweifelte er an ihrer Fruchtbarkeit.


    Als Cimon dann doch noch eine Frage hatte, gab Ursus natürlich das Zeichen, daß der Nubier weitersprechen sollte. Dann hatte er also doch noch etwas auf dem Herzen. "Einen Sklaven besuchen? Gerne würde ich spontan einfach 'ja, natürlich' sagen. Aber ich muß dies einschränken und möchte Dich bitten, mich von Fall zu Fall zu fragen. Denn nicht jeder Haushalt ist es wert, ihm so viel Vertrauen zu schenken. Und natürlich ist solch eine lange Reise wie nach Mantua, zu Deinem Freund Bashir, nur möglich, wenn Du ohnehin dort einen Auftrag hast."

    "Nein, das ist er nicht. Und er ist ein erfahrener Kommandant. Ich sagte ja, er ist ein ernstzunehmender Konkurrent. Doch wir werden sehen. Der Praefectus Urbi ist auch manches mal für eine Überraschung gut. Am Ende zaubert er einen seiner Klienten aus dem Ärmel, ob der nun geeignet ist oder nicht." Das hielt Ursus immer noch für das Wahrscheinlichste, wenn tatsächlich der PU entschied. "Ich hoffe auf den Einfluß von Quarto auf seinen Bruder. Du würdest es Dir also wünschen, mich auf diesem Posten zu sehen?" Er fragte ganz unbefangen, denn auch er wollte die Wünsche seiner Frau kennenlernen. Ihre Gedanken und ihre Beweggründe.


    Septima lag auf dem Rücken und Ursus stützte sich auf seinen Ellbogen. Mit der anderen Hand ließ er seine Finger spielerisch über ihre Schulter gleiten. Anscheinend hatte er sie wieder einmal überrascht. Er lachte leise und ließ sich nun seinerseits auf den Rücken zurückfallen. "Ja, das bin ich. Du siehst, ich bin ein vielbeschäftigter Mann. Der Senat hat mich außerdem damit beauftragt, die Bauarbeiten beim Ulpianum zu überwachen und voranzutreiben. Außerdem gehöre ich den Salii Palatini an. Schau, nicht jede dieser Aufgaben fordert mich jeden Tag. Von daher ist es zu schaffen. Wenn ich auch sagen muß, daß ich mir gerade bei der Factio wünschen würde, daß unsere Mitglieder sich stärker einbringen würden."


    Erstaunt blickte Ursus seine Frau an, als sie ihm gestand, die Goldenen angefeuert zu haben. "Du hast mitten im Block der Blauen die Goldenen angefeuert? Ist das wahr? Und Du lebst noch?" Das war sogar eine fast ernst gemeinte Frage. So manche Factioanhänger, gleich welcher Factio, waren mehr als fanantisch. "Dann kann ich also hoffen, in Dir eine Unterstützerin der Factio Aurata zu finden?"

    Ursus sah mit Zufriedenheit, wie Cimon sich schnell und effektiv um die Beseitung der Spuren, die diese unschöne Szene verursacht hatte, kümmerte. Unauffällig und ganz selbstverständlich, die Gäste wurden gar nicht behelligt. Genau so sollte es sein. Auch ließen sich die Anwesenden durch seine Aufforderung, sich zum Mahl zu setzen, durchaus ablenken. Zwar hatte sich bisher kaum jemand gesetzt, doch die Gesellschaft wanderte zumindest schon mal ins Triclinium herüber.


    Zu Sedulus gewandt mußte er doch noch etwas loswerden: "Ja, lassen wir es dabei, daß wir beide gewonnen oder beide verloren haben. Wir sollten einfach bei Gelegenheit einen Becher Wein darauf leeren, was meinst Du?" Er lachte, denn das war immer die beste Lösung, wie er fand.


    Flavius Gracchus nahm die Einladung mit offensichtlicher Freude an und Ursus lächelte nicht minder erfreut. "Wir freuen uns, euch bald schon hier begrüßen zu dürfen", bekräftigte er die Einladung noch einmal, bevor der Flavier ein paar Schritte weiterging, um Platz zu machen für weitere Gratulanten. Der Mann hatte schon immer Ursus' Bewunderung genossen. Zwar hatte seine schwere Krankheit unübersehbare Spuren hinterlassen, doch dem scharfen Geist des Flaviers hatte sie keinen Abbruch getan.


    Gerade wollte Ursus, mit seiner Frau am Arm, ins Triclinium wechseln, als Duccius Vala, mit der immer noch sehr verlegen dreinblickenden Iunia Axilla an der Hand, das frisch vermählte Paar ansprach. Ruhig hörte sich Ursus an, was Vala zu sagen hatte. Gut gewählte Worte und mutig gesprochen inmitten gerade dieser Gesellschaft. Ursus mußte zugeben, daß ihm dies mächtig imponierte, auch wenn er dies sorgfältig hinter einem Lächeln verbarg. "Es ehrt Dich, Duccius, dies vollständig auf Dich zu nehmen." Zumal die Blicke der Iunia mehr als nur Erstaunen zeigten. Ursus war sich sehr sicher, daß den Duccier an diesem Vorfall nur wenig Schuld traf. Er fragte sich, ob es der Aelier wohl wert war, daß Vala diesen durchaus bemerkenswerten Versuch unternahm, seine Ehre zu retten. "Und Dir, Iunia Axilla, ist wohl kaum etwas vorzuwerfen. Ich für meinen Teil bin, gerade an diesem für mich so glücklichen Tag, sehr wohl gewillt, euch beiden zu verzeihen, zumal es in eurem Fall wohl auch kaum etwas zu verzeihen gibt." Er wechselte einen fragenden Blick mit seiner Frau. Sah sie das auch so? Nahm sie die Entschuldigung der beiden auch an? "Kommt bitte mit ins Triclinium. Trinkt einen Honigwein zur Beruhigung und laßt euch das Essen schmecken. Ich möchte fröhliche Gesichter sehen an diesem Tag. Vergeßt den Ärger vorerst und feiert mit uns." Er machte eine Geste, die nicht nur diese beiden, sondern alle, die noch im Atrium standen, dazu veranlassen sollten, mit dem Hochzeitspaar das Triclinium zu betreten. Ein bißchen beengt war es hier schon mit den vielen Leuten. Aber es war alles so eingerichtet worden, daß jeder genügend Platz fand, sich bequem niederzulassen.


    Imbrex schaffte es nun, sich zu ihnen durchzukämpfen. Ursus freute sich, den Vetter zu sehen. "Hab Dank für Deine Glückwünsche, Publius, Kennst Du eigentlich schon Senator Flavius Gracchus? Und Senator Germanicus Sedulus?" Und nicht nur diese beiden stellte Ursus seinem Vetter vor, sondern auch die anderen, die bei der Gruppe standen, was nicht gerade wenige waren.


    Ein Sklave reichte ihnen eine Schüssel zum Händewaschen und Ursus tat dies ausgiebig, bevor er sich mit seiner Frau neben seinem Patron niederließ. Nachdem alle ihre Hände gewaschen hatten, wurde Honigwein gereicht, als kleiner Appetitanreger. Mit der Vorspeise wurde noch gewartet, bis alle Gäste einen Platz gefunden und es sich bequem gemacht hatten.

    Diese Frau hatte nicht nur Mut, sie besaß auch eine große Selbstbeherrschung. Ursus beobachtete ihre Miene, während sie sprach. Das unbewegte Gesicht wirkte nicht unfreundlich, verbarg aber gut, was sie dachte und fühlte. Sie log. Natürlich. Wer hätte in dieser Situation nicht gelogen? Er sah es ihr nicht an und hörte es auch nicht aus ihrem Tonfall, daß sie log. Doch niemand konnte so sehr von der Arbeit beansprucht sein, daß er zwar zu einer Feier gehen, aber sich nicht für sein Fehlverhalten auf dieser Feier anschließend entschuldigen konnte. Schon gar nicht, wenn er in der Kanzlei als Procurator arbeitete. Procurator a memoria. Wirklich keine Position mit eiligen Aufgaben.


    "Ja, wenn ich ehrlich bin, dann würde mich auch interessieren, wie es zu dieser Auseinandersetzung gekommen ist." Natürlich hatten sie inzwischen ein paar Gerüchte gehört. Einige Gäste hatten schließlich ein paar Worte mitbekommen. Doch aus erster Hand zu erfahren, was los war, wäre natürlich weit aufschlußreicher.

    Ursus schmunzelte wieder, als Cimon seine Vermutung bestätigte. Ja, das war zu erwarten gewesen. Aber eines Tages würde Cimon vielleicht doch lernen, auch für sich selbst ein bißchen Gemütlichkeit zu schaffen. Hoffentlich schlug es dann nicht ins Gegenteil um, so daß er ihn wieder bremsen mußte.


    "Das freut mich zu hören. Und kommst Du auch mit Frija gut aus? Und mit Septima? Behandelt sie Dich auch gut, wenn ich nicht in der Nähe bin? Du weißt, daß Du ganz offen sein kannst, wenn wir so wie jetzt unter uns sind." Zwar traute er es Septima nicht unbedingt zu, die Sklaven unfreundlich zu behandeln, wenn er nicht dabei war. Aber es war vielleicht doch besser, das auch mal abzufragen. Man konnte jedem Menschen immer nur bis auf die Stirn sehen. Was dahinter vor sich ging, blieb auf ewig ein Geheimnis.

    "Wir haben mehrere Landgüter in Italia. Also vor allem Corvinus. Mein italisches liegt etwas weiter weg. Und in der direkten Nähe ist auch keines. Also nicht so nah, daß man morgens jemanden losschicken kann, um das Pferd für den Nachmittagsritt zu holen. Aber nah genug, um hin und wieder nach dem Rechten zu sehen oder es auch mal für ein paar Tage herkommen zu lassen. Ja, Arbo werde ich auf jeden Fall dorthin schicken." Vielleicht wurde er ja wirklich wieder gesund.


    "Nein, ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn Narcissa mitkommt. Allerdings könnte es sehr anstrengend werden. Ach, das wißt ihr sicherlich." Ursus lächelte, er neigte dazu, den Mädchen zu wenig zuzutrauen. Dabei waren sie doch keine Kinder mehr. Und er freute sich schon darauf, in so netter Begleitung nach Pferden zu schauen. Das würde ganz sicher jede Menge Spaß machen.


    Was Sivs Kind anging, so schien Flora leider genau das zu denken, was Ursus sich gerade auszureden versuchte. Er schüttelte ernst den Kopf. "Flora, das sind nichts als wilde Vermutungen. Bitte, wir dürfen keine Gerüchte in die Welt setzen. Keiner von uns weiß etwas genaues. Warten wir einfach ab, ja? Siv wird sich doch jetzt sicher zu dem Vater äußern. Und Marcus.. Marcus... er hatte eben Angst um sie... Er..." Ursus verstummte. Er erkannte, daß sich das alles ziemlich dumm anhörte.

    Ursus rechnete es Seiana auch hoch an, daß sie hier vorsprach, um die Sache in Ordnung zu bringen. Enttäuschend war, daß ihr Verlobter nicht genug Hintern in der Tunika zu haben schien, um selbst seine Untaten gerade zu biegen. So blieb er weiterhin freundlich, denn die große Verliererin bei dieser Geschichte schien wahrhaftig hier vor ihm zu sitzen. Er ließ sich ebenfalls einen Becher geben und trank einen Schluck. Bevor er einen Blick mit Septima tauschte und ihr die ersten Worte überließ. Er konnte ihr auch wirklich nur beipflichten.


    "Es ehrt Dich, Decima, daß Du herkommst, um Dich zu entschuldigen. Und wir nehmen die Entschuldigung gerne an. Das einzige, was man Dir vorwerfen kann, ist aber doch allenfalls, daß Du ohne Abschied gegangen bist. Dein Verlobter... Ich finde, es wäre eher an ihm, sich zu entschuldigen." Für die Gens Aelia war der Mann eine wahre Schande. Und seiner Verlobten machte er das Leben auch nicht gerade leichter.

    Auf die Versicherung seines Sklaven, daß er nichts brauchte, mußte Ursus direkt etwas lachen. "Ich kenne Dich, Cimon. Du gibst Dich stets mit weit weniger zufrieden, als Du müßtest. Aber gut, ich will Dir nichts aufzwingen. Du sollst nur wissen, daß Du die Möglichkeit hast und sie nur ergreifen brauchst." Cimon sollte ja lernen, für sich zu entscheiden. Wenn er entschied, spartanisch zu leben, dann war es eben so.


    Ursus nahm den Becher und trank daraus. "Was Du noch tun kannst? Wo wir hier gerade so miteinander reden, sag mir doch bitte, wie Du Dein Leben hier empfindest. Hast Du Dich eingelebt? Verstehst Du Dich mit den anderen?" Er wußte, Cimon würde damit nicht von selbst kommen. Nur wenn etwas extrem nicht in Ordnung wäre. Ansosten würde er für alles die Schuld bei sich suchen und es sonst einfach hinnehmen.

    Cimon schien seine Sprache verloren zu haben. Zumindest nickte er nur noch auf die Fragen und schien sich ansonsten ganz auf Arbo zu konzentrieren. Hatte der Nubier das Tier so sehr liebgewonnen? "Keine Sorge, ich werde Arbo das Gnadenbrot gewähren. Er wird nicht geschlachtet." Sicher war es das, was den Sklaven so bedrückte. Und Ursus war kein Unmensch. Ganz abgesehen davon, daß das Fleisch gewiß sehr zäh war, hatte Arbo ihm treu gedient und glückliche letzte Jahre auf der Weide vollauf verdient. Außerdem war es noch nicht soweit. Noch bestand die Hoffnung, daß der Wallach genesen und noch ein paar Jahre seinem Hernn würde dienen können.


    "Nein, ich bin kein so geübter Reiter und mir fehlt auch die Zeit, das Tier selbst einzureiten. Ich möchte ein gut ausgebildetes Pferd, das geduldig und zuverlässig ist. Etwas jünger als Arbo sollte es natürlich schon sein, aber kein Jungtier. Die sind noch zu schreckhaft." Ursus wußte sehr wohl, was er brauchte. Und auch wenn er sonst manches mal zu Selbstüberschätzung neigte, so gab er sich über seine Reitkünste keinen Illussionen hin. Sicher, er war in seiner Zeit in Germanien ein ganz passabler Reiter geworden, aber hier hatte er fast nie im Sattel gesessen.


    Als Flora auf die Nacht zu sprechen kam, stockte Ursus kurz der Atem, als sie so ganz nebenbei aussprach, was Ursus befürchtete. "Ein Junge also?" Das war fatal. Zu der anderen Äußerung fiel ihm zunächst keine Entgegnung ein. Die Stille war fast noch schlimmer, als wenn er gleich zugestimmt hätte. Denn das hätte er als Scherz tarnen können. "Sie ist seine Klientin. Bestimmt hat er sich um sie gesorgt." Ein schwacher Versuch, die Situation zu retten.

    "Keine ganz schlechte Idee", lachte Ursus auf den Vorschlag der Mädchen hin, doch ihre Mutter anzuschreiben und zu fragen. "Aber ich bin mir so ziemlich sicher, daß sie ganz erstaunt antworten wird: Warum? Das ist doch ganz einfach, sie sind doch total unterschiedlich." Er lachte wieder, denn Mütter waren eben so. Sie schauten ihren Kindern nicht ins Gesicht, sie schauten in ihre Herzen.


    "Ja, tut das. Es würde mich freuen, wenn ihr euch anfreundet. Wir sehen uns ganz gewiß später." Er schaute den beiden Mädchen lächelnd hinterher. Sie würden gewiß noch viel Leben ins Haus bringen. Was wirklich nicht schlecht war, die Villa war manchmal viel zu still. Seufzend trank er den letzten Schluck au seinem Becher und erhob sich ebenfalls. Bald würden die ersten Klienten erscheinen. Und er wollte vorher noch in Ruhe dem Hausaltar einen Besuch abstatten.

    "Ah, danke, es ist schon viel besser, Cimon", sagte Ursus, als Cimon die Massage beendete. Später würde er richtig bearbeitet werden, das würde dann auch die letzten problematischen Stellen lockern. Ursus konnte sich mit einem so vielseitig begabten Sklaven wirklich glücklich schätzen.


    "Richte Dich gemütlich ein. Du weißt, daß ich es mir leisten kann und ein Sklave ist doch auch immer ein Aushängeschild seines Herrn." Immerhin kannte er Cimon nun auch schon eine ganze Weile. Und wußte sehr wohl, daß der Sklave für sich selbst nie etwas forderte oder auch nur in Betracht zog, sich selbst etwas Gutes zu tun. "In ein paar Tagen sehe ich es mir an. Und wenn ich es unzureichend finde, dann werde ich eigenmächtig Verbesserungen vornehmen", drohte er schmunzelnd. Natürlich wollte er Cimon nichts aufzwingen, was dieser nicht leiden konnte. Aber zu spartanisch sollte sein Leibsklave und Leibwächter nicht leben müssen.


    "Sie ist ein liebes Kind und ich finde es gut, wenn sie bei Dir Halt und Geborgenheit findet. Aber es wäre mir auch recht, wenn Du sie lehren könntest, ein bißchen weniger vorlaut zu sein. Sie neigt leider dazu. Auch in Gesellschaft, in de das alles andere als gut ist."

    Seianas Geduld wurde ein wenig auf die Probe gestellt. Ursus ließ erst über einen Sklaven seine Frau fragen, ob sie bei dem Gespräch dabei sein wollte, ob sie Zeit hatte. Als diese dann ihre Zustimmung geäußert hatte, ging er zu ihr. Er mochte es, mit ihr gemeinsam aufzutreten. Es zeigte Einigkeit und Vertrautheit. Und es war gut, dies nach außen zu demonstrieren. Wie immer, war Septima umwerfend schön. Sie wußte einfach, wie sie sich zurechtmachen mußte, um ihre Schönheit zu unterstreichen.


    So betrat das Paar gemeinsam das Atrium. Seiana wartete im Stehen, was Ursus ein wenig verwunderte. War ihr denn kein Platz angeboten worden? Ein schneller Blick zu der jungen Sklavin mit den Getränken, die ein leichtes Schulterzucken andeutete. Also hatte Seiana wohl nicht sitzen wollen. "Salve, Decima Seiana", grüßte Ursus freundlich, als sie auf den Gast zutraten. Marcus war noch nicht anwesend. "Du wolltest uns sprechen?" Er machte eine einladende Geste zu den Bänken hin und winkte die Sklavin mit den Getränken herbei.

    Da mußte Ursus ihr wahrhaftig Recht geben. "Nein, keine guten Voraussetzungen", gab er zu, "er kann Patrizier nicht ausstehen. Aber der einzige andere ernstzunehmende Konkurrent ist Decimus Livianus. Er war schon mal Legat der Prima. In Parthien. Und geriet in Gefangenschaft. Nunja, es heißt, der Kaiser ist enttäuscht von ihm, aber Gerüchte sind natürlich unzuverlässig. Ich habe mit Aelius Quarto gesprochen und er wollte direkt mit seinem Bruder darüber sprechen. Über das Ergebnis des Gespräches bin ich noch nicht informiert. Vermutlich ist er noch gar nicht aus Misenum zurück."


    Ursus schaute bedauernd drein. "In zwei Tagen? Das ist ungünstig, schade. Nein, da werde ich nicht können." Er ahnte ja nicht, wie sehr er seiner Frau damit in die Hände spielte. "Ja, natürlich. Ich bin Princeps der Factio Aurata, der Goldenen. Leider waren wir in der letzten Zeit alles andere als siegreich. Aber ich hoffe, das bald ändern zu können. Interessierst Du Dich für Pferderennen? Bist Du Anhängerin einer bestimmten Factio?" Es wäre schon sehr unangenehm, wenn seine Frau eine andere Factio anfeuern würde. Aber er wollte zumindest so fair sein, sie zu fragen.

    Ursus seufzte. "Die wirklich gemeinen Verspannungen haben die unangenehme Angewohnheit erst elend weh zu tun, bevor sie sich lockern." Er nahm es Cimon nicht übel, daß er ihm kurz Schmerz zugefügt hatte. Und die Wortwahl fiel ihm nicht mal auf. "Versuch mir diesen kretischen Masseur zu organisieren, ja? Kannst ihm ja gleich sagen, wo er besonders viel Aufmerksamkeit drauf verwenden soll." Cimon kannte seinen Körper fast besser als er selbst. Ob ihm das zu denken geben sollte?


    "Also gut, dann ist das abgemacht. Richte Dir den Raum nach Deinen Bedürfnissen ein. Wenn Du Möbel brauchst, dann kauf sie auf meine Kosten ein." Er wußte sehr wohl, daß Cimon diese Freiheit nicht ungebührlich ausnutzen würde. Eher würde der Nubier versuchen, gar nichts einzukaufen. Manchmal mußte man ihn geradezu zu seinem Glück zwingen. Oder vielmehr ihn lehren, was ihn glücklicher machen könnte.


    "Wie war das mit der kleinen Marei? Kommt sie oft zu Dir, wenn sie Angst hat? Ich hatte noch keine Gelegenheit, mit Celerina über das Kind zu sprechen. Ich hoffe, sie nimmt es mir nicht übel, daß ich Dir erlaube, Dich um sie zu kümmern. Dem Kind tut das aber gewiß gut." Und Cimon auch, davon war Ursus genauso überzeugt. Das war auch der eigentliche Grund, warum er seinem Sklaven dies alles erlaubte. Aber das mußte Cimon ja nicht wissen.

    Ursus schaute Arbo traurig an, als dieser abermals hustete. "Ihr habt Recht, ihr beiden. Rom ist kein Ort für Pferde. Ich werde ihn auf eines unsserer Landgüter schicken. Und vielleicht sollte ich mich außerdem auch schon nach einem Nachfolger für ihn umschauen. Zwar drängt das nicht sehr, wenn er sich von dem Husten erholt. Aber ich möchte nicht erst dann zu Suchen beginnen, wenn es zu spät ist. Was meint ihr zwei? Wollt ihr mir helfen, einen Nachfolger für diesen prachtvollen Burschen zu suchen?" Naja, prachtvoll. Schön war er nicht, der gute Arbo. Aber eben ausdauernd, geduldig, zuverlässig und stark. Und das war Ursus weitaus wichtiger als Schönheit.


    Was Flora dann von der Nacht berichtete, ließ Ursus aufhorchen. "So, hat sie es endlich bekommen? Und Du wurdest von dem Trubel geweckt? Was ist es denn?" Seine Gedanken, die er sich bereits gemacht hatte, trieben ihn dazu, danach zu fragen. War es ein Mädchen, dann konnte ihm alles herzlich egal sein. Doch war es ein Junge... "Du sagst, Marcus war angespannt? Inwiefern angespannt?" Jetzt war er wirklich sehr interessiert. "Na, komm. Laß Dir doch nicht alles aus der Nase ziehen? Was war mit Marcus?"

    Ursus konnte wirklich nicht mehr zuhören. Er war völlig umfangen vom Rausch der Sinne, folgte mehr instinktiv denn bewußt ihren kleinen Hinweisen, wie sie es wollte. Was nicht schwer war, da sie ihn hauptsächlich antrieb. Und das deckte sich mit seinem eigenen Wollen. Vielleicht war er ein wenig zu schnelll, doch wenn es so war, ließ Septima ihn davon nichts spüren. Für ihn war es die vollkommene Vereinigung. Das Gemeinsame Erklimmen eines noch nie zuvor erklommenen Gipfels.


    So mußte Septima warten, bis sie ihre Antworten bekam. Ihr Mann mußte unwillkürlich schmunzeln. "Du bist unglaublich, weißt Du das? Hochpolitische Gespräche in solch einem Moment. Der Kaiser entscheidet so etwas. Beziehungsweise im Moment wohl der Praefectus Urbi." Er küßte sie und schaute sie weiter an. Seine Eifersucht war vorerst verflogen. "Seine Frau, ja natürlich, veilleicht freundet ihr euch ja an? Seine Pferdezucht anschauen? Achte doch mal darauf, ob er gerade ein gutes Gespann im Angebot hat. Ich suche für die Factio nach einem neuen Gespann. Für wann ist die Einladung denn? Ich könnte schauen, ob ich mir nicht die Zeit nehmen könnte, Dich zu begleiten." Es war tatsächlich eine sehr spontane Idee und hatte nichts damit zu tun, sie vielleicht überwachen zu wollen. Wobei das ein angenehmer Nebeneffekt wäre.

    Das Vertrauen, das Cimon in Ursus' Moral hatte, war geradezu rührend. Ursus kannte sich sehr wohl, wenn er natürlich auch, wie jeder Mensch, nicht jeden seiner Fehler selbst erkannte. Doch er vermutete auch, daß Cimons Ansicht über ihn nicht gar so naiv war, wie sie klang. Der Sklave zog eben Vergleiche zu seinem früheren Herrn und zu dem, was er sonst miterleben konnte. Und da schnitt Ursus ohne Zweifel gut ab.


    "Ein Raum? Eine Mischung aus beidem?" Ursus blickte grübelnd drein und rieb sich das Kinn. Schon die Tatsache, daß Cimon offenbar schlimme Albträume hatte, beunruhigte ihn ein wenig. Das bedeutete, daß Cimon noch weniger Schlaf bekam. Wie hielt er das nur aus? Wie konnte er trotzdem so stark und aufmerksam sein? Das war sehr bewundernswert. Aber auch traurig. Wie lange würde es wohl dauern, bis die Albträume, aus schlimmen Erinnerungen geboren, von den guten Erinnerungen, die Cimon jetzt hoffentlich ansammelte, vertrieben wurden?


    "Wie wäre es mit dem Raum, in dem meine Ausrüstung lagert? Ist da noch Platz genug? Du könntest Dinge, die nicht laufend gepflegt werden müssen, woandershin auslagern um Platz zu schaffen. Und Du würdest es hören, wenn ich rufen würde. Was meinst Du? Wäre das nicht - eine Mischung aus beidem? Vielleicht müssen wir eines Tages umdisponieren. Wenn wir erst Kinder haben. Aber bis die ein eigenes Zimmer brauchen, ist noch viel Zeit."


    Als Cimon an diese eine Stelle an seiner Schulter drückte, zuckte Ursus sichtlich zusammen und verzog auch das Gesicht, - was Cimon natürlich nicht sehen konnte. "Au, was war das?"


    Im Bad? Eine richtige Massage? "Ja, da ist eine sehr gute Idee. Nach der Anspannung der letzten Tage wird mir das sicher sehr gut tun. Vielleicht leiht mir Celerina ja mal ihren Masseur, der soll sehr gut sein."

    Ein guter Mensch? War er das wirklich? Ursus bezweifelte es. Er bezweifelte sogar, daß er ein tatsächlich guter Mensch sein wollte. Manchmal mußte man eben Entscheidungen treffen, die ein guter Mensch niemals treffen würde, - natürlich nur für das Große und Ganze, um das zu schützen. Wenn man an den Schaltstellen der Macht saß, war es halt so. Dabei hatte Ursus bisher nur an den eher kleineren Schaltstellen der Macht gesessen. Nein, ein durch und durch guter Mensch, das paßte nicht in die römische Politik.


    "Hab Dank für Deine guten Worte, Cimon. Ich hoffe, ich enttäusche Dich nicht eines Tages." Er lächelte und setzte sich wieder so zurecht, daß Cimon weitermassieren konnte. Der Sklave würde verstehen, das wußte er.

    "Du magst es einsam und ruhig? Ruhig ist es in meinen Cubiculum des Nachts nicht, Cimon. Nicht mehr." Hier mußte Ursus tatsächlich schmunzeln. Nein, von Ruhe konnte man da wirklich nicht sprechen. "Außerdem ist es auch nicht der richtige Aufenthaltsort für ein kleines Mädchen, es sollte nicht Zeuge sein, wenn ein Paar sich vereinigt." Nachdenklich schaute Ursus Cimon an. Was ging nur in dem Nubier vor? Immer wenn Ursus dachte, ihm etwas Gutes zu tun, dann stellte es sich nachher als schlecht heraus. "Du hast nichts falsch gemacht, ganz und gar nicht. Ich wollte Dich nicht damit bestrafen, daß ich Dich in die Sklavenunterkünfte schickte. Im Gegenteil wollte ich Dir damit klarmachen, daß die Nächte Dir gehören und ich Dich nicht da auch noch beanspruche."

    Langsam entspannten sich die gequälten Muskeln. Ursus seufzte leise und genoß die kundigen Hände seines Sklaven. So ging es gleich viel besser. "Ein Bad? Eine ausgezeichnete Idee, Cimon. Ja, laß später ein Bad vorbereiten. Mit irgendeinem frischen Duft. Nicht sowas schweres, ja?" Wobei er noch nie erlebt hatte, daß Cimon einen Duft ausgesucht hätte, der ihm nicht gefiel.


    "Ja, eigentlich bedeutet das, daß ich mich freuen kann. Fortuna meint es gut mit mir und ich hoffe, daß das noch ein bißchen anhält. Schau allein, was für eine wunderbare Frau mir das Schicksal geschenkt hat." Ursus' Augen leuchteten, als er von ihr sprach. Zwar konnte man nicht von tiefer Liebe sprechen, wie er sie Cadhla gegenüber immer noch empfand. Aber Septima war schön und intelligent und er ahnte, daß sie eine gute Ehe führen konnten, wenn sie ein wenig aufeinander eingingen. "Gute Menschen? Ich weiß nicht, ob ich mich zu denen wirklich zählen kann. Aber ich fürchte auch, daß die Götter nicht immer nur nach Gut und Böse schauen."


    Doch dann kam Cimon auf das zu sprechen, was ihn bedrückte und Ursus konnte nicht umhin, seinen Sklaven verständnislos anzuschauen. "Du meinst diesen kleinen Raum, in den kaum mehr als eine Pritsche paßt? Du würdest gerne darin wohnen?" Ursus konnte es wirklich nicht fassen. "Aber... dort ist es entsetzlich eng drin. Du müßtest ständig ein Ohr auf uns haben, immer darauf achten, uns nicht zu stören und hättest noch weniger Kontakt zu den anderen."

    Den zweiten Becher leerte Ursus zur Hälfte und stellte ihn dann auf dem Tisch ab. Er nahm ein Stück Apfel und biß davon ab, während Cimon sich nun hinter ihn stellte, um ihm Nacken und Schultern zu massieren. "Ah, ja, das ist gut, Cimon. Diese stundenlange Schreiberei macht mich ganz steif. Schon Mittag? Da kannst Du mal sehen, wie die Zeit einem davonrennt, wenn man beschäftigt ist." Er seufzte, denn die Massage tat wirklich gut. Und die Anteilnahme des Sklaven an seiner Arbeit ebenso. "Ich kann wirklich nicht klagen, hoffen wir, daß es so bleibt."


    "Dich bedrückt etwas? Immer heraus damit." Aufmunternd nickte Ursus, denn er wollte sichergehen, daß Cimon keine Angst hatte, offen über bestehende Probleme zu sprechen. Auf keinen Fall durfte sich eine Tragödie wie mit Matho wiederholen. Und auch sonst hatte er ein Interesse daran, daß Cimon sich wohlfühlte. Nur dann konnte ein vollständiges Vertrauensverhältnis zwischen ihnen wachsen.