Einen Moment grinste Seiana noch breit, bevor sie ein unschuldiges Lächeln aufsetzte. „Ausbluten lassen? Wie kommst du denn auf die Idee? So was würde ich doch nie tun…“ Erneut eroberte sich das Grinsen seinen Platz zurück auf ihr Gesicht. Sollte Archias tatsächlich nicht imstande sein, ihr egal welchen Wunsch abzuschlagen – was sie bezweifelte –, wäre sie die Letzte, die das ausnutzen würde. Aber es machte Spaß, ihn ein wenig aufzuziehen. Und seine Wohnung konnte tatsächlich etwas mehr Inhalt gebrauchen, fand sie. Was sie auch, immer noch grinsend, sagte. „Na ja, sei ehrlich, deine Wohnung ist schon extrem leer. Ein paar dekorative Elemente könnten da nicht schaden.“ Einen kurzen Moment schwieg sie, aber bevor Archias etwas sagen konnte, lachte sie und meinte: „Krimskrams, das wäre wohl eins der netteren Worte, die du dafür finden würdest. Aber wart’s nur ab, wenn du irgendwann mal höheren Besuch bekommst, wirst du dankbar dafür sein, dass deine Wohnung nicht mehr so aussieht wie jetzt. Vor allem dann, wenn der Besuch seine Frau mitbringt und die viel Einfluss auf ihn hat. Du ahnst ja gar nicht, was eine schön eingerichtete Wohnung für einen Eindruck machen kann…“ Auf Frauen genauso wie auf Männer – Seiana war fest davon überzeugt, dass nicht alle Männer einen so minimalistischen Geschmack hatten wie Archias. Aber darauf würde sie achten, wenn sie ein paar Dinge kaufte für seine Wohnung…
Während sie so mit ihm herumalberte, fiel ihr gar nicht auf, worüber sie eigentlich sprach und auch ernsthaft nachdachte – dass sie vorhatte, Einrichtungsgegenstände für seine Wohnung zu besorgen, als hätte sie irgendeine Befugnis dafür. Als stünde schon fest, weswegen sie eigentlich hierher gekommen war – herauszufinden, wie sie zu Archias stand. Sie war sich auch nicht ganz sicher, warum er sie nun für die Richtige hielt. Weil sie aus der richtigen Familie kam und gut aussah? Hätte sie ihn mit einer größeren inneren Distanz beobachten können, so wie es Elena möglich war, wäre ihr schnell klar geworden, dass das nicht der eigentliche Grund war für sein Interesse. Es mochte ein wichtiger Grund sein für die Familie, aus der er stammte, deren Anforderungen er genauso wenig übergehen konnte wie sie, aber es war eben auch nur das: wichtig, sofern es Familie und Tradition betraf. Unwichtig, sobald es zum Persönlichen kam. Umgekehrt wollte sie dasselbe für sich, wenn sie daran dachte zu heiraten. Aber sie hatte nicht die nötige innere Distanz für die Beobachtung, und sie hatte auch nicht den Kontakt zu Katander, den Elena hatte, der ihr ebenfalls eine Menge hätte erzählen können. Im Moment aber dachte sie auch gar nicht darüber nach, sondern saß entspannt auf dem Stuhl vor ihm und lachte mit ihm zusammen.
Auf seine Nachfrage hin stellte sie das Päckchen auf den Tisch und schlug es langsam auf, und unter dem Papier tauchten mehrere Brothälften auf, belegt mit so gut wie allem, was die aelianische Küche zu bieten gehabt hatte – wäre es nach ihr gegangen, wären die Hälften tatsächlich mit allem belegt gewesen, aber bevor Ophelia hatte versuchen können, sie zurückhaltend darauf hinzuweisen, dass manche Dinge möglicherweise weniger geeignet waren, sie auf einem Brot anzurichten, hatte Elena schon auf die ihr eigene Art ein Machtwort gesprochen. Genauso waren Seianas Vorschläge, wie man die einzelnen Elemente kombinieren könnte, abgeschmettert worden von ihrer Leibsklavin, mit dem simplen Spruch: Und wem – außer dir vielleicht – soll das bitte schmecken, wenn du Olivenhälften und Schafskäse mit Honig übergießt? Ganz hatte Seiana sich ihre Vorstellungen nicht austreiben lassen, und so war das, was sich in dem Päckchen präsentierte, zwar immer noch ein wenig ausgefallener als üblich, aber immerhin waren sie alle drei davon überzeugt gewesen, dass es schmecken würde. Sie schob das offene Päckchen in die Mitte des Tisches und sah ihn erwartungsvoll an, nur um im nächsten Moment zu lachen, als sie seinen misstrauischen Gesichtsausdruck sah. „Was denkst du denn? Ich werd dich schon nicht verschleppen.“ Sie wartete, bis er sich ein Stück Brot genommen hatte, dann suchte sie sich ebenfalls eines aus – mit Hähnchenfleisch, auf römische Art zubereitet, aber mit einer ägyptischen Paste, von der Seiana nicht sicher wusste, woraus sie bestand, außer dass kleine Dattelstückchen darin waren. Sie biss ein Stück ab und wartete, bis sie hinunter geschluckt hatte, bevor sie weitersprach. „Das ist eine Überraschung. Also, ich hoffe, es ist eine Überraschung für dich. Aber das weiß ich jetzt ja noch nicht, deswegen werd ich dir bestimmt nichts verraten. Also? Kannst du den Nachmittag hier raus?“