Beiträge von Titus Aurelius Ursus



    Anscheinend hatte Sedulus seinen Blick verstanden, denn er kam nun auf sie zu und fragte danach, wie das Fest gefiel. "Es ist ausgeprochen gelungen, dieses Fest", lobte Ursus mit voller Überzeugung. "Die besten Künstler, eine wunderbare Dekoration und hervorrandes Essen. Schau Dich um, hast Du je auf einer Feier weniger gelangweilte Gesichter gesehen? Ich fand noch kein einziges." Tatsächlich gab es nur wenige Feste, auf denen die Gäste sich so gut amüsierten, meistens machte sich nach kurzer Zeit Langeweile breit.

    Das erleichterte Aufatmen war kaum zu übersehen. Ursus mußte schmunzeln, offenbar hatte sich Piso falsche Vorstellungen vom senatorischen Tribunat gemacht. Gut, wenn er ihm ein wenig Licht in diese Sache bringen konnte. "Als Tribun steht Dir ein eigenes Haus zur Verfügung. Es ist nicht riesig, aber durchaus ausreichend. Ein wenig Personal ist da, aber es empfiehlt sich, eigene Sklaven mitzunehmen. Also, ich würde die Erfahrung nicht missen wollen. Als senatorischer Tribun ist man der Stellvertreter des Legaten. Auch wenn die ritterlichen Tribune gerne versuchen, einen in die Versagerecke zu stellen, bedeutet diese Stellung durchaus Macht und Einfluß. Zu lernen, sich dort zu behaupten zwischen all den Berufssoldaten, kann sich später als ausgesprochen nützlich erweisen." Ursus war zutiefst davon überzeugt, daß ein Militärtribunat ausgesprochen nützlich war. Wenn es nach ihm ginge, wäre es auch für Patrizier Pflicht.


    "Germanisch? Ich? Guten Tag heißt Heilsa. Damit hören meine Germanischkenntnisse schon auf. Und ja, sie sind bis an die Zähne bewaffnet gewesen. Ich glaube, allenfalls im Bett tragen sie keine Waffen. Vielleicht." Er lachte und füllte die Becher nach. "So genau weiß ich das nicht, muß ich zugeben."

    Natürlich hatte er wieder keinen Termin. Aber der Consul hatte ja gesagt, er sollte einfach vorbeikommen wegen der genauen Vereinbarungen die Eheschließung mit Tiberia Septima betreffend. Nun, mit etwas Glück würde er Zeit für ihn haben.


    Cimon begleitete Ursus, wie eigentlich stets. Es war schon merkwürdig, wie sehr man sich an die ständige Gegenwart eines anderen gewöhnen konnte. Es kam Ursus mittlerweile unangemessen und irgendwie falsch vor, allein in die Stadt zu gehen.


    Mit einem kleinen Wink bedeutete er seinem Sklaven, anzuklopfen und ihn anzumelden

    "Germanicus Avarus und Matinius Agrippa? Letzterer hat sich in letzter Zeit sehr rar gemacht. Wird er für solch eine Aufgabe noch zur Verfügung stehen?" Ursus konnte es sich kaum vorstellen. Und bei Avarus war er sich ganz und gar nicht sicher, ob der ihn in der Kommission würde haben wollen bei seinen Vorbehalten gegenüber Patriziern.

    In der Tat war von den beiden Auratafahrern mehr zu erwarten gewesen. Ursus war mehr als enttäuscht, nachdem die beiden sich im Training so gut geschlagen hatten. Vor allem Burolix hatte sich dort durch geschickte Manöver hervorgetan. Beinahe konnte man glauben, hier traute er sich so etwas nicht. Er mußte ihn wohl nochmal gründlich ins Gebet nehmen.


    "Die Aurata hat schon lange kein Rennen mehr ausgerichtet." Falls überhaupt je, Ursus hatte keinen Überblick darüber, was seine Vorgänger gemacht oder nicht gemacht hatten. Dafür war er zu lange nicht in Rom gewesen. "Im kommenden Jahr werden wir auf jeden Fall eines ausrichten. Nur wann, kann ich noch nicht genau sagen. Das kommt darauf an, wie meine persönliche Zukunft sich gestaltet. Ich muß in Rom sein dafür. Ihr wißt ja wie das ist: Wenn der Princeps nicht da ist, glauben alle, sie könnten sich auf die faule Haut legen."

    Aufmerksam hatte Ursus die Diskussion verfolgt und nahm sich nun die Zeit, die endgültige Vorlage gründlich zu durchdenken. Immerhin war die Sachlage alles andere als leicht. Wer wußte schon, wie sich die Änderungen in der Praxis machen würden? Welche Schwächen die Praxis noch offenbaren würde, lag in diesem Moment im Dunkeln. Vielleicht lag es an seiner Unerfahrenheit, daß er keine Einwände vorzubringen hatte. Doch im Moment fiel ihm tatsächlich nichts auf.


    Anders Aelius Quarto, der noch einiges anzumerken und zu fragen hatte. Hier zeigte sich dessen weit größere Erfahrung. Gespannt richtete Ursus seine Aufmerksamkeit wieder auf Durus, der vermutlich derjenige sein würde, der darauf reagierte. Vielleicht auch Purgitius Macer? Gerade er als Praetor war sicher besonders interessiert an diesem Thema.

    Cimons Worte verwunderten Ursus sehr. Für einen Römer wie ihn war es völlig unverständlich, daß die Wunder Roms den Sklaven nicht beeindruckten und ihn mit Freude zu erfüllen vermochten. "Dann vermag die hohe Baukunst nicht, Dein Inneres zu berühren? Ich weiß, daß Literatur es kann, denn ich habe das in Deinen Augen lesen können. Wie steht es mit Skulpturen? Mit Malereien? Wie traurig, daß Dich ein großartiger Bau nicht zu bewegen vermag. Was Dir dadurch an Freude entgeht! Warten wir ab, bis das Ulpianum fertig ist. Wenn dieser Bau es nicht schafft, Dich zutiefst zu beeindrucken und Dein Herz mit Freude zu füllen, dann schafft es keiner." Wie könnte er es dem Nubier übel nehmen? Er tat ihm eher leid.


    "Ja, Cimon, ich wünsche, daß Du offen und ehrlich zu mir bist. Bei Dir erübrigt es sich, Dich an die notwendige Höflichkeit zu erinnern, ich weiß, diese wirst Du nie außer Acht lassen. Manche Dinge geschehen einfach außerhalb meiner Wahrnehmung. Und andere mögen Dich unangenehm berühren, ohne daß mir das bewußt ist. Ich brauche Deine Ehrlichkeit und Offenheit, um richtig reagieren zu können. Und nicht zuletzt möchte ich, daß Du für mich Informationen sammelst, an die ich nie herankommen würde. Wenn Du so am Rand des Atriums stehst und einfach alles beobachtest, werden Dir manche Dinge auffallen, die mir, der ich mitten im Geschehen bin, entgehen. Sei dabei ehrlich zu mir. Gerade und vor allem, wenn Dir auffällt, daß an meinem Verhalten etwas negativ auffiel." Kritik am eigenen Herrn dürfte jedem Sklaven schwer fallen. Doch Ursus wollte an seiner Außenwirkung arbeiten. Dafür brauchte er jemanden, der ihn beobachtete und sein Verhalten mit dem anderer verglich. "Sei mein Schild, sei meine Augen, sei meine Ohren - und sei die Schulter, auf die ich mich stützen kann. Dafür soll es Dir an nichts fehlen, Cimon."

    Ursus betrat die Räumlichkeiten der Academia durchaus mit einer gehörigen Portion Nervosität. Zwar hatte er sich gründlich vorbereitet, wie er meinte, aber gerade bei mündlichen Prüfungen konnte man nie wissen, ob man nicht doch völlig auf dem falschen Fuß erwischt wurde. Wer seine Mitstreiter waren, wußte er nicht. Ebenso wenig, wer auf der Prüferseite noch teilnehmen würde.


    Als er den Prüfungsraum betrat, waren erst zwei Personen anwesend. Der Praetor und ein ihm völlig Unbekannter. "Salvete", grüßte Ursus, als er eintrat. "Praetor Purgitius", nickte er dem Kommandanten der Academia zu und stellte sich dann dem anderen Mann vor, den er zunächst einmal für einen Prüfling hielt, wie er selbst einer war. "Titus Aurelius Ursus ist mein Name." Wenn sie schon Seite an Seite schwitzen sollten, dann war es sicher angebracht, auch gegenseitig die Namen zu kennen.

    Ursus sah die Enttäuschung auf Cimons Miene und es tat ihm bereits leid, ihn so zappeln zu lassen. Doch auch das mußte Cimon lernen. Ihm zu vertrauen. Und abzuwarten, bis er alle Informationen gesammelt hatte, um eine Entscheidung zu treffen. Er sah dem Nubier an, wie schwer es ihm fiel, nichts zu sagen. Und wieviel Kraft er brauchte, um auf Ursus' andere Worte zu antworten.


    "Ja, sie kann noch weit mehr stinken", schmunzelte Ursus auf die ungläubige Frage hin, "aber hier in der Gegend nicht so sehr. Deshalb stehen hier die vornehmen Häuser. Und ich hoffe doch, daß Du die Wunder sehen kannst. Sie stillen den Hunger des Herzens, wenn Du verstehst, was ich meine."


    Er schüttelte den Kopf, als Cimon um Verzeihung bat. "Es ist schon gut, Cimon. Ich habe Dich nach Deiner Meinung gefragt. Und dann möchte ich sie auch hören. Zumal wir unter uns sind. Ich möchte dann nicht angelogen werden und auch keine Schmeicheleien hören." Sie hatten doch noch viel zu lernen. Alle beide. Bis sie ein völlig eingespieltes Team waren, würde es wohl noch dauern.


    "Also, ich möchte Dich ab heute ganz offiziell zu meinem Leibwächter machen. Das ist Deine Hauptfunktion. Ich vertraue Dir mein Leben an. Und glaube, es ist bei Dir in guten Händen." Ursus sprach diese Worte ganz feierlich. Und er reichte Cimon seine Hand, wie zu einer Abmachung unter Gleichrangigen. In diesem Moment erschien dies irgendwie richtig.

    Wenn man bedachte, wie Cimon für gewöhnlich über sich selbst sprach, mußte man dieses Selbstlob tatsächlich als sehr ungewöhnlich ansehen. Ursus zweifelte nicht daran, daß der Nubier zutiefst von seinen Worten überzeugt war. Und daß er sich eher zu kritisch einschätzte, als zu blauäugig. Dazu hatte er sich berichten lassen von dem Training in Mantua. Was er darüber gehört hatte, das hatte ihm durchaus gefallen, zumal erfahrene Kämpfer die beiden beobachtet hatten.


    "Ja, Rom ist schmutzig. Du weißt noch gar nicht, wie sehr. Im Sommer stinkt es furchtbar, wenn der Wind vom Fluß her weht. Wie gut, daß unser Trinkwasser frisches Quellwasser aus den Bergen ist und nicht aus dem Tiber stammt. Aber trotz des Schmutzes, des Gestankes und des Gesindels, das sich in Rom herumtreibt, ist es doch die schönste und beeindruckenste Stadt der Welt. Vielleicht ist mein Blickwinkel ein anderer, weil ich hier geboren bin. Aber wenn Du die Augen stets offen hältst und bereit bist, die Wunder dieser Stadt zu erkennen, dann wirst Du sie vielleicht auch eines Tages ein bißchen mögen."


    Seine Augen hatten zu leuchten begonnen, als er von der Stadt erzählte. Ja, er liebte Rom. Auch mit all seinen Fehlern. "Die kleine Marei behauptet, daß sie sich in Rom perfekt auskennt. Laß Dir von ihr einiges erklären. Zwar ist zu befürchten, daß sie ihre Beschreibungen kindlich verklärt, aber ich bin sicher, Du kannst damit umgehen." Daß Cimon sich auskannte, war wichtig. Er mußte lernen, sich in der Stadt zurechtzufinden.

    Freie Zeit. Eigentlich konnte Cimon davon nicht allzu viel haben. Oder doch? Ursus war manchmal nicht sicher, zu stark oder zu wenig auslastete. Nun, mit diesen Aufgaben, die er ihm immer wieder stellte, beugte er doch eigentlich Zweiterem vor. Vielleicht sollte er sich etwas ähnliches für Caelyn ausdenken. Wobei er das völlig anders anfangen mußte, wollte er nicht von vornherein ihren Widerwillen erregen. Sie war wie ein scheues Fohlen. Jede Form von direktem Zwang rief nur Trotz und Abwehr hervor. Nein, bei ihr mußte er sehr viel vorsichtiger sein, als bei Cimon, der ja nach Wissen geradezu hungerte. Was Ursus sehr entgegen kam.


    Was Phraates anging, war Ursus sich noch alles andere als sicher. Das mit Bashir war etwas anderes gewesen. Da war von vornherein klar gewesen, daß es nur für eine Weile war und nicht auf Dauer. Jedoch lebte Phraates mit hier im Haushalt. Freundschaften unter den Sklaven waren durchaus nicht verkehrt. Aber würde Cimon durch diesen Mann nicht vielleicht rebellisch gemacht?


    "Ein so guter Kämpfer ist er? Weiß Celerina das? So oder so muß ich auf jeden Fall erst mit ihr reden. Phraates ist ihr Eigentum, darüber darf ich nicht ohne Weiteres verfügen. Und ich möchte auch noch mehr über diesen Mann wissen, bevor ich Dir erlaube, mit ihm zusammen zu lernen. Sei es Kampfesfertigkeiten oder seine Sprache. Das ist kein Nein, Cimon. Ich muß darüber nachdenken und mit Celerina sprechen."


    Grübelnd betrachtete er seinen Sklaven. "Wie schätzt Du selbst Deine Kampfesfertigkeiten ein, Cimon? Fühlst Du Dich da draußen der Aufgabe gewachsen, mich zu beschützen? Wie gefällt Dir Rom überhaupt? Findest Du Dich schon ein wenig zurecht in der Stadt?"

    Zitat

    Original von Manius Flavius Gracchus
    Der Gedanke an seinen Vetter ließ ein unscheinbares Schmunzeln auf Gracchus' Antlitz entstehen, denn obgleich diese Spiele Aristides auch hätten begeistern können, so vergnügte er sich in Baiae doch unbezweifelt in gleich, allfällig gar noch gefälligerer Art und Weise. Manches mal misste er ihn schmerzlich in Rom und war versucht, ihn drängend zu bitten, wieder in die Hauptstadt zuzukehren, gleichsam indes wusste er, dass es seinem Vetter dort besser ging, wo er war, und dass die Hauptstadt ihn nur würde bedrücken - in jenem Ausmaß, wie ihn selbst die Ferne davon. Aurelius' Erwähnung der schnellen Richtungswechsel und überhängenden Schiffe ließ gleichwohl jegliches Anzeichen wohlgefälliger Erinnerung aus seiner Miene weichen, unmerklich erschauernd seine Aufmerksamkeit zu den Schiffen hinab lenkend, auf welchen er nicht einmal wollte sich vorstellen, selbst zugegen zu sein, da bereits der Gedanke daran ein gewisses Maß an Übelkeit durch seinen Leib trieb.
    "Obglei'h ich nicht dich zu Na'hlässigkeit möchte anhalten, so gab es doch kaum einen Aedil, über dessen Spiele sich überhaupt jemals das Volk im Na'hhinein hätte verlästert, wiewohl auch bei den nachfolgenden Wahlen zur Praetur die ludi eines Mannes selten als Kriterium über dessen Eignung gelten - zumindest ni'ht im Zuge der Senatsdis..kussionen."
    Selbst Männern, welche keinerlei Spiele hatten während ihres Aedilates ausgerichtet, wurde dies kaum zu Lasten gelegt, und obgleich Gracchus nicht sich dessen konnte versichert sein, dass bei den Wahlen dies nicht doch ausschlaggebend war, so hielt er es für überaus unwahrscheinlich, schlussendlich war das Leben in Rom selbst für die untersten Schichten dieserzeit nicht derartig schlecht, dass es stetig bei Laune musste gehalten werden, um über allgegenwärtige Missstände hinweg zu täuschen.
    "Unter diesem Gesichtspunkt, dass ein sol'hes Schauspiel überaus detaillierte Planung und Koordination fordert, ist es wahrhaft eine herausragende Leistung."


    Die Geschehnisse auf dem Wasser waren mittlerweile sehr übersichtlich und neigten sich unübersehbar dem Ende entgegen. Nun gaben die letzten kämpfenden Antonier auf, anscheinend hatten sie keine Lust, ihr Blut auf diesen Planken zu vergießen. Wimpel wurden gehißt und zeigten den klaren Sieg der Augustianer. Ursus warf einen Blick auf den Sohn seines Gesprächspartners. Der Junge war wie gebannt gewesen. Wie würde er jetzt am Ende reagieren?


    Die weisen Worte des Flaviers quittierte Ursus mit einem Nicken. "Damit magst Du Recht haben. Und doch: Je häufiger ein Name im Zusammenhang mit positiven Ereignissen fällt, umso besser prägt er sich ein. Und mir wurde schon hier und da Kritik zugetragen, daß mein Onkel Corvinus während seines Aedilats nichts dergleichen veranstaltet hat. Dabei hätte er das, wäre er nicht so schwer krank geworden. Also ganz unsinnig scheint es nicht zu sein, sich über gute Spiele Gedanken zu machen. Wobei den anderen Aufgaben eines Aedils mit Sicherheit mehr Wichtigkeit zukommt. Nur prestigeträchtig sind diese nicht." Er zuckte mit den Schultern und lächelte. Ein guter Aedil war jener, der alles gleichermaßen gut im Griff hatte.

    Das Thema Corvinus schien so langsam abgehandelt zu sein, wie Ursus feststellte. Auch wenn er mit seinem Onkel ständig aneinander geriet, hielt er ihn tatsächlich für eine Bereicherung für das Leben in Rom. Auch wenn er das ihm gegenüber kaum zugeben würde. Und wenn, dann würde Marcus es ihm wohl nicht glauben, von daher war es eh überflüssig, es ihm zu sagen.


    "Ein Tribun kommt eher selten bis gar nicht in die Verlegenheit, durch den Schlamm kriechen zu müssen", stellte er trocken fest. "Während meiner zwei Tribunate mußte ich es nicht einmal tun. Eigentlich hat man hauptsächlich Verwaltungsaufgaben zu bewältigen. Ich hatte den Legaten damals darum gebeten, mich mehr im militärischen Bereich einzusetzen, weil ich wirklich reinschnuppern wollte ins Soldatenleben. Glaub mir, einfacher Soldat würde ich nicht sein wollen. Allein, wie beengt sie leben müssen. Und was sie alles schleppen müssen. Nein, da ist es angenehmer, auf seinem Pferd zu sitzen und Sklaven und Knechten die Schlepperei und groben Arbeiten zu überlassen." Er mußte unwillkürlich schmunzeln. "Ödes Kaff? Du wirst eh fast immer in der Castra sein. Wo diese steht, ist dabei fast unwichtig. Allenfalls das Klima ist ein Auswahlkriterium. Und der Ruf der einheimischen Bevölkerung. Aufstände sind gewiß kein Vergnügen."


    Als Piso nach Kämpfen fragte, schüttelte Ursus den Kopf. "Nein, kämpfen mußte ich nicht, abgesehen vom Training, das ich mir aber selbst auferlegt hatte. Zwei Mal war die Situation brenzlig. Einmal bei besagten Verhandlungen - Du glaubst nicht, was diese Germanen so vertragen können. Und sie erwarten, daß Du mit ihnen mithältst beim Trinken! Und das andere Mal, als einige Germanen auftauchten beim Limesausbau. Aber beide Male ging es gut und wir konnten friedlich miteinander sprechen. Mulmig war's mir allerdings, das muß ich zugeben."

    Unwillkürlich preßte Ursus die Lippen aufeinander. Ganz hinten zu liegen, noch dazu nur im Vorlauf, das war schon bitter. "Ich fürchte fast, Du hast Recht. Viel zu leicht hat er sich den guten Platz wieder abnehmen lassen." Wenigstens einer! Wenigstens einer von ihnen sollte es ins Finale schaffen! "Wie schon vorhin gesagt, wir brauchen dringend frisches Blut!" Und wenn dieser vermaledeite Quintus Arius es heute nicht ins Finale schaffte, dann würde er rausfliegen! Noch länger schaute sich Ursus das Desaster mit ihm nicht an. Burolix hatte wenigstens noch die Chance, durch Erfahrung besser zu werden. Obwohl es sehr niederschmetternd war, daß er so gar nicht mal ein Stück weiter nach vorne kam. Drei Runden noch. Wenn die Jungs jetzt nicht langsam mal mächtig aufdrehten, dann war das Rennen für die Goldenen verloren. Die 200 Sesterzen natürlich auch, aber die waren wirklich nicht wichtig. Ins Finale zu kommen, das war im Moment wichtig!

    "Der Senat müßte doch eigentlich großes Interesse daran haben, daß dieses Projekt bald zum Abschluß gebracht wird. Es wundert mich eigentlich schon, daß der Senat noch nicht angefangen hat zu drängeln. Was meinst Du, müssen wir im Vorfeld tun, um die Einsetzung der Kommission zu erreichen? Und natürlich auch, um die Senatoren davon zu überzeugen, daß ich hierfür geeignet bin?" Hoffentlich kollidierte dies nicht mit seinen anderen Plänen und Hoffnungen.

    Es machte Ursus richtig Spaß, jemanden zum Lernen anzutreiben, der so viel Freude daran hatte, Wissen zu erwerben. Cimon war ja geradezu gierig auf die neuen Aufgaben, wie Ursus leicht grinsend feststellte. Da er den Wissensstand seines Sklaven so gar nicht beurteilen konnte, hatte er die Aufgaben nicht allzu schwierig gestaltet und sie so gestellt, daß er sich vor allem mit den Grundlagen beschäftigen mußte, um sie zu lösen. Sollte dies zu einfach sein, konnte er die Schwierigkeit ja jederzeit steigern.


    "Du hast so viel Zeit, wie Du brauchst, Cimon. Da Du dies hier neben Deiner normalen Arbeit machst, bleibt Dir ja gar nicht so viel Zeit dafür. Mach Dir also deswegen keine Sorgen. Das Ergebnis am Ende ist mir wichtig. Nicht die Zeit, die Du dafür benötigst." Der Nubier sollte angstfrei an seine Aufgaben gehen. Mit Angst konnte man nicht lernen. Zumindest nicht so, daß man wirklich begriff, was man da zu lernen versuchte.


    Die nächste Frage allerdings ließ Ursus die Stirn runzeln. "Phraates? Das war der Bursche, der bei uns in Mantua war, nicht wahr? Er gehört Celerina. Und der hat gute Kampfesfertigkeiten? Woher hat er die?" Ursus wußte praktisch nichts über diesen Sklaven. War er als Sklave geboren? Oder erst Sklave geworden? Falls zweiteres, was hatte er vorher gemacht? Wie war er in die Sklaverei geraten?

    "Im Sommer ist so eine Grippe fast noch hinterhältiger als im Winter. Wie gut, daß Du sie ohne böse Folgen überstanden hast." Solche Krankheiten waren nicht zu unterschätzen, rafften sie doch alljährlich Unzählige, auch junge gesunde Menschen dahin. "Dann verstehst Du ja gut, daß sein Aedilat nicht gerade unter einem guten Stern stand. Ja, dafür, daß er so lange krank war, hat er es gut gemeistert. Sein Ansehen ist weiterhin sehr groß. Zumal er sich ja auch sehr stark in den Cultus Deorum einbringt. Er kann sich der Unterstützung vieler sicher sein. Eine Sicherheit, die er sich hart erarbeitet hat." Wieder nahm Ursus einen Schluck aus dem Becher und griff auch nach etwas Brot und Käse.


    "Du hast bereits zwei Examen abgelegt? Nicht schlecht für jemanden, der gerade erst mit dem Cursus Honorum beginnen will. Natürlich haben wir Patrizier nicht gerade die erste Wahl, wenn es um Tribunate geht. Aber ich kann Dir nur raten, eins zu machen. Ich selbst habe von mir erst gedacht, daß mir das Militär gar nicht gefallen würde. Ich habe das erste Tribunat in Germania bei der Legio II nur angetreten, weil das Militär in meiner Familie eine gewisse Tradition besitzt und ich dachte, daß die Erfahrung mir gut tun könnte. Aber dann gefiel es mir ausgesprochen gut. Ich durfte sehr eigenverantwortlich arbeiten. Mit Germanicus Sedulus, der damals als Quästor in Germania war, besuchte ich germanische Stämme jenseits des Limes, um die Verträge zu erneuern. Und ich erhielt das Kommando über die Reiterei und trieb den Ausbau des Limes weiter voran. Meine guten Erfahrungen bei der Legio II trieben mich dazu, ein zweites Tribunat abzuleisten, als ich auf meine Erhebung in den Senat eh noch warten mußte. Britannia würde mich auch reizen. Auch Gallien oder Raetien oder Hispania. Aber ich muß gestehen, daß mir die heißen südlichen Länder nicht so liegen." Er zuckte mit den Schultern. "Letztendlich ist das Tribunat nur ein Jahr. Das geht sehr schnell vorüber. Also ist es im Grunde egal, wohin es einen verschlägt."


    Ursus lachte, als Piso seinen Besuch am Tage seiner Ernennung bereits fest ankündigte. "Ich werde dafür sorgen, daß ein besonders guter Tropfen für diese Gelegenheit bereit steht", versprach er und grinste schelmisch, "damit Deine schöne neue Toga an dem Tag auch gleich richtig eingeweiht wird." Ein Versprechen, das leicht zu halten war, da er immer sehr guten Wein vorrätig hielt für besondere Gelegenheiten.

    Cimon vergaß nie, sich für solche Zugeständnisse zu bedanken, eine gute Eigenschaft, wie Ursus fand. Es war eigentlich noch die Frage, wer von ihnen beiden den größeren Vorteil aus dieser Abmachung zog. Wenn man ehrlich war, dann lag dieser gewiß auf Ursus' Seite, wie man es auch drehte und wendete. Trotzdem, es war nie falsch, wenn ein Sklave sich bedankte.


    "Für Sprachen? Ja, richtig, Du sagtest schon einmal. Da muß ich leider selbst passen. Ich beherrsche Griechisch und sehr wenige Worte germanisch. Was das Griechische angeht, so kann ich Dir gerne einige Aufgaben stellen. Später. Gut, dann lege ich die Themen spontan fest. Wir arbeiten uns langsam durch alle Wissensgebiete und fangen dann mit schwierigeren Aufgaben wieder neu an. Ich bin sicher, Dir wird dabei nicht langweilig werden. Geschichte ist sehr spannend. Ich bin sicher, daß ich es Dir schmackhaft machen kann."


    Ursus lächelte. Es machte ihm Spaß, Cimon auf diese Weise zu unterrichten. Auch wenn es natürlich einen richtigen, intensiven Unterricht nicht ersetzen konnte. Eigentlich legte er es eher darauf an, ihn zu animieren, sich selbst zu bilden. "Und Du hast Recht. Man darf seine Bildung nicht einseitig betreiben. Manchmal erlebt man auch Überraschungen. Am Anfang ist alles langweilig. Doch sobald man die Grundlagen gelegt hat, wird jedes Wissensgebiet spannender. Manchmal erlebt man, daß einem etwas doch liegt, obwohl es einem am Anfang besonders schwer gefallen ist. Deshalb empfiehlt es sich, immer die Grundlagen zu erkämpfen. Auch wenn es schwer fällt."

    Der Vorschlag des Sklaven kam überraschend. Ursus mußte erst einmal einen Moment darüber nachdenken und musterte Cimon dabei aufmerksam. Eine ganze Weile herrschte Schweigen. Eine Zeit, in der Cimon nicht wissen konnte, ob Ursus nicht doch noch zornig reagieren oder zufrieden zustimmen würde. Schließlich, die Wartezeit bis dahin mußte für den Nubier eine Qual sein, nickte der Aurelier. "Warum nicht. Zu zweit macht es auch mehr Spaß. Und schaden kann es Dir wirklich nicht, Deine gute Form ist irgendwo ja auch mein Kapital. In Ordnung, trainieren wir also zusammen." Die Konkurrenz des gut durchtrainierten Sklaven würde Ursus sicher auch zu guten Leistungen antreiben. Er kannte sich, er würde nicht zurückstehen wollen.


    Die Freude auf Cimons Miene war kaum zu übersehen. Selten gab es Menschen, die so gerne lernten wie der Nubier. Da machte es doppelt so viel Spaß, Aufgaben zusammenzustellen. Er bediente sich dabei des Prinzips, das auch die Schola oft anwandte. Die Fragen so aufbauen, daß bestimmte Themen nachgelesen werden mußten. Die dann so spannend waren, daß man viel mehr las, als eigentlich nötig gewesen wäre. Der Lerneffekt war enorm. Und Spaß machte es obendrein. "Da bin ich mir sicher, Cimon. Und als nächstes machen wir dann Geschichte? Oder gibt es einen Wissensbereich, der Dich besonders interessiert?"

    Der frühe Morgen entschied sehr häufig darüber, wie der Tag so verlief. Konnte man gleich entspannt starten, ging man die Dinge viel ruhiger an und sie gelangen auch besser. Insofern war er Cimon sehr dankbar dafür, daß er gerade morgens so gut vorbereitet zu ihm kam und ihn auf diese Weise entsprannt starten ließ. "Cimon, ab morgen werde ich mein morgendliches Training wieder aufnehmen. Also erst im Garten etwas laufen und ein paar Übungen machen. Damit ich in Form und insgesamt robust bleibe. Weck mich deshalb bitte eine Stunde früher ab morgen. Oder Caelyn, wenn euch das in eure morgendliche Organisation besser paßt. Waschen und frühstücken werde ich jeweils nach dem Training, ihr braucht also diese Dinge nicht früher vorzubereiten." Er hatte schon viel zu lange viel zu unregelmäßig trainiert. Jetzt hatte er kaum Pflichten, das war eine gute Gelegenheit, diese Gewohnheit wieder aufzugreifen.


    Als Cimon ihm die Tabula reichte, schmunzelte Ursus. Er hatte es sich schon gedacht, daß es nicht lange dauern würde, bis Cimon damit um die Ecke kam. Interessiert studierte er, was darauf eingeritzt war. "Ja, genau so ist es richtig. Wenn man den Trick erstmal begriffen hat, ist es gar nicht mehr schwer, nicht wahr?" Er war zufrieden mit dem, was er auf der Tafel vorgefunden hatte. Und lehnte sich nun etwas vor, um von einem Tischchen eine andere Wachstafel zu nehmen. "Versuche Dich hieran. Es sind keine mathematischen Aufgaben dieses mal. Hier geht es um Geographie. Ich bin gespannt, ob Du alles herausbekommst." Dafür würde Cimon einige Schriftrollen wälzen müssen.