„Nein, natürlich nicht, aber…“ Oh Götter, was hatte sie getan, dass sie sich nun damit herumschlagen musste. Caius schien sich immer mehr aufzuregen, und es gab nicht wirklich etwas, was sie entgegnen konnte, weil er ja irgendwo Recht hatte. Natürlich wollte er sie nicht ans Messer liefern, das wusste sie, genauso wie sie wusste, dass es ihm nicht sonderlich gefiel, dass sie darauf bestanden hatte woanders zu wohnen, und – Seiana starrte ihn an. Sie wusste, was er meinte. Sie wusste allerdings selbst nicht so genau, wie sie zu diesem Thema stand. Natürlich hatte sie sich schon Gedanken dazu gemacht, wie es wäre, wenn Caius und sie… Seiana kaute kurz auf der Unterlippe und musterte ihn. Dazu kam: war es so gut, wenn sie heirateten und sie, zumindest was die Praxis betraf, völlig ahnungslos war, wenn die Nacht anfing? Sie war so ungern unvorbereitet. Sie würde von der ganzen Feier tagsüber vermutlich kaum etwas mitbekommen, weil sie so aufgeregt sein würde. Auf der anderen Seite war es eigentlich klar, was von einer Frau erwartet wurde, nämlich anständig, sittsam und tugendhaft zu sein. Oder zumindest dafür zu sorgen, dass jeder das von ihr annahm. Wenn die Leute das von ihr annahmen, dann konnte sie eigentlich machen, was sie wollte… Aber schwanger zu werden, bevor sie verheiratet waren, war definitiv keine Option. „Nenn sie nicht Schrapnelle“, brummte Seiana also nur. Weil sie schlicht nicht wusste, was sie zum Rest sagen sollte. „Sie ist sehr lieb, da kannst du wirklich nichts sagen.“ Was das Wohnen betraf, gab es keine Diskussion, denn wenn sie zusammen wohnten, konnten sie sich noch so anständig benehmen, irgendwann würden die Leute reden, und irgendwann würde das Gerede Ohren erreichen, von denen Seiana nicht wollte, dass es sie erreichte. Eine anständige, unverheiratete Frau wohnte nicht mit einem unverheirateten Mann zusammen, da war es ganz egal, was tatsächlich passierte in den vier Wänden.
Zu ihrem Glück hatte Caius auch nicht vor, allzu sehr auf dieses Thema einzugehen, denn plötzlich stockte er mitten im Satz und sprang dann zum nächsten, metaphorisch gesprochen, und nun musste Seiana erneut ein Kichern unterdrücken. Sein Kumpel Valerian? So hatte sie ihn noch nie vom Kaiser reden hören, genauso wenig wie vom Consul. „Na ja das Zusammenwohnen war keine sonderlich gute Idee, das musst du zugeben. Wir können von Glück reden, dass das keiner so wirklich gemerkt hat. Oder ich“, fügte sie etwas leiser hinzu. Wäre sie tragbar, als Subauctrix der Acta, als Angestellte der Schola und des Museions, wenn bekannt wurde, dass sie eine Zeitlang bei Caius gewohnt hatte, als sie hier angekommen war? Sie wusste es nicht, und sie wollte es auch gar nicht erst herausfinden. Allerdings sagte sie nichts weiter dazu, sondern widmete sie sich stattdessen dem Brief, den Faustus ihrem Verlobten geschickt hatte. „Das ist doch unglaublich…“ Er drohte Caius tatsächlich damit, ihn zu verprügeln! Und Caius regte sich gerade genug auf, dass sie zu argwöhnen begann, er plante umgekehrt bereits das gleiche. Seiana wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Oder auch wütend werden. Und es kam noch schlimmer, denn Caius hatte sich umgekehrt ihren Brief geschnappt. Und der Ausbruch, der nun folgte, war noch heftiger als der zuvor. „Hey! HeyheyHEY, Moment mal!“ Seiana sprang vor und schnappte sich den Papyrus, auf dem die fatalen Worte standen. „Du wirst das schön bleiben lassen, in Ordnung? Du bleibst hier!“ Mit in die Seite gestemmten Armen baute sie sich vor ihm auf und funkelte ihn an, was sich durchaus etwas witzig ausnahm, immerhin war sie gut anderthalb Köpfe kleiner als er. „So weit kommt’s noch, dass ihr euch meinetwegen prügelt! Und was diese Schwangerschaftssache angeht, das ist ein Hühnchen, das ICH mit meinem Bruder rupfen werd, nicht du, haben wir uns verstanden?“