Beiträge von Caelyn

    Keine Ahnung, wie lange es gedauert hatte, bis wir alles erledigt hatten und wieder zurück auf dem Markt waren. Ich hatte ja schon die Befürchtung, Trutmo könnte vielleicht schon weg sein und ich hier festsaß bis in alle Ewigkeit. Naja, aber was machte mich eigentlich so sicher, dass Trutmo mich überhaupt mitnahm? Nur weil er mal freundlich zu mir gewesen war, konnte ich nicht von ihm verlangen, dass er den Fluchthelfer spielte. Aber wie so oft schon in meinem Leben, klammerte ich mich an einen Wunschgedanken und hoffte, dass er sich erfüllte.
    Der Andrang auf dem Markt hatte merklich nachgelassen. Alles war ziemlich übersichtlich geworden. Die meisten Leute hatten ihre Besorgungen schon am Vormittag gemacht und die, die es sich leisten konnten, saßen schon eine Weile ein paar Ecken weiter in den Thermen und ließen es sich gut gehen. Ich hätte drauf wetten können, dass Sermo auch dort war! Ach Mist, jetzt dachte ich wieder an Sermo? Das war doch jetzt nicht der Moment, wo ich kneifen würde? Nee, ich kniff nicht. Ich grinste nur gemein, als ich mich fragte, ob er schon leichte Kopfschmerzen hatte.
    "Da ist er noch!", sagte ich zu Linos, der immer noch bei mir war. Trutmo war noch an seinem Platz. Seine angebotenen Waren hatten sich sichtlich dezimiert und dass, was noch da war, hatte er schon begonnen, wegzupacken. Als wir dann direkt vor seinem Stand zum stehen gekommen waren, blickte er auf und erkannte zumindest mich gleich wieder.


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    Trutmo


    "Nanu, die betrübte junge Frau von heute Morgen! Was führt dich her? Hast du was vergessen?", fragte der Händler freundlich und sah uns dabei ziemlich erwartungsvoll an. "Öhm ja", druckste ich so vor mich herum. Ich spürte so ein komisches kribbeln in mir, was wahrscheinlich eine Mischung aus Angst und Aufregung war. Wenn ich jetzt was Falsches sagte, dann setzte ich alles in den Sand!
    "Ich wollte dich noch was fragen… nämlich… ob du… mir vielleicht…äh… helfen könntest." Mannomann, war das ´ne schwere Geburt!
    Trutmo sah mich mehr als erstaunt an, denn mit so etwas hatte er garantiert nicht gerechnet. "…Ob ich dir helfen könnte? Ja, natürlich… vielleicht? Was kann ich denn für dich tun?" Wie immer war er freundlich, nur jetzt merkte man ihm die eine oder andere Unsicherheit an, was man ihm ja nicht verdenken konnte.

    Na hoffentlich, dachte ich, als sie mir das versicherte. Komisch, mir war irgendwie nicht ganz wohl bei der Sache. Vielleicht weil ich diesmal bei Sermo am Drücker war und nicht er. Hoffentlich kriegte er das, was er verdient hatte!
    Die Priesterin nahm mein Plättchen und verschwand damit. Ich schaute verlegen zu Linos rüber, der immer noch tapfer im Tempel verharrte. Vielleicht nutzte er ja die Zeit, um zu seinem gekreuzigten Gott zu beten, jetzt wo er schon mal in einem Tempel war.
    Die Priesterin kam nach einer Weile wieder. Sie hatte den Fluch auf Papyrus geschrieben und zeigte es mir nun. Fast schon zögerlich nahm ich die kleine Rolle und las Wort für Wort. Sie hatte es genauso aufgeschrieben, wie ich es gesagt hatte. Ich sagte nichts. Ich nickte ihr nur stumm zu.

    Na bitte! Geht doch! Mit etwas gutem zureden, erinnerte sich Issa schlagartig wieder, was er eigentlich machen sollte, nämlich mir den anderen Fuß auch noch verbinden. "Hey, das machst du echt gut! Hast wohl Erfahrung darin, was? War dein vorheriger Herr auch so ein brutaler Mistsack?" Der Neue hatte kaum ein Wort über sich verloren. Außer seinem Namen und dass er frisch vom Markt war, hatte er rein gar nichts von sich gegeben. Die ganze Zeit hatte nur ich gelabert - weil er mich gefragt hatte! Aber meinen Gedankenschiss fand er dann doch nicht so lustig. Naja, irgendwie hatte er da ja auch recht. Wie sollte man sich hier schon ein paar nette Tage machen können? In so "netter" Umgebung? "Stimmt! Ich denke, das kann ich knicken. Allein weil man schon hier sein muss, wird einem der Tag versaut!" Mal nachdenken, was man alles so im sitzen machen konnte…. Na toll, das fiel mir nur die Küche ein. Nach dem heutigen Tag und das, was gestern passiert war, hatte ich es mir wohl auch jetzt bei Pera verscherzt.

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    Caerdoc von den Ambiani


    Der Ambianer ließ seine Waffe sinken. So schnell wie er den Doch hervorgeholt war, war er auch wieder verschwunden. Zum Glück war die Sache bereinigt. Caerdoc atmete erleichtert auf. Schon lange war er nicht mehr so eiskalt erwischt worden.
    Der Vorschlag seines neuen "Freundes" gefiel ihm außerordentlich gut. "Das ist ganz nach meinem Geschmack! Ich bin Caerdoc", lachte er. "Ich kenne da eine nette Taverne, wo es guten Met und gutbestückte Weiber gibt", meinte er schließlich, als er bereits schon losgegangen war.

    Mann! Mit zärtlich sein meinte ich natürlich nicht, dass er gar nix mehr machen sollte. Issa sah mich gespannt an. Mannomann, da hatte ich was losgetreten. Sogar Gaia schaute zu mir rüber, mit ihrem schmerzverzerrten Gesicht. "Naja, das ist ´ne lange Geschichte. Sermo hab ich nach der Hochzeit meines früheren Dominus kennengelernt. Ich war damals ziemlich fertig und bin während des Hochzeitszuges sozusagen "abhanden" gekommen. Er hat mich damals gefunden und, oh Wunder er war wirklich nett zu mir gewesen. Er hat mich dann zu sich nach Hause mitgenommen. Aber irgendwann hat er dann eben rausgekriegt, dass ich ´ne Sklavin bin. Wir hatten dann ausgemacht, dass er mich zurückbringt und mich kauft. Danach wollte ich noch etwas bei ihm bleiben und er ließe mich dann frei. Das erster hat er ja dann gemacht. Er hat mich zurückgebracht. Aber das Schärfste war, er hat keinen lausigen Sesterz für mich bezahlen müssen! Ursus hat mich ihm einfach so überlassen, weil ich das so wollte. Damit ich glücklich werde. Glücklich werden, dass ich nicht lache!" Naja, aus dem "etwas" war jetzt schon über ein Jahr geworden und es war noch gar nicht absehbar, wie lange es noch andauerte, dieses "etwas". "Tja, und als er mich dann hatte, hat er mir was geschissen, von wegen freilassen und so", sagte ich trübsinnig. So wie ich Sermo nun jetzt einschätzte, ließ er mich wahrscheinlich nie frei. "Und machst du heute noch an meinen Füßen weiter?", knurrte ich plötzlich. Zugegeben, das war jetzt ein bisschen frech, aber so konnte ich mich auch wieder ablenken.
    Nach einiger Zeit kam mir da so ein Gedanke, der ziemlich schnell auch ausgesprochen war, ohne groß zu überlegen. Gedankendiarrhö eben. Darin war ich ja so was, wie ´ne Expertin. "Mit den Füßen kann ich doch garantiert die nächsten Tage gar nicht laufen, oder? Na, dann mach ich mir mal ein paar schöne Tage."

    Den Namen? Ich sollte den Namen nennen? Plötzlich wurde mir so kribbelig zumute, als ob ich was verbotenes tun würde. Mannomann, ich tat ja auch was verbotenes! Und logisch, damit der Fluch auch funktionieren konnte, musste ich natürlich auch den Adressaten angeben. Das war genauso, als würde ich ´nen Brief schreiben.
    "Den Namen?", fragte ich unsicher und warf Linos einen kurzen Blick zu. Naja, die Priesterin wusste ja, was sie tat. Und garantiert würde sie damit später auch nicht hausieren gehen. Deswegen hatte sie ja die Münzen gekriegt. "Ja sicher, der Name! Also, öhm…" Bekam ich jetzt etwa Skrupel? Waren das etwa echte Schuldgefühle? Also wirklich! Der Kerl hatte mich zig mal vergewaltigt, er hatte mich geschlagen, nutzte mich nach Strich und Faden aus und war mir gegenüber einfach nur gemein. Wenn es einer verdient hatte, dann ja wohl Sermo! "Iullus Quintillius Sermo!", flüsterte ich ihr zu. Dann kramte ich das Täfelchen aus Blei hervor und hielt es der Priesterin entgegen.

    Linos entschied sich dann doch, bei mir zu bleiben. Ehrlich gesagt, war mir das auch viel lieber. Die Priesterin war ja wirklich sehr nett, trotzdem hatte ich aber irgendwie Angst, was falsch zu machen. Und auch wenn Linos nun mal Christ war, hatte er garantiert mehr Ahnung, als ich.

    Die Pristerin war auch noch freundlich, als ich ihr sagte, was ich vorhatte. Sie nahm die Münzen und nickte bedächtig. Als sie mich schließlich fragte, was ich Sermo wünschte, fielen mir spontan tausend Sachen ein: die Krätze, faule Zähne, Fußpilz, dicke fette eiternde Pusteln, Dünnschiss, Flöhe, Fieber, Kopfweh, dass er nie wieder einen hoch kriegt, und und und... meine Fantasie kannte keine Grenzen. Aber Vorsicht! Am besten ich wünschte ihm nichts, was ansteckend war. Am Ende rottete ich damit noch halb Mogontiacum aus. Nein, es sollte etwas sein, was nur ihn betraf. Und auch nur dann, wenn er an mich dachte. Mal ehrlich, wenn der rauskriegte, dass ich geflitzt war, dann würde er ziemlich oft an mich denken! Komisch, gerade jetzt taten mir wieder die Fußsohlen weh. Ausgerechnet die Fußsohlen! Es war gerade mal ein paar Wochen her, seitdem er mir mit dem Rohrstock die Füße blutig geschlagen hatte. Die Wunden waren zwar fast schon wieder verheilt, aber manchmal tat´s doch noch richtig weh! Ein gehässiges, doch ungemein befriedigendes Lächeln legte sich um meine Mundwinkel. "Er soll fiese Schmerzen haben, wann immer er an mich denkt! Seine Füße sollen dann wie Feuer brennen, bei jedem Schritt und die Schmerzen in seinem Kopf sollen ihn an den Rand des Wahnsinns treiben... wann immer er an mich denkt!", flüsterte ich ihr leise zu, nachdem ich mich vergewissert hatte, dass kein neugieriges Ohr mithörte. Wenn das kein schöner Fluch war!

    Die Priesterin schaffte es tatsächlich, mir meine Nervosität zu nehmen. Einen Teil jedenfalls. Denn da stand ja immer noch etwas im Raum. Der Fluch! Ob sie dann immer noch so freundlich war, wenn ich ihr gesagt hatte, was ich noch zu erledigen hatte?
    Im Moment jedenfalls, glaubte sie, eine kleine junge Familie vor sich zu haben, die bald ihr erstes Kind erwartete. Linos aber räumte damit gleich mal gründlich auf und stellte klar, dass er nicht der Kindsvater war. Naja, konnte man ihm ja auch nicht verdenken. Er kannte mich ja gerade mal ein paar Stunden. Und außerdem kannte ich ja jetzt sein Geheimnis.
    "Ist schon gut, Linos. Ich glaube, ich komme zurecht,wenn du nicht dabei sein willst", sagte ich ihm lächelnd. Er hatte mir ja schon mehr als genug geholfen!


    Ich trat noch etwas näher an die Priesterin heran, so dass ich ihr etwas zuflüstern konnte. Denn nicht nur ich, auch sie konnte da ganz schön große Schwierigkeiten kriegen, wenn raus kam, was ich sonst noch wollte.
    "Es gibt da noch einen Mann, der meinem Kind und mir böses will. Ich möchte den Herr Attis bitten, ihn dafür zu strafen. Eine defixio…" Gleichzeitig holte ich einige Münzen aus dem Beutel und drückte sie der Priesterin unauffällig in die Hand. Ich war garantiert nicht die einzige mit diesem Anliegen und sie würde bestimmt verstehen, wie wichtig es für mich war.

    Aha, Issa hieß der Typ also. Und vom Markt kam er. Klar woher auch sonst? Warum fragte ich auch so blöd? Schweigend betrachtete ich ihn mir, wie er an meinem Füßen herumdokterte. Er war dabei nicht besonders feinfühlig. Ich biss die Zähne zusammen, als es weh tat. Aber als es richtig wehtat, schrie ich auf und murrte ihn an. "Mensch, kannst du nicht ein bisschen …öhm zärtlicher sein." Zärtlich! Ich hatte sie wohl nicht mehr alle! Aber mir fiel kein besseres Wort ein.
    Der Kerl war ganz schön wortkarg. Aber was sollte er mir auch erzählen. Er kannte mich ja überhaupt nicht. Außer dass ich schwanger war und gerade eben erst eine Abreibung von meinem Dominus bekommen hatte, wusste er gar nichts über mich. Und vielleicht wollte er das ja auch gar nicht. Oder? Zu meiner Überraschung fragte er aber dann doch.
    "Sermo, der Mistkerl hat mich reingelegt und mich meinem alten Dominus einfach so abgeluchst. Wie sonst?", antwortete ich trocken, als ob es das logischste auf der Welt war, wie man in Sermos Besitz kommen konnte. Pera und selbst die starkangeschlagene Gaia schauten kurz auf, bevor sie wieder weitermachten, die eine verarztete, die andere jammerte vor sich hin.

    Das hatte ja schon was ungemein beruhigendes! Das musste man schon sagen. In der einen Hand hielt mich Linos, in der anderen hielt ich eine kleine Tonfigur in Form eines Vogels. Die hatte ich noch schnell bei einem der fliegenden Händlern vor dem Tempel gekauft, der seine Massenware, bestehend aus Figuren von einschlägigen Opfertieren, an Geizkragen, die kein Opfertier kaufen wollten oder Leute wie mich, die sich kein echtes Blutopfer leisten konnten, verkaufte. Der hatte mich so lange bequatscht, bis ich den Geldbeutel gezückt hatte. Sicher ist sicher! Die Magna Mater steht auf so Flattermänner, hatte er mir gesagt. Na schön, wenn sie Geflügel mochte. Alles für die Göttin, alles für die Göttin!
    Als dann die Priesterin vor uns auftauchte, übernahm erst mal Linos das Reden. Er hatte gemerkt, wie aufgeregt ich war. Die Priesterin, reich an Jahren und sicher auch an Erfahrung, hatte garantiert schon eine Menge gesehen. Wahrscheinlich hielt sie uns für ein Pärchen, so hädchenhaltend, wie wir daher kamen.
    "Öhm, ja genau! Ich möchte die große Mutter um eine glückliche Geburt bitten und dass sie ihre schützende Hand über mein Kind hält, wenn es da ist." Dann zögerte ich, aber man sah mir an, dass ich noch was auf der Zunge liegen hatte. Kurzer Hand ließ ich Linos Hand los und griff nach dem Geldbeutel. "Und dann gibt es noch eine andere Sache, die ich erledigen muss." Doch das musste im Verborgenen geschehen, da wo es außer der Priesterin, mir und vielleicht noch Linos niemand sonst mitbekam.

    Tja, und schon standen wir vor dem Tempel, der zwar nicht besonders groß war, aber ansonsten alles hatte, was ein Tempel so haben musste. Ich spürte, wie sich Beklommenheit in mir breit machte. Zum Glück hatte ich Linos an meiner Seite, sonst wäre ich wohl gleich wieder umgekehrt.
    Zögerlich stieg ich die Treppen empor und sah mich um. Als wir den Tempel betraten, überschlug sich fast mein Herz. Ganz ruhig, Caelyn, sagte ich zu mir selbst. Es kann nichts Schlimmes passieren.
    "Und? Was jetzt?", flüsterte ich Linos zu.

    Zum Glück hatten sich die beiden vom Käsestand aus dem Staub gemacht. Linos hatte sie edenfalls nicht mehr entdecken können. Trotzdem kehrte ich mit einem flauen Gefühl auf den Markt zurück um Opfergaben für den Tempel zu kaufen.
    Nach einigem Suchen und einer guten Beratung durch Linos, obwohl er ja eigentlich Christ war, hatten wir ein paar Opfergaben zusammengekauft, die nicht so furchtbar teuer waren. Den Rest des Geldes brauchte ich noch für andere Dinge. Aber ein paar Kekse und Blumen waren drin. Außerdem hatte ich noch ein Täfelchen aus Blei erstanden, was man unternormalen Umständen als Votivtäfelchen hätte nutzen können. Naja, im Prinzip wollte ich ja auch um etwas bitten, nämlich dass Sermo es für den Rest seines Lebens bereuen sollte, was er mir angetan hatte.
    "So, dann nichts wie zum Tempel!", sagte ich zu Linos und deutete in die Richtung wo es zum Tempel der Isis und Magna Mater ging.

    Sermos neueste Errungenschaft ließ meinen Fuß einfach los. Das war nicht besonders nett, denn als meine verletzte Fußsohle auf dem Boden aufkam,tat das irre weh, so dass ich noch einmal aufschrie. Aber es kam noch schlimmer, denn kurz darauf wurde mir mein rechter Fuß einfach weggezogen, so dass ich gezwungen war auf meinem verwundeten linken Fuß zu stehen. Die Schmerzen wurden so unerträglich. Schließlich knickte mein Bein ein und ich hing nur noch. Kurz danach kam der erste Schlag, der mich wieder aufschreien ließ. Dann kam der zweite und schließlich der dritte. Endlich war es vorbei. Diesmal wurde der Fuß wesentlich behutsamer nach unten gelassen.

    Der Neue hatte Gaia zuerst von ihren Fesseln befreit. Ihre Schwester stürzte gleich auf sie zu, um sich um sie zu kümmern. Doch der Neue hielt sie davon ab, weil sie zurück zum Servitricium tragen wollte, so wie es Sermo angeordnet hatte.
    Als ich an die Reihe kam und er mir die Fesseln abnahm, sackte ich zusammen auf meine Knie. Der Neue legte seine Arme um meinen Oberkörper, um mir aufzuhelfen. Aber ich wollte das nicht. "Lass mich!", keuchte ich. Ich wollte selbst auf die Füße kommen. Sobald ich mich aber versuchte, mich aufzurichten, brach ich wieder zusammen, weil die Schmerzen so stark waren. Diesmal hob der Neue mich einfach vom Boden auf und trug auch mich ins Servitricium.
    Pera hatte schon damit begonnen Gaias Wunden zu versorgen. Sie jammerte immer noch. Der Neue setzt mich auf mein Lager. Ohne dass ich ihn darum gebeten hätte, sah er sich meine Füße an und fing an sie zu verarzten. "Wie heißt du eigentlich und wie kommst du hierher?", fragte ich ihn, als er den linken Fuß zu verbinden begann.

    Als diese halbe Portion mich zu den Säulen zerrte und dort meine Handgelenke fest band, bekam ich es dann doch mit der Angst zu tun. Aber trotzdem flennte ich nicht, so wie Gaia. Ich zog es vor, lieber ruhig zu bleiben. Nicht weil ich die Heldin spielen wollte. Es war fast genauso wie vor etlichen Wochen, auf der Reise nach Germanien, als dieser Mistkerl mich vergewaltigt hatte. Das hatte ich vorher auch nicht hysterisch rumkrakelt.
    Dann machte der Neue sich an den Fibeln meiner Tunika zu schaffen. Ich spürte, wie der Stoff sich löste und bis zur Hüfte hinunter glitt. Jetzt stand oder besser gesagt, hang ich halb nackt da. Das schüchterte gleich noch mal ein bisschen mehr ein. Gaia wimmerte, noch ehe sie den ersten Schlag abbekommen hatte.
    Sermo sprach zu uns. Aber was er sagte, interessierte mich nicht wirklich. Das übliche Gesülze eben. Ich dulde dies und das nicht, ihr sollt gehorsam sein, blablabla. Das hätte er sich echt sparen können.
    Er war zu uns herangetreten. Langsam wurde ich nervös, denn ich konnte nicht genau erkennen, hinter wem er genau stand und wer von uns zuerst die Schläge abbekam. Plötzlich hörte ich, wie etwas schnell durch die Luft sauste und irgendwo aufklatschte. Ich biss fest die Zähne zusammen und kniff die Augen fest zu. Aber nicht ich, sondern Gaia bekam den Rohrstock zu spüren. Jetzt schrie sie auf. Sie schrie noch einige Male auf und rang zwischendurch nach Luft und heulte los.
    Mit jedem Schlag zuckte ich zusammen. Mir liefen die Tränen über die Wangen. Niemand hatte so was verdient. Nicht mal Gaia.
    Sermo hatte zehnmal zugeschlagen. Jeden einzelnen Schlag hatte ich mitgezählt, damit ich wusste, was mich noch erwartete. Aber dann kam doch alles ganz anders.
    Ganz unerwartet wurde mein linker Fuß nach hinten gezogen. Ich begann etwas zu straucheln. Wäre ich nicht festgebunden gewesen, hätte ich mich voll auf die Kinnlade gelegt. Ich fragte mich, was jetzt kam. Und dann war er auch schon da, dieser ziehende Schmerz auf meiner Fußsohle. Ich war so überrascht, dass ich schreien musste. Der Schmerz zog mich richtig runter, so dass sich die Fesseln in meine Handgelenke schnitten. Dann schlug er nochmal und nochmal zu. Jetzt schnappte ich auch nach Luft. Mein Fuß brannte wie Feuer und tat furchtbar weh. Aber komischerweise kam dann nichts mehr. Vorerst nicht. Aber Sermo traute ich nicht über den Weg. Dieser Dreckskerl spielte bestimmt nur mit mir. Ich rechnete fest damit, dass noch irgendetwas kam. Irgendeine Gemeinheit.
    Im wahrsten Sinne des Wortes hing ich in den Seilen, japste nach Luft und wimmerte leise. Hoffentlich war es bald vorbei!

    Zugegeben, meine Reaktion war vielleicht ein bisschen überzogen. Aber wann hatte man es schon mal mit einem waschechten Christen zu tun? Normalerweise lebten die doch im Verborgenen, wo sie ihren komischen Bräuchen nachgingen. Naja, so hatte ich es jedenfalls gehört. Aber wenn ich mir Linos so betrachtete, konnte ich das kaum glauben.
    "Öhm, ja genau!", versuchte ich mich irgendwie herauszuwinden und an was anderes zu denken. Zum Glück wechselte Linos auch ganz schnell das Thema. Die Frage, die er stellte, war echt berechtigt, denn wir oder besser gesagt ich musste mal langsam in die Pötte kommen,wenn ich heute noch weg wollte. Zum Schluss war Trutmo schon weg und ich saß hier fest. Ich hatte ja noch keine Ahnung, dass ich Linos längst schon mit meinem Freiheitswillen angesteckt hatte.
    "Wenn du meinst. Ja, so machen wir´s! Komm, lass uns gleich losgehen!"

    Im Prinzip war es mir ja ziemlich Wurscht, woran einer glaubte und ob er überhaupt glaubte. Ich für meinen Teil hatte auch irgendwann das Vertrauen in die Götter verloren, ganz egal ob es nun die alten gallischen oder die römischen waren. Die Götter hatten es schließlich zugelassen, dass meine Mutter elendig krepiert war, dass mein Bruder und ich auf der Straße gelandet waren und dass er jetzt tot war. Naja, dass ich jetzt Sklavin war, daran war ich wohl selbst schuld gewesen. Aber was war mit all dem anderen? Wo waren da die Götter gewesen?
    Was mir aber nun Linos eröffnete, war schon ganz schön hart! "Du bist Chr…", rief ich laut, konnte mich aber gerade noch bremsen und reduzierte empfindlich die Lautstärke. "Du bist Christ?", wiederholte ich flüsternd.Scheiße noch eins! Man hatte ja schon allerhand über diese Christen gehört, und dass sie kleine Kinder aßen und das Blut von anderen Leuten tranken. Und so einer sollte Linos sein? Das konnte ich mir irgendwie gar nicht vorstellen.
    Naja, er war Christ. Das hieß wohl, meinen Fluch und die Bitte für mein Kind konnte ich jetzt den Häschen geben. Oder ging das trotzdem, wenn jemand dabei war, der Christ war? Warum eigentlich nicht? Schließlich hatte Linos ja keine Tunika an, auf der mit riesig großen Buchstaben 'Ich bin Christ!' draufstand.
    "Öhm ja, also… wenn du mit mir gehen könntest, wäre das sicher ganz toll. Ich meine, du musst ja nicht zu den Göttern dort beten. Oder wenn du beten willst, dann betest du eben zu deinem Gott. Ist doch eigentlich Wurscht, wo man betet. Hauptsache man betet, meine ich." Öhm ja, irgendwie war das jetzt eine komische Situation.

    Wo er recht hatte, da hatte er einfach recht. Es war ja ziemlich blauäugig, sowas zu fragen. Wenn ich später abhauen würde, war das garantiert viel schlimmer, als so ein läppischer Fluch. Wenn´s dumm lief erfüllte er sich nicht mal. Aber na gut, einen Versuch war es mir wert. Wenn´s dadurch Sermo nur richtig dreckig ging!


    "Geld ist kein Problem. Ich hab hier noch reichlich", und deutete an die Stelle meines Umhanges, unter der sich der Geldbeutel befand. "Das reicht sogar, um sich danach noch was zu essen zu kaufen." Und falls nicht, dann hatte ich ja immer noch den Käse. In der Not schmeckte Käse auch ohne Brot.
    Gerade noch wollte ich den Vorschlag machen, loszustiefeln, da sagte Linos was ziemlich komisches, was mich verwirrte. Ich war mir nicht sicher, wie ich das aufnehmen sollte. Er wollte was klären. Hatte ich irgendwas dummes gemacht, oder so? "Was willst du denn klären?", fragte ich vorsichtig.

    Während ich so daher plapperte und mich über die mogontiacische Tempellandschaft ausließ, hatte ich nichts von Linos inneren Veränderung mitgekriegt. Ich war viel zu sehr mit mir selbst und der Frage beschäftigt, in welchen Tempel wir gehen sollten. Als er dann plötzlich was sagte, schaute ich ihn ganz verdutzt an. Um einen Fluch bitten? "Öhm, ich will ja nichts sagen, weil ich eh nicht viel Ahnung habe, aber ist sowas nicht verboten?" Ich konnte mir beileibe nicht vorstellen, dass ich einfach in den Tempel stiefelte, dem nächstbesten Priester mein Fluchtäfelchen in die Hand drückte und dann unbeschadet wieder rauskam. Allerdings, wenn ich so darüber nachdachte, ich hätte da schon jemanden gewusst, den ich hätteverfluchen können.
    "Und wo kriegt man so eine Fluchtafel her?", fragte ich interessiert weiter. Irgendwie freundete ich mich immer mehr mit diesem Gedanken an. Endlich hatte ich was gefunden, womit ich es ihm heimzahlen konnte. Irgendeine Opfergabe würde sich bestimmt auf dem Markt auch noch auftreiben lassen. Ich hatte ja noch genug Geld, was eigentlich für den Einkauf bestimmt gewesen war. Bei dem Gedanken daran musste ich plötzlich schmunzeln. Ich kaufte mit Sermos Geld eine Opfergabe und so ein Täfelchen, um ihn anschließend damit zu verfluchen. Wenn das nicht dreist war!

    Etwas sinnvolles machen. Das hatte noch niemand zu mir gesagt, er würde was sinnvolles machen, wenn er mir helfe. Ich war eigentlich nur noch froh, dass mir Linos über den Weg gelaufen war. Gerade jetzt, wo alles noch unerträglicher zu werden schien. Das fühlte sich gut an, mit jemand reden zu können, der es gut mit mir meinte. So was hatte ich nicht mehr erlebt, seit ich von Aretas fortgerissen worden war.


    Auf mein Angebot, ihn mitzunehmen war er gar nicht eingegangen. Es kam ja auch ziemlich überraschend. So einfach konnte man sich nicht für so etwas risikoreiches entscheiden. Das brauchte Zeit. Drum hakte ich auch nicht mehr nach, wenn er nicht von selbst darauf zu sprechen kam. Vielleicht hatte er ja ein gutes Zuhause, wo man ihn einigermaßen anständig behandelte. Nicht alle Römer waren so wie Sermo.


    Linos schien ein wenig ratlos zu sein, in welchen Tempel wir gehen sollten. Aber das hing nur daran, weil er sich hier noch nicht gut genug auskannte. Ich überlegte kurz. Schließlich war ich schon dutzende Male an einigen der Tempel vorbeigelaufen. Wobei ich da auch nicht immer genau darauf geachtet hatte, welcher Tempel welchem Gott oder Göttin geweiht war. "Also, es gibt glaube ich einen Tempel für Mars. Aber den können wir uns glaube ich schenken. Dann einen für die kapitolinische Trias. Naja, da wäre wenigstens Iuno mit dabei. Und dann gibt es da noch den Tempel der … ähm wie heißt sie gleich noch mal. Na, du weißt schon, diese ägyptische Göttin. Öhm Isis, ja genau. Der Tempel der Isis und der Magna Mater." Das war´s dann auch schon, was mir dazu einfiel. Ich überlegte aber weiter, zu wem wir denn gehen konnten. Ich hoffte ja immer noch, Linos würde mich begleiten, dann alleine kam ich mir ziemlich aufgeschmissen von. "Naja, Magna Mater, klingt doch gut, oder?" Wenn schon eine Göttin große Mutter hieß, dann war das doch klar, wohin wir gingen. Ich sah ihn fragend an, was er dazu meinte. Schließlich hatte er da viel mehr Ahnung als ich. Glaubte ich jedenfalls.

    Naja, Linos war ja nicht blöd und auf dem Schlauch stand er auch nicht. Natürlich hatte er gleich gemerkt, das irgendwas im Busch war. Und es wäre ganz schön unfair gewesen, wenn ich ihn nun einfach so hätte abblitzen lassen. "Also weißt du…", begann ich und überlegte, wie ich´s ihm sagen sollte. "Also, ich vertrau dir ja schon, aber…öhm…" Aber was? "Naja, ich will nicht, dass du wegen mir Ärger kriegst. Und den wirst du kriegen, wenn die erst mal rausgekriegt haben, dass du mit mir zusammen gewesen bist, bevor… na, du weißt schon." Der Kerl von vorhin machte mir immer noch Angst. Wenn der irgendetwas von Linos erzählte, dann war er dran. Mit Fluchthelfern ging man mindestens genauso wenig zimperlich um, wie mit den Geflohenen selbst. Oder wollte Linos etwa mit? Über diese Möglichkeit hatte ich noch gar nicht nachgedacht.
    "Wenn du hier weg willst, dann komm doch einfach mit! Ich hatte vor, mich bis nach Gallien durchzuschlagen und dann… mal sehen, was dann." Das meinte ich ernst, obwohl ich wusste, dass es dann noch schwieriger wurde, überhaupt erst mal raus aus der Stadt zu kommen.
    Dannsate er, dass er das mit dem Tempel gar nicht so schlecht fand. Das mit dem Asyl hatte ich auch nicht gewusst. Eigentlich wusste ich fast gar nichts, wenn´s um religiöse Sachen ging. "Ach echt? Dann lass uns jetzt erst mal zu einem der Tempel gehen." Irgendwie hatte ich das Gefühl, Linos kannte sich mit diesem religiösem Schnickschnack ein bisschen aus als ich. Bestimmt konnte er mir helfen. Ich wollte zwar dort nicht um Asyl bitten, aber er wusste bestimmt, was man in einem Tempel so machte. Vor allen Dingen, wie man esmachte. "Was meinst du, in welchen wir gehen sollen?" Die Tempel waren ja gleich hier um die Ecke.