Beiträge von Caius Aelius Archias

    Als Seiana kam und Caius sich umdrehte, hätte er ihr fast gesagt, dass sie scheiße aussah. Da waren dicke Ringe unter den Augen, die zwar mit Schminke kaschiert worden waren, aber noch deutlich vorstachen. Und Caius fand Seiana blass. Er hörte wohl, dass sie seinen Namen nennen wollte, dann aber abbrach, und das machte ihn sehr, sehr nachdenklich.


    »Öhm. Du erwartest jetzt aber nicht von mir, dass ich dich Decima nenne«, begann er und wollte das Ganze mit einem leicht spöttischen Lächeln etwas ins Lächerliche ziehen. Als er Seianas Gesichtsausdruck sah, kam ihm allerdings leiser Zweifel.
    »Oder?« setzte er deswegen nach und ließ den Rest erstmal einfach so stehen, ohne was zu sagen. Caius schwankte zwischen Fassungslosigkeit und Argwohn. Aber er erinnerte sich wieder an den Brief und daran, wie gefühllos der geschrieben worden war. Ein bisschen knautschte er das Dokuemtn in seiner Hand, aber sagen tat er erstmal nichts.

    »Genau. Und stell dir mal vor, du heiratest die absolute Niete... Da ist es doch vorprogrammiert, dass du dich nach was besserem umschaust«, erwiderte er und nickte im Liegen. Gut, nachdem was er jetzt so über Axilla und Piso gehört hatte, wollte er lieber nicht noch weiter darüber nachdenken, dass er da vielleicht nicht der einzige gewesen war, abgesehen von Piso... Blöderweise aber dachte er doch dran. Er drehte den Kopf und sah Axilla seltsam an. Im Gegensatz zu Axilla war Caius nämlich ziemlich eifersüchtig veranlagt.
    »Wenn wir dann jetzt aber verlobt sind, dann...« sagte er und sah sie vielsagend an.
    »Und beim Wein müssen wir dann wohl bei dir aufpassen.«


    »Achso«, sagte Caius, als Axilla von Serrana erzählt hatte. Mehr blieb ihm auch nicht zu sagen. Das klang alles ganz logisch für Caius, also hatte Axilla in dem Fall dann wieder Glück, weil er nicht noch mal nachhakte.
    »Und du meinst, dass sie dir immer noch sauer ist, wenn du ihr den Vater vorstellst?« fragte er sie da lieber direkt, weil er sich nicht vostellen konnte, wie man dann noch böse sein konnte. Immerhin hatte dann alles seine Ordnung.


    Zu Piso sagte Axilla nicht mehr groß was. Caius fiel das aber auch gar nicht weiter auf. Natürlich war da noch was in seinem Hinterkopf, aber er hatte sie nicht mit Gewalt genommen und es war nichts passiert. Was genau dabei passiert war, wollte Caius gar nicht wissen. Zumindest nicht, solange er besser war. Er drehte sich schwungvoll um, packte Axilla dabei um die Hüften und schob sich halb auf sie drauf.
    »Dramatisch, nicht? Und so schaaade«, bemerkte er breit grinsend, küsste sie dann auf ihre arme Lippe und strich ihr mit einer Hand durchs lange Haar.
    »Ich nehme an, hiermit ist dann deine Anstellung bei mir auch hinfällig. Wollen wir die Verlobung dann einfach eintragen lassen?« Ohne zu feiern, meinte Caius.

    Während Axcilla ihre Lippe aufriss (was Caius natürlich nicht bemerkte) und von ihrer Familie sprach, überlegte er, wie er die Sache mit seinen Eltern und Quarto drehen konnte. Allen anderen wäre es bestimmt herzlich egal, wen er letztlich heiratete, solange die Frau einen netten Eindruck machte und Kinder bekam. Beides kriegte Axilla ohne Probleme hin, da war sich Caius sicher, also sorgte er sich mehr um Quarto und um seine Eltern als um alle anderen.


    »Öhm....« machte Caius nur wenig hilfreich, als Axilla von einem Kastell sprach. Caius hatte keinen blassen Schimmer, wo hier wer stationiert war, und solange alles sicher war, interessierte ihn das auch eigentlich nicht. Außerdem war die Information, die danach kam, viel interessanter für ihn. Er hatte nämlich eben vorschlagen wollen, ein kleines Essen mit Serrana zu planen und die anderen erstmal wegzulassen. Immerhin wusste er ja, wie Axilla zu Silanus stand, den Caius dann gesondert noch mal besuchen musste. Überrascht verfolgte er das, was sie über Serrana sagte.
    »Wieso denken eigentlich alle, dass Sex vor der Verlobung so schlecht ist? Ich mein, gut...« Er sah kurz auf Axillas Bauch runter.
    »Aber wenn man doch eh heiraten will.« Caius merkte, dass seine Argumentation nicht unbedingt sonderlich schlüssig war. Immerhin hatten er und Axilla vorher gar nicht heiraten wollen. Dass sich das nun so ergeben hatte, weil sie herausgefunden hatten, was Sache war (und dabei dachte er nicht an das Kind), war eben Glück. In diesem Fall.
    »Also, du sagst sie weiß es? Was hat sie denn gedacht?« Tja, Pech für Axilla, denn da hatte der gute Caius mal aufgepasst und setzte direkt mit der befürchteten Nachfrage an, wobei er zusammen mit Axilla höher aus Bett rutschte.


    Stumm wie ein Feldblock (und genauso bewegungslos) hörte Caius Axilla zu, wie sie von dem Stelldichein mit Piso erzählte. Er wollte es gar nicht hören. Nananananana! Aber sie war eh gnädig und präsentierte nur mehr oder weniger eine Zusammenfassung.
    »Er hat nichts gesagt. Ich wollte nichts hören. Aber ich kenn Piso schon seit ner Ewigkeit. Da braucht man nicht alles sagen, um es zu verstehen«, knurrte Caius zwischen fast geschlossenen Zähnen hindurch. Er musterte Axilla besitzergreifend. Und bemerkte ihre eingerissene Lippe. Fast wünschte er sich, ein Vampir zu sein, aber er selber stand nur bedingt auf Blut. Blutsuppe war lecker und Blutwurst, aber Axillalippe in Blut?


    Moment, was hatte sie eben gesagt? Blumen und ein Gedicht? Pah, der alte Nachmacher! Caius schnaubte nur. Dann ließ er Axillas Worte noch mal Revue passieren und stolperte über einen Satz. Er war halt nicht du? Pling, da trat ein Grinsen auf Caius' Gesicht. Fast vergnüglich ließ er sich zurücksinken und schien plötzlich wieder die beste aller Launen zu haben.
    »Ich bin besser«, stellte er zufrieden fest und gluckste. Alles andere war grad nicht so wichtig. Er war besser im Bett als Piso. Juchhei!

    Da hatte sogar mal wer aufgepasst. Caius nickte nur.
    »Ja, bin ich.« Dass sein Vater noch lebte, ihn aber von der Vermundschaft entbunden hatte, musste der Schreiber ja nicht wissen. Hauptsache, er trug die Verlobung aus.
    »Äh, ich komm demnächst auch wieder. Muss man eine Verlobung eigentlich gleich eintragen oder reicht das, wenn man das mit der Hochzeit zusammen macht?« fragte er nach, nachdem ihn der Geistesblitz getroffen hatte.

    »Och«, sagte Caius.
    »Keine die du kennst.« :D


    Auf den Stupser reagierte er nicht wirklich. Zumindest sagte er nichts dazu, um seine Idee weiter zu erklären. Vielleicht würde Axilla herausfinden, was er dachte, vielleicht auch nicht. Aber das hatte Zeit. Sie hatten jetzt alle Zeit der Welt. Dachte der verklärte Caius zumindest.


    »Hm, ich weiß nicht«, erwiderte er dann wieder ernst, als sie nach der Gesundheit des Kaisers fragte.
    »Er ist ja schon sehr lange krank.« Quarto hatte gesagt, dass Valerianus schon geschwächelt hatte, als er noch ein einfaches Kommando gehabt hatte.
    »Du, aber erzähl bitte nichts davon. Ich darf das eigentlich auch nicht weitererzählen. Also auch nicht deiner Familie.....die du mir jetzt dann eigentlich auch mal vorstellen müsstest! Ich weiß gar nicht, wer überhaupt alles hier wohnt von den Iuniern. Und...oh! Das ist ja witzig, ich muss gerade daran denken, dass wir schon mal festgestellt haben, dass unsere Familien hier in Rom recht klein sind und wir zusammen eine größere hätten...« Caius schmunzelte, begeistert, dass ihm das wieder eingefallen war. Gut, Silanus musste sie ihm nicht unbedingt vorstellen. Den kannte er ja auch schon. Wieder musste er an Seiana denken. Ihre Familie war so groß, dass eine Hauswand Stammbaum sicher nicht gereicht hätte, um alles einzumalen. Deswegen hatte er bei ihr auch immer etwas zurückgeschreckt, was das große Familientreffen anbelangt hatte.


    Bei Axillas Gestottere runzelte sich Caius' Stirn erst ein bisschen und dann ganz arg. Er verstand kein Wort. Aber das machte auch gar nix, denn er konnte sich ziemlich gut vorstellen, was Axilla eigentlich sagen wollte. Dass es ihr leid tat, mit Piso in die Kiste gehüpft zu sein. Und dass... Moment mal! Caius riss die Augen auf und stemmte sich hoch. Axillas Kopf rutschte dabei von ihm runter und aufs Bett, und Caius drehte sich seitlich zu ihr hin, damit er sie anschauen konnte.
    »Wieee: Du wolltest gar nicht?!« Wenn er...also, wenn er DAS gemacht hatte, dann müsste er ihn doch umbringen. Da half dann alles Verdrängen nicht.

    Klar, der ianitor hatte sich gewundert, dass Caius schon wieder hier aufkreuzte, denn vorher hatte er sich nicht allzu oft blicken lassen, und nun schon das dritte Mal in Folge. Er hatte klaglos die Tür geöffnet und Caius wieder mal ins tablinum geschickt, wo er auf die junge Dame warten sollte, wenn sie ihn empfangen wollte. Das hieß also, sie war schon mal zu Hause. Caius war nervös. Sie konnte ihn einfach warten lassen und gar nicht kommen. Und nach seinem letzten Abgang gestern war das bestimmt auch nicht so unwahrscheinlich. Also wartete Caius erstmal, in der Hand die Schriftrolle von Seiana.

    Caius hockte mal wieder auf der Latrine. Er stöhnte gepeinigt, denn er hatte einen schweren Gang. Also, vor sich. Denn er hielt einen Brief von Seiana in den Händen und wusste nicht so ganz, was sie bloß ritt wegen der Taverne. Er verstand sie nicht. Und sie hatte ihn scheinbar auch nicht verstanden. Fast war ihm kalt, wenn er den Brief las. Das klang nach weniger als einer Geschäftsbeziehung, und eigentlich war das ja auch so, realistisch betrachtet. Nur Caius hatte die naive Vorstellung, dass Seiana sich bald ausgesäuert haben und dann wieder seine Freundin sein würde. Gut, er erwartete das nicht, aber er hoffte es. Wirklich.


    Und dann war da noch die Sache mit seinen Eltern... Es war einfach seine Pflicht, sie zumindest darüber zu informieren, was los war. Aber er konnte sich das Gesicht seiner Mutter schon vorstellen. Und das, was se sagen würde. Und das war erschreckender als Seianas Brief. Caius würde den Brief an seine Eltern einfach vor sich her schieben, bis er ein gutes Gefühl dabei hatte. Er wollte nicht, dass seine Mutter Axilla runterputzte, aber genau das würde sie wohl machen, wenn sie sie mit Seiana verglich. Seiner Mutter war es wichtig, welche Qualitäten ein Mensch hatte, und bei Seiana war sie ja letztendlich doch zu dem Schluss gekommen, dass sie passend war. Bei Axilla wagte Caius das ehrlich gesagt zu bezweifeln. Deswegen würde er die Kollision mit der Realität auch so weit wie möglich rauszögern. So viel stand fest.


    Als Caius sich ausgiebig erleichtert hatte, machte er sich auf den Weg zu Seiana.

    Caius zuckte zurück und brachte seine Nase damit in Sicherheit.
    »Dann hätten wohl andere endlich mal recht, wenn sie behaupten, ich sei süß«, konterte Caius und streckte Axilla die Zunge raus.
    »Allerdings bringst du mich da gerade auf eine Idee...« Caius überlegte, grinste und schwieg dann. Er wusste ja, wie neugierig sie war.


    »Ja, also... Wie gesagt, mach dir da keine Hoffnungen. Ich denk nicht, dass er kommen wird. Vielleicht schickt er eine Karte.« Aber mehr konnte sich Caius wirklich nicht vorstellen. Erst recht nicht, wenn der Kaiser davon hörte, was bei den Aureliern passiert war... Caius hatte da echt einen Ausreißer gehabt. Ziemlich. Aber seine nachdenkliche Miene dazu wandelte sich in ehrliche Freude, als er Axilla so reden hörte. Er knautschte sie kurz an sich.
    »Das ist gut. Ich will auch nicht, dass du dran denkst«, sagte er und küsste Axilla kurz auf die Nasenspitze. Immerhin war das das, was er wollte: eigenständig behandelt werden, nicht nur ehrfürchtig wegen seines Namen.


    Zu Vala nickte Caius nur. Er wurde einfach nicht eingeladen und fertig. Und hoffentlich lief dann alles glatt und die Drohung war doch nur eine leere gewesen. Caius überlegte, ob er Axilla nicht doch davon erzählen sollte.
    »Ähm. Piso laden wir ein. Ja? Ich mein... Er ist mein bester Freund und... Bona Dea, das kommt mir jetzt total bescheuert vor. Weißt du, dass ich euch verkuppeln wollte? Ich hab ja nicht geahnt, dass wir zwei... Und du...mit ihm....« Caius zuckte mit den Schultern und beendete den Satz nicht.
    »Er hat angeboten, das Opfer zu übernehmen. Also, als er noch dachte, dass Seiana...«

    »Hallo«, sagte Caius, als er eingetreten war, nachdem er geklopft und man ihn reingebeten hatte.
    »Ich bin Caius Aelius Archias, und ich möchte bitte eine Verlobung austragen lassen. Ähm, meine, um genau zu sein. Mit Decima Seiana. Das müsste irgendwann Ende 858 gewesen sein. Die Eintragung, mein ich.« Er blinzelte den Beamten an und wartete.

    »Ans Bett gefesselt klingt gut... Ich wage fast zu behaupten, dass du dich dann nicht aufs Kitzeln konzentrieren kannst!« gab Caius zurück und stipste Axilla noch mal in die Seite. Dann ließ er sie gehen. Immerhin war ihr lachen glockenklar und sicher nicht nur in seinem Zimmer zu hören. Gut, reinkommen würde bestimmt keiner, aber trotzdem. Caius dachte an Quarto, und wie er ihm am besten verklickerte, dass er sich umentschieden hatte. Er musste sowieso noch ein langes Gespräch mit ihm führen. Lust hatte er keine, wegen dem Thema, aber es musste sein.


    »Ganz ehrlich? Ich glaub nicht. Ich hab ihn ja gesehen, kurz vor meiner Ernennung zum procurator. Er hat zwar einen ganz frischen Eindruck gemacht, aber er hat einen grausigen Husten, und ich glaub, das ist es auch, was ihn fertig macht. Ich denk nicht, dass er kommt. Nicht wegen mir, also, auf meine Hochzeit. Dazu kennen wir uns ja zu wenig. Aber die Gäste werden das bestimmt als ein Sprungbrett nutzen wollen, wenn sie eingeladen sind. Denen ist es egal, dass wir nicht viel mehr als den nomen gentile gemein haben.« Besonders denen, die nach Ämtern und Titel geierten. Caius sah Axilla an.
    »Ich hoff, du bist nicht enttäuscht...« begann er vorsichtig. Er wusste ja nicht, wie Axilla dazu so stand.


    Caius lächelte schief, als Axilla ihm noch mal sagte, dass sie ihn liebte. Er glaubte ihr das, auf jeden Fall. Aber er hatte eben noch gut ihren Blick im Kopf, den sie Vala zugeschossen hatte auf dieser Hochzeit des Grauens bei den Aureliern. Deswegen erwiderte er ihren Blick mit Ernsthaftigkeit.
    »Ich möcht nicht, dass er kommt«, sagte Caius mit belegter Stimme. Er wollte dem Germanen Axilla ganz sicher nicht auf dem Silbertablett präsentieren. Und wenn er er gewesen wäre, hätte er so ein Attentat am wichtigsten Tag geplant.
    »Und was Piso angeht....« Caius sprach nicht weiter, sondern zuckte nur mit den Schultern. Er schaffte es nach wie vor, nicht zu sehr darüber nachzudenken, sondern das Thema gedanklich einfach nicht zuzulassen.

    Als Caius sah, wie Seianas Laune sich noch mal kurz zu heben schien, glaubte er schon, dass er träumte. Sie würde wirklich mitgehen? Ihre Worte konnte man prima in dieser Richtung auffassen, zumal er ja selber schon nicht mehr ganz wach war und die Hirnsuppe deswegen ziemlich zäh war.


    Dann küsste sie ihn kurz und wünschte ihm eine gute Nacht. Und ließ damit einen ziemlich verwirrten und dann enttäuschten Caius zurück. Er hätte fast gedacht... Naja. Im Warten war er inzwischen fast zu einem Spezialisten geworden, zumindest in Bezug auf Seiana.


    Caius wachte erst auf, als die ersten Sklaven begannen, das Esszimmer sauberzumachen, denn er war auf der Liege eingepennt. Müde tappte er in sein Zimmer und fiel dann mit samt seinen Klamotten aufs Bett, um bis in den späten Nachmittag hinein zu schlafen.


    ~~~~~~


    Vier Tage später stand Caenis' Meinung fest. Seiana hatte das gewisse Etwas, das Caius brauchte, um nicht im Chaos zu versinken. Sie war zwar mit ihr nicht immer eine Meinung, aber sie und Seiana kamen von ihrer Warte aus eigentlich genau deswegen ganz gut miteinander aus. Sie waren sich ähnlich. Und sie ahnte, dass Caius vielleicht deswegen Seiana gefunden und gefragt hatte: Weil sie so war wie sie selbst.


    Zum Abschied hatte Caenis höchstpersönlich einen Kuchen gebacken, den sie den beiden mitgegeben hatte. Seiana hatte eine etwas steife Umarmung von ihr genießen können und die Bitte, sich doch bald wegen der Hochzeitsplanungen zu melden. Calvaster hatte Seiana und seinen Sohn nur fest geherzt und gebrabbelt, wie stolz er wär, und dass Seiana sich nicht allzu oft von Caius veräppeln lassen sollte.


    Und dann waren sie losgezogen, wieder im Wagen, weil Seaiana ja nicht reiten wollte. Caius hielt die Klappe. Er konnte auch nichts dazu sagen, denn er aß schon den Kuchen, den Caenis ihnen eingesteckt hatte.

    Das war natürlich eine Option. Auch wenn er die nicht gemeint hatte. Er hatte sie trösten oder es ihr irgendwie leichter machen wollen, ohne zu wissen, was wirklich in ihr vorging. Caius dachte nicht wie Seiana. Das hatte er nie und würde er wohl auch nicht mehr. Das hatten sie nie gemeinsam gehabt. Caius wollte das, was er und Seiana gehabt haben, nicht als Schwärmerei oder Verliebtheit abtun, denn das war's auch nicht gewesen. Zumindest nicht in dem Sinne, in dem man diese Worte normalerweise verstand: nichtig und nicht ernst zu nehmen. Caius hatte nämlich alles ernst gemeint, was da zwischen ihnen gewesen war. Aber er hatte erst jetzt realisiert, dass es da etwas gab, das anders war, als das, was er und Seiana gehabt hatten. Er konnte das nicht beschreiben (abgesehen davon, dass ihm einfach das Vokabular dafür fehlte).


    Zerknirscht hörte er ihre Aufforderung. Der Blick sagte ihm, dass er hier nichts weiter tun konnte. Er ließ kurz den Kopf hängen und starrte auf seine Sandalen, und ihm war klar, dass er hier nicht nur die Verlobte verloren hatte, sondern genauso seine Freundin. Und er konnte rein gar nichts tun, um das zu verhindern. Er sah hoch und ging.


    Erst an der Tür hielt er noch mal an.
    »Ich wünsche dir alles Gute, Seiana. Bis wir uns wiedersehen.«
    Und das war für Caius' Verhältnisse so ernst und theatralisch wie noch nie zuvor. Genauso fühlte er sich auch. Allerdings wurde das Gefühl langsam besser, als die Tür leise hinter ihm zugefallen war und er die casa Decima langsam hinter sich ließ, um sich dem domus Iuniana zuzuwenden.

    Caius reckte ihr sein Ohr sogar etwas entgegen, als sie hineinflüstern wollte. Empört sah er sie an, dann grinste er breit.
    »Echt? Das klingt ziemlich nett... Wer sagt denn, dass wir das nicht eh machen können? Ich schulde dir ja noch ein Picknick, wenn ich mich da richtig erinnere«, sagte er zu Axilla und piekte ihr mit dem Zeigefinger einige Male in den Bauchnabel, der irgendwo unter ihrer Tunika verborgen war. Er war da alles andere als verklemmt. Und er liebte den Gedanken regelrecht, dass es Axilla genauso ging. Mit einem Grinsen, das aus seiner Vorstellung des bevorstehenden Ausritts (rrrrr!) resultierte, legte er den Kopf auf den nach der Piekattacke angewinkelten freien Arm und betrachtete zufrieden seine Zimmerdecke. Seine Gedanken weilten bei den Schnitzereien und Zeichnungen auf seinem Jugendschreibtisch.


    »Ich denk nicht, dass die kommen. Weißt du, was das Schlimmste an Senatoren ist?« Caius wandte den Kopf und sah Axilla erwartungsvoll an.
    »Wenn du einen einlädst, musst du alle einladen. Die pinkeln sich sonst gegenseitig ans Bein.« Er grinste.
    »Vielleicht kommt diese Tiberia ja ohne ihren Macker. Sonst haben wir doch halb Rom auf der Gästeliste. Wobei ich nicht glaube, dass da viele absagen werden. Könnt ja der Kaiser kommen, und wenn man dann nicht da war...« Caius machte große Augen und wackelte pikiert mit dem Kopf hin und her, ehe er ihn wieder ablegte. Und im selben Moment hochschnellte, um Axilla wieder anzusehen.
    »Den kannst du einladen. Aber wenn der andere kommt, bin ich nicht da«, grummelte er.
    »Ich möcht auch eigentlich nicht, dass du noch mal zu dem hingehst oder mit dem weggehst, weißt du?« fügte er dann weniger feindselig an. Er hatte da die Drohung im Hinterkopf.
    »Zumindest nicht ohne mich. Und ich will den nicht mehr sehen.«

    Alle Streits umsonst? Caius sah noch belämmerter aus als eh schon. Irgendwie nahm das total unerwartete Formen an. Fast wünschte er sich, sie würde endlich mit dem Schimpfen anfangen. Aber wie sie momentan aussah, würde das wohl nichts werden. Und außerdem hatte sie gar nicht von sooo vielen Streits erzählt. Und auch nicht von Streits, nur von...Meinungsverschiedenheiten. Ein Streit war doch ein ganz anderes Kaliber... Caius schwante Schreckliches. Seiana hatte ihm vielleicht gar nicht alles erzählt. Er schloss die Augen und unterdrückte ein Stöhnen. Wenn sie ihn nun vor ihrem Bruder regelrecht verteidigt hatte? Caius wusste ja, wie Serapio so drauf war.


    »Nicht umsonst. Ich möcht dich eigentlich hin und wieder mal sehen«, sagte er leise und schob die Brauen aufeinander zu.
    »Wenn du das möchtest.«


    Er hatte zwar noch keine Ahnung, wie sich das anfühlen würde, aber er wollte Seiana nicht loswerden und fertig. Er hatte sie ja nach wie vor lieb. Sozusagen.
    »Kann ich irgendwas tun?« bot er an, hatte aber keinen blassen Schimmer, was.

    Caius ließ sie sofort los, als er merkte, dass sie sich nach einem kurzen Moment steif machte und zurück trat. Er machte sogar selber noch einen Schritt zurück, um noch mehr Luft zwischen sie und sich zu bringen. Er war noch ratloser als vorher schon. Verdutzt sah er sie an, als sie dann einfach so die Auflösung bestätigte. Gleichzeitig fiel ihm ein Stein vom Herzen. Allerdings war das mehr ein Kiesel, denn Seiana sah immer noch nicht so aus, als wäre sie richtig wach. Caius legte den Kopf leicht schief und sah sie an.


    »Ähm.« Er wartete, aber nichts geschah. Da flog immer noch nichts, und das machte die ganze Sachen schlimmer, als wenn was geflogen wär.
    »Bist du dir sicher, dass... Ich meine: Ist alles in Ordnung?« fragte er sie zerknirscht. Was für eine dämliche Frage! Er hob eine Hand und fuhr sich durch die Haare.
    »Dein Bruder ist sicher begeistert«, murmelte er nachdenklich.

    Caius schmunzelte wölfisch und gab sich große Mühe, die Dinge zumindest soweit auszugleichen, dass Axilla nicht ganz so sehr neidisch sein musste. Seine Hände fanden dabei ganz eigene Wege, streichelten mal hier und kitzelten sie spielerisch mal dort, und immer wieder platzierte er kleine Küssen an interessanten Stellen. Nach einer Weile ärgerte er sich doppelt, dass Axilla quasi verhindert war. Sich nichts anmerken zu lassen war zwar ein netter Versuch, aber ausgesprochen ineffektiv, wenn einen gewisse Dinge einfach verrieten.


    So beschränkte er sich mit dem neu aufgekommenen Thema doch nur wieder darauf, sie festzuhalten und ab und an zärtlich zu streicheln.
    »Aber eigentlich sollten doch die Brautleute entscheiden«, wandte Caius ein.
    »Ich meine, was nützt einem die alte Familiengeschichte, wenn sie nur Kosten bringt und nervtötend ist? Ist doch nichts schlimmer als eine Fete, bei der eigentlich niemand sein will.« Caius zuckte mit den Schultern, was im Liegen irgendwie witzig aussah. Seine Beine hingen knieabwärts immer noch vom Bett, auch wenn er sie jetzt ausgestreckt hatte.


    »Ich? Nein, eigentlich nicht. Ich bin viel lieber eingeladen als Einlader«, sagte er zu Axilla und grinste sie schräg an.
    »Echt?« fragte er sie dann, absolut begeistert. Aber schnell schwand die Begeisterung von seinem Gesicht und er seufzte tief.
    »Oh Mann. Nee, das kann ich echt nicht bringen, glaub ich. Zumindest die Familien müsste man einladen. Und Piso eh. Und Imperiosus. Du hast doch bestimmt auch beste Freundinnen oder so?« Caius überlegte. Seiana würde wohl nicht kommen.

    Langsam wurde Caius nervös. Er hatte ja schon Bauchschmerzen gehabt, hierher zu kommen. Aber das hier war....gespenstisch. Ihm flog nichts um den Kopf, keine bösen Worte und auch keine teuren Vasen. Caius wusste nicht, was er machen sollte. Seiana reagierte so überhaupt nicht. Seine Augenbrauen schoben schich zusammen. Er sah sie mit einer Mischung aus Mitleid und aufkeimender Verzweiflung an.


    Als sie dann doch was sagte, war es so leise, dass er es kaum verstand. Die Verzweiflung wich jetzt ernster Zuneigung. Es hielt ihn nur noch kurz auf seinem Platz, weil er mit sich selbst haderte und sich dann einen finalen Ruck gab. Er überwand auch den Meter zwischen ihnen noch und umarmte Seiana. Freundschaftlich, wie er sich dachte.
    »Ich weiß doch. Ich weiß«, murmelte er, eine Hand auf ihrem Rücken und eine an ihrem Hinterkopf. Es tat ihm weh, sie so zu sehen. Aber da mussten sie jetzt beide durch. Leider änderte das überhaupt nix daran, dass er keine Ahnung hatte, was er sagen sollte. Er beschloss, auf sich selber herumzuhacken, wenn Seiana das schon nicht machte.
    »Ich bin echt ein Arsch, Hm? Es tut mir wirklich leid, Seiana. Ich hoffe, du kannst mir das irgendwann verzeihen.«

    Seiana wirkte irgendwie wie vor den Kopf geschlagen auf Caius. Er seufzte leise und hoffte, dass sie das nicht gehört hatte. Es tat ihm ja wirklich sehr leid. Er fühlte sich auch alles andere als gut dabei. Und noch schlechter hätte er sich gefühl, wenn er ihre Gedanken hätte hören können.


    »Ja«, erwiderte Caius ein bisschen zeitverzögert auf ihre Frage hin, denn als Frage hatte er es aufgefasst. Allerdings war er sich da nicht so ganz sicher. Er kam jetzt doch näher.
    »Seiana«, begann er, als er einen Meter vor ihr stehen blieb.
    »Ich, also, hab dich wirklich gern. Nur... Ich weiß nicht wie ich das erklären soll! Du bist erstklassig. Perfekt. Ich hab eh nie verstanden, warum du mit einem wie mir... Naja. Ich meine, du findest doch schnell wieder einen. Ähm, Mist, so hab ich das nicht sagen wollen...« Er strampelte sich verbal einen ab und sie kam ihm in keinster Weise entgegen. Recht so! Er hatte es auch nicht anders verdient (aber gewünscht).
    »Das zwischen uns war nie so tief wie mit ihr. Und sie...« Nein. Er sollte nicht das von der Schwangerschaft erzählen. Caius biss sich auf die Lippe.
    »Sie ist eben anders.« Hilflos zuckte er mit den Schultern und ließ den Kopf hängen.

    Es ging Caius nicht gut. Es ging ihm sehr gut! Zumindest, wenn er die bevorstehenden Gespräche ausblendete und sich ganz auf diesen Moment konzentrierte. Sie liebte ihn auch! Caius war niemand, der solche Geständnisse überstrapazierte. Wenn man so füreinander empfand, dann musste man sich das auch nicht dauernd sagen, fand er. Als Antwort drückte er Axilla noch einmal feste an sich und ließ sie sich dann an sich kuscheln.


    »Hm? Das fragst du noch?« gab Caius zurück und schmunzelte zufrieden. Er ahnte ja auch nicht, warum Axilla ihn das gerade fragte, und dass sie ihn schon wieder in Zweifel stellte und sich selbst abwertete.
    »Eine Woche klingt allerdings schon hart...«, bemerkte er und strich an ihrer Seite entlang.


    »Hmm... sag mal, wenn das mit Silanus glatt geht, wollen wir uns dann gleich eintragen lassen? Ich meine.... Ich weiß ja nicht, möchtest du groß feiern oder....« Caius zuckte mit den Schultern und sah Axilla fragend an. Wenn es nahm ihm ginge, könnte man auch nach Lutetia fahren und da schnell heiraten und gut ist. Nur Axilla sah das vielleicht etwas anders.

    Dankedankedanke? Wuhäh? Caius schaute seinen langjährigen Freund absolut werwirrt an. Irgendwas war wohl in seinem Kopf durcheinander geraten. Nur was? Und wann? Und wieso eigentlich? Caius war ratlos. Unbeholfen patschte er Piso auf die Schulter und versuchte, keine zu angewiderte Grimasse zu ziehen, als ein Rotzfaden auf seine Tunika glitt und da hängen blieb.
    »Ähm, schon gut, Mann«, unterstrich Caius seine klopfenden Beruhigungsbemühungen.


    Scheinbar zeigte das Wirkung, und Caius war extrem dankbar dafür, dass Piso sich endlich abregte. Um ein Haar hätte er erleichtert aufgeseufzt, aber das konnte er doch grad noch unterdrücken. Also nickte er nur. Er vertraute Piso. Der würde schon niemandem davon erzählen. Und wenn doch, dann.......


    Ziemlich heikel wurde es dann mit der nächsten Frage, die Piso ihm stellte. Caius sah sehr, sehr nachdenklich aus, und er wirkte dabei alles andere als glücklich.
    »Keine Ahnung«, entgegnete er erstmal unbestimmt und zuckte die Schultern.
    »Hast du ne Idee? Ich kann ihn ja schlecht beschatten lassen. Oder anzeigen. Oder...unschädlich machen. Ich mein...was soll ich denn machen, hm?« Caius hob die Arme kurz an und ließ sie wieder fallen.