Beiträge von Caius Aelius Archias

    Während sie also so dalagen und sich jeweils die Schuld an ihrem Techtelmechtel gaben, realisierte Caius, dass es so nicht weitergehen konnte. Er liebte Seiana und würde sie heiraten. Er mochte aber auch Axilla, nur eben als Freundin, und das wusste sie auch und es war ihr ganz recht, wie sie in Ägypten schon festgestellt hatten. Nun gab es ja eine ganze Menge Römer (vor allem die reichen Schnösel), die so viele Liebeleien und Affären nebenher hatten, dass man sie nicht an zwei Händen mehr abzählen konnten. Nur so einer war Caius nicht. Gut, man konnte auch nicht gerade behaupten, dass er jemals ein Kind von Traurigkeit gewesen wäre. Ebenso wenig konnte man behaupten, dass er normalerweise nicht so war, denn bisher war er nur einmal verlobt gewesen, und das war mit Seiana. Und deswegen konnte man das auch gar nicht vergleichen. Nur... Caius' Problem war, wie er sowohl seine Freundin als auch eine Verlobte so unter einen Hut bringen konnte, dass kein Streit und keine verfänglichen Situationen entstanden. Im Moment erschien ihm das unmöglich. Aber auf eine der beiden verzichten wollte er auch nicht.


    Ob sein erneuter Fauxpas daran lag, dass Seiana sich ihm bisher verweigert hatte? Wohl kaum. Immerhin hatte sie ihm gesagt, warum sie bis zur Nacht ihrer Hochzeit warten wollte, und er hatte es respektiert, auch wenn es ihm bis dato schwer fiel, die Finger von ihr zu lassen. Axilla enthielt sich ihm nicht und würde das vermutlich auch zukünftig nicht tun, wenn er das wollte, aber das kam ihm nun irgendwie doch zu...hm, schäbig vor. Er wollte sie ja nicht zu einer Hure abstempeln! Caius legte seinen Arm um Axilla und dachte weiter. Sowas machte man nicht mit Freunden, und daran dachte Caius auch in keinster Weise. Weswegen es ihm auch so schwer vorkam, die Situation zu ihrer aller Wohl zu entschärfen.


    Mitten in seine Grübeleien hinein fragte Axilla, ob sie gehen sollte. Caius blinzelte und sah Axilla unverständlich an. Schon wollte er fragen, warum sie das fragte, da hielt er sich am Riemen und runzelte die Stirn.
    »Nein«, war die einfache Antwort.
    »Wenn du möchtest, kannst du heute Nacht hier bleiben. Ich würde dann deine Verwandten benachrichtigen.«
    Er würde Axilla in ein Gästezimmer verfrachten. Oder sie hier schlafen lassen und selbst eine Liege hereinbringen lassen, um darauf zu schlafen. Oder...sich neben sie legen. Sonst nichts, bei Iuppiters Stein! Wie das vielleicht ankommen mochte bei den Iuniern, daran dachte er nicht. Das hier war immerhin eine Ausnahmesituation. Also, Axillas Zustand.

    Eine schwitzige Weile später wälzte Caius sich von Axilla und seufzte aus zwei Gründen. Erstens war ihm recht angenehm zumute. Zweitens dachte er an Seiana und hatte ein ungeheuerlich schlechtes Gewissen. Er sah Axilla nicht an. Caius legte einen Unterarm auf seine Stirn und schnaufte nur leise. Ein Kissen fiel vom Bett und rasselnd in das Muschelmalheur auf dem Boden.


    Bona Dea, was war er für ein Aufreißer. Und das, wo er verlobt war. Jetzt im Nachhinein erschien ihm die Ausrede mit dem Freundschaftsdienst nur noch schäbig. Er richtete sich halb auf, zog sich eine zerwühlte dünne Decke um die Hüften und streifte Axilla mit einem deutlich zerknischt-bedauernden Blick.
    »Axilla...« begann er, sprach aber dann nicht weiter, sondern zog nur die Mundwinkel kurz nach oben.

    »Moin«, grüßte Caius den Prätorianer, als er gegen Abend mit Seiana an sener Seite und dem turtelnden Elena-Katander-Pärchen hinter sich am Fuße des Palatins angekommen war.
    »Das ist meine Verlobte, Decima Seiana«, erklärte er. Ihn dürfte inzwischen eigentlich die Wachhabenden kennen, immerhin ging er ein paarmal am Tag in die ein oder andere Richtung durch das Tor. Er ging auch davon aus, dass es für Seiana reichte, wenn er sagte, wer sie war und wie sie zu ihm stand und nicht den Grund nannte, aus dem er sie mitnehmen wollte. Kurz überlegte er, einfach durchzugehen, dann blieb er aber doch stehen und wartete auf die Zustimmung. Immerhin lag es nicht in seinem Ermessen, den Präti zu ärgern.

    »Vielen Dank, Senator. Und für dich und deine Familie wünsche ich alles Gute«, erwiderte er höflich und reichte seinem ehemaligen Arbeitgeber die Hand.
    Ein paar Schritte später trug er seinen Mantel schon wieder und war auf dem Heimweg.

    Bona Dea.


    Wäre Katander noch anwesend gewesen, hätte er die Iuniern vermutlich an den haaren aus dem Bett gezogen und den ganzen Palatin hinunter geschleift, nur um Caius vor einer Dummheit zu bewahren. Seiner zweiten, wenn man es genau nahm. Aber Katander war nicht hier. Und so würden er und Leander später nur wieder das Nachsehen haben und darüber sinnieren können, wie sie ihre Herrschaften aus einer vertrakten Situation würden hinausbugsieren können.


    Caius war keiner, der hilflose Frauen ausnutzte. Oder zweifelhafte Situationen. Aber bei Axilla war das was anderes. Nicht, dass er sich so fühlte, als würde er sie ausnutzen, wenn er...und sie...also... Aber war es nicht so, dass sie sich ablenken musste? Und er als Freund dazu verpflichtet war, sie zu trösten (ganz abgesehen davon, dass er es nicht ausstehen konnte, gute Freunde traurig zu sehen und selbst nichts tun zu können)? Caius zog die Unterlippe ein und kaute kurz darauf herum. Er nahm Axilla die Tasse weg und stellte sie zu seiner. Seine Lippen streiften ihre kurz, dann flackerte die Reklame in seinem Kopf ein letztes Mal warnend auf.


    »Und du denkst, dass dich das...davon abhalten könnte....« murmelte er und ließ seinen Atem dabei unbewusst warm über ihren Hals streichen. Verflixt noch eins! Axilla und er...das schien letztens nicht mehr gut zu gehen, wenn sie allein waren. Caius blinzelte, und die Lettern waren verblasst. Er küsste Axilla, ohne auf den Sinn ihrer Antwort zu achten, sofern sie überhaupt antwortete.

    Caius bekam plötzlich ganz große Augen. Schätzungsweise ein Drittel der Venetafans verstummte. Die anderen zwei Drittel brüllten lauter als zuvor. Caius gehörte zum ersten Drittel. Er griff ein wenig barsch nach Pisos Oberarm und starrte nur noch gebannt auf das dahinpreschende Feld unten auf der Zielgeraden. Casetorix war Fünfter, naja, immerhin, auch wenn er damit nicht weiter war. Und Tolimedes... Drei Wagenlängen! Noch zwei! Eine noch! Und dann war er über die Ziellinie. Caius bekam große Augen und brüllte dann wie von Sinnen los. Er legte einen Arm um Centho und einen um Piso, sah dabei nicht, was die anderen taten, aber irgendwie war der ganze blaue Block kurz darauf umarmend miteinander vernetzt. Aus tausenden Mündern kam der Ruf.


    »VE-NE-TAAAAAAAA!!« brüllten die einen.
    »VIIIIIIIIIC-TRIIIIIIIX!!!« die anderen.


    Immer wieder, immer lauter. Caius war sich sicher: Heute waren sie hier die lautesten gewesen, die alle anderen überstimmten. Irgendwo weiter vorne begann wieder ein kleines Grüppchen zu hüpfen. Kurze zeit später hüpfte auf Caius wieder. Hoch, runter, hoch, runter, hoch... Irgendwo begann eine schrille Frauenstimme irgendwas zu singen, einige andere fielen ein. Weiter rechts von ihnen begannen einige Anhänger einer anderen factio sich mit den Blauen zu kloppen. Caius hüpfte keuchend weiter. Und trug fleißig dazu bei, Tolimedes dieses Rennen nicht vergessen zu lassen.


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    ANFEUERER VOM DIENST - FACTIO VENETA

    Irgendwann später, nachdem Caius Adria und den kleinen Gaius kennen und letzteren lieben gelernt hatte, saß er im lauen Abendlüftchen auf der Terrasse und hatte die Beine hochgelegt. Bei der cena hatte er sich für ein Weilchen mit Quarto verabredet. Deswegen standen auch zwei Becher auf dem Tisch, nicht nur einer. In seinem befand sich inzwischen schon die dritte Fuhre mit Palmwein versetzter Falerner.


    Während er so auf Quarto wartete, dachte er an die letzte Woche in Rom zurück. Es war ja mal wieder eine ganze Menge passiert. Er dachte an Seiana und ihr Vorhaben, Quarto die Aufwartung zu machen und seine Eltern in Ravenna zu besuchen. Er überlegte sich, wie er Axilla und Piso verkuppeln konnte. Und er verdrängte den Gedanken an die Sache mit Axilla und an Pisos Drohung, den Junggesellenabschied nicht vergessen zu haben....

    »Ja, Augustus«, bejahte Caius und nickte.
    »Das Hafenbecken ist riesig. Und der Leuchtturm Alexandriens demonstriert schon von weitem jedem Schiff die römische Macht, das den Hafen ansteuert.«


    Ein wenig seltsam war es ja schon, dass der Kaiser an seine Frage ein Fragewort ansetzte, das auch eine Verneinung ermöglichte. Caius glaubte kaum, dass der Kaiser nicht wusste, woher sein Getreide kam! Von daher war es vermutlich nur eine aus Höflichkeit gestellte Frage gewesen, die ihn zum Weiterreden veranlassen sollte. Caius wunderte sich ein wenig darüber, spielte das Spiel aber mit, wenn der Kaiser es so wollte.


    »Die classis Alexandrina sorgt für Sicherheit und Ordnung. Das erscheint mir auch ziemlich wichtig. Es ist wirklich unglaublich, wie viele Schiffe da tagtäglich verkehren. Mit Ostia ist das gar nicht zu vergleichen«, fuhr er also fort und ließ noch einen Happen in seinem Mund verschwinden.
    »Der Hafen an sich ist so gebaut«, sagte Caius und deutete mit den Armen ein nach vorn offenes Rund an.
    »Zwei Inseln schließen mit dem Festland das Hafenbecken ein. Pharos und Lochias.«

    Axilla sagte gar nichts dazu, was Caius doch irgendwie verdutzte. Vielleicht wollte sie aber auch nur einfach nicht mehr darüber nachdenken und sagte deshalb nichts dazu? Caius zuckte innerlich mit den Schultern, dachte dann aber nicht mehr weiter darüber nach, als er Axillas schuldbewusstes Gesicht zu sich aufblicken sah.


    »Was? Warum denn? So ein Blödsinn«, echauffierte er sich, ehe Axilla ihn mit der Nase stupste und er sie verdattert ansah. Ihm ging bedauerlicherweise nicht auf, warum Axilla fand, dass sie ein schlechter Mensch war. Das heißt, doch! Sicher, weil sie dem Terentius die Pest an den Hals wünschte! Aber das war doch nur natürlich, wenn man sowas vermutete, wie sie es vermutete. Caius war immer noch felsenfest davon überzeugt, dass es das war, weshalb sie sich schlecht fühlte, bis...ja, bis sie ihn so ansah. Und ihn bat, erstmal nicht mehr darüber zu sprechen. Er sah sie an, wie sie da in seinen Armen lag, die Tasse irgendwo in der Hand, und leicht treudoof zu ihm aufschaute. Oh ja, er wusste plötzlich ganz genau, was sie damit meinte. Allerdings fiel im gleichen Augenblick ein Riegel herunter, auf dem in bunten Leuchtlettern der Name seiner Verlobten stand. Caius war sich dessen nicht bewusst, wie schnell Axilla den Stecker der Reklame ziehen konnte, aber vielleicht war sich Axilla darüber im Klaren. Caius jedenfalls zog die Brauen zusammen und sah sie an.
    »Eh, gut...« war die intelligente Erwiderung, zu der er sich imstande sah.

    Innerhalb kürzester Zeit wurde schon wieder geprostet, diesmal auf die kaiserliche Gesundheit. Caius hob den Becher zum Trinkspruch und machte natürlich mit. Danach musste er einem Sklaven seinen Becher hinhalten, weil der schon leer war. Aus den Gesprächen hielt er sich erstmal weitgehend heraus. Er hatte ja selbst gesehen, wie schlecht es dem Kaiser in Wirklichkeit ging, verstand aber auch Quartos Sicht der Dinge und hütete sich daher, selbst irgendwas über den Gesundheitszustand des Kaisers preiszugeben.


    Verstohlen sah er zu Piso und schob sich einen Bissen in den Mund. Ebenso verstohlen musterte er die anderen beiden Senatoren. Der eine hatte einen gehörigen Sprachfehler, versuchte aber ohrenscheinlich, sich ganz besonders diplomatisch und gepflegt auszudrücken. Der andere war direkt und weniger diplomatisch, fand Caius, aber trotzdem hätte er es wohl mit beiden nicht aufnehmen können, was die Redegewandtheit anbelangte. Ob sie wohl jetzt auf den potentiellen Feind zu sprechen kamen? Noch ehe man sich versöhnt und gemeinsam gegen ihn wenden konnte? Caius hatte nicht allzu viel Ahnung von diesen Dingen, aber selbst ihm erschien es doch etwas riskant, wenn das Gespräch gleich auf diesen Vescularius kommen würde... Erneut tauschte er einen leicht ratlosen Blick mit Piso, der sich, genau wie er, bisher zurück gehalten hatte.

    »Wie, über den Markt gelaufen? Einfach so?« fragte Caius verwirrt, als er sich bequem gelegt hatte. So ein Mist, das brachte seine gesamte Planung durcheinander... Er nagte kurz an der Unterlippe und blickte verstohlen von Axilla zu Piso und wieder zurück. Jetzt musste er sich was Neues überlegen. Aber er wäre ja nicht Caius, wenn ihm da nichts einfallen würde, hah! Die Sache mit den Gedichten bot da schon eine klasse Idee. Eine innere Eingebung formte sich in seinem Inneren....
    8)


    Als Piso seine Schwester auch den anderen vorstellte und er der Vollständigkeit halber auch Caius dabei erwähnte, hob er die Rechte und winkte kurz vielsagend grinsend in ihre Richtung. Zu Seiana gewandt erklärte er halblaut:
    »Manchmal glaube ich, ich hab heute noch Haare von ihr zwischen den Fingern...«


    »Moment, über Land? Da wärst du ja Monate unterwegs.... Obwohl das sicherlich auch was für sich hätte. Willst du denn bald wieder zurück nach Alexandrien oder bleibst du ein wenig länger bei deinem Sen...*hust*.., äh, hier?« rettete sich Caius in ein unverfänglicheres Satzende und grinste verlegen.
    »Aber ich weiß, was du meinst. Echt.« Er selbst hatte ja auch gehörig abgenommen wegen der Reise, weil er den Großteil der Zeit über der Reling gehangen hatte.


    Dann sprach ihn Vera an, und Caius machte große Augen.
    »Du bist auch in Alexandrien gewesen? Wenn ich das gewusst hätte, hätten wir uns mal treffen können!« Iuppiter sei Dank hatte er es nicht gewusst! Entweder wäre Seiana todeifersüchtig geworden oder er selbst hätte irgendwas Dummes angestellt. Er warf Axilla einen flüchtigen Blick zu, wandte sich dann aber schnell wieder Vera zu.
    »Ich war ja zum Arbeiten da unten. War klasse, ich könnt mir auch vorstellen, irgendwann später wieder mal in Ägypten zu wohnen. Vielleicht länger als die fünf Jahre«, erzählte er dann.

    Caius hatte eher weniger Augen für die anderen, die hier herumstanden. Das lag allerdings weniger daran, dass er sich fragte, wer von denen wohl die größtmögliche Ähnlichkeit mit Seiana hatte, als viel mehr daran, dass er einfach auf Mädels stand. Von den eventuellen Neigungen der Leute auf dem Sandplatz wusste er nichts, und selbst wenn, wäre ihm das wohl auch herzlich egal gewesen.


    Gerade sah er wieder zu der großen Sonnenuhr, als links von ihm jemand mit Militärstimme über den Platz brüllte. Katander und er wandten sich gleichzeitig um, um den Schreier ausfindig zu machen, aber der Sklave war schneller. Er nickte mit dem Kinn zu Serapio hin.
    »Sieht so aus, als wär das der, der dich einen Kopf kürzer macht«, stellte er sachlich fest. Caius besah sich den Decimus aus der Ferne und sah Katander dann leicht verärgert an.
    »Nen bisschen mehr Vertrauen in mich würde wirklich nicht schaden«, grummelte er und setzte sich dann in Bewegung, um Serapio entgegen zu gehen.


    Beim Näherkommen musterte er Seianas Bruder. Sonderlich muskulös sah der gar nicht aus, fand Caius, aber man musste schließlich auch kein Muskelprotz sein, um jemanden in den Sand zu schmeißen. Allerdings war da, soweit er das erkennen konnte, so gut wie kein Gramm Fett zuviel am Soldatenkörper zu entdecken. Caius' Blick rutschte etwas höher. Bona Dea, was hatte der stechende Augen! Sah fast so aus, als würde er ganz gerne mal einen Durchziehen... Aber Seiana hatte nie erzählt, dass ihr Bruder Opium mochte, soweit sich Caius erinnern konnte. Andererseits hatte er da so manches nicht mitbekommen. Während Caius dem Decimer immer näher kam, fragte er sich noch, ob er seinen Ausruf tatsächlich so gemeint hatte wie gesagt oder ob das ein forscher Witz wie unter Soldaten war. Katander hatte darauf verzichtet, hinter Caius her zu laufen, und kam stattdessen durch den Säulengang am Rand des Ringplatzes herum. Dann war Caius nur noch drei Meter entfernt.
    »Decimus Serapio?« fragte er und kniff die Augen ein wenig zusammen. Er war ja nicht unhöflich. Außerdem dachte Caius immer noch, dass das Ringen ein nettes Beiwerk zum Gespräch sein würde. Und er wusste, dass Serapio eigentlich wohl Dienst gehabt hätte. Insofern entschloss er sich dazu, Serapio die Hand zu reichen und ganz konventionell anzufangen.
    »Freut mich, dass du es einrichten konntest.«

    Caius wurde allmählich nervös. Er wollte ja gar nich bezweifeln, dass Axilla sehr traurig und am Boden zerstört war, aber wie sie ihn streichelte, war doch mehr als nur freundschaftlich. Oder? Er führte erneut den Wein zum Mund und trank.


    »Nein, schreib erst morgen. Du brauchst einen Moment Ruhe«, sagte er und drückte Axilla kurz. Was er zu der Sache mit dem Mord sagen sollte und zu ihrer Gewissheit, wusste er nicht. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass ein Präfekt so öffentlich jemanden umbringen ließ, nachdem er vorher öffentlich gedroht hatte. Das war ja quasi eigener Rufmord und ließ die Ermittler gleich auf der Matte stehen. Nein, wenn der Terentier das tatsächlich gewesen war, dann hatte er sich reichlich dämlich angestellt. Caius ließ die Gedanken fallen, als Axilla sich erneut an ihn drückte. Er stellte umständlich die Tasse weg und drückte sie tröstend an sich.


    Was sollte er sagen, als sie ihn fragte, ob er ihr glaubte? Er sah sie ein wenig zerknirscht an.
    »Natürlich glaube ich dir. Ich kann mir halt nur nicht so ganz vorstellen, dass dieser Terentius so dumm ist, verstehst du? Ich meine, wenn ich er gewesen wär, hätte ich die Leiche im Mare Internum verschwinden lassen. Damit das nicht so offensichtlich ist«, versuchte er zu erklären und zuckte mit einer Schulter.


    Dann wurde er vor Überraschung steif wie ein Brett, als Axilla sich zu ihm drehte und ihn küsste. Im ersten Moment war er völlig perplex, dann erwiderte er den zärtlichen Kuss. Und hinterher fühlte er sich schlecht und schwach. Als Axilla sich dafür entschuldigte, zog Caius sie wieder zu sich und umarmte sie erneut.
    »Nicht dafür«, erwiderte er. Es war ja auch gar nichts passiert. Nur fühlte er sich so, als wär es.

    Hoppla, dann war er der einzige der römischen Aelier, der in Alexandrien gewesen war bisher? Caius hob überrascht die Augenbrauen. Das verfrachtete ihn in die Position eines Erzählers. Er hob mit den anderen den Becher und trank einen Schluck.
    »Das stimmt. Die Straßen sind schnurgerade, aber nur zwei Straßen sind so breit, dass mehrere Wagen nebeneinander fahren können. Sie laufen von Nord nach Süd und von Ost nach West und kreuzen sich im Alexanderplatz. Aber dass da vier Quadrigen nebeneinander fahren können, bezweifle ich. Die brauchen ja auch ein wenig Platz zum Rangieren«, sagte Caius und nahm sich ganz souverän ein Ei.
    »Die meisten anderen Straßen sind zwar breit, aber nicht über die Maßen, finde ich. Zumindest stellen sie sicher, dass man sich nicht so leicht mit Fuhrwerken ins Gehege kommt.« Zumindest hatte Caius diesen Eindruck gehabt, aber er besaß schließlich auch kein Fuhrwerk.


    »Die Stadt an sich ist in Viertel aufgeteilt und es gibt vier Hauptstadttore. Eine Mauer läuft ringsherum. Die Häuser sind zumeist ziemlich einfach gehalten und oft sandfarben. Ich hatte für meine Zeit im Süden eine möblierte Wohnung angemietet«, erzählte Caius, der allmählich das Gefühl bekam, viel zu viel zu erzählen und die beiden anderen damit zu langweilen.
    »Aber ich war erstaunt, dass es hier in Campanien so schön ist. Hier war nämlich ich noch nie«, sagte er.

    »So ganz unter uns gesagt, glaube ich nicht, dass da irgendein Patrizier eine Ausnahme bildet... Außer Piso vielleicht. Also, Flavius Piso. Ansonsten wird geprahlt und geprotzt ohne Ende. Es gibt vielleicht auch welche, die zumindest so tun, als ob sie sich auf eine Stufe mit dem gemeinen Volk begeben wollen, aber das ist ja noch scheinheiliger als so einen Batzen Geld für eine Sklavin zu bieten, die nichts kann. Oder aber die Tiberia da bekommt zu viel Taschengeld.«


    Caius wandte sich auch wieder der Bühne zu, als das nächste Exemplar auf die Bretter geführt wurde.
    »Oh, ein Duccier? Ich bin während meiner Zeit in Brigantium ein paar Leuten mit deinem Namen begegnet. Vespa? Ach du je, frag mich nicht, wie viele Ecken das sind, über die wir miteinander verwandt sind. Kennst du Quarto? Der ist mein Vetter zweiten Grades, und Vespa ist seine Nichte. Dann ist sie vermutlich meine...äh, Cousine dritten Grades? Ich habe wirklich keine Ahnung. Aber diese Stammbäume sind mir eh ein Buch mit sieben Siegeln.« Caius zuckte mit den Schultern.
    »Dann wohnst du momentan bei Prudentius Balbus«, schlussfolgerte er, als er seinen Namen hörte. Er wandte sich zu Vera und ihrer reichen (oder nun armen?) Bekanntschaft zu und nickte grüßend.
    »Salve, freut mich!« So weit standen sie ja schließlich nicht voneinander entfernt.

    »Ja, in der domus Aeliana«, bestätigte Caius nickend und erhob sich gemeinsam mit dem Senator.
    »Im Frühjahr, nehme ich an. Es steht noch kein Datum fest, dafür jede Menge Anstandsbesuche. Du kennst das ja: Meine Eltern wollen sie zuerst kennen lernen, Quarto natürlich auch. Dann müssen wir noch zu den Auguren und Iuno opfern und was sonst noch alles anfällt. Außerdem soll ich Quarto nach Misenum begleiten. Es ist also im Vorfeld noch jede Menge zu tun. Wir werden aber rechtzeitig bescheid geben.« Caius lächelte Avarus an, auch wenn er angesichts der anstehenden Besuche schon irgendwie Bammel hatte.

    »Oh. Dann ist ein Eutheniarch sowas wie der praefectus annonae«, sagte Caius verwundert. Vermutlich konnte man das aber eh nicht ganz gleichsetzen. Und im Grunde war es auch egal, denn alle Ämter, die Axilla aufgezählt hatte, waren von großer Wichtigkeit in Alexandrien, und allein schon deswegen war es schon ungeheuerlich, dass jemand eine Politikerin umbrachte. Auch wenn Caius zugeben musste, dass es äußerst seltsam war, dass eine Frau in der Politik etwas zu sagen hatte.


    Als sie sich so an ihn kuschelte und dabei ruhiger wurde (das schob Caius dem Kuscheln zu, nicht dem Wein), fühlte er sich sehr stark an ihren Abschied in Alexandrien erinnert. Er schluckte und dachte an Seiana. Dass sich die beiden eigentlich ganz gut verstanden hatten bei der Fete vom Pompeius. Und dass er bald mit Seiana zu seinen Eltern reisen würde. Damit sie seine Verlobte kennen lernten. Axilla strich ihm über die Tunika auf seiner Brust. Caius' Kloß im Hals nahm zu.
    »Ich bin immer da, wenn du mich brauchst«, entgegnete er leicht abwesend. Um etwas zu tun zu haben und sich zu beschäftigen, griff er nach seinem heißen Becher und schnappte nach einem Schluck Glühwein. Das tat gut.
    »Ich frage mich, warum der Terentius deine Verwandte umbringen sollte«, sagte er dann nachdenklich.
    »Ich meine, ich kenne weder sie noch ihn, aber das macht doch keinen Sinn. Selbst wenn er sie gehasst hat... Wenn ich jemanden hasse, dann würde ich ihn öffentlich bloßstellen wollen, damit er sich schämt. Oder die Leiche im Dunkeln verschwinden lassen. Aber so...? Wie hat er... Ich meine, wie ist sie gestorben?« fragte er behutsam.

    Ganz plötzlich verschwand Vera wieder und tauschte damit sozusagen den Platz mit einem Senator, der ziemlich mürrisch dreinsah, wie Caius fand. Piso stellte Caius vor, und der erwiderte die darauf folgende Begrüßung seitens des Senators Flavius Gracchus. Er hatte sich zuvor bei Quarto informiert.
    »Vielen Dank, Senator.« Auch Caius nahm seinen Becher und prostete den anderen zu.
    »Auf eine cena, die uns allen in positiver Erinnerung bleibt!« prostete er und trank dann einen Schluck. Ziemlich guter Wein, aber natürlich fand er seinen eigenimportierten besser. Inzwischen hatten auch alle Platz genommen. Caius fragte sich, ob der zweite flavische Senator aus Rom ebenfalls kommen würde.
    Nun wurden Komplimente hin und her geschoben. Caius hielt sich da zurück. Er war nicht der große politische Redner, und vielleicht fand er deswegen diesen Austausch von Komplimenten so unnötig.

    »Oh, ihr kennt euch?!« platzte es aus Caius heraus, als Piso Axilla so selbstverständlich begrüßte und Axilla den Grus erwiderte.
    »Äh, salve, Axilla...« fügte er ein wenig lahm an. Axilla und Seiana kannten sich ja auch schon, das wusste er. Zum Glück aber waren sie keine beste Freundinnen!
    »Ich wusste gar nicht, dass du schon hier bist. Also, in Rom.« Ein Lächeln folgte in ihre Richtung.
    »Oh, Vera, schön dich zu sehen!«


    Ganz instinktiv klopfte er neben sich auf die Kline und sah Axilla dabei an. Seiana hatte er auf die andere Seite platziert.
    »Tja dann: Willkommen zurück! Ich hoffe, dir war nicht so übel wie mir bei der Überfahrt?« Er grinste kurz.
    »Wenn dir der Wein schmeckt, kann ich dir gern regelmäßig welchen liefern. Ich habe Kontakte zu einem Händler, der seinen Falerner mit Palmwein versetzt. Sowas Gutes habt ihr noch nie getrunken!« Caius nahm sich fest vor, bei der geplanten cena seine Gäste probieren zu lassen.