Ich warte, bis Onkel Gracchus seinen delektablen Monolog an den Großneffen im Raum - mich in höchsteigener Person - gebracht hat. Oder meint er irgendjemand unbestimmtes? Erwartet er, daß ihm jemand zuhört, ihm darauf Antwort gibt? Sein Personal arbeitet schweigend, kein Wort, vielleicht sind sie es gewöhnt, nicht zuzuhören ob des hervorquellenden Schwalles an fatigablen Gedanken, die in Schleifen, Bögen, Ästchen, Hölzchen und Stöckchen emanieren ... wenn er nicht gleich auf den Punkt kommt, schlafe ich wieder im Stehen ein.
Schon bei unserer ersten Begegnung war ich fast am wegbüseln, damals schob ich es aber auf die lange Reise und den kaum erholsamen Schlaf, wahrscheinlich aber war es der ätherische Singsang, in dem mein geliebter Onkel - und keiner möge sich erdreisten, an meiner wahren und aufrichtigen Liebe zu einem meiner anvunculi und besonders zu meinen avunculi magni duo zu zweifeln! Ich fang' an, auch schon so gedrexelt zu denken! Hermes hilf!
Aber man soll den Morgen vor dem Ende der Nacht nicht beklagen, er kommt von selbst auf mein Thema, eine gute Ein- und Überleitung, die ich wie ein Ertrinkender im Wort- und Gedankenmeer zu ergreifen suche:
"Genau über die Saturnalien möchte ich mit Dir sprechen, Onkel Gracchus. Bei uns daheim haben meine Mutter und ich alle Menschen eingeladen, die wir kannten - und im Grunde hat dann das ganze Dorf miteinander gefeiert. Jeder hat etwas mitbebracht, wir haben einen ganzen Tag und eine ganze Nacht gegessen, getrunken, getanzt und gelacht." (Und manche noch andere "ge-"Dinge, aber das führt auf Hölchen und Stöckchen ...) "Ich wollte fragen, ob wir nicht hier in der villa Flavia auch eine solche Einladung veranstalten könnten? Ein großes Fest, das uns, die wir wohl alle von Trauer und Einsamkeit heimgesucht sind" (inzwischen hatte ich doch über Ecken und Eckchen mitbekommen, daß nicht nur ich einen Todesfall zu beklagen hatte, sondern daß der Tod einige Mitglieder unserer gens mit einer unaufschiebbaren Einladung bedacht hatte - außerdem scheint mir Onkel Gracchus ziemlich einsam zu sein, keine Frau, keine Freunde, die ihn besuchen, von Sorgen ablenkendes negotium, aber wenig zerstreuendes otium) "ablenkt und wieder in das Leben hineinführt. Außerdem kenne ich noch so wenige Gleichaltrige" (vor allem Mädchen - Mädchen. Man sieht zwar andauernd welche auf den Straßen, das Mädchen vom Sklavenmarkt und natürlich Bridhe, aber das ist etwas ganz anderes, das ...), setze ich vorsichtig, meine Absichten vorsichtig enthüllend fort. (Und, lieber Onkel solltest vielleicht auch Dich an die Brüste einer Frau werfen. Frauen sind zwar generell nervig, aber sie haben durchaus auch Vorteile :).)
"Es wäre auch ein Zeichen an die anderen, daß die gens Flavia sich nicht unterkriegen läßt, Onkel Aquilius könnte seine glorreiche Wahl feiern und ich glaube nicht, daß die, die wir betrauern, wollen, daß wir wie Trauerklö ... äh ... daß wir uns von unserer Trauer von den Forderungen der Gegenwart ablenken lassen."