Naha
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Sie war nicht die Größte. Sie war auch nicht die Stärkste. Sie war ebenfalls nicht die Älteste.
Aber sie war die lauteste.
Naha, Tochter des Lando, hatte ein souveränes Gespür dafür, wie man sich bemerkbar machte. Und dafür sorgte, dass andere taten was man wollte. Das hatte sie von ihrer Mutter abgeschaut, die die Casa Duccia mit natürlicher Bestimmtheit regierte. Im Tagesgeschäft des Regierens war es natürlich nicht möglich, dauernd ein Auge auf den eigenen Spross zu haben, besonders jetzt, wo Landulf da war.
Naha fand Landulf im gleichen Maße faszinierend wie blöd. Er war der Sohn ihres toten Vaters, den Naha immernoch brennend vermisste, gleichzeitig mit seiner Existenz aber der kindlichen Logik in Naha widersprach. Das kleine Balg raffte alles an Aufmerksamkeit an sich, was es bekommen konnte. Und Nahas bescheidener Meinung zu einem großen Teil ihr zustand. Aber: Landulf war ein Sohn. Und damit irgendwas wie ein Stammhalter. Wobei Naha nicht verstand, warum Männer Stämme halten mussten. Wahrscheinlich, wenn Bäume nicht selbst stehen konnten. Wer wusste das schon? Das, was Naha schon sehr früh von ihrer Mutter gelernt hatte hatte, war, dass Männer generell sehr seltsame Sachen taten, die kein Mensch verstand.
Heute zum Beispiel. Iring, jüngster Sohn des Iring und kleiner Bruder von Nahas kindlicher Flamme Sönke, seines Zeichens Anführer einer zwanzigköpfigen Bande von Kindern aus dem südlichen Vicus, hatte heute zum Krieg gegen die Legion gerufen. Nicht gegen irgendeine Legion, nein, gegen die zweite Legion. In Form der Kinder aus dem Castellcanabae, Bastarde und legitime Nachkommen der Legionssoldaten, die es mal wieder gewagt hatten ihre Grenzen zu überschreiten.
Naha war in der seltenen Lage, mit ihren kaum vier Lenzen dieses Spektakel zu beobachten. Zuhause hatte man wieder wichtigen Besuch, deshalb war Naha in die Obhut von Lanthilda gegeben worden, die ihrerseits den Besuch zu bedienen hatte, und demnach die kleine Naha an ihren gerade zehnjährigen Bruder Iring gegeben hatte. Und der hatte nicht vor, sich seinen Krieg von einem kleinen Mädchen madig machen zu lassen.
Zwei Stunden später flogen Steine und Kugeln aus gepresstem Schlamm (einzigartige Rhenusuferqualität) über den Kopf der kleinen Duccia, die mit einem schrillen Lachen in Deckung ging. Straßenkampf war angesagt als die beiden Trupps aufeinander trafen und sich nicht lange mit Wortgefechten aufhielten. Weinend ging gerade Boreus, sechsjähriger Sohn eines Schreiners, nieder als er von einer Schlammkugel am Hals getroffen wurde während der in einer Ecke Deckung nehmende Iring wütend das Feuer erwiderte. Von drüben hörte man Flüche in vulgärstem Latein und wenige Brocken des hiesigen Dialekts, von der Straßenseite der Truppe Irings wurde derbe in der Sprache der Urbevölkerung zurückgeflucht.
Ein Stein prallte von einer Hausmauer ab und knallte auf Nahas Kopf, die sich erst den Schädel rieb und dann mit Tränen auf den Augen einen sehr unkindlichen Fluch zurückschleuderte.
"GIB MIR DAS.", war der unmissverständliche Befehl an einen neben ihr hockenden Jungen, der zu verdattert um sauer zu reagieren den Stein rüberreichte. Nahas Wurf ging natürlich fehl, wie ein solcher Wurf nur fehl gehen konnte. Er reichte nicht einmal über die Hälfte der Straße. Aber Naha hatte sich aktiv mit in den Krieg eingemischt, was eine vollkommen neue Erfahrung für das junge Wicht darstellte. Sie fühlte sich auf einmal wie Tante Eila, die auch schon einhundert Männer erschlagen hatte. Das machte Spaß!
"ATTACKEEEEEEEEE!!!!!", brüllte Naha mit schrillen Kreischen, packte sich den nächstbesten Stein und stürmte in die Straße hinaus, zwanzig verdutzte Kinder hinter sich und noch verdutztere fünfzehn vor sich.