Beiträge von Flaviana Brigantica

    Nein! so konnte es nicht weitergehen! Ich mußte mich schützen und vorbereitet sein, auf alle Gefahren, die hier im Haus und in meiner Umgebung auf mich lauerten. Immer deutlicher wurde das Bild vor meinem inneren Auge, wie ich mich in Zukunft selbst vor derlei Situationen bewahren musste. Denn auf Severus konnte ich nicht mehr hoffen, zumal er die meiste Zeit des Tages sich sowieso außerhalb der Villa aufhielt. Also war es an mir, mich selbst zu schützen. Ich benötigte ein Waffe! Nichts auffälliges, etwas was leicht zu bekommen war, wie zum Beispiel ein... Messer.
    Wo gab es hier Messer, an die man problemlos herankam? Natürlich in der Küche!
    Einen Moment überlegte ich, wie ich es am geschicktesten anstellen konnte. Jetzt um diese Tageszeit war wenig los in der Küche. Das würde sich erst in ein, zwei Stunden wieder ändern. Jetzt war die beste Gelegenheit dazu!
    Entschlossen erhob ich mich und schritt zur Tür. Nachdem ich sie langsam geöffnet hatte und mich erst draußen umgesehen hatte, begab ich mich schnellen Schrittes zur culina.
    Wie ich es mir schon gedacht hatte, herrschte dort gerade einsame Stille. Ohne zu zögern, suchte ich in einem Schrank nach dem passenden Messer. Nicht so groß aber auch nicht zu klein. Ich griff außerdem zu einem Tuch und wickelte das ausgewählte Messer darin ein. Dann ließ ich das Päckchen unter meiner Tunika verschwinden.
    So schnell wie ich zur culina gelaufen war, so schnell lief ich auch wieder zurück in meine Kammer, verschloß wieder hinter mir die Tür und legte das Messer offen auf meinen kleinen Tisch, der sich ebenfalls in meiner Kammer befunden hatte.
    Ich setzte mich und schaute gebannt auf das Messer.

    Heute mußte ich wohl Stratons andere Seite kennenlernen, nämlich die des gefühllosen Eisblocks, der keinen Deut Verständnis aufbringen konnte. Damit war mir zwar im Augenglick auch nicht geholfen. Mit einer gewissen Abwehrhaltung ließ ich seine Worte einfach nur so an mir abprallen.
    Erst als seine Worte etwas energischer wurden, sein Tonfall etwas an Farbe gewann, blickte ich wieder zu ihm auf. Das was ich nun hörte, ließ meine Augen feucht werden. Ein kleiner See bildete sich darin. Als er schließlich überschwappte, kullerten mir die Tränen über die Wangen. Ja, ich hatte mich an Severus geklammert und nur für ihn Augen gehabt. Alles um mich herum war in seiner Gegenwart nebensächlich gewesen.


    Weißt du wie es ist, wenn man das Gefühl hat, in den Abgrund hinunter fallen zu müssen und es gelingt einem, sich in letzter Minute an einem Grashalm zu klammern? Severus war dieser Grashalm für mich. Ich habe mich an ihn geklammert, damit ich nicht falle. Und dann habe ich ihn so enttäuscht! Es ist alles nur meine Schuld!


    Nicht nur das! Ich hatte ihn nicht nur betrogen, nein! Er hatte für mich auch noch gemordet! Doch das verschwieg ich an dieser Stelle. Trotz allem, was passiert war, wollte ich Severus deswegen nicht belasten.
    Die Worte, wie etwa klug, attraktiv,freundlich, offen ind Talent für das Lernen und die Musik, mit der er mich umschrieb, hätten mir vielleicht an einem anderen Tag geschmeichelt. Aber nicht heute! Mit meiner Attraktivität wäre es in einigen Jahren vorbei, wie lange ich noch freundlich und offen zu anderen Menschen sein konnte, wußte ich selbst nicht. Verbitterung konnten solche Attribute sehr schnell zunichte machen. Was blieb mir da also noch? Die Musik? Natürlich! Um Aquilius´Gäste damit zu erfreuen. Singend irgendwo in einer Ecke stehend und als Exot, begafft zu werden.


    Was nützt mir all das, wenn ich den Sinn meines Lebens nicht leben kann?


    Sollte der Sinn des Lebens etwa darin bestehen, dass ich ein Leben ohne persönliches Glück und Zufriedenheit leben sollte, stets nur darauf bedacht, meinem Herrn mit allem, was mir zur Verfügung stand, zu dienen? Nein! Das war es nicht, was ich wolte!

    Völlig außer Atem blieb ich stehen. Die geschlossene Tür hatte ich in meinem Rücken. Erst wollte ich einmal neuen Atem schöpfen. Nach diesem Erlebnis brauchte ich erst wieder etwas Ruhe um wieder zu mir selbst zu kommen.
    Dieser verdammte Mistkerl hatte mich mit dem Messer bedroht und hatte mir auf recht unsanfte Weise in den Bauch geboxt! Noch immer konnte ich die Schmerzen spüren. Das sollte er bereuen!
    Als ich wieder normal atmen konnte, machte ich einige Schritte auf mein Bett zu und ließ mich kopfüber darauffallen. Mein Gesicht vergrub ich in der Decke. Wieder gingen mir Furianus´ drohende worte durch den Kopf. Er hatte mir im balneum damit gedroht, mir monatlich jemanden vorbei zu schicken, dem ich Auskunft geben sollte. Heute hatte er seine Drohung wahrgemacht!
    Ich war noch einmal glimpflich davon gekommen. Was würde mich bei dem nächsten Treffen er warten? Das wollte ich mir erst gar nicht ausmalen! Obwohl, vielleicht würde es ja gar nicht zu einem nächsten Treffen kommen! Schließlich hatte ich dem Kerl eine dreiste Lügengeschichte erzählt und ich konnte davon ausgehen, dass er sie mir abgekauft hatte. Zu dumm, dass er das nicht wußte!

    Doch die Erlösung kam früher als erwartet. Offenbar begnügte er sich mit meiner Geschichte, denn seine Gesichtszüge entspannten sich. Auch ich lockerte meine angespannten Muskeln wieder und wollte aufatmen. Da packte er mich erneut und drückte mir einen widerlichen Kuß auf den Mund.
    Trotz seiner unaufrichtigen Entschuldigung zischte ich ihm ein leises Mistkerl entgegen und spuckte ihm mitten ins Gesicht, während er seinen Dolch unter seiner Tunika verschwinden lies.
    Keine Minute länger wollte ich mit diesem Kerl in einem Raum zusammen sein!


    Ich stürzte zur Tür, rannte völlig kopflos durch die Korridore und sah mich nicht mehr um. Auf meiner Flucht durch die Villa, rammte ich auch zwei Sklaven, die gerade mit einer gefüllten Krug Wein und mehreren Bechern unterwegs waren. Als ihnen der Krug und die Becher aus ihren Händen glitten, titulierten sie mich mit allerlei Schimpfwörtern. Doch das war mir in diesem Moment gleichgültig.
    Schließlich rettete ich mich in meine Kammer und verschloß hinter mir die Tür.

    Die eisig kalten Worte die völlig emotionslos aus seinem Mund kamen, hatten nicht nur wieder meine Aufmerksamkeit auf ihn gezogen, sondern bestätigten auch meine Vermutung. Er hatte natürlich schon davon erfahren! Wie hätte es auch anders sein sollen!
    Regungslos saß ich aufrecht im Bett und hörte mir an, was er mir zu sagen hatte. Ein Fläschchen Gift, wie schmeichelhaft! Das hätte ich gestern Morgen gebraucht! Nicht jetzt, da mich der Mut wieder verlassen hatte!
    Dies war einer der Momente, in denen ich mir gewünscht hätte, nicht gerettet worden zu sein. Ich hatte beileibe nicht die Absicht, jemandem Mühe zu machen! Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte man mich nicht lebend aus dem Wasser gezogen. Doch das konnte oder wollte hier niemand verstehen.


    Erst als er mir vorschrieb, was ich zu tun hätte, wollte ich etwas sagen. Doch die Macht seiner Worte nahmen mir Kraft, auch nur die kleinste Ablehnung auszusprechen. Ich mußte die Brühe essen, ich mußte mich ausruhen und dann sollte ich mir darüber klar werden, was ich wollte?


    Was sollte ich denn schon wollen? Es ist alles so sinnlos geworden. Ich habe ihn verloren! Ich stehe vor dem Nichts!


    Monoton kam es aus meinem Mund. Das was ich wollte, war weit weit weg. Für mich in unerreichbare Ferne gerückt. All meine Fröhlichkeit und mein Lebensmut lagen auf dem Grund des Teichs.

    Verbittert über seine Worte, schaute ich ihn an. Genau das war es doch! Ich hatte noch mein ganzes Leben vor mir. Ein Leben ohne Heimat und Freiheit.


    Gerade das ist es doch, wovor ich Angst habe! Weil das ganze Leben noch vor mir liegt!
    Angenommen, ich hätte einmal Kinder. Ständig müßte ich in der Angst leben, dass man mir sie wegnehmen könnte. Sie wären dann auch Sklaven! Das wünsche ich meinen Kindern nicht! Niemals! Wofür hat also mein Leben noch einen Sinn?


    Was sollte das Leben für einen Sinn machen, wenn man sich nicht mit ruhigem Gewissen für Kinder entscheiden konnte? In meinen Augen machte es gar keinen Sinn!
    Traurig sah ich einen Moment in die Leere. Sicher konnte Youenn meine Argumentation nicht verstehen, war er doch schließlich selbst ein Produkt dieses Dilemmas.


    Doch was mich wieder aus meiner Tübseligkeit zurückholte, waren seine glänzenden Augen, als ich ihn zum Imbolc Fest einlud.


    Imbolc ist für mich persönlich ein wichtiges Fest. Es wird zu Ehren meiner Göttin gefeiert, Brigid. Mein Name im Übrigen, ist eine Ableitung davon. Brigid bringt das Licht und das ewige Feuer in die Dunkelheit. Sie läßt wieder alles erblühen und wachsen.
    Imbolc ist eigentlich ein familiäres Fest, das ohne großen Lärm auskommt.
    Ich würde mich freuen, wenn du dabei sein könntest. Allerdings weiß ich noch nicht, wo wir das feiern könnten. Außerdem weiß ich nicht, ob so ein Fest hier geduldet wird. Was meinst du?

    Meine Augen mußten mindestens genauso geglänzt haben, wie seine. Bevor der Winter immer zu Ende ging, war Imbolc für mich immer ein wichtiges Ereignis gewesen.

    Grob packte er mich am Handgelenk, als ob er Angst haben mußte, ich könnte ihm entwischen. Er wollte immer noch mehr wissen und bedrängte mich.


    Was willst du denn noch? Ich weiß doch nichts mehr! Wie ich schon sagte, ich weiß nicht, wo das Haus steht! Ich bin ihm nur gefolgt, ohne darauf zu achten, wohin er gegangen ist oder wie die Gasse hieß, in die er verschwand. Es war eine heruntergekommene Gegend, ziemlich schmuddelig! Mehr weiß ich doch nicht!

    Flehend blickte ich ihm in die Augen, doch insgeheim manifestierte ich meinen Entschluß, ihm bei unserer nächsten Begegnung nicht unbewaffnet entgegenzutreten.
    Verstohlen wagte, ich einen Blick zur Tür zu werfen. Es mußte mir einfach gelingen, mich aus diesem Raum zu befreien. Draußen könnte er mir vor Zeugen nichts mehr anhaben. Ich mußte nur den richtigen Zeitpunkt abpassen.

    Ja, ich bin noch achzehn. Doch ich erwarte nicht mehr viel von meinem Leben. Ich muß es akzeptieren, so wie es ist. Ob ich will oder nicht.


    Ich antwortete ihm und meinte es auch so wie ich es sagte. Mein Leben lag in Scherben. Da konnte ich nicht mehr viel erhoffen. Das einzige, worauf ich hoffte, war, dass es nicht allzulange währen würde.
    Nachdem mich Straton darüber aufgeklärt hatte, dass es noch mindesten zwölf Jahre dauern würde, um an eine Freilassung überhaupt einen Gedanken zu verschwenden, dachte ich nicht mehr darüber nach. Es würde mich nur noch mehr schmerzen.


    Manchmal singe ich Lieder von zu Hause. Ich habe sie mit lateinischen Lettern aufgeschrieben. Damit ich mich an sie erinnern kann.


    Das war eine Möglichkeit, meine Erinnerungen für mich zu bewahren.
    Er hingegen hatte selbst das nicht. Nichts, hatte er, außer das Leben als Sklave, was er von seinen Erzeugern auf den Weg mitbekommen hatte. Das machte mich etwas traurig. Doch ich hatte da so eine Idee.


    In wenigen Wochen ist Imbolc. Ich hatte eigentlich vor, es in aller Stille zu feiern. Ich würde mich freuen, wenn du mit mir feiern würdest. Vorausgesetzt du möchtest.

    Das tut mir wirklich leid, sagte ich betroffen. Also mußte es doch schlimm sein, als Sklave geboren zu werden. Meine ersten Bedenken hatten mich also nicht irren lassen. Das wäre auch für mich ein Grund, auf Kinder zu verzichten, wenn ich ihnen damit diese Belastung mit auf den Weg geben müßte.


    Dann war deine Mutter erst vierzehn, als sie dich geboren hatte? Nun, das ist selbst für mich unvorstellbar.
    Ich war noch siebzehn als sie mich raubten, doch zwei Monate später wurde ich achtzehn.


    Wenigstens tat ich mich mit der Sprache nicht allzu schwer. Das war vielleicht meine Gabe, dass es mir doch leicht gefallen war, diese fremde Sprache zügig zu lernen. Das mußte ich auch, sonst hätte ich hier nicht überleben können.


    Es fällt mir recht leicht, Sprachen zu lernen und die Wörter zu verinnerlichen. Das war mein Glück. Ich hoffe nur, dass ich meine eigene Sprache niemals vergessen werde.


    Was war mit ihm? Sprach er die Sprache der Briten? Diese Sprache war zwar anders als meine, doch waren die beiden Sprachen miteinander verwandt.


    Dann ist dir sicher auch das Erbe deines Volkes völlig unbekannt! stellte ich nebenbei fest. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er dann jemals etwas von den vier großen Festen wußte, die unseren Jahrweslauf bestimmten. Ob er jemals etwas von seinen Göttern gehört hatte?

    Nun, vielleicht hatte ich seine Fähigkeit nur von der praktischen Seite betrachtet. Seine Einwände hingegen, ließen mich auch die andere Seite der Medallie erkennen. Sicher, es gab immer Dinge und Situationen, derer man sich ganz und gar nicht gerne erinnerte. Das wußte ich nur zu gut.


    So habe ich es gar nicht gesehen. Ja sicher, wenn man sich dann immer auch an das Schlechte erinnern muß, ist das auf die Dauer sehr belastend.


    Ich beobachtete ihn, als ich meine Geschichte zu erzählen begann. Er verfolgte sie auch mit Interesse. Ob er sich vorstellen konnte, was es hieß, wenn jeder Tag nicht wie der andere war, wenn man tagtäglich auf sein eigenes Geschick vertrauen mußte? Doch als er mir erzählte, dass er nicht wußte, ob er Geschwister hatte oder nicht, war ich sehr erschüttert.


    Warst du denn nicht mit deiner Mutter zusammen? Hat sie dir nichts erzählt?, fragte ich bestürzt. So etwas konnte ich mir nicht vorstellen. Das wäre furchtbar für mich gewesen, nichts über die eigene Familie zu wissen.


    Seine Frage, wann man mich von meiner Heimat verschleppte, rüttelte mich wieder aus meinen Gedanken. Ich zögerte einen Augenblick mit der Antwort und besah erst meinen Schälchen, dessen unangerührter Inhalt mittlerweile kalt sein mußte.


    Ich war siebzehn, fast achtzehn schon! Es ist noch nicht allzu lange her.


    Meinen achtzehnten Geburtstag mußte ich gefesselt auf einem Schiff erleben. Wenn ich an meinen neunzehnten Geburtstag dachte, hatte ich keine große Hoffnung, das sich bis dahin etwas an meinem Schicksal ändern würde.

    Ich hörte Youenn zu, als er damit begann, über seine Kindheit und Jugend zu sprechen. Es klang gar nicht so furchterregend, wie ich erst dachte. Offensichtlich hatte er eine ganz annehmbare Jugend gehabt. Seine Fähigkeit, eimal gehörtes rezitieren zu können,ließ mich erstauenen. Bislang hatte ich niemanden getroffen, der derlei Fähigkeiten besaß. Manchmal wünscht ich mir, ich könnte mir auch viel mehr behalten und nicht hin und wieder etwas vergessen.


    Warum sollte es auch ein Fluch sein? Ich finde, es ist eher ein Segen! Ich wollte, ich könnte das auch!


    Natürlich wollte er jetzt auch etwas über meine Kindheit erfahren. Im Gegensatz zu seiner, war sie nicht so langweilig, wie er selbst sagte. Nein, meine Kindheit war von ungezwungener Fröhlichkeit aber auch vom Verlust, geliebter Menschen geprägt. Jeden Tag auf´s Neue war es ein Überlebenskampf gewesen. Doch ein Umstand, den ich als normal empfand.


    Nun, ich war das zweitälteste von fünf Kindern. Ich komme aus einfachen Verhältnissen. Mein Vater ist Schmied. Aber es hat uns immer zum leben gereicht. Oft habe ich mit meinen Geschwistern und meinen Freunden draußen, am Fluß, am Meer oder in den Feldern gespielt. Das war immer sehr abenteuerlich und schön.
    Als ich acht war, ist meine ältere Schwester gestorben. Es war ein Unfall. Sie ist beim Spiel ertrunken.


    Einen Moment verfiel ich wieder der Erinnerung an diesen schlimmen Tag, der doch so fröhlich begonnen hatte. Es war der Tag, an dem ich zum ersten Mal Bekanntschaft mit dem Tod gemacht hatte.


    Somit war ich dann die Älteste. Als ich älter wurde, mußte ich meine Mutter natürlich helfen. Da hatte ich dann nicht mehr soviel Zeit zum spielen und toben. Doch wir haben viel gesungen und und Geschichten erzählt.
    Meine Mutter ist dann im Kindbett gestorben, als mein jüngster Bruder zur Welt kam. Da war ich dreizehn. Von da an, war ich sozusagen der Mutterersatz für meine jüngeren Geschwister. Da war meine Kindheit zu Ende.


    Das war meine Kindheit. Schön, aber kurz. Doch niemals würde ich sie missen wollen, auch die Zeit nach Mutters Tod nicht.

    Ich schaute das Mädchen etwas befremdlich an. Sie mußte sicher schon einiges getrunken haben. Ein Laster zumindest, dem ich nicht erlegen war. Ich machte mir absolut nichts aus diesem Wein. Das einzige, was ich gerne trank und wenn, dann nur in Maßen, war Met oder auch Korma, doch das war hierzulande recht schwer zu bekommen. Also ließ ich es sein.
    Doch allmählich schien sie sich wieder an mich zu erinnern. Dann konnte es vielleicht gar nicht so schlimm sein.


    Ja, genau! Da sind wir uns begegnet! Als Flavius Gracchus uns die Tonfiguren schenkte!


    Caelyn ließ sich von mir mitziehen. Langsam schlenderten wir durch den Garten. Wahrscheinlich tat nicht nur mir die frische Luft gut. Auch die Tatsache, dass ich auf jemand Fremdes gestoßen war, jemand der meine Geschichte nicht kannte und sich mir gegenüber ganz ungezwungen verhielt, half mir, auf andere Gedanken zu kommen. So spukten nicht ständig Severus´ Worte in meinem Kopf herum und ich konnte mich wenigstens für eine Weile entspannen. Doch Caelyns Frage, bezüglich meines Halsschmucks, riss mich sofort wieder aus meiner Entspannung heraus. Instinktiv führte ich meine Hand zu dem Schmuck an meinem Hals. Ich hatte den Halsreif offen getragen und hatte ihn nicht verborgen.


    Ach den? Oh, ja, den habe ich ähm, geschenkt bekommen.


    Mein Stammeln hatte warscheinlich nicht besonders überzeugend gewirkt. Sogleich wollte ich ein anderes Thema anschneiden und hoffte, Caelyn würde nicht noch einmal auf den Halsreif zu sprechen kommen.


    Hast du denn heute Abend schon schön gefeiert?


    Eine originellere Frage fiel mir auf die Schnelle nicht ein. Wenigstens war aber die Aufmerksamkeit von mir abgelenkt, so hoffte ich.

    Ich konnte schon verstehen, dass er so dachte. Mir wäre es wahrscheinlich nicht anders ergangen, wäre ich an seiner Stelle gewesen. Doch wenn man einmal die Freiheit gekostet hatte, wollte man sie nie mehr missen, selbst wenn das Leben noch so entbährungsreich war.


    Ich kann dich verstehen! Du kennst es nicht anders, doch ich sehne mich jeden Tag danach.

    Ich lächelte wieder. Eigentlich war ich jetzt doch froh, dass er sich zu mir gesetzt und mich angesprochen hatte. Wieso hatte ich Youenn vorher nie wahrgenommen? Severus hatte immer wieder mit den anderen Sklaven gehadert. Diejenigen, die als Sklaven geboren wurden, nannte er immer verächtlich, die Gezüchteten. Wenn ich jemals Kinder haben würde, waren das dann auch Gezüchtete?
    Ob er jemals mit Youenn gesprochen hatte?


    Wie bist du in Britannien aufgewachsen? Ich meine, wie war dein Leben dort? Hast du dort mit deiner Mutter zusammengelebt?


    Er hatte mich jetzt neugierig gemacht. Wie war das, wenn man als Sklave aufwuchs? Ich konnte es mir überhaupt nicht vorstellen! Ob er die Bräuche seines eigenen Volkes kannte? Oder hatte man ihm die Religion und Traditionen seiner Herren aufgezwungen?

    Aquilius hatte mir, nachdem er mich zu seiner Leibsklavin gemacht hatte, eine eigene Kammer zugebilligt. Dieser kleine Raum, der direkt an sein Arbeitszimmer angrenzte, sollte von nun an ganz mir alleine gehören.
    Er war mit einigen einfachen Möbelstücken aus Holz ausstaffiert worden. Neben einem kleinen Tisch, einem Stuhl und einem kleinen Schrank befand sich darin auch ein einfaches Bett, sowie eine Truhe, in der ich meine Kleider aufbewahren konnte.
    In dem kleinen hölzernen Schrank hatten meine wenigen Habseligkeiten einen Platz gefunden. Dort hatte ich auch einige Papyri gelagert, auf denen ich einige Lieder aus meiner Heimat niedergeschrieben hatte.
    Den Tisch nutzte ich meist zum schreiben. Darauf befand sich ein kleines Holzkästchen, in dem mein Wachstäfelchen und mein Schreibzeug verstaut war. Außerdem hatte ich dort ein kleines Öllämpchen plaziert, das mir in den Abendstunden ein wenig Licht spendete. Desweiteren stand dort noch eine kleine Figur aus Ton in Form einer Katze, die ich am Saturnalientag geschenkt bekommen hatte.
    Die Katzen hatte ich hier zum ersten Mal gesehen. Nachdem ich diese seltsamen und eigenwilligen Tiere kennengelernt hatte, konnte ich sogar mit einer kleine Kätzin Freundschaft schließen. Ab und an kam sie mich hier besuchen. Ich hatte sie Felis genannt und wenn es ihr beliebte, leistete sie mir Gesellschaft.
    Ein kleines Fenster lies tagsüber ein wenig Licht in den Raum hinein. Über der Tür hatte ich Brigids Sonnenrad aus Stroh angebracht. Wenigstens diesen Brauch wollte ich mir aus meiner Heimat erhalten. Brigid sollte stets ihre schützenden Händeüber mich halten.
    Noch waren die Wände kahl, doch vielleicht könnte ich sie eines Tages gestalten.


    In diesem Raum hatte ich meine Kranheit ausgestanden, bis ich wieder vollkommen genesen war. Ich war dankbar für diese Kammer gewesen, auch wenn sie noch so klein war. Denn dies war mein Reich und ich müßte es nicht mit den anderen Sklaven teilen. Insgeheim hoffte ich, ich müßte nie wieder in diesem Loch, das man Sklavenunterkunft nannte, nächtigen.

    Mir schossen die Tränen in die Augen und ich schrie vor Schmerz auf, als er mir mit seiner Faust in den Bauch schlug. Beinahe wäre ich zu Boden gegangen, doch er packte mich im Nacken und drohte mir abermals. Diesmal zückte er seinen Dolch und meine Augen weiteten sich. Nun war der Spaß entgültig vorbei! Die Angst hatte mich nun fest im Griff, doch trotz allem hielt ich an meiner Geschichte fest. Mit schmerzverzerrter Stimme sprach ich weiter.


    Bitte laß mich! Ich sage ja alles! Er hat sie geküßt und umarmt und dann sind sie in einem anderen Zimmer verschwunden. Ich habe zwar nicht gesehen, was dort vorgegangen ist, doch habe ich ihr stöhnen gehört. Er ist dort die ganze Nacht geblieben. Ich habe mich dann nach Hause geschlichen und hätte mich dabei fast verirrt. Am Tag darauf muß er wohl immer noch dort gewesen sein, denn er kam erst spät in der Nacht nach Hause und sah einfach furchtbar aus und sein Duft nach dem er roch, war eindeutig! In letzter Zeit war er nicht mehr dort. Jedenfalls weiß ich von nichts. Vielleicht ist die Alte auch krepiert. Das ist alles, was ich weiß. Bitte laß mich jetzt gehen, bitte!


    Falls es mit diesem Mistkerl jemals wieder eine Begegnung gäbe, wäre ich vorbereitet! Er würde büßen, für das, was er mir heute angetan hatte. Ich würde mir ein Messer besorgen und es ihm bei nächster Gelegenheit zwischen die Rippen rammen!

    Ihr mußte es wirklich schlecht gehen! Die Ärmste! Was nur mit ihr los war? Vielleicht hatte sie ja auch nur zu viel gegessen und getrunken! Der Überfluß des heutigen Tages, waren sicher viele der Sklaven nicht gewohnt, besonders dann, wenn sie das ganze Jahr über den Fraß eines mieserablen Kochs essen mußten, wie es Attalus war.


    Mach dir darum keine Sorgen! Schau, da kommt schon jemand, der das wegmachen wird!


    Straton hatte wirklich an alles gedacht, denn schon kamen einige der angemieteten Bediensteten, die sich darum kümmern würden, jegliche Spuren zu beseitigen.


    Brauchst du etwas? Möchtest du vielleicht etwas Wasser oder etwas anderes?


    Besorgt schaute ich sie an. Ich erkannte in ihr plötzlich das Mädchen, das ich zusammen mit Tilla am frühen Abend getroffen hatte. Allerdings konnte ich mich nicht mehr an ihren Namen erinnern. Ihre eigenartige Sprache erschwerte mir etwas das Verständnis, für das, was sie mir mitteilen wollte.
    Die Sorge um sie lenkte mich von meinen eigenen Sorgen ab und das war auch gut so! Vielleicht war es so eine Art Bestimmung, dass wir uns über den Weg gelaufen waren. Diese Begegnung würde mich vorerst zurückhalten, mir etwas anzutun. Sicher mußte es einen Grund für ihren Zustand geben, genauso wie es für meinen Zustand einen Grund gab.


    Caelyn? Mein Name ist Bridhe. Wir sind uns vorhin schon einmal begegnet. Erinnerst du dich?


    Aufmunternd lächelte ich sie an und als sie sich wieder voll aufgerichtet hatte faßte ich sie leicht am Arm. Von ihr ging ein gewisser Geruch von Alkohol aus. Mir war jetzt vollkommen klar, was der Grund war, weswegen sie sich übergeben mußte. Ein weiterer Grund für mich, besser die Finger vom Wein wegzulassen!


    Komm Caelyn! Ich glaube, etwas frische Luft tut uns beiden gut! Laß uns etwas hier im Garten spazieren gehen.


    Ich begann mich langsam fortzubewegen und zog sie leicht mit mir. So, wie sie jetzt war, konnte ich sie keinesfalls hier zurücklassen.


    Sim-Off:

    Danke für den Hinweis, Caelyn! Muß wohl das Alter sein! :D

    Aber, aber, wer wird denn hier gleich pampig werden!? Der Fisch hatte angebissen und er gierte nach mehr. Ich hatte mir auch schon eine nette, abstoßende Geschichte ausgedacht, die sich zwar ungeheuerlich anhörte aber im Grunde genommen nicht verfänglich für Aquilius war.
    Trotz seiner verbalen Attacken blieb ich ruhig und zeigte keinerlei Gefühlsregung. Schließlich verengte ich meine Augen und begann auf neue zu sprechen.


    Bist du jetzt fertig? Wenn du mir die Gedärme rausreißen willst, dann wirst du gar nichts mehr von mir hören! Klar?! Also, wie gesagt, er ist zu dieser alten Hexe gegangen und es muß wirklich eine Hexe gewesen sein, denn sonst gibt es für das keine Erklärung! Einfach widerlich, so was! Sie muß ihn verhext haben!


    Wieder legte ich eine Pause ein. Mein Gesicht hatte ich verzogen, so als ob ich mich vor etwas ekelte. Doch ich wollte seine Nerven nicht länger strapazieren! Vielleicht rechnete er damit, dass der Junge wieder käme, aber diesmal mit Verstärkung!


    Er hat sie geküßt! Dirket auf den Mund hat er sie geküßt! Einfach widerlich und dann...

    Jetzt schüttelte ich mich wahrlich vor Ekel und konnte vorerst nicht weiter sprechen.

    Nun so weit im Norden liegt es auch wieder nicht! Doch es stimmt schon, im Bezug auf alles was römisch ist, liegt es recht weit im Norden.
    Ich stamme aus dem Nordosten der Insel. Sagt dir der Fluß Boinne etwas? An dessen Ufer, nahe seiner Mündung ins Meer, liegt mein Dorf.


    Fast immer, wenn ich über meine Heimat sprach, hatte ich dieses Funkeln in den Augen, so auch jetzt. Sich daran zu erinnern, hieß, nichts davon zu vergessen, doch es schürte auch immer wieder auf´s Neue die Sehnsucht in mir.
    Das Funkeln verlosch jedoch, als er mich fragte, wie es dazu gekommen war, dass ich hier war. Meine Miene verdunkelte sich wieder und meine Stimme hatte wieder diesen ernsthaften Klang.


    Man hat mich einfach entführt, als ich am Strand war und Muscheln sammelte. Ich wollte erst wegrennen, doch sie haben mich verfolgt. Wenn ich nicht gestolpert und hingefallen wäre, hätten sie mich nicht bekommen. Sie haben mich gefesselt und auf ihr Boot gebracht. Und dann..


    ...hatten sie mich fortgebracht, fort von meiner geliebten Insel und hin in eine Welt, die mehr als fremd für mich gewesen war. Ich schwieg, konnte nichts mehr dazu sagen, denn es schmerzte mich noch immer. Dieser Schmerz würde wahrscheinlich nie enden.
    Doch dann sah ich wieder zu ihm auf und versuchte zu lächeln und hörte ihm weiter zu.
    Ehrlich gesagt konnte ich es nicht so recht nachvollziehen, was er sagte. Schließlich wusste ich nicht, was es hieß, niemals frei gewesen zu sein.


    Aber könntest du dir nicht vorstellen, wie es ist, einmal frei zu sein? Du könntest tun und lassen was du wolltest. Müsstest niemanden fragen und könntest überall hingehen, wo du hin wolltest.