Beiträge von Decima Seiana

    „Nein, natürlich nicht, aber…“ Oh Götter, was hatte sie getan, dass sie sich nun damit herumschlagen musste. Caius schien sich immer mehr aufzuregen, und es gab nicht wirklich etwas, was sie entgegnen konnte, weil er ja irgendwo Recht hatte. Natürlich wollte er sie nicht ans Messer liefern, das wusste sie, genauso wie sie wusste, dass es ihm nicht sonderlich gefiel, dass sie darauf bestanden hatte woanders zu wohnen, und – Seiana starrte ihn an. Sie wusste, was er meinte. Sie wusste allerdings selbst nicht so genau, wie sie zu diesem Thema stand. Natürlich hatte sie sich schon Gedanken dazu gemacht, wie es wäre, wenn Caius und sie… Seiana kaute kurz auf der Unterlippe und musterte ihn. Dazu kam: war es so gut, wenn sie heirateten und sie, zumindest was die Praxis betraf, völlig ahnungslos war, wenn die Nacht anfing? Sie war so ungern unvorbereitet. Sie würde von der ganzen Feier tagsüber vermutlich kaum etwas mitbekommen, weil sie so aufgeregt sein würde. Auf der anderen Seite war es eigentlich klar, was von einer Frau erwartet wurde, nämlich anständig, sittsam und tugendhaft zu sein. Oder zumindest dafür zu sorgen, dass jeder das von ihr annahm. Wenn die Leute das von ihr annahmen, dann konnte sie eigentlich machen, was sie wollte… Aber schwanger zu werden, bevor sie verheiratet waren, war definitiv keine Option. „Nenn sie nicht Schrapnelle“, brummte Seiana also nur. Weil sie schlicht nicht wusste, was sie zum Rest sagen sollte. „Sie ist sehr lieb, da kannst du wirklich nichts sagen.“ Was das Wohnen betraf, gab es keine Diskussion, denn wenn sie zusammen wohnten, konnten sie sich noch so anständig benehmen, irgendwann würden die Leute reden, und irgendwann würde das Gerede Ohren erreichen, von denen Seiana nicht wollte, dass es sie erreichte. Eine anständige, unverheiratete Frau wohnte nicht mit einem unverheirateten Mann zusammen, da war es ganz egal, was tatsächlich passierte in den vier Wänden.


    Zu ihrem Glück hatte Caius auch nicht vor, allzu sehr auf dieses Thema einzugehen, denn plötzlich stockte er mitten im Satz und sprang dann zum nächsten, metaphorisch gesprochen, und nun musste Seiana erneut ein Kichern unterdrücken. Sein Kumpel Valerian? So hatte sie ihn noch nie vom Kaiser reden hören, genauso wenig wie vom Consul. „Na ja das Zusammenwohnen war keine sonderlich gute Idee, das musst du zugeben. Wir können von Glück reden, dass das keiner so wirklich gemerkt hat. Oder ich“, fügte sie etwas leiser hinzu. Wäre sie tragbar, als Subauctrix der Acta, als Angestellte der Schola und des Museions, wenn bekannt wurde, dass sie eine Zeitlang bei Caius gewohnt hatte, als sie hier angekommen war? Sie wusste es nicht, und sie wollte es auch gar nicht erst herausfinden. Allerdings sagte sie nichts weiter dazu, sondern widmete sie sich stattdessen dem Brief, den Faustus ihrem Verlobten geschickt hatte. „Das ist doch unglaublich…“ Er drohte Caius tatsächlich damit, ihn zu verprügeln! Und Caius regte sich gerade genug auf, dass sie zu argwöhnen begann, er plante umgekehrt bereits das gleiche. Seiana wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Oder auch wütend werden. Und es kam noch schlimmer, denn Caius hatte sich umgekehrt ihren Brief geschnappt. Und der Ausbruch, der nun folgte, war noch heftiger als der zuvor. „Hey! HeyheyHEY, Moment mal!“ Seiana sprang vor und schnappte sich den Papyrus, auf dem die fatalen Worte standen. „Du wirst das schön bleiben lassen, in Ordnung? Du bleibst hier!“ Mit in die Seite gestemmten Armen baute sie sich vor ihm auf und funkelte ihn an, was sich durchaus etwas witzig ausnahm, immerhin war sie gut anderthalb Köpfe kleiner als er. „So weit kommt’s noch, dass ihr euch meinetwegen prügelt! Und was diese Schwangerschaftssache angeht, das ist ein Hühnchen, das ICH mit meinem Bruder rupfen werd, nicht du, haben wir uns verstanden?“

    Seine schon? Seiana starrte ihn gespielt empört an, kam aber nicht mehr dazu, ihm darauf zu antworten, weil er schon von seinem Brief an Faustus erzählte. Was den Hustenanfall bei ihr auslöste. Natürlich hab ich ihm von dir erzählt! Und ich denk auch nach wie vor, dass ihr euch gut verstehen würdet. Eigentlich…“ Also, wenn der Start nicht allzu schlecht ausfällt, dachte sie noch, aber das fügte sie vorsichtshalber nicht laut hinzu. Im Moment war ihr die Gefahr, dass der Start schlecht ausfiel, etwas zu groß. Wie empfindlich würde Faustus auf die Tatsache reagieren, dass er von Caius zuerst gehört hatte? Damit, dass er zusätzlich noch den Beschützerinstinkt in sich entdecken würde, rechnete Seiana allerdings am allerwenigsten.


    „Er kann’s kaum noch erwarten…“ Das klang doch nicht sooo schlecht. Aber Seianas Stimme erstarb sofort wieder. Im wahrsten Sinne des Wortes, hatte Caius noch hinzugefügt. Und Seiana verstand das durchaus zu richtig. „Oooh…“, seufzte sie. Dann erstarb ihre Stimme erneut. Ihr Mund allerdings blieb offen. Denn Caius zeigte einen Ausbruch an Temperament, das sie von ihm so bisher noch nicht erlebt hatte. „Äh. Zenturio“, antwortete sie verspätet. Und starrte ihren Verlobten weiter an. „Er, äh… Caius?“ Seiana wusste gar nicht, wie sie reagieren sollte nun. „Ähm.“ Soldatenfutzi?!? Seiana musste ein völlig deplaziertes Kichern unterdrücken. Das warf Caius ihrem Bruder besser nicht an den Kopf, sonst würden die beiden tatsächlich anfangen sich zu prügeln. „Das… also…“ Nein, entschied sie, sie verriet Caius besser nicht, dass Faustus sie gefragt hatte, ob sie schwanger sei. „Hrm. Hör mal, er… ich kann mir nur vorstellen, dass er mich beschützen will…“ Eigentlich war sie zuerst selbst ziemlich baff gewesen über diesen Brief, und sie hatte sogar schon angefangen, sich aufzuregen, vor allem über diese Annahme, sie könne schwanger sein – als ob sie so etwas tun würde! –, aber die Tatsache, dass Caius sich nun dermaßen aufregte und wütend wurde, führte dazu, dass Seiana eher versuchte ruhig zu bleiben. Und ihn zu beruhigen. „Ich meine, vielleicht weiß er gar nicht, dass du bei meinem Onkel warst, er war damals in Mantua, und ich… na ja, ich hab mich da ziemlich drüber aufgeregt. Wie du vielleicht weißt. Ich kann mich nicht mehr so genau erinnern, aber es kann gut sein, dass ich das nicht rumerzählt hab, damals.“ Sie angelte nach dem Brief, und dann klappte ihr Unterkiefer ein weiteres Mal nach unten, als ihr Blick sofort an einem Wort hängen blieb. „Knochenbrüche?!?“

    „Auch ein möglicher Grund“, murmelte Seiana grinsend. „Mmh“, machte sie dann vage. „Muss Frau? Tatsächlich?“ Sie besaß nicht sonderlich viel Talent für alles, was mit der Küche zusammenhing. Dafür besaß sie umso mehr Kreativität – wenn sie mal in der Küche stand. Was sich dann allerdings eher auf Anweisungen beschränkte, wie dieses und jenes auszusehen hatte, oder welche Zutaten Elena doch bitteschön un-be-dingt noch hinzufügen musste, was diese meistens mit einem Augenverdrehen kommentierte.


    Dann wurden Seianas Augen groß. Und noch größer. Dann verschluckte sie sich an dem Keks, an dem sie gerade knabberte. Und hustete erst mal. Danach erst fragte sie: „Du hast was?!?“ Damit hätte sie nun nicht gerechnet. Dass er Faustus schrieb. Seiana legte eine Hand auf die Stirn und starrte Caius an. Faustus würde ganz und gar nicht begeistert sein, von einem anderen von der Verlobung zu hören, da war sie sich sicher. Warum hatte Caius denn geschrieben? Sie fand es süß, dass er das getan hatte, dass er sich ihrem Bruder vorstellte, aber die Tatsache, dass er schneller damit gewesen war als sie, ließ das Ganze ziemlich unglücklich werden. Zumal Caius keine Ahnung hatte, dass Faustus der Einzige war, der Zuhause Bescheid wusste, dass Seiana die erste Zeit hier übernachtet hatte, bevor sie mit Flaminia Aviola ihr derzeitiges Arrangement hatte treffen können. Zwischen den Fingern hindurch beobachtete Seiana, wie Caius zwei Briefe aus seiner Tasche fischte. „Auweh…“, murmelte sie halblaut, dann streckte sie ihre Hand aus und nahm den für sie bestimmten Brief entgegen. „Äh, ja, sicher… freut er sich. Für mich.“ Ganz überzeugt klang sie nicht. Immerhin, wie würde sie sich fühlen, wenn sie von einer ihr Fremden einen Brief bekam, in dem diese ihr mitteilte, sie sei die Verlobte ihres Bruders – bevor dieser ihr etwas davon gesagt hatte?


    Als Caius das Siegel brach, zögerte Seiana noch einen Moment, dann brach auch sie das an ihrem Brief. Langsam rollte sie das Pergament auf und sah immer wieder zu Caius hinüber, und seine Miene trug definitiv nicht dazu bei, ihr Mut zu machen. Dann begann sie endlich, ihren Brief zu lesen. Und wieder wurden ihre Augen groß. Gleichzeitig öffnete sich ihr Mund. „Äh“, machte sie. „Das… also…“ Sie hatte ja erwartet, dass Faustus nicht begeistert sein würde, aber dass er ihr sogar unterstellte, sie sei schwanger? Dann versuchte sie sich zu erinnern, ob sie ihm damals erzählt hatte, dass Caius bei Meridius gewesen war. Möglicherweise nicht. Immerhin hatte sie sich damals viel zu sehr darüber aufgeregt, dass er das hinter ihrem Rücken getan hatte, anstatt mit ihr zu sprechen, vorher. Oder wenigstens gleich danach. Und dann hatte sie beschlossen, zu ihm nach Ägypten zu reisen. Gut möglich, dass sie in der Hektik der ganzen Vorbereitungen versäumt hatte, Faustus darüber zu informieren, zumal er zu jenem Zeitpunkt ja noch in Mantua stationiert gewesen war. Seiana sah Caius an. „Was hat er dir geschrieben?“

    Seiana konnte nicht wirklich sagen, was Sosimos dachte, aber sie hatte das Gefühl, dass es gerade einiges gab, über das er nachzudenken hatte. Dafür sprach auch, dass er erst mal schwieg. Am liebsten hätte sie auf ihrer Unterlippe herumgebissen, aber sie riss sich zusammen, und auch ihre Finger schlossen sich umeinander, damit sie nicht zu sehr mit dem Stoff der Tunika herumspielten. Dass er überlegte, war das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Das Dumme war, dass sie nicht wusste, von was der Gelehrte ausging. Wollte er sie prinzipiell einstellen und dachte jetzt darüber nach, was doch dagegen sprach, war es eher schlecht, wenn es sich umgekehrt verhielt, war es gut, oder war das vielleicht doch auch schlecht? Seiana unterdrückte ein Seufzen und versuchte, ihre flatternden Nerven wieder unter Kontrolle zu bekommen. Sie hatte noch nie ein Gespräch in dieser Form gehabt, hatte sich noch nie für eine Stelle oder eine Aufgabe beworben, dementsprechend aufgeregt war sie nach wie vor.


    Als Sosimos dann schließlich anfing zu sprechen, konnte Seiana sich nur mühsam zurückhalten, um nicht zu jubeln. Trotz aller Selbstbeherrschung breitete sich jedoch ein strahlendes Lächeln auf ihrem Gesicht aus. „Das klingt großartig!“ Auf Probe eingestellt werden, natürlich, etwas anderes hatte sie im Grunde auch nicht erwartet – nachdem ihr jegliche Referenzen fehlten, hätte es sie auch nicht gewundert, wenn er sie ganz ablehnte oder erst einmal nur als Schülerin wollte oder vielleicht als Probelehrkraft, aber nicht angestellt, und… Seiana merkte schon wieder, wie ihre Gedanken mit ihr durchgingen, und sie stoppte sich und kehrte in die Gegenwart zurück. „Vielen Dank für das Vertrauen, das du mir schenkst. Wann kann ich anfangen? Und gibt es jemanden, der mir vielleicht ein paar Sachen zeigen kann, kann ich dafür die Sklaven im Vorraum fragen?“ Im Grunde brannten ihr dutzende Fragen auf der Zunge, aber wieder hielt sie sich zurück. Die wichtigsten Punkte würde er ihr schon sagen, und alles andere konnte sie vermutlich auch erst mal mit jemandem anderem besprechen. Wie sie an Unterrichtsräume kam, zum Beispiel. Mit wem sie die Themen absprechen sollte, über die sie Kurse machen wollte. Ob es Räumlichkeiten gab, in denen sie sich vorbereiten konnte. Seiana strahlte Sosimos unvermindert weiter an, ungeachtet des etwas abwesenden Gesichtsausdrucks. „Ich werde in jedem Fall meinen Lehrern schreiben und sie um ein Empfehlungsschreiben bitten.“

    „Na klar haben wir Kekse.“ Seiana grinste frech. „Du musst nur wissen wo. Aber deine Sklaven kennen sich in der Küche offenbar nicht halb so gut aus wie meine. Oder du hast nicht so einen guten Draht zu ihnen. Hast du Katander mal wieder zu viel schleppen lassen?“ neckte sie ihn. Dass Caius’ Leibsklave gelegentlich seine Marotten hatte – genauso wie Elena – war bekannt. Dass er seinem Herrn nicht jede seiner Marotten durchgehen ließ, ohne sich wenigstens in irgendeiner Form zu revanchieren, auch. Dann kam ein überraschter Aufschrei über ihre Lippen, als Caius plötzlich nach ihrer Hand griff und sich den Keks in den Mund schob. Und ihre Finger gleich mit. „Hey!“ Lachend zog sie ihre Hand zurück und hob ihre Finger gleich darauf wieder, um ihm ein paar Kekskrümel von den Lippen zu wischen. „Wiewas? Was meinst du? Ach, ob ich… Seh ich so aus als ob ich backen könnte? Nein, die sind… weiß nicht… entweder gekauft, oder Elena hat sie gemacht. Oder Firas?“ Grübelnd sah sie in den Kekstopf hinein, nachdem sie den Brief unterschrieben hatte. Dann sah sie ihn entschuldigend an. „Nein, ich bin noch nicht dazu gekommen. Ich weiß nicht, ich will einfach… ich will dass sie sich freuen. Ich würd ihnen das eigentlich am liebsten selbst sagen, weißt du? Ich mag den Gedanken gar nicht, das in einem Brief zu sagen.“ Sie seufzte lautlos. Genauer gesagt hasste sie diesen Gedanken. Sie mochte Alexandria, sie mochte es hier zu sein, aber in Momenten wie diesen wünschte sie sich, ihre Familie wäre nicht so furchtbar weit weg. „Aber ich weiß schon, dass ich bald schreiben muss. Ich hab den Brief an meinen Bruder auch schon angefangen, am besten schreib ich ihn heut noch fertig, dann kannst du ihn morgen früh mitnehmen.“

    Sim-Off:

    Sorry :(


    Die Begrüßung war herzlich ausgefallen, und Seiana hatte sich aufrichtig gefreut, ihre Verwandten wiederzusehen, noch dazu so unerwartet. Allerdings hatten sie nicht wirklich viel Zeit zur Verfügung gehabt – ständig waren Leute vorbei gekommen, die etwas von ihren Onkeln wollten, was auch nur zu verständlich war, und die beiden hatten viel zu organisieren. Und Seiana selbst hatte auch noch mehr vor an dem Tag. Also hatten sie nach einer kurzen Unterhaltung vereinbart, dass sie am Nachmittag des nächsten Tages wieder kommen würde, wo sie mehr Zeit füreinander haben würden.


    Und so stand sie nun am darauffolgenden Tag wieder am Pier und verlangte Zutritt auf das Schiff, der ihr diesmal anstandslos gewährt wurde. Einer der Matrosen führte sie zu Meridius, den sie mit einer Umarmung begrüßte, während Elena sich im Hintergrund hielt. „Salve, Onkel“, lächelte sie ihn an. „Wie gehen die Arbeiten an dem Schiff voran? Und wo ist Onkel Mattiacus, hier auf dem Schiff irgendwo oder in Alexandria unterwegs?“ Dann nagte sie kurz an ihrer Unterlippe. Sie hatte Neuigkeiten, von der Art, die sie ihm eigentlich schon gestern hätte erzählen sollen, und das wusste sie auch – allerdings war gestern… nun ja, der Zeitpunkt war ihr einfach falsch erschienen. Es war zu hektisch gewesen, ein großes Durcheinander an Menschen und Unterhaltungen. Es mochte vielleicht lächerlich wirken, aber wenn sie Meridius erzählte, dass Archias inzwischen um ihre Hand angehalten hatte, dann wollte sie, dass seine Aufmerksamkeit ihr gehörte. Sie hoffte, dass er verstehen würde, warum sie also bis heute gewartet hatte – aber um dieses Verständnis dafür nicht noch mehr zu strapazieren, schloss sie gleich an: „Ich habe übrigens Neuigkeiten für dich. Wenn Mattiacus hier ist, würde ich sie gern euch beiden erzählen.“

    Seiana war gerade in der Küche, in der Hoffnung, vor dem Essen etwas naschen zu können – bei Elena kam es immer darauf an, welchen Tag man bei ihr erwischte, manchmal hatte sie überhaupt nichts dagegen, manchmal standen die Chancen gut, auch wenn sie sie etwas zappeln ließ, manchmal konnte sie richtig sauer werden. Letzteres wollte Seiana nicht riskieren, schon allein weil sie keine Lust hatte, sich eine Taktik zurecht zu legen, die zum gewünschten Erfolg hätte führen können, also hatte sie einen Moment abgepasst, in dem die Sklavin nach oben gegangen war. Als plötzlich Caius den Kopf zur Tür hereinsteckte, zuckte sie also kurz zusammen, weil sie im ersten Augenblick befürchtet hatte, Elena könne hereinkommen. Gleich darauf schmunzelte sie erleichtert und zog ihre Hand zusammen mit einem Keks aus der Dose, in der sie gerade noch gesteckt hatte. „Einen neuen Waschbottich? Kommt ja gar nicht Frage, für so was geb ich doch meine Unterschrift nicht her“, feixte sie zurück, dann ging sie zu dem Tisch hinüber, den er provisorisch säuberte, um anschließend ein Pergament darauf hinzulegen. Seiana überflog das Schriftstück kurz und grinste dann erneut. „Ah, der Waschbottich. Sag das doch gleich.“ Sie nahm die Feder in die Hand und begann, schwungvoll ihren Namen zu schreiben.



    An
    Das Eheregister Roms
    Regia des CD zu Rom
    ITALIA



    Seid gegrüßt,


    hiermit bitten wir
    - Caius Aelius Archias et Decima Seiana -
    darum, unser Verlöbis zu registrieren.


    Gez. Caius Aelius Archias,
    Sohn des Decimus Aelius Calvaster und der Acilia Caenis,
    sui iuris


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    ____________________________________


    Gez. Decima Seiana,
    Tochter des Lucius Decimus Silanus und der Decima Anteiana Cara,
    sui iuris



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    ____________________________________


    Vale.



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    ALEXANDRIA, ID IAN DCCCLIX A.U.C. (11.1.2009/106 n.Chr.)


    Seiana guckte gespielt empört. „Also entschuldige mal, wenn ich auf so einem schwankenden, dünnen Seil stehe, da hab ich genug damit zu tun, mich auf meine Füße zu konzentrieren…“ Das kam erst über ihre Lippen, als sie auf der sicheren Plattform angekommen war, während gleichzeitig ihre Finger sich einen Weg zu seiner Seite suchten und ihn kitzelten. „Gern“, grinste sie dann anschließend. „Also, wenn du möchtest, können wir gerne ein paar Bekannte einladen. Aber mir wär lieber, wenn wir die Verlobung klein feiern. Bei der Hochzeit werden genug Leute da sein, schätz ich…“ Sie taxierte mit einem abwägenden Blick die weiteren Möglichkeiten von hier aus. Vielleicht hätten sie sich nicht erneut auf dieses Konstrukt wagen sollen, denn jetzt blieb ihr gar nichts anderes übrig, als wenigstens ein weiteres Mal noch über eines dieser Seile zu balancieren. Und damit es bei einem Mal blieb, müsste sie zurückgehen, und ein Rückzug kam für sie eigentlich nicht in Frage, schon allein, weil Archias – Caius – sich dann höchstwahrscheinlich über sie lustig machen würde.


    Caius lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich. „Nein, ich denke es ist schon besser, in Rom zu feiern. Am Ende müssten wir noch allen die Anreise und hier die Unterkunft bezahlen, wenn wir darauf bestehen.“ Sie grinste schelmisch. „Das mit den Würdenträgern war ein Scherz, ich glaub auch nicht, dass wir das wirklich schreiben können… Aber wir können ja dann sehen, wen wir alles einladen. Einen Priester in der Familie habe ich nicht, und ich kenn auch keinen… Ich könnte höchstens meinen Patron fragen, ob er jemanden empfehlen kann für die Zeremonie.“ Wieder wurde ihr Blick auf die Seile gelenkt. „Hm. Wo sollen wir als nächstes lang?“ Sie würde es bevorzugen, den Weg zu wählen, der am sichersten erschien, aber sie war sich nicht ganz so sicher, ob er das genauso sah.

    Es dauerte nicht wirklich lange, bis der Seemann zurückkam und ihr mitteilte, dass sie an Bord kommen könne, aber Seiana erschien diese Zeit doch recht lang, und als er endlich vor ihr stand, bedeutete sie ihm nur mit einer etwas ungeduldigen Kopfbewegung, ihr den Weg zu weisen, nachdem sie den beiden Sklavinnen zu verstehen gegeben hatte, dass sie am Pier auf sie warten sollten. Der Matrose ging anschließend voraus, zu den Planken, die an Bord des Schiffes führten, und unterdessen erfuhr sie, dass nicht nur Meridius, sondern auch Mattiacus auf der Fortuna war, was Seiana noch mehr erstaunte. Sie verbiss sich allerdings die Frage nach dem Warum. Der Matrose hätte es ihr vielleicht sogar sagen können, aber Familienangelegenheiten waren nichts, was sie mit einem Seemann besprechen wollte.


    An den Planken angekommen ließ der Matrose ihr den Vortritt, und auf dem Schiff selbst deutete er in eine Richtung. „Da hinten isser. Da, bei’m Soldatn.“ Anstalten, sie noch weiter zu begleiten, machte er nicht, immerhin hatte er noch Arbeit zu erledigen, und den Weg verfehlen konnte sie nun kaum mehr. Seiana selbst wartete auch nicht lange darauf, ob er nun mitkam oder nicht. Sie hatte ihre beiden Verwandten inzwischen entdeckt und bewegte sich mit eiligen Schritten auf sie zu, hielt dann aber ein paar Schritte von ihnen entfernt inne. Meridius befand sich gerade in einem Gespräch mit einem Soldaten, und sie ahnte, worum es sich handelte – konnte es doch eigentlich nur darum gehen, dass Meridius als Senator hier eigentlich nichts zu suchen hatte, konnte er nicht eine Erlaubnis aufweisen. Also hielt sie sich vorerst zurück und wartete, bis die beiden ihr Gespräch beendet hatten.

    Er seufzte. Seufzte er? Oh ja, er seufzte. Seiana hielt einen winzigen Augenblick inne, verunsichert über diesen Laut, den der Gelehrte von sich gab. Ein Seufzen war ein schlechtes Zeichen, jedenfalls wenn ihre Worte es ausgelöst hatten, und etwas anderes konnte sie sich gerade nicht vorstellen. Trotzdem fuhr sie nach einem kaum merklichen Zögern fort. Immerhin, wenn ihr Anliegen gar zu unmöglich erschien, dann hätte er sie wohl unterbrochen. Möglich war auch, dass er dies aus Gründen der Höflichkeit nicht tat, aber dann blieb ihr ohnehin nichts anderes übrig, als abzuwarten. Also sprach sie weiter und führte aus, was sie sich zuvor zurecht gelegt hatte, und sie war froh, dass sie sich Gedanken gemacht hatte über das, was sie sagen wollte, denn sonst hätten die Worte ihren Mund sicherlich in einem holprigen Durcheinander verlassen. Als sie fertig war, bot Sosimos ihr zunächst einen Platz an, und Seiana – der bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht aufgefallen war, dass sie noch gestanden hatte – setzte sich hin und sah den Griechen mit unterdrückter Spannung an. „Ja, danke.“ Ihre Hände ruhten in ihrem Schoß, und sie musste sich bewusst darauf konzentrieren, sie ruhig zu halten, damit sie nicht schon wieder aufgeregt an dem Stoff der Tunika herumspielten.


    Fasziniert beobachtete Seiana dann, wie sich auf der Nase des Griechen ein schwarzer Strich ausbreitete, als er sich gedankenverloren mit der Feder dort kratzte. Er schien es selbst gar nicht zu bemerken, ihm schien nicht einmal bewusst zu sein, mit was er sich gerade gekratzt hatte, und während die Tinte sich über die Unebenheiten der Haut einen Weg suchte und minimal zu den Seiten des eben gemachten Strichs hin ausfaserte, sprach Sosimos sie an. Seiana brauchte einen winzigen Moment, bis sie ihren Blick von der Nase losreißen und wieder auf die Augen Sosimos’ richten konnte. „Nein, ich kann weder Referenzen noch einen Fürsprecher aufweisen.“ Keinen zumindest, der ihr in diesem Moment etwas bringen würde. „Als ich Hispania Richtung Rom verließ, wusste ich noch nicht, dass es mich hierher verschlagen würde. Ich kann allerdings meine Lehrer in Tarraco anschreiben, ich bin mir sicher, dass ich ein positives Schreiben erhalten werde.“ Innerlich geisterte ein recht unflätiger Fluch in ihrem Kopf herum, den sie von einem der Seeleute gehört hatte auf der Schiffsreise hierher. Daran hätte sie eigentlich auch früher denken können, wenigstens Aigidios hätte sie bitten können um ein Empfehlungsschreiben. „Ja, Literatur würde ich gerne unterrichten.“

    Der Matrose wirkte recht zögerlich, allerdings beantwortete er ihre Fragen mit einem Nicken, was Seiana beinahe mit einem offenstehenden Mund quittiert hätte. Gerade noch rechtzeitig presste sie die Lippen aufeinander, um ihr Erstaunen nicht zu offen kundzutun. Faustus hatte ihr geschrieben, dass Meridius derzeit nicht Zuhause war, und sie hatte gehört, dass er damit betraut worden war, nach Livianus zu suchen, ihrem Onkel. Wenn das allerdings der Fall war, war er in Alexandria denkbar falsch, und dann hatte er auch keine offizielle Erlaubnis des Kaisers, hier aufzutauchen. Seiana brauchte allerdings nicht lange, um zu einer Entscheidung zu kommen. „Ich bin Decima Seiana. Meridius ist ein Verwandter von mir, wenn er an Bord ist, dann bring mich zu ihm“, forderte sie den Matrosen auf, der allerdings eine noch zögerlichere Miene aufsetzte als noch zuvor und sie kurz musterte. Seianas Stimme hatte nicht so geklungen, als ob sie sich sonderlich für Einwände seinerseits interessierte, aber auf der anderen Seite konnte ja jeder X-Beliebige daher kommen und behaupten, er wäre ein Verwandter… Und immerhin war er ein gestandener Seemann, so einfach ließ er sich nicht herumkommandieren. „Ich kann dem Senator Bescheid geb’n. Un’ ihn frag’n. Mehr nich’, ’n Rest en’scheidet er“, antwortete er, und obwohl Seiana ihn am liebsten mit ihren Blicken aufgespießt hätte dafür, sagte sie doch nichts, sondern winkte nur ungeduldig, als er sich nicht sofort auf den Weg machte. Sie konnte ja verstehen, dass sie sie nicht einfach so auf das Schiff lassen konnten, auch wenn sie fand, dass man ihr die Decima doch ansah. Der Matrose allerdings konnte nichts für die Sorge und die Neugier, die sie gepackt hielt, und daher blieb sie nur am Pier stehen und wartete ungeduldig darauf, dass er zurückkam und sie an Bord ließ.


    Der Matrose unterdessen erklomm die bereitgelegten Planken, die den Pier mit dem Deck der Fortuna verbanden, und näherte sich dem Meridius und Mattiacus. „’Schuldigung. … Senator“, fügte er etwas verspätet hinzu, als ihm einfiel, dass die Anrede wohl angebracht war. Er war nicht umsonst Matrose, er hatte nicht viel am Hut mit Höflichkeiten, die raue Art unter Seemännern sagte ihm weit mehr zu als alles andere, auch wenn vor allem seine Mutter sich eine Karriere in der Verwaltung Roms für ihn gewünscht hätte. „Da unten is’ eine junge Frau, die sacht, sie wär’ verwandt mit dir. Sie wär’ Decima Seiana, sacht sie“, erzählte er und deutete auf den Pier.

    Firas schien überrascht zu sein von ihrem Kompliment, sagte aber nichts weiter dazu, und Seiana lächelte ihm nur noch einmal zu, um ihm zu zeigen, dass sie ihre Worte ernst gemeint hatte. Vielleicht wollte er ja in dieser Richtung mehr lernen – Seiana hatte etwas dagegen, Talent verkommen zu lassen, und Talent hatte er, fand sie. Sie nahm sich vor, mal mit Archias darüber zu reden, inwiefern es machbar war, dass Firas die ein oder andere Unterrichtsstunde bekam. Wenn er selbst das wollte, hieß das. Dass er am liebsten irgendwo in einem Stall arbeiten würde, hatte sie schon mitbekommen, aber damit konnten sie nun leider nicht dienen, es denn, sie würden irgendwann einmal nach Tarraco ziehen, und dort auf dem Gestüt ihres Onkels unterkommen – was allerdings ziemlich unwahrscheinlich war.


    „Ja“, lächelte Seiana dann versonnen, als Lanassa von den Blumen und den Göttern sprach. „Wobei es auch ein schöner Gedanke ist anzunehmen, dass die Götter sie einfach nur geschaffen haben, um schön zu sein. Nicht für irgendjemanden, sondern einfach nur für sich. Für ihre bloße Existenz. Um ihrer Schönheit willen.“ Schönheit als Selbstzweck, sinnierte sie für einen Augenblick. Irgendeinen Sinn hatten die meisten Pflanzen, Schönheit in der Natur diente selten keinem anderen Sinn als dem, einfach nur schön zu sein – aber so pragmatisch Seiana manchmal sein konnte, sie konnte auch schwärmen, gerade wenn es Schönheit betraf, und in dieser Hinsicht hatte sie eher das Empfinden einer Künstlerin. Sie zeichnete Bilder und entwarf Gegenstände, derzeit häufig Gefäße, Lampen und schlichte Dekorationsgegenstände, und wenn es schicklich gewesen wäre, sie hätte sich auch hingesetzt und ihre Entwürfe selbst herzustellen versucht. Vermutlich war es ganz gut so, dass sich genau das nicht schickte, denn ob sie dafür irgendein Talent besaß, wagte sie dann doch zu bezweifeln. Aber die in ihrer Töpferei Angestellten hatten das Talent, um ihre Ideen umzusetzen, und neben der Ware, die sich einfach gut verkaufen ließ, stellten sie auch stets Unikate her, die in Seianas Augen dann nur dem einen Zweck dienten, schön zu sein, selbst wenn sie in zweiter Linie durchaus auch Gebrauchsgegenstände waren.


    Firas riss sie wieder aus den Gedanken, und sie nickte ihm erfreut zu. „Das mit dem Ableger ist eine gute Idee, wir könnten ja jemanden fragen, ob es da eine Möglichkeit gibt. Wir könnten welche mitnehmen für die Wohnung. Und wenn sich daraus etwas ziehen lässt, kann ich einige Exemplare dem Aurelius schicken, ich hoffe nur es sind welche, die er noch nicht hat.“ Firas’ Vorschlag folgend, machten sie sich nun an den Aufstieg, folgten dem Weg, der sich die Anhöhe hinaufschlängelte. „Wirklich? Na wenn das so ist… Es kann ja keiner was dagegen haben, wenn wir etwas mitnehmen, was Abfall ist… Trotzdem…“ Seiana wiegte den Kopf hin und her. „Wir sollten jemanden fragen. Schon allein, weil ich gerne wissen möchte, was wir da dann mitnehmen.“ Für sich selbst wollte sie das wissen, aber noch viel mehr, wenn sie tatsächlich den ein oder anderen Ableger ihrem Patron schickte – da wollte sie ihm schon schreiben können, welche Pflanzen sie ihm für seinen Garten schenkte. Sie deutete hinüber auf eine Sukkulente, die eine prächtige, orange-weiße Blüte trieb. „Eine in der Art fände ich schön, für den Balkon. Was meint ihr?“

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    Elena lächelte erfreut, als der junge Mann ihre Einladung annahm, und ließ ihn eintreten, um ihn dann durch den kleinen Gang zum Wohnzimmer zu führen. „Se…Herrin“, verbesserte sie sich rasch, „…“ Sie stockte und sah, schon wieder leicht verlegen, zu dem Mann hinüber. „Entschuldige, wie ist dein Name?“ Anschließend wiederholte sie den Namen laut und fügte hinzu: „hat einen Brief für dich. Was kann ich dir zu trinken bringen?“ fragte sie dann, erneut in seine Richtung gewandt, um anschließend das Gewünschte zu holen.


    Seiana unterdessen hob ihren dunklen Schopf von den zahlreichen Papyri, die auf dem Tisch vor ihr ausgebreitet waren, und sah zunächst etwas verwirrt zu ihrer Sklavin, stand dann aber sofort auf und kam mit einem Lächeln auf den Griechen zu. „Salve. Was für einen Brief hast du für mich?“

    Seiana hatte mit Elena und Lanassa einen erneuten Ausflug unternommen, dieses Mal hinunter zum Hafen. Der Leuchtturm stand auf dem Programm, und dem Markt in der Nähe des Hafens wollte sie auch noch einen Besuch abstatten. Und sie hatten sich den Leuchtturm angesehen, den Leuchtturm, das Caesareum, den Fremdenmarkt und den Hafen ganz allgemein. Den ganzen Tag hatten sie hier verbracht, weitestgehend damit, sich irgendwelche Sachen anzusehen, sehr zum Leidwesen Elenas, die es viel lieber gesehen hätte, hätten sie dem Markt mehr Zeit gewidmet, den Seiana tatsächlich nur am Rande gestreift hatte und auch nur um sich das zu kaufen, was sie brauchte.


    Jetzt wollten sie nach Hause, und Seiana überlegte gerade, eine Sänfte zu organisieren für den Heimweg, als ihr Blick etwas streifte. Genauer gesagt, ein Schiff. Seiana schenkte dem zunächst keine Aufmerksamkeit, war ein Schiff am Hafen doch nichts ungewöhnliches, aber schon im nächsten Augenblick schweifte ihr Blick zurück und blieb an dem Schiff haften. Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. Das Schiff sah übel zugerichtet aus, es war deutlich zu erkennen, dass es einen Sturm hinter sich hatte, aber das war es nicht, was Seianas Blick fesselte. Es war die Tatsache, dass sie dieses Schiff kannte. „Meridius?“ murmelte sie fragend. Konnte das sein? War das tatsächlich die Fortuna, die dort im Hafen vor Anker lag? Aber was hatte Meridius hier in Alexandria zu suchen, wo er als Senator die Provinz doch gar nicht betreten durfte? Oder hatte er sein Schiff jemand anderem anvertraut und es hierher geschickt? Seiana hatte nicht die geringste Ahnung, weshalb die Fortuna hier war, aber einmal gesehen, war sie fest entschlossen, es herauszufinden. Und so machte sie sich gemeinsam mit den beiden Sklavinnen auf den Weg zum Pier, auf dem sich schon einige Leute versammelt hatten, um sich das ramponierte Schiff anzusehen. Seiana schlängelte sich durch die Menschen hindurch und sprach schließlich bei einen der Seeleute an, die von dem Schiff gekommen waren und damit beschäftigt waren, es ordentlich zu vertäuen. „Entschuldigung, das ist doch die Fortuna? Ist Decimus Meridius an Bord?“ Ihre beiden Verwandten, die etwas weiter vorne an der Reling standen und sich unterhielten, hatte sie noch nicht entdeckt.

    [Blockierte Grafik: http://img229.imageshack.us/img229/7504/elenail2.jpg]


    Elena wischte sich in einer flüchtigen Handbewegung eine Strähne aus der Stirn und hinter das Ohr, während sie den jungen Mann anlächelte. Aus seinem Kommentar konnte sie nicht genau entnehmen, wie lange sie ihn hatte warten lassen, aber immerhin, er sagte, dass es nicht schlimm war, und er wirkte, als ob er das auch so meinte. Dennoch beschloss sie, ihn zu fragen, ob er vielleicht etwas zu trinken wollte. Sie war sich nahezu sicher, dass sie ihn hatte warten lassen, und da war es nur höflich, wenn sie ihm etwas anbot. Vor allem bei den Temperaturen, die draußen herrschten. In Elena reifte die Überzeugung, dass niemand wirklich ahnen konnte, was Hitze bedeutete, solange er nicht in Alexandria gewesen war – und Tarraco hatte im Sommer einiges zu bieten. Aber hier war es sogar im Winter noch warm. Also trat sie ein Stück zur Seite und hielt ihm mit einem freundlichen Lächeln die Tür auf. „Möchtest du kurz herein kommen? Decima Seiana ist im Wohnzimmer, du kannst ihr den Brief selbst geben, während ich dir etwas zu trinken hole. Vorausgesetzt du hast etwas Zeit.“

    Sim-Off:

    [SIZE=7]Entschuldige bitte für die lange Wartezeit![/SIZE]


    Zitat

    Original von Prosekon tou Mouseiou
    ~ Sosimos von Korinth ~


    Ein Mädchen hatte Sosimos erwartet, sah jedoch eher eine junge Frau den Raum betreten. Sich die Schläfen reibend lehnte er sich zurück und ließ die Rohrfeder auf den Tisch herunter sinken, wobei er nicht bemerkte, dass ein kleiner Tintentropfen auf die Steinplatte fiel und sich zu einem schwarzen kleinen See ausbreitete, sogar seine Handkante streifte. „Chaire!“, grüßte Sosimos zurück, seine Stirn war gefurcht und er noch recht gereizter Stimmung, ein Tag, an dem er leicht explodieren konnte. Was in letzter Zeit leider häufiger der Fall war und viele Sklaven schon auf Zehenspitzen vor seiner Tür herum schlichen. „So? Philologin möchtest Du werden? Und Schülerin? Du bist Rhomaeerin?“ Etwas irritiert war Sosimos über das Anliegen schon, denn ihm war nicht ganz klar, was die junge Frau nun genau wollte. „Welche Qualifikationen weißt Du auf, um an dem größtem Wissenshort der bekannten Welt lehren zu dürfen?“


    Bleib ruhig, sagte Seiana sich, während sie sich bemühte, ihren Blick nicht von Sosimos hin zu dem kleinen Tintenklecks ablenken zu lassen, der sich auf der Tischplatte ausbreitete. Bleib einfach ruhig und gelassen. Strenger als Mutter kann er gar nicht sein. Sie erinnerte sich noch gut daran, wie ihre Mutter über den Unterricht ihrer Kinder gewacht hatte – im Lauf der Jahre war es mehr als einmal vorgekommen, dass ein Lehrer einem anderen hatte weichen müssen, weil er ihrem Anspruch nicht genügt hatte. „Ja“, bestätigte sie Sosimos’ Vermutung, dass sie Römerin war. Der Mann schien gereizt zu sein, und Seiana spürte, wie es in ihrem Magen wieder zu flattern begann, als sich ihr der Gedanke aufdrängte, dass sie möglicherweise einen schlechten Tag erwischt hatte. Aber ändern ließ sich das nicht, und einen Rückzieher machen würde sie auch nicht. Sie lächelte, etwas scheuer, als gewöhnlich ihre Art war. „Meine Qualifikation besteht in der Ausbildung, die ich über Jahre hinweg hauptsächlich zu Hause in Tarraco genossen habe. Sie ist durchaus umfassend, aber da ich schon früh meine Leidenschaft für Kunst und Literatur entdeckt habe, habe ich mich mit diesen Themen beschäftigt, wann immer sich mir eine Gelegenheit geboten hat. Später, als ich alt genug war, habe ich auch einige in Tarraco ansässige Gelehrte besucht und mich von ihnen unterrichten lassen sowie Kurse an der Schola belegt.“ Namen nannte sie ihm vorerst keine, denn sie wusste nicht, inwiefern diese Sosimos etwas sagen würden – und da er ohnehin gereizt schien, zog sie es vor, sich etwas kürzer zu halten. Sollte er nachfragen, konnte sie immer noch genauer darauf eingehen, aber dann wusste sie wenigstens, dass sie ihm nichts erzählte, was er eigentlich gar nicht hören wollte. Allerdings konnte sie ein Schmunzeln nicht ganz unterdrücken, als sie an jene Zeit zurückdenken musste, in der auch Faustus davon geträumt hatte, sich künstlerisch zu verwirklichen, und sie gemeinsam viele Stunden damit verbracht hatten, sich auszutauschen.


    „Vor allem bei Aigidios“, fuhr Seiana fort, und obwohl sie noch kurz zuvor gedacht hatte, zunächst keine ihrer Lehrer zu nennen, war ihr der jenes Mannes, bei dem sie vor allem in ihren letzten Jahren in Tarraco gelernt hatte, nun doch über die Lippen gekommen. Er war ein Gelehrter, der ebenfalls eine Zeitlang in Alexandria gewesen war, bevor er sich in Tarraco niedergelassen hatte, um dort seinen Lebensabend zu verbringen. Allerdings gab es mit Sicherheit mehrere dieses Namens hier, und so ging sie nicht davon aus, dass dieser Name für Sosimos eine Rolle spielen würde, „fand sich häufiger eine Runde zusammen, in der er nicht nur gelehrt hat, sondern in der frei über Autoren und Texte diskutiert wurde und jeder, der wollte, die Gelegenheit bekam, selbst einen bestimmten Autor oder Text vorzustellen und das Gespräch nach eigenem Schwerpunkt zu führen. Dort habe ich auch zum ersten Mal bemerkt, dass ich das gerne tue, und ich habe von der Möglichkeit oft gebraucht gemacht, die Aigidios geboten hat.“ Mehr war damals leider nicht möglich gewesen. Zum einen hätte sie es sich damals wohl selbst noch nicht zugetraut, tatsächlich zu lehren, zum anderen hätte ihre Mutter ihr das ohnehin nicht erlaubt. „In Alexandria bin ich erst seit wenigen Monaten. Ich würde mich freuen, die Möglichkeit zu erhalten, mein Wissen zu teilen und weiterzugeben. Und wenn das möglich ist, möchte ich gerne andere Lehrmeister hier im Museion besuchen, namentlich der Philosophie, aber auch in anderen Gebieten, um mein Wissen dort zu vertiefen.“ Im Grunde hatte sie jetzt doch fast mehr erzählt, als sie ursprünglich wollte, schoss ihr flüchtig durch den Kopf, während sie den alten Griechen abwartend ansah und versuchte, sich innerlich auf alles gefasst zu machen.

    Es war später Vormittag, als Seiana beschlossen hatte, mit ihrer Leibwächterin im Schlepptau loszugehen und sich ein weiteres Mal auf dem Sklavenmarkt Alexandrias umzusehen. Sklaven zu kaufen war eigentlich nicht ihr Ding, schon allein weil sie es hasste zu sehen, wie diese dort behandelt wurden, aber für das, was sie vorhatte, blieb ihr nichts anderes übrig. Ihre Gefühle waren gemischt, dieser Tage – das hieß, eigentlich war sie selbst euphorisch. Ihre Verlobung mit Archias – mit Caius, korrigierte sie sich sofort in Gedanken, wobei sie gleichzeitig erfreut feststellte, dass ihr das immer seltener passierte – war erst wenige Tage alt, und sie fühlte sich einfach nur glücklich. Dass er sie endlich gefragt hatte, wo sie schon fast damit gerechnet hatte, von ihm irgendwann das Gegenteil zu hören zu bekommen… Was sie nicht enttäuscht hätte aufgrund dessen, was sie getan hatte, nur um herauszufinden was da zwischen ihnen sein könnte – nämlich ihm bis nach Alexandria hinterher zu reisen –, nein, deswegen wäre sie nicht enttäuscht gewesen, hatte sie hier doch durchaus einen Platz gefunden, und Möglichkeiten, ihr Leben zu gestalten. Nein. Sie wäre enttäuscht gewesen, eben weil ihre Reise hierher ihr genau das gezeigt hatte, weswegen gekommen war – sie hatte herausgefunden, was zwischen ihnen sein könnte, oder zumindest was sein könnte, wenn es nach ihr ging. Die Angst, Archias könnte das nicht genauso sehen, hatte in den letzten Wochen zunehmend an ihr genagt.


    Jetzt waren all diese Befürchtungen allerdings weggewischt. Er hatte sie gefragt, sie waren verliebt, Seiana war euphorisch – und das auf eine Weise, die dazu führte, dass sie allen anderen dasselbe Gefühl vermitteln wollte. Sie fiel anderen nicht einfach so um den Hals – nun, niemandem außer Elena jedenfalls, und das auch nur, wenn sie alleine waren –, da hatte sie sich unter Kontrolle, aber sie versuchte auf andere Art, ihre Freude mit der Welt zu teilen. Dass es Firas allerdings in letzter gar nicht gut gegangen war, war deutlich gewesen, und es war auch nicht schwer gewesen herauszufinden, warum. Ophelia war weg, ihr voriger Besitzer hatte sie zurückgefordert – offenbar war dem Händler, ob nun beabsichtigt oder nicht, ein Fehler unterlaufen. Und Firas hatte offenbar Gefühle für Ophelia gehegt, nichts laut Elena, was tatsächlich schon größere Züge angenommen hätte, jedenfalls waren die beiden ihres Wissens nach noch nicht an dem Punkt gewesen, an dem sie auch nur ansatzweise etwas davon ausgesprochen hätten, aber ganz offensichtlich genug, dass Firas nun litt. Jedenfalls zog er sich häufig zurück, wie eine Schnecke in ihr Haus, und auch sonst benahm er sich seltsam, fand Seiana. Er brauchte Ablenkung. Wenn sie genauer darüber nachdachte, kam es ihr komisch vor, dass sie vorhatte eine Sklavin zu kaufen, nur um Firas abzulenken und bestenfalls tatsächlich aufzuheitern, aber diesen Gedanken schob sie rasch weg. Immerhin brauchten sie ja auch Ersatz für Ophelia. Elena war ihre Leibsklavin, Katander der von Archias, Firas war nicht unbedingt begabt im Kochen und schmiss ohnehin beinahe den gesamten Haushalt, und Lanassa war ihre Leibwächterin. Archias, und wenn sie erst mal verheiratet waren sie beide, brauchten jemanden, der sich gemeinsam mit Firas um den Haushalt und vornehmlich um die Küche kümmerte. Zumal sie mit dem Gedanken spielte, Elena zur Hochzeit die Freiheit zu schenken, und Archias zu überreden, Katander das gleiche Geschenk zu machen. Sie zweifelte keinen Augenblick daran, dass die beiden dennoch bei ihnen bleiben und für sie arbeiten würden, nur würde das eben doch etwas verändern.


    Auf dem Sklavenmarkt angekommen, schlenderte sie ein bisschen dahin, bemüht zunächst eine uninteressierte Miene aufzusetzen, wollte sie es doch vermeiden, die Aufmerksamkeit der Händler auf sich zu ziehen, bevor nicht irgendeine Sklavin die ihre auf sich gezogen hatte. Sie suchte etwas bestimmtes, einen bestimmten Ausdruck. Sie wollte beileibe keine Sklavin kaufen, um sie mit Firas zu verkuppeln, das maßte sie sich nicht an, aber sie wollte eine, die Firas… aus seiner Lethargie reißen konnte. Wahlweise Feuer unter dem Hintern machen konnte, der Ausdruck gefiel ihr in ihrer momentanen Stimmung weit besser. Unwillkürlich musste sie grinsen, als sie das dachte. Im nächsten Moment fiel ihr Blick auf einen der Stände. Ein Händler stand dort und hatte eine der Sklavinnen am Arm gepackt. Das war es allerdings nicht, was Seianas Blick angezogen hatte. Vielmehr war es der Ausdruck gewesen, der für einen Moment in den Augen der blonden Frau aufgeblitzt hatte. Seiana kam näher und musterte die Sklavin. Sie war sich nicht sicher, ob sie es sich nur einbildete, aber sie meinte zu erkennen, dass das gleichmütige Lächeln, das auf deren Gesicht lag, nur gestellt war, dass in ihren Augen Stolz loderte und ein Feuer, das zu besagen schien, dass sie nicht ganz die gezähmte Sklavin war, die sie gerade mimte. Ein angedeutetes Lächeln hob kurz Seianas Mundwinkel, bevor sie sich wieder um ein neutrales Gesicht bemühte. Mit wenigen Schritten trat sie endgültig an den Stand heran. „Chaire“, grüßte sie auf Griechisch, da sie sich aufgrund seiner Aufmachung nicht sicher war, ob der Mann ein römischer Händler war, und deutete dann mit einem Kopfnicken auf die Blonde. „Erzähl mir etwas über sie. Woher kommt sie, was kann sie?“

    Seiana musste ein Lachen unterdrücken, als sie Lanassas Frage hörte. Irgendwie hatte sie das Gefühl, ihre Kommentare und die ihrer Leibwächterin brachten Firas in Verlegenheit. Allerdings hatte sie da recht wenig Mitleid mit ihm, immerhin hatte er mit diesem Thema ja angefangen. Und sie hatte nicht wirklich ein Problem damit, waren die Geschichten um Dionysos doch noch weit… nun, aufreizender. Was Firas dann erzählte, trug ihm noch einen Seitenblick von Seiana ein, diesmal einen bewundernden. Er senkte seine Stimme, während er sprach, verlieh ihr einen anderen, düsteren Klang und färbte damit auch die Atmosphäre um einige Nuancen dunkler. Gerade überlegte Seiana, dass Firas eigentlich ein hervorragender Geschichtenerzähler war, vielleicht nur etwas Übung nötig hätte, als der Sklave die Stimmung von selbst zunichte machte. Seiana schmunzelte, während sie sich in Gedanken korrigierte: er brauchte sicher noch etwas Übung. Schon allein, damit ihm solche Schnitzer nicht mehr unterliefen. Aber abgesehen davon war er wirklich gut, und es schien ihm Spaß zu machen. „Ja, davon hab ich auch gehört. Tiberius hat Untersuchungen anstellen lassen darüber, angeblich“, meinte sie dann. Sie hätte nicht erwartet, dass sich die Unterlagen und die Lernerei zu dem Kurs an der Schola ausgerechnet auf diese Art bezahlt machen würde. „Naja, also, dass ein Gott sterben kann, glaube ich nun auch nicht. Schon gar nicht so einer wie Pan.“ Sie grinste schon wieder. Seit Caius sie endlich gefragt hatte, war sie irgendwie nur am Grinsen, meinte sie. Am liebsten wollte sie dieses Hochgefühl mit der ganzen Welt teilen. „Du kannst das toll, Firas. Also erzählen. Nur am Abschluss solltest du… vielleicht etwas feilen.“


    Sie zwinkerte ihm zu und wandte sich dann dem Hügel zu, während Lanassa ihre Frage beantwortete und Firas sich dieser Einschätzung ebenfalls anschloss. „Na dann los.“ Da war es schon wieder, das Grinsen. Diesmal traf es Lanassa, strahlend wie die Sonne, bevor Seiana sich wieder in Bewegung setzte, in den Park hinein und auf den Hügel zu. Neugierig und beeindruckt musterte sie die Pflanzen, an denen sie vorbeikommen, aller Formen und Arten und Farben, so schien es ihr, während Firas erzählte, wie diese Vielfalt und Pracht zustande gekommen war. „Schade, dass mein Patron inzwischen Senator ist und nicht mehr so einfach nach Ägypten kann. So weit ich weiß, hat er eine Vorliebe für Pflanzen aller Art, ich glaube, dieser Park wäre ein Traum für ihn.“

    Sein Vetter war tot. Das hatte er erwähnt. Genauso wie er erwähnt hatte, dass er ihn kaum gekannt hatte. Eigentlich gar nicht, war sein Wortlaut gewesen. Seiana presste die Zähne aufeinander, während sie sich gleichzeitig bemühte, sich nichts anmerken zu lassen. Einen winzigen Moment hatte sie gedacht, er würde sie fragen, aber das war wohl eher ein Wunschtraum gewesen. Und während sie auf ihre Hände hinabsah, die in ihrem Schoß lagen, fragte sie sich zum wiederholten Mal, ob er vielleicht das Interesse verloren und nur nicht den Mumm hatte, ihr das zu sagen. „Ja. Ähm. Vielleicht sollte ich mal nachsehen. Also, wegen dem Essen. Wie weit es ist.“ Elena war auch noch nicht da, und diesem Moment verfluchte Seiana ihre Sklavin dafür. Jetzt wäre der perfekte Augenblick für sie gewesen hereinzuplatzen. Aber sie kam nicht. Und Seiana rührte sich nicht, trotz ihrer Worte. Stattdessen griff sie nur wieder nach ihrem Weinbecher und trank erneut.


    Aber, immerhin, er hatte vor noch eine Weile hier zu bleiben. Sie hatte schon fast befürchtet, er würde ihr nun eröffnen, dass seine Rückkehr nach Rom entschiedene Sache war – ohne sie zu fragen. Was sie definitiv in ein Dilemma gebracht hätte. „Oh, ich denke schon, dass er eher antworten wird, diesmal. Ich hoffe es. Also für dich. Hrm.“ Seianas Finger krampften sich kurz in den Stoff ihrer Tunika, bevor sie sich zwang, ihre Hände wieder zu lockern. Vielleicht sollte sie doch nach Firas und dem Essen sehen. Oder, noch besser, nach Elena. In diesem Augenblick jedoch erklang ein Geräusch von draußen, und gleich darauf betrat besagte Sklavin die Wohnung. Seiana sah erleichtert auf, in Richtung der Tür, hoffte auf Ablenkung – aber Elena schien gar nicht daran zu denken, dass ihre Herrin sie möglicherweise brauchen könnte. Sie steckte nur kurz den Kopf herein und warf ein „Salve“ in die Runde, dann verschwand sie auch schon wieder, mit den Worten „Ich seh mal, was das Essen macht.“ Und ließ Seiana etwas hilflos zurück. „Was… hm. Was könntest du dir denn… vorstellen? Also, anschließend, ich meine, als nächsten Posten? Egal ob jetzt hier oder in Rom.“

    Während sie sich unterhielten, bewegten sie sich erneut auf den Anfang zu und erklommen die erste Plattform, und Seiana lachte fröhlich, als Archias – Caius, daran musste sie sich noch gewöhnen – von der ersten Hürde sprach und sich dann daran machte, erneut hinüber zu balancieren. Sie selbst hatte nicht wirklich die Wahl, ob sie nun mitkam oder nicht, hielt er doch immer noch ihre Hand und zog sie einfach mit sich – aber diesmal achtete sie darauf, nicht nach unten zu sehen, sondern konzentrierte sich auf Caius vor ihr. Was er ihr leicht machte, immerhin redete er ungerührt weiter.


    „Ja… also…“ Selbst zu reden, während sie gleichzeitig balancierte, stellte sich als etwas schwieriger heraus. „Die Verlobung…“ Ihre Hand krampfte sich kurz um die Caius’, als sie aus dem Tritt kam und etwas wankte, aber mit seiner Hilfe fing sie sich gleich wieder. „Ich würde… sagen…“ Sie konnte das nicht wirklich, und da Caius ohnehin schon weitersprach, hielt sie den Mund und wartete, bis sie endlich die Plattform erreicht hatten und sie freier sprechen konnte. „In Ordnung, noch mal von vorn.“ Sie grinste ihn an. „Ich würd auch sagen, dass wir die Verlobung klein feiern. Nur wir. Was Freunde betrifft… Also, hm, nein, eigentlich… nicht wirklich jemanden, den ich einladen würde, muss ich gestehen. Ich war viel mit Elena unterwegs, hab aber wenig Leute wirklich kennen gelernt. Aber das ändert sich hoffentlich, wenn ich erst mal im Museion anfange.“ Sie hob die Hand und strich über seine Wange, vorgeblich um den Schlamm zu entfernen. „Und die Hochzeit… ach, ich weiß nicht. Steife Würdenträger brauch ich auch nicht. Aber ich möchte meine Familie dabei haben, und deine auch, und da ist Rom dann doch der beste Ort für die Feier, finde ich. Und…“ Eine Hochzeit in wirklich kleinem Rahmen würde sich kaum verwirklichen lassen, wenn sie gleichzeitig die Familien dabei haben wollten. Und sie ihren Patron. Fragend sah Seiana ihn an. „Mh, vielleicht fällt uns was ein. Vielleicht sollten wir in die Einladung schreiben: steife Würdenträger unerwünscht.“ Sie lachte.