Beiträge von Titus Aurelius Ursus

    "Das wirst Du ganz sicher. Die Übung machts. Und ein paar Aufgaben kommen ja auch bei Dir schon zusammen, wenn Du ehrlich bist, nicht wahr? Das bleibt einfach nicht aus, wenn man sich engagiert." Und im Grunde war es auch richtig so. Jeder sollte so viel wie möglich seine Kraft für die Allgemeinheit einsetzen. Zum Wohle aller. Und natürlich auch zur Steigerung seines Ansehens.


    "Ja, natürlich gibt es auch jüngere Patrizier. Doch die sind am Anfang, wie jeder junge Senator, noch denen verpflichtet, die sie unterstützt haben, um genau dahin zu kommen, wo sie sind." Genau da stand er schließlich auch noch, das durfte er nicht vergessen.

    Ursus lachte bei dieser Vorstellung. "Vermutlich bringt das die Erfahrung mit sich. Er weiß genau, wie er sich organisieren muß und welche Aufgaben und welcher Zeitaufwand jede seiner Aufgaben benötigen. Zumindest denke ich mir, daß es so ist." Mittlerweile hatte auch Ursus eine Vielzahl von Aufgaben. Und nicht immer war er sich sicher, daß er jede davon ordentlich erfüllte.


    "Nunja, ich habe mittlerweile schon einigen Einfluß, das gebe ich zu. Aber unter den Patriziern? Das bezweifle ich sehr stark. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, daß er stetig anwachsen wird." So etwas brauchte Zeit und Ursus hatte es auch gar nicht eilig. Besser, er ging seinen Weg langsam, gründlich und beständig.

    "Das stimmt, seine Aufgaben sind ausgesprochen vielfältig. Bewundernswert, wie er das alles schafft. Im nächsten Jahr also? Dann wünsche ich ihm viel Erfolg dabei." Ob wohl sein Patron wieder darüber nachdachte, gemeinsam mit Avarus zu kandidieren? Lucianus würde es ihm sicherlich sagen.


    "Es war eine Aufgabe für einen Mann mit mehr Einfluß, als ich ihn bisher habe - und damals noch viel weniger hatte." Ursus zuckte mit den Schultern. Germanicus Avarus hatte eben allzu gründlich daran gearbeitet, die Patrizier gegen sich aufzubringen.

    "Na, so alt ist er doch auch noch nicht. Und bei den Debatten im Senat wirkt er auf mich nicht nur körperlich, sondern auch geistig überaus fit." Ursus staunte bei den Worten des Freundes. Avarus und alt? Davon war er doch noch ein gutes Stück entfernt. "Nun, ich habe mit niemandem über dieses Angebot gesprochen. Ich finde auch, daß dies eine Sache ist, die unter uns bleiben sollte. Mein Patron weiß natürlich davon. Aber sonst niemand." Vermutlich wußte Sedulus eh, daß auch Lucianus von Ursus ähnliches gewünscht hatte. Es war ein schwieriger Augenblick gewesen, denn wer schlug seinem Patron schon gerne eine Bitte ab. Aber die Aufgabe, die Patrizier von Avarus zu überzeugen, wäre für einen jungen Mann, der nicht mal im Senat war, doch viel zu groß gewesen und hätte für alle Seiten nur Nachteile erbracht.

    Wieder einmal war es Zeit, bei seinem Patron vorzusprechen. Und so hatte sich Ursus, wie immer in Begleitung seines Leibwächters, auf den Weg gemacht. Als sie die Villa Vinicia erreichten, gab er Cimon einen leichten Wink, obwohl der vermutlich überflüssig war. Damit er anklopfte und Ursus ankündigte.

    Ein Messer im Rücken. Ja, das konnte leicht passieren. Und nicht immer war dieses Messer aus Stahl. Ursus wußte hierauf nichts weiter zu erwidern als ein Nicken. Er war wirklich froh, daß es in seiner Familie niemanden gab, auf den solch eine Beschreibung zutraf. Es schüttelte ihn schon bei dem Gedanken daran, was für ein Schaden einer Familie zugefügt werden konnte von solch einem Menschen.


    "Wozu braucht er Werbung, wenn doch alle sehen können, wie seine Klienten weiterkommen? Das ist immer noch die beste Werbung. Die Menschen auf der Straßen reden viel über solche Dinge. Sie wissen ganz genau, wer die Männer sind, die ihren Klienten zuhören und auch bereit sind, sich für sie einzusetzen. Diesen gilt dann auch ihre Treue und ihre Einsatzbereitschaft."


    Aber Ursus kam nun noch auf ein anderes Thema zu sprechen. "Als Du damals bei mir in Mantua warst, batest Du mich darum, Deinem Onkel Stimmen unter den Patriziern zu verschaffen, weil er als Consul kandidieren wollte. Dann war er aber doch nicht unter den Kandidaten. Hat er diesen Plan aufgegeben? Oder wird er zur kommenden Wahl kandidieren?"

    Ursus zuckte die Schultern. "Ich bin beileibe kein Fachmann. Während meiner Ausbildung in Griechenland aber habe ich ein paar Vorträgen und Diskussionen beigewohnt, die sich mit Vergiftungserscheinungen und ihrer Behandlung befaßten. Damals war die Vermutung laut geworden, daß neue Wasserleitungen krank machen könnten. Dabei kam eine über lange Zeit erfolgende Schwächung des Körpers zur Sprache. Ein anderer Dozent hat diese zugegebenenermaßen wilde Theorie allerdings lautstark angegriffen, da solche Symptome eben durch gezielte Giftgaben verursacht sein können, wenn die Dosis nicht in tödlicher Höhe und immer wieder gegeben wird. Ich gebe zu, ich habe nur zugehört, weil es Spaß machte, dem Schlagabtausch dieser beiden zuzuhören. Medizin interessiert mich zwar, aber ich habe mich nie intensiv damit befaßt. Nun, auf jeden Fall sind doch ein paar Parallelen zu beobachten zum Zustand des Kaisers, findest Du nicht? Aber die Ärzte haben diese Möglichkeit doch bestimmt ins Auge gefaßt und überprüft?"

    Ah, wie gerufen kam ihm besagter Centurio gerade entgegen. "Salve, Centurio Iulius." Ursus erwiderte den Salut und nickte lächelnd. "Ich habe geschlafen wie ein Stein. Und sogar die ganze Geschichte verschlafen, da auch niemand auftauchte, um mir Meldung zu erstatten." Er grinste ein wenig schief, denn er hatte eigentlich schon damit gerechnet, daß man ihm im Falle eines Angriffs Bescheid gab und empfand dies auch als richtig und notwendig. Aber das war etwas, was er später mit allen Offizieren besprechen mußte. "Erzähl mal, wie ist es abgelaufen? Wie haben die Männer sich gehalten?"






    So konnte man das natürlich auch betrachten. Aber Ursus fiel es schwer, dieser Ansichtsweise zu folgen. Und ehrlich gesagt, versuchte er es nicht einmal. Lieber dachte er über diese Schiffswracks überhaupt nicht nach. Auch nicht darüber, was unter der Meeresoberfläche noch so alles lauerte. Oder was sich jenseits der großen Meere befand. Schließlich wußte es niemand so wirklich genau.


    "Nunja, darin unterscheidet sich Alexandria offenbar nicht von gewissen Gegenden in Rom. Ich hoffe, es gibt dort aber auch Gegenden, in denen man sich sicher fühlen kann?" Daß Alexandria gar so ein heißes Pflaster war, hatte er widerum nicht gewußt. "Diese Oasenstädte klingen wirklich gut. Ja, wer weiß, vielleicht verschlägt es mich eines Tages in eine dieser Provinzen. Auch wenn ich zugeben muß, daß meine größere Sympathie weiterhin den nördlichen Provinzen gilt." Frisches Grün und Kühle lagen ihm eben mehr als trockene Hitze. Auch wenn er zugeben mußte, daß diese Oasen ganz sicher ihren Reiz hatten. Gerade weil sie grüne Inseln im heißen Wüstensand waren.


    "Kommt ganz darauf an, was man lange nennt. Und es kommt darauf an, wie groß die Gefallen waren, die einem gewährt wurden. Dem Patron und der Familie bleibt man ja irgendwie immer verpflichtet. Bei den anderen sollte man darauf achten, daß die Gefallen, die man ihnen erbringt, ein wenig größer sind als die, die man empfangen hat. Dann kann man sicher sein, daß man die Verpflichtung los ist und hat vielleicht noch einen kleinen Gefallen gut. Das hinzubekommen, ist allerdings alles andere als leicht. Wäre aber ideal." Er hoffte, daß er selbst das mit der Zeit hinbekam. Bisher war seine Erfolgsquote allerdings eher gering.

    "Wem seine Familie egal ist, der hat es nicht besser verdient, als zu scheitern. Wer nicht einmal seiner Familie die Treue halten kann, wird sicher auch nicht dem Kaiser und dem römischen Volk die Treue halten können." Damit meinte er nicht, daß man ständig aufeinanderhocken und völlige Harmonie simulieren mußte. Sondern, in entscheidenden Momenten aufeinander bauen zu können.


    "Ich finde nicht, daß er nichts macht. Er spricht für seine Klienten im Senat. Er läßt seine Beziehungen spielen, um sie voran zu bringen. Was verlangt man auch mehr von seinem Patron? Er scheint seine Klienten nie zu vergessen. Als Bruder des Kaisers hat er auch den nötigen Einfluß, um etwas für sie erreichen zu können. Also ist es doch durchaus verständlich, daß so viele ihn sich zum Patron wünschen."

    "Wenn Du es selbst erzählen möchtest, dann solltest Du das sehr bald tun, Marei." Ursus gab ihr diesen guten Rat durchaus aus Wohlwollen. Die Kleine war doch im Grunde ausgesprochen süß. Und bemüht, alles richtig zu machen. Daß sie dabei schon mal über das Ziel hinausschoß, war für Kinder völlig normal und gehörte zum Lernprozeß. Aus Fehlern lernte man eh am allerbesten.


    "Frage ihn. Aber akzeptiere auch ein Nein, sollte das kommen. Cimon hat auch viele Aufgaben und nicht immer Zeit für Dich. Und natürlich müssen wir auch Deine Herrin noch fragen, ob es ihr überhaupt recht ist, wenn Cimon sich Deiner ein wenig annimmt." Ursus wollte schließlich Celerina nicht übergehen. "Cimon schläft in den Sklavenunterkünften. Im Raum für die Männer natürlich." Bestimmt wußte Marei, wo der war.

    "Merkwürdig, von Deinem geschädigten Ruf ist mir noch gar nichts zu Ohren gekommen", lachte Ursus amüsiert.


    "Ja, das ist sicher schon vorgekommen. Aber hat es nicht immer dem auch geschadet, von dem es ausgegangen ist? Wer klug ist, der hält zu seiner Familie, was auch geschehen mag. Auch wenn man sich untereinander mal nicht so grün ist. Streit kommt schließlich überall vor, wo Menschen zusammenkommen. Da muß man dann einfach drüberstehen." Große Worte. Er seufzte innerlich als er an seine immer wieder auftretenden Querelen mit Corvinus dachte. Dabei wollten sie doch beide das Gleiche. Aber er war sicher, daß sie beide an einem Strang ziehen würden, wenn es um die Familie ging. Schließlich waren sie beide keine Idioten.


    "Dann sind wir mindestens schon zwei, die das tun." Es war gut zu wissen, daß auch andere Quarto so vertrauten. "Ja, ich hörte auch schon, daß seine Klientenschar immer größer wird. Kein Wunder, er setzt sich schließlich sehr für seine Klienten ein. Hoffentlich wissen sie das alle nicht nur zu schätzen sondern auch zu danken."

    Ursus folgte dem Blick seines Gesprächspartners und erblickte die beiden Frauen. Da war sie ja wieder. Die Schöne von der Feier bei den Germanicern. Mit Prisca schien sie bekannt zu sein. Das war gut, dann konnte er seine Cousine später mal fragen, wer die unbekannte Schöne war. Da, sie schaute her. Für einen kurzen Moment begegneten sich ihre Blicke. Schade, daß die beiden nicht hierherkamen, daß man sich mit ihnen unterhalten konnte.


    Celsus' Worte lenkten ihn von den beiden Damen ab und Ursus wandte sich ihm wieder zu. "Wenn Dir jemand beim Einstieg in das politische Leben erleichtern kann, dann ist es sicherlich Consul Tiberius Durus." Er beträufelte ein halbes Ei mit der pikanten Soße, um es dann genüßlich zu verspeisen. "Du hast also vor, nichts anbrennen zu lassen und Dich gleich auf den Cursus Honorum zu stürzen? Jetzt gleich zu den anstehenden Wahlen? Oder läßt Du Dir noch ein Jahr Zeit, um Kontakte zu knüpfen?" Ja, Celsus hatte allerdings geklungen wie ein ambitionierter und hochmotivierter Jungpolitiker.

    Ursus zuckte mit den Schultern. "Ich will keine unberechtigten Anschuldigungen verbreiten. Aber bei einem früher so überaus gesunden Mann denke ich, daß die Frage durchaus berechtigt ist. Zumindest insoweit, daß man diese Möglichkeit einmal prüfen sollte. Er wäre nicht der erste, dem durch langsam gesteigerte Giftgaben eine Krankheit vorgegaukelt würde. Ein furchtbarer Gedanke, das gebe ich zu. Aber er ist schon so lange krank." Hoffentlich verstand Quarto ihn nicht falsch. Denn daß der dahinter stecken könnte, das hielt Ursus für völlig unmöglich. Doch es gab andere Gestalten in Rom, die sehr wohl Interesse daran haben könnten, Valerianus aus dem Weg zu räumen oder zumindest handlungsunfähig zu halten.


    Die leichte Berührung Cimons genügte, um Ursus zu wecken. Er öffnete leise seufzend die Augen. Vorsichtig streckte er sich, aber der Schmerz fiel weit geringer aus, als er erwartet hatte. Sicher ein Ergebnis der hervorragenden Massage vom Vorabend. "Guten Morgen, Cimon. Ja. Ja, das ist ganz recht, daß Du mich um diese Zeit weckst." Langsam schälte er sich aus den Decken und richtete sich auf. "Bitte knie nicht, Cimon. Letzte Nacht ist also niemand hier gewesen, um mir Meldung zu machen?" Das wunderte ihn. Oder ob bei dem Scheinangriff etwas schief gegangen war? Er würde es wohl bald erfahren.


    Ursus trat an die Waschschüssel und stellte mit Wohlbehagen fest, daß das Wasser sogar warm war. Welch ein Luxus! Er wusch sich gründlich und ließ sich dann von Cimon das Frühstück bringen. "Vergiß nicht, selbst auch zu essen", erinnerte er den Sklaven freundlich. Viel Zeit nahm er sich nicht zum essen. Dafür war er viel zu neugierig, wie die nächtliche Übung verlaufen war. Er ließ sich von Cimon in die Rüstung helfen und verließ dann das Zelt.


    Draußen war durchaus schon etwas Betrieb. Ursus schlenderte langsam durch das Lager. Vielleicht würde er ja auf Centurio Iulius treffen, um zu hören, wie die Nacht abgelaufen war.



    "In drei Tagen. Und ich danke Dir für Deinen Glauben an mich. Ich hoffe, ich werde dem gerecht." Er lachte bei der Vorstellung, daß Sedulus wochenlang mit gedrückten Daumen durch die Stadt lief und dafür für verrückt erklärt würde. "Naja, ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert, nicht wahr?" Er lachte wieder, als Sedulus seine Hände mit den gedrückten Daumen hochhob.


    "Ja, es ist gut, wenn die Familie groß ist. Und wenn einflußreiche Männer ihr angehören. Ich finde nicht, daß es sich dumm anhört. Bei der eigenen Familie kann man sich sicher sein." Bei allen Querelen, die auftreten mochten, würde gewiß niemand gegen die eigene Familie arbeiten. Immerhin schadete man sich damit auch selbst. So dumm war wohl niemand.


    "Nein, eigentlich nichts Bestimmtes. Ich habe eine sehr hohe Meinung von ihm und vertraue ihm. Manchmal frage ich mich eben, ob ich nicht zu blind vertraue in diesem Fall. Es gibt nur wenige, die ich um ihre Meinung fragen kann. Und noch weniger kennen ihn besser als ich, immerhin habe ich zwei Jahre eng mit ihm zusammengearbeitet. Ich möchte einfach wissen, ob andere ihm auch so vertrauen, wie ich es tue."

    Zitat

    Original von Lucius Aelius Quarto
    Aufmerksam verfolgte auch Lucius Aelius Quarto die Startvorbereitungen. Als Vorsitzender des Rennstalls der Veneta freute er sich darüber, dass zwei seiner Gespanne beim Endlauf dabei waren. Sein dritter Fahrer Casetorix hatte den Einzug ins Finale nur knapp verfehlt. Die erste Enttäuschung darüber war aber mittlerweile verflogen, denn dafür hatte sich Tolimedes mit einem Sieg souverän qualifiziert. Mehaf war ohnehin gesetzt.


    Die Factio Albata ging ein gewisses Risiko ein. Sie hatte darauf verzichtet, ihren besten Mann, nämlich Felix, für das Rennen zu melden. Stattdessen trat Fortunatus für die Weißen an. Aber auch er war der eindeutige Favorit, denn die Weißen waren in der beneidenswerten Situation, die beiden zurzeit besten Wagenlenker der Welt in ihren Reihen zu haben.


    “Wie ich schon sagte“, meinte er deshalb zu seinem Sitznachbarn Purgitius Macer: “alles andere als ein Sieg von Fortunatus würde mich überraschen. Aber wenn ein Fahrer für eine Überraschung sorgen kann, dann wohl am ehesten dein Auriga, dieser Halil Torkebal.“



    Ursus saß weiterhin bei Purgitius Macer und Aelius Quarto. Er sah es ähnlich wie Macer. Die einzelnen Fahrer der Grünen und auch leider der Aurata hatten gegen die Paare der anderen Factiones schlechte Chancen. Wenn diese ihren Vorteil zu nutzen verstanden. Dies war nicht unbedingt gesagt, da auch noch relativ unerfahrene Fahrer unter ihnen waren. Der Sieg lag vermutlich bei den Weißen, wenn Fortunatus nicht ein gewaltiger Fehler unterlief. Was immerhin auch nicht unmöglich war, solch ein Rennen barg viele Unfallrisiken. Und Fortuna hatte bei solchen Gelegenheiten schließlich auch noch das eine oder andere Wörtchen mitzureden. "Gerade bei Rennen, wo der Sieger vorher schon festzustehen scheint, kommt es oft zu Überraschungen." Er jedenfalls würde sich gerne überraschen lassen. Am besten natürlich durch seinen eigenen Fahrer, auch wenn er wenig Chancen dafür sah. Ja, dieses Rennen zeigte deutlich, wie dringend die Aurata frisches Blut brauchte.

    "Die Menge der Schiffswracks, die Du erwähnst, spricht aber nicht gerade dafür, daß die Seeleute so recht wissen, welche Gegenden sie meiden müssen. Gibt es da wirklich so viele? Ästhetisch? Ich finde eher, daß es etwas von Gerippen hat. Wieviel Leid verbirgt sich hinter diesen Überresten einer Katastrophe? Nein, das bestärkt mich nur darin, Schiffsplanken zu meiden, soweit es möglich ist." Es schüttelte ihn allein schon bei dem Gedanken an Schiffe, die an schroffen Felsen hingen, von denen sie zerschlagen worden waren. "Das Meer ist eben unberechenbar, Neptunus sowieso, und ich glaube nicht, daß der Mensch es je vollkommen wird bezwingen können." Wasser hatte keine Balken. Und nur weil der Mensch Balken drauf schwimmen ließ, bedeutete dies keine Sicherheit.


    Als Piso nun etwas mehr über diese Oasenstädte berichtete, hörte Ursus interessiert zu. Das klang schon etwas anders als das, was andere ihm so berichtet hatten. "Für mich klingen diese Städte weit einladender als Alexandria. Wie sind die Menschen dort? Sind sie gastfreundlich oder Fremden gegenüber eher abweisend? Bist Du auf einem dieser Kamele geritten? Ich hörte, auf denen kann man auch seekrank werden, weil sie so schaukeln." Er war Senator, Aegyptus war ihm also verboten. Naja, so sehr reizte es ihn auch nach diesen Erzählungen nicht. Aber das hieß ja nicht, daß er sich nicht dafür interessierte.


    "Ja, das ist völlig normal. Ich bin natürlich vor allem meiner Familie, meinem Patron und dem Patron meines Onkels verpflichtet. Und noch ein paar anderen." Vor allem Aelius Quarto. Aber Ursus scheute sich, die Namen so offen auszusprechen. Solches Wissen konnte schließlich einmal gegen ihn verwendet werden. "Nur einen kleinen Teil konnte ich bisher abtragen. Ich bin ja noch nicht so lange Senator. Aber jetzt bin ich in der Lage, meine Schulden nach und nach abzutragen."

    "Ich wünschte, ich hätte Deine Sicherheit", lachte Ursus. "Gerade mündliche Prüfungen sind immer für Überraschungen gut. Erwischt einen der Prüfer gerade auf dem falschen Fuß, dann ist alles aus. Nein, ich muß zugeben, ich bin etwas nervös deswegen. Merkwürdig, nicht wahr? Ich traue mir ein Kommando zu, bin aber nervös wegen so einer Prüfung. Dabei ist es nur das Tertium und nicht mal das Quartum." Tatsächlich war er durchaus unruhig deswegen. "Drück mir die Daumen, ja?", bat er den Freund.


    "Ich hoffe, mir bleiben ein paar Freunde erhalten", grinste Ursus ein wenig schief, wobei ihm durchaus bewußt war, daß es gerade in der Politik nicht leicht war, wahre Freunde zu erkennen - oder die ärgsten Feinde. Denn meist waren die, die sich lauthals negativ äußerten, bei weitem nicht die Schlimmsten.


    "Ja, für dieses Jahr mag es etwas knapp sein. Aber die nächsten Wahlen kommen bestimmt. Du weißt doch: Nach der Wahl ist vor der Wahl. Man kann nie früh genug anfangen, sich Stimmen zu sichern." Er trank noch einen Schluck aus seinem Becher. "Sag mal, was hältst Du eigentlich von Aelius Quarto?"

    Aufmerksam lauschte Ursus den Ausführungen Serapios. Er hatte seine Argumentation sehr gut dargelegt und mit Beispielen untermauert. Es war nicht leicht, darauf angemessen zu erwidern. Ursus wartete noch eine Weile ab. Zum einen, weil er seine Antwort nicht unüberlegt vorbringen wollte, zum anderen, um Iunius Brutus nicht vorwegzugreifen. Doch da dieser sich noch vornehm zurückhielt und Purgitius Macer auch ihm schon auffordernde Blicke zuwarf, ergriff Ursus nun doch das Wort.


    "Du sagst es selbst: Eine umfassende Ausbildung braucht ein Kaiser, keine einseitige. Weder einseitig militärisch, noch einseitig politisch. Denn beides ist in meinen Augen gleichermaßen schädlich, muß ein Kaiser doch alle Bereiche gleichermaßen kennen und zu berücksichtigen verstehen, wobei auch der Cultus nicht vernachlässigt werden darf. Vielleicht war es im Falle des Tiberius sogar ein Glück, dass er zunächst eigentlich nicht als Thronfolger vorgesehen war. So erhielt er nach einer umfassenden Grundbildung die Möglichkeit, sich politisch zu engagieren und hat auch schon früh sowohl an diplomatischen als auch an militärischen Operationen des Augustus seinen Anteil gehabt und konnte auf diese Weise wertvolle Erfahrungen sammeln. Hätte er gleich als zukünftiger Kaiser gegolten, wer weiß, vielleicht wäre er dann genau so übertrieben geschützt worden wie Du es forderst. Oder wäre so ruhmsüchtig gewesen, wie Du es im Falle eines frühen Kommandos darstellst. Beides war bei ihm nicht der Fall. Und letzteres bei seinem Erben zu verhindern, sollte die Aufgabe des gerade regierenden Kaisers sein. Meiner Meinung nach ist es weit riskanter, wenn ein militärisch unerfahrener Kaiser sich an die Spitze seiner Männer setzt und in die Schlacht zieht, als wenn ein militärisch gründlich ausgebildeter Thronfolger ein Kommando übernimmt. Zum einen weil die fehlende Ausbildung und Erfahrung den Kaiser Gefahren zu spät erkennen lässt, zum anderen weil ein inthronisierter Kaiser weit schwerer zu ersetzen ist als ein Thronfolger. Denn es entsteht augenblicklich ein Machtvakuum, das zu füllen auf die Schnelle sehr schwer werden kann."


    Er machte eine kleine Pause, um seine Gedanken neu zu ordnen. Denn zum Ende hin war er seiner Meinung nach zu schnell zwischen den einzelnen Gedanken gewechselt. Aber so im Gespräch war das eben nicht so einfach, wie wenn man etwas schriftlich niederlegen und über jeden Satz lange nachdenken konnte. Vor allem war es schwer, beim eigentlichen Thema zu bleiben, zu vieles spielte in die Überlegungen mit hinein, führte hier aber vermutlich zu weit. "Sicher, Domitian hat gezeigt, dass auch ein militärisch unerfahrener Kaiser an der Spitze eines Heeres erfolgreich sein kann. Doch er ist damit wohl eher die Ausnahme und eine ordentliche Portion Glück und vermutlich auch Götterwohlwollen halfen ihm garantiert auch dabei. Im Grunde war er ausgesprochen leichtsinnig, sich selbst derartig in Gefahr zu bringen. Hätte es nicht auch genügt, mit den Soldaten zu sprechen, sie durch persönliche Besuche zu motivieren und ansonsten fähigen Feldherren die Angelegenheit zu überlassen? Ein Kaiser gehört nie sich selbst, er gehört immer dem ganzen Volk, dem ganzen Reich. Diese Verantwortung sollte sein Handeln leiten und ihn davon abhalten, sein Leben leichtsinnig in Gefahr zu bringen. Lieber sollte er sein Augenmerk auf die Offiziere richten, deren Macht er dabei natürlich nicht unterschätzen darf. Ihrer Treue muß er sich immer wieder versichern. Dabei wieder hilft es ihm, wenn er als junger Mann die Gelegenheit hatte, eben diese Offiziere persönlich kennenzulernen und mit ihnen zusammenzuarbeiten. Diese sind es, die den Kaiser an der Spitze des Heeres ersetzen müssen. Sie sind es, die den Männern klarmachen müssen, dass sie ihm folgen, indem sie ihnen folgen. Wenn sie dieser Aufgabe gewachsen sind, ist die persönliche Anwesenheit des Kaisers bei einem Feldzug völlig überflüssig und er ist nicht gezwungen, Rom allzu lange den Rücken zu kehren oder gar sein Leben zu riskieren."


    Einen Moment lang sah es so aus, als wollte er noch etwas hinzusetzen, aber dann entschied er sich offensichtlich dazu, doch erst einmal wieder zu schweigen und den anderen wieder das Feld zu überlassen. Seine weiteren Gedankengänge konnte er sich zu einem späteren Zeitpunkt noch anbringen.