Beiträge von Decima Seiana

    Zitat

    Original von Decius Germanicus Corvus


    Seiana nickte mit einem vagen Lächeln. „Ja, so sehe ich das auch“, stimmte sie dem Germanicus zu und richtete ihre Aufmerksamkeit dann auf den ersten Kampf, der in der Arena stattfand. Zwei Equites traten gegeneinander an, aber sie schaffte es nicht wirklich, mit ganzem Herzen dabei zu sein, den Kampf mit jener gewissen Aufregung zu verfolgen, die sich normalerweise bei Gladiatorenkämpfen einstellte. Umso dankbarer war sie für jede Ablenkung – jene auf den Tribünen, die sich plötzlich ergab, auch wenn sie nicht wirklich mitbekam was genau los war, aber erst recht dafür, dass der Germanicus wieder begann zu reden. „Tigranes ist ein Dimachaerus, nicht wahr? Die Paarung dürfte wirklich interessant werden.“ Sie lächelte flüchtig. „Ich habe nicht gewettet... aber ich denke, ich hätte eher auf den Dimachaerus gesetzt.“

    Bevor sie wirklich realisieren konnte, was Seneca meinte, als er sagte er sollte gehen – war er schon fort. Und Seiana blieb sitzen. Hatte sie nicht gesagt, dass sie gehen wollte? Stattdessen war es nun sie, die bleiben musste, zwangsläufig, und das sogar noch einige Zeit länger, weil sie nicht das Risiko eingehen wollte dabei gesehen zu werden, wie sie kurz nach ihm dieses Haus verließ. Sie presste die Lippen aufeinander, so fest, dass sie zu einem schmalen Strich wurden, und rührte sich nicht, rührte keinen Muskel, weil die Anspannung immer größer wurde in ihr, so groß, dass sie das Gefühl hatte sich gar nicht mehr bewegen zu können. Sie wollte raus hier. Mehr als alles andere wollte sie in diesem Moment raus aus dieser Wohnung, mit der sie so viele schlechte Erinnerungen verband, die auf ihr lasteten wie ein Stein und denen sie hier nicht entrinnen konnte. Und zudem war ihr nur allzu schmerzlich bewusst, dass die Amme draußen mit dem Kind wartete, was zu den Erinnerungen noch eine Erwartungshaltung brachte, der sie sich einfach nicht gewachsen sah. Sie hatte gehen wollen, und das aus gutem Grund. Und auch wenn ein Teil von ihr wusste, dass Seneca das nicht mit böser Absicht gemacht hatte, dass er sich nichts dabei gedacht, es vermutlich sogar nur gut gemeint hatte – sie kam nicht umhin, ihm in diesem Moment innerlich bitterste Vorwürfe zu machen, dass er sie gezwungen hatte hier zu bleiben, indem er zuerst gegangen war.

    „Bitte was?“ fragte Seiana zurück, im ersten Moment irritiert, und nicht sicher ob sie richtig gehört hatte oder noch halb am Schlafen war. Dann zog kurz eine bedauernde Grimasse. „Tut mir leid. Aber ich kann versuchen was aufzutreiben, über meine Taberna medica.“ Alles, was es ihm leichter machte, was ihm half. Sie dachte nicht daran, dass es das vielleicht noch schlimmer machen könnte – andererseits hatte sie ihren Bruder in dessen schlimmsten Zeiten nie selbst erlebt, hatte nur davon gehört, wie es früher gewesen sein musste, in seiner Jugend, von den Berichten, die ihre Mutter irgendwie hatte bekommen können, und von jener Zeit in Aegyptus wusste sie so gut wie gar nichts.


    Müde rieb sie sich die Stirn, die Augen. „Ich bin gern hier“, versicherte sie ihm. Nun ja... vielleicht nicht gern, das nicht, aber sie konnte sich nicht vorstellen irgendwo anders zu sein. Die Angst ihn zu verlieren trieb sie immer wieder hierher, an seine Seite, ließ es überall anders unerträglich scheinen, selbst wenn die Umstände eigentlich bessere wären: ein vernünftiges Bett, beispielsweise, oder ansprechbare Gesellschaft. Trotzdem verbesserte sie sich nicht. „Wenn“, fügte sie noch mit einem nur angedeuteten Lächeln an, das trotz der guten Absicht nicht so recht gelingen wollte, „du Ruhe haben möchtest, musst du es nur sagen, aber ich bin gern bei dir.“ Sie musterte ihn, fand, dass er tatsächlich besser aussah als in den vergangenen Wochen... und zuckte dann zusammen, als ein Schwall an Worten aus ihm herausbrach. Darunter: ich muss weg hier. Über Seianas Miene huschte ein Schatten. „Das... also...“ Für einen Moment rang sie nach Worten, dann beschloss sie, seine Fragen einfach der Reihe nach zu beantworten. „Der Familie geht es gut. Frag mich nicht warum, aber Cornelius scheint nicht auf Rache aus zu sein. Oder darauf, sonderlich viele oder einprägsame Exempel statuieren zu wollen. Massa ist in Ordnung, auch wenn er versetzt wird zur Classis nach Alexandria. Varenus ist weiterhin in der Kanzlei tätig, Livianus und Aquila haben kandidiert, als Consul und Vigintivir, beide sind gewählt worden...“ Zögerlich griff sie nach seiner Hand, nachdem sie grob die neuesten Ereignisse zusammengefasst hatte, die die Familie betrafen. „Du musst nicht weg, Faustus. Sie lassen uns in Ruhe. Mehr noch, gerade im Senat ist der Rückhalt für uns ganz offensichtlich größer als ich gedacht hätte. Wir...“ Seiana presste die Lippen aufeinander, bevor sie sich einen Ruck gab und fragte: „Was willst du Onkel Livianus erzählen?“


    Die plötzliche Frage nach ihrem Bruder überraschte Seiana ein wenig, obwohl sie sich ja eigentlich schon gedacht hatte, dass das Verhältnis zwischen dem Flavier und Faustus enger sein musste, eng genug, dass es den Senator lebhaft interessieren dürfte, wie es ihrem Bruder ging. Vielleicht, weil Flavius Gracchus sonst immer einen sehr zurückhaltenden, beherrschten Eindruck machte.
    „Ja, er ist hier“, antwortete sie nichtsdestotrotz auf die Frage, ohne ihrer leichten Überraschung Ausdruck zu verleihen. Stattdessen huschte ein Schatten über ihr Gesicht. Sie sollte froh sein, dass er überhaupt hatte heimkommen können, das wusste sie, und sie war auch froh – aber sein Zustand machte ihr Sorgen. „Besuch kann er noch keinen empfangen. Er ist...“ Sie presste kurz die Lippen aufeinander und suchte nach Worten. „Die Zeit im Carcer hat ihm sehr zugesetzt, er leidet unter heftigen Fieberschüben. Und... wenn das Fieber niedriger ist, ist er...“, fügte sie zögerlich hinzu, stockte und setzte erneut an: „...leidet sein Geist fast noch mehr, als es sein Körper tut.“ Sie wusste nicht so genau, warum sie das sagte. Vielleicht, weil letztlich deutlich war, dass den Flavius etwas mit ihrem Bruder verband, etwas, dass dazu geführt hatte dass Faustus ihn hier versteckt hatte, etwas, dass dazu geführt hatte dass der Flavier nun hier war, nach ihrem Bruder fragte, sich Sorgen machte. Vielleicht auch, weil Seiana Tag für Tag fast nur an der Seite ihres Bruders verbrachte, weil sie versuchte ihn zu schützen, weil sie versuchte, nach wie vor und trotz der Rückkehr ihres Onkels, stark zu sein, der Familie Rückhalt zu geben – und damit mehr und mehr an ihre eigenen Grenzen kam.

    Die Tage vergingen, aber sie waren zäh, so zäh und klebrig wie Harz an einem Baumstamm. Seiana ließ sich von Sklaven auf dem Laufenden halten, was außerhalb der vier Wände von Faustus' Cubiculum geschah, aber sie selbst wich nur selten von der Seite ihres Bruders, und wenn sie es denn doch tat, spürte sie den Drang, so rasch wie möglich zurückzukehren an seine Seite. Sie kühlte seine Stirn, wenn er vor Fieber glühte, sie versuchte ihn beruhigen, wenn Albträume ihn in seinem Schlaf quälten, sie half den Sklaven ihn zu versorgen, und wenn es nichts zu tun gab, saß sie bei ihm, las ihm manchmal vor aus seinen Lieblingswerken, oder hielt häufig genug einfach nur seine Hand.
    Mehr als einmal fühlte sie sich dabei unheilvoll an jene Zeit erinnert, als ihre Mutter krank geworden war. Sie war älter, reifer, sie konnte anders damit umgehen... und doch fühlte sie sich kaum weniger hilflos als damals, als sie am Bett ihrer Mutter gesessen hatte, und trotz all den Dingen, die sie auch damals getan hatte – ihr zu helfen beim Essen und Trinken, sie zu waschen, saubere Kleidung anzulegen, alles Kleinigkeiten, die sie den Sklaven mehr und mehr abgenommen hatte, einfach um irgendetwas tun zu können –, trotz all diesen Dingen also nicht wirklich mehr hatte tun können als letzten Endes einfach nur dazusitzen, und ihrer Mutter beim Sterben zuzusehen. Zuzusehen, wie diese Frau, die ihr Zeit ihres Lebens immer so stark erschienen war, schwach und schwächer wurde. Zuzusehen, wie diese Frau, die gerade wegen ihres ambivalenten Verhältnisses zueinander eine so prägende Rolle in ihrem bisherigen Leben gehabt hatte, immer kleiner zu werden schien. Zuzusehen, wie diese Frau, die vier Kinder ohne Vater aufgezogen hatte, die niemals aufgegeben, sich niemals hatte unterkriegen lassen, aufhörte zu kämpfen. Zuzusehen, wie sie starb.


    Es waren Momente wie dieser, wenn sie nicht mehr unterscheiden zu können schien zwischen Gegenwart und Vergangenheit, wenn die Erinnerung so stark wurde, dass sie ihr wie ein eisernes Band um den Brustkorb zu schlingen schien und ihr den Atem raubte, in denen sie es nicht mehr aushielt, an seiner Seite zu bleiben. In denen sie regelrecht floh aus seinem Zimmer, zumeist in den Garten, wo sie nach frischer Luft rang, weil sie fürchtete zusammenzubrechen. Aber es gab auch jene Momente, die ihr deutlich machten, dass es nicht war wie damals. Auch wenn das Fieber heftig wütete, auch wenn er in fieberfreien Zeiten häufig düster vor sich hinbrütete, auch wenn er in beiden Phasen nur allzuoft nicht ansprechbar war und wenn doch, sie kaum an sich heranließ, was ihr jedes Mal einen Stich versetzte – Faustus wurde nicht schwächer, er wurde stärker. Langsam, so furchtbar langsam nur, aber die Tendenz war da, und das war genug um sie hoffen zu lassen.
    Als Faustus an diesem Tag sie ansprach, war Seiana in einer Pose anzutreffen, die ziemlich vertraut war für jeden, der in der vergangenen Zeit das Cubiculum betreten hatte: sie saß in einem Sessel neben dem Bett ihres Bruders, der Oberkörper leicht zur Seite geneigt, die Augen geschlossen, eine Hand in der Nähe der seinen, von der sie allerdings herunter gerutscht war. Der Schlaf, in den sie gefallen war, war aber nur leicht, und als sie Faustus' Stimme hörte, war sie sofort wach. Die mittlerweile schon chronischen Schmerzen in ihrem Rücken aufgrund der ungesunden Haltung, in der sie viel zu häufig geschlafen hatte, ignorierend, richtete sie sich etwas auf. „Hola“, antwortete sie leise, bei diesem ersten Gruß unwillkürlich in die Sprache ihrer Vorfahren fallend, mit der sie als Kinder ebenso aufgewachsen waren wie mit Latein. „Wie... wie geht's dir heute?“

    Zitat

    Original von Appius Decimus Massa
    Gemächlich ging ich ins Tablinum und setzte mich. Die Anstrengungen der vergangenen Stunden machte sich bemerkbar. Die Beine ausstrecken und zurücklehnen. Ein Bad wäre nehmen. Ich war müde und nicht gewillt eine Entscheidung zu treffen. Sitzen bleiben und ein bisschen Dösen bis die gewünschten Kleinigkeiten gebracht wurden. Das war also mein letzter Besuch in Casa in diesem Jahr. Im Frühjahr wäre es erst wieder möglich. Überwintern in Alexandria. Einen entsprechenden Zeitvertreib suchen. Vielleicht ließen sich Geschäftsbeziehungen knüpfen.


    Ein Sklave hatte ihr Bescheid gegeben, dass Massa gekommen war. So früh am Morgen waren wenige schon wach, aber in diesen Tagen, in denen sie kaum von Faustus' Seite wich, war Schlaf etwas, den sie sich nur unregelmäßig gönnte, und das zu den unterschiedlichsten Zeiten. Die Sklaven wussten das, und deswegen hatten sie auch ihr als erstes Bescheid gegeben, dass Massa gekommen war. Und trotz allem, was zuletzt vorgefallen war: Seiana war unglaublich erleichtert, dass er da war. Dass auch er überlebt hatte, dass es ihm gut ging, dass er seine Familie besuchen konnte. Er hätte sterben können in diesem Bürgerkrieg, genauso wie Faustus – was waren dagegen schon diese kleinlichen Streitereien?
    „Massa“, grüßte sie ihn, als sie das Tablinum betrat und auf ihn zuging. Sie lächelte leicht dabei, auch wenn sie nicht wirklich fröhlich dabei wirkte, sondern eher ein Hauch Melancholie durchschimmerte. „Ich bin so froh, dass du den Krieg auch heil überstanden hast.“*



    Sim-Off:

    *Nachdem das schon eine ganze Weile her ist, geh ich mal davon aus, dass aus dem Besuch nichts geworden ist – kann ja sein, dass sie in der Castra nicht vorgelassen wurden oder so. Ich hoff das ist okay :)

    Es war einer dieser Tage, an denen sie es kaum aushielt an Faustus' Seite, an denen sie überwältigt war von Erinnerungen an früher, an denen sie nicht mehr auseinander halten konnte, an wessen Bett sie überhaupt saß... und irgendwann wurde es ihr heute tatsächlich zu viel. Sie brauchte etwas Abwechslung, wenn sie nicht zusammenbrechen wollte, das wusste sie. Und es war ja nicht so, als hätte sie nicht noch andere Dinge zu tun. Sie musste sich das nicht mal einreden, denn es stimmte ja – aber dennoch hatte sie ein schlechtes Gewissen. Weil sie schwach war. Weil sie eine Pause brauchte. Weil sie es nicht aushielt, ihrem Bruder beizustehen, der nicht einfach eine Pause machen konnte, der keine Chance hatte zu fliehen, wenn es ihm zu viel wurde. Aber sie war nun mal schwach, sie brauchte für den Moment etwas Abstand, und so stand sie nun vor der Tür zu Varenus' Cubiculum, um die überfälligen Themen zu klären. Die nötigen Informationen hatte sie zusammenstellen lassen, von Sklaven und Mitarbeitern, hatte dann an Faustus' Seite, wenn dieser gerade schlief oder in seiner Welt versunken war, die Unterlagen selbst noch einmal überprüft und überarbeitet. Mit einigen Tabulae in der Hand klopfte sie an Varenus' Tür.

    Seiana blickte auch in die Arena hinunter, aber sie sah nicht wirklich hin. Sie konnte den Spielen schon etwas abgewinnen, auch wenn sie sicherlich kein so großer Freund davon war wie so manch andere, und natürlich ließ sie sich blicken, wenn welche stattfanden – aber wenn sie nicht gehen müsste, wenn sie vor allem die Menschenmassen meiden könnte, würde sie nichts vermissen, und gerade Hinrichtungen waren ohnehin nicht das ihre. So unbestritten manche den Tod verdient hatten, sie musste nicht unbedingt dabei zusehen.


    Als die Hinrichtungen vorüber waren und der Germanicus sich wieder an sie wandte, richtete auch sie wieder ihre Aufmerksamkeit auf ihn. „Ja, wenn größere stattfinden, sehe ich sie mir gerne an“, antwortete sie, was, nun ja, teilweise geflunkert war. Aber eben nur teilweise. Sie war versucht, auch auf die nächste Frage hin mit einem schlichten ja zu antworten, entschied sich dann aber anders. Sie hätte nichts sonst hinzufügen können, keine Schwärmerei über Tierhatzen, über die Art der Tiere, sonst etwas, was jemand vielleicht getan hätte, der es tatsächlich mochte. Und sie wollte das Gespräch nicht abwürgen, war dankbar um die Ablenkung – von den vielen Menschen um sie herum, und von dem Gedanken, dass sie lieber daheim wäre... und eigentlich auch daheim sein müsste, bei ihrem Bruder. „Offen gestanden, nicht allzu sehr“, erwiderte sie also und versuchte sich an einem Lächeln, während sie hinzufügte: „Hinrichtungen haben ihren Zweck, aber sie sind sehr einseitig. Ich finde die Gladiatorenkämpfe interessanter. Es ist spannender, wenn einigermaßen gleich qualifizierte Gegner ihr Können messen.“

    Alle Zeit der Welt. Das war nicht gerade das, was sie erwartet hatte... und auch nicht das, was sie zu hören gehofft hatte. Es schmerzte sie, sich das einzugestehen, aber es wäre ihr lieber gewesen, Seneca hätte gesagt er müsse bald wieder gehen – gleich ob es nun wirklich so war, oder ob er das nur als Vorwand nutzte. Im nächsten Augenblick allerdings überraschte er sie, als er aussprach, was sie genauso empfand: es war erdrückend hier. So sehr, dass zumindest sie es nur schwer aushielt. Und obwohl sie selbst das aus eigenem Antrieb wohl niemals gesagt, niemals zugegeben hätte, war sie dankbar dafür, dass er es getan hatte. Dass er ehrlich gewesen war. Es machte es ihr einfacher, ebenso ehrlich zu sein, und nicht irgendeinen Vorwand vorzuschieben. „Mir geht es genauso. Es ist so viel passiert, gerade hier...“ Die letzte Zeit der Schwangerschaft. Die Nachricht über die verlorene Schlacht. Die Ungewissheit über den Verbleib von Faustus und Seneca. Die Geburt... Und schließlich ihre Gefangennahme. Und nun dieses Gespräch, das die Liste unerfreulicher Erinnerungen, die mit diesen Räumen verbunden waren, nur noch erweiterte. „Ich habe viel zu viel Zeit im Moment, ich mache wenig mehr als zu warten.“ Darauf, was Cornelius entscheiden würde, im Hinblick auf ihren Bruder, und im Hinblick auf sie, jedenfalls was ihre Position als Auctrix und Rectrix betraf. „Aber ich... wenn es dir nichts ausmacht, würde ich lieber gehen“, gestand sie ihm, ohne ihn dabei anzusehen. Es tat ihr leid, wegen ihm, wegen ihr, weil die wenige Zeit mit ihm so kostbar war, aber so wie dieses Gespräch gelaufen war, wollte sie am liebsten einfach nur fliehen.


    Seiana hörte den Worten des Flavius zu – hatte er überhaupt in ihrer Gegenwart jemals schon so viel am Stück geredet? Sie konnte sich nicht daran erinnern, aber andererseits war sie ihm bislang auch nicht wirklich oft begegnet. Und sie dachte auch nicht wirklich lange darüber nach... zu sehr fesselte sie, was er sagte und wie. In diesem Moment begriff sie, mehr denn je, was den Flavier zu seinem Ruf verholfen hatte, warum er so angesehen war, obwohl er sich eine Zeitlang zurückgezogen hatte, auch schon vor dem Bürgerkrieg. Es war nicht nur sein ganzer Habitus, seine Ausstrahlung. In diesem Moment bewies der Senator, wie gut er reden, wie überzeugend er sein konnte. „Ich wünschte, andere würden das genauso sehen wie du. Dass mein Bruder nur seine Pflicht getan hat...“ Als einer der wenigen in diesem ganzen Wahnsinn, wie Seiana glaubte. Faustus hatte wirklich daran geglaubt, dass er das Richtige getan hatte, das, was seine Pflicht gewesen war, was ehrbar gewesen war. Er glaubte bis heute daran. Sie hingegen konnte nicht einmal ansatzweise dasselbe von sich behaupten. Sie... hatte nur versucht, irgendwie heil aus dem Ganzen heraus zu kommen. Sich und ihre Familie zu schützen, das war es gewesen, wonach sie gestrebt hatte, und deswegen hatte sie sich immer tiefer hinein ziehen lassen. Und genau das war es doch, was der Flavier zum Schluss sagte: es geht um das eigene Wohl. In ihrem Fall nicht notwendigerweise um Macht und Besitz, aber dennoch: um das eigene Wohl. Und trotzdem hatte sie plötzlich irgendwie das Bedürfnis, ihn trösten zu wollen, ihm zu versichern, dass es nicht stimmte, dass er den Glauben nicht verlieren sollte. „Ich glaube dennoch, dass die Politik Idealen verpflichtet ist. Auch wenn es nicht alle Politiker sind, aber es gibt immer wieder die, die wie du denken. Wie du siehst, bin ich wohlbehalten nach Hause gekommen, und auch mein Bruder...“ Sie stockte ganz kurz. Wohlbehalten war etwas anderes. „... durfte heimkehren, auch wenn die Geschichte zeigt, dass Männer wie er schon ein ganz anderes Ende erfahren mussten.“ Seiana deutete ein zaghaftes Lächeln an. „Meine Verwandten verlieren auch nicht den Mut. Mein Onkel Livianus ist aus Hispania zurückgekehrt, und er stellt sich den Untiefen der römischen Politik, all denen, die meiner Familie einen Strick aus dem drehen wollen, was in der jüngsten Vergangenheit passiert ist. Er wird für das Consulat kandidieren... und einer meiner jüngeren Verwandten, Marcus Aquila, hat beschlossen sich für das Vigintivirat aufstellen zu lassen. Sie tun das beide in vollem Wissen über den Gegenwind, der sie wohl erwarten wird.“

    Seiana presste die Lippen aufeinander, als sie Faustus' gemurmelte Antwort hörte, aber sie erwiderte nichts. Stattdessen sah sie kurz zu ihrem Onkel auf und nickte leicht. „Ja, mach ich“, antwortete sie leise, rührte sich aber erst mal noch nicht, sondern hielt nur weiter die Hand ihres Bruders. Hilflos sah sie dabei zu, wie er die Beine irgendwie aufs Bett brachte, wusste nicht, wie sie ihm helfen sollte, außer ihm Platz zu machen. Als er lag, setzte sie sich wieder an seine Seite, seine Hand immer noch in ihrer, und strich sachte mit der anderen über sein Gesicht...


    Es dauerte ein wenig, bis Seiana sich selbst genug gefangen hatte, bis sie die Angst genug im Griff hatte, um irgendetwas zu tun. Sie hatte fast das Gefühl, als würde er einfach verschwinden, wenn sie seine Hand losließ und ihn nicht mehr festhielt. Natürlich war das Unsinn, aber er wirkte so weit fort... Es dauerte, bis sie es über sich brachte dennoch loszulassen, und als sie es tat, wich sie trotzdem nicht von seiner Seite. Sie trug den Sklaven auf warmes Wasser zu holen und weiche Tücher, ein Messer, eine saubere Decke. Als alles gekommen war, schickte sie sie hinaus, alle bis auf eine Sklavin, und gemeinsam mit ihr begann Seiana, langsam, vorsichtig, zärtlich ihren Bruder zu säubern. Sie schnitt ihm seine dreckige und zerlumpte Kleidung vom Leib, tupfte ihn behutsam mit einem der befeuchteten Tücher sauber, arbeitete langsam und methodisch, zuckte nur zurück und hielt inne, wenn Faustus selbst zuckte. Das gebrachte Wasser wurde schmutzig, und die Sklavin sorgte dafür, dass es gewechselt wurde, einmal, ein zweites Mal. Seiana achtete kaum darauf, sie merkte nicht einmal, wie Tränen begannen, lautlos über ihre Wangen zu rollen, als sie ihren Bruder so sah, und sie verlor jedes Zeitgefühl, während sie sich um ihn kümmerte. Als sie schließlich fertig war, verschwand auch die letzte Sklavin, gemeinsam mit dem Wasser und den schmutzigen Tüchern, und Seiana breitete eine Decke aus über ihren Bruder und setzte sich wieder an seine Seite, hielt seine Hand, sah ihn einfach nur an. Und schlief irgendwann selbst ein dabei.

    Zitat

    Original von Marcus Decimus Livianus und Decius Germanicus Corvus
    [...]


    Seiana lächelte weiterhin, gewann ein wenig mehr Routine, nun, da sie angekommen war und sich setzen konnte. Ein flüchtiger Blick zu dem Bereich, wo der Veranstalter zu finden war, zeigte ihr, dass Aquila dort stand, bevor sie sich wieder den beiden Männern zuwandte. „Salve, Germanicus. Es ist mir eine Freude, deine Bekanntschaft zu machen“, erwiderte sie das Kompliment, während im Hintergrund zunächst die Verbrennung stattfand und im Anschluss die Tierhatz ihren Lauf nahm.

    „Das ist nur natürlich, dass du das nicht kannst. Ich hoffe ja, dass es gar nicht nötig sein wird, aber bei jungen Männern weiß man nie...“ Seianas Lippen zuckten leicht in einem angedeuteten Schmunzeln, bevor sie sich ebenfalls erhob, als Celeste das tat. „Mich ebenso“, erwiderte sie. „Wenn es etwas gibt, wenn du Probleme hast oder mit Aquila nicht zurecht kommen solltest, kannst du jederzeit zu mir kommen. Vale bene, Celeste.“



    Sim-Off:

    Ihr könnt ja dann gleich hier weiter machen, wenn ihr wollt. Spart dir den Weg über die Porta :)

    „Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich mich gerne darum kümmern“, erwiderte Seiana, als Livianus davon sprach, seinen Scriba zu beauftragen. Wenn sie eines gemerkt hatte die letzten Tage, dann dass sie etwas zu tun brauchte, und die Renovierung der Casa Decima war etwas, was sie eine ganze Zeit lang würde beschäftigen können. Anschließend bemühte sie sich dann um ein Lächeln. „Keineswegs. Es ist nur verständlich, dass du etwas Ruhe brauchst. Ich wünsche dir eine gute Nacht“, verabschiedete sie sich.

    Ein decimischer Sklave gab folgenden Brief ab:


    Ad
    Imperator Caesar Augustus
    Appius Cornelius Palma
    Palatium Augusti
    Roma, Italia


    Decima Seiana Imperatori Caesari Augusto Ap. Cornelio Palmae s.d.


    Wie von dir gewünscht, Imperator, erhältst du hiermit einen schriftlichen Bericht über den derzeitigen Stand der Schola Atheniensis Phoebi Apollonis Divinis:


    Personal
    Auf der Ebene der Scribae ist die Schola hinreichend mit Personal ausgestattet. In den vergangenen Monaten hat es hier zwar Schwankungen gegeben, dennoch ist die Zahl der Köpfe ausreichend, um den Arbeitsanfall in angemessenen Zeiträumen zu erledigen.
    Anders sieht es bei den Lehrkräften aus. Hier hat der Bürgerkrieg seine Spuren hinterlassen, da einige es vorgezogen hatten, die Stadt zu verlassen. Das Durchführen der allgemeinen Kurse war zu keinem Zeitpunkt gefährdet, da die verbliebenen Lehrkräfte sich im Besonderen um diese gekümmert haben. Spezielle Kurse werden indes weniger angeboten. Eine Besonderheit stellt zudem der Cursus Iuris dar; auch hier leidet die Schola unter Personalmangel, da sich kaum ein geeigneter Magister Iuris finden lässt, der gewillt ist die Prüfungen abzunehmen. Als Folge davon werden aktuell nur Schüler zum Cursus Iuris zugelassen, die ihn im Verlauf ihres weiteren Werdegangs (beispielsweise Ämter im Cursus honorum) brauchen.


    Finanzen
    Die Finanzen der Schola sind aktuell als sehr solide zu bezeichnen. Aufgrund des früheren Verkaufs einiger Werke von Schülern sowie der Bewirtschaftung einfacher Betriebe, die im Zusammenhang mit der Arbeit der Schola standen, konnte ein beträchtliches Vermögen angeschafft werden. Dieses wurde auch unter dem Usurpator nicht angetastet. Nach Abschaffung dieser wirtschaftlichen Tätigkeit der Schola konnte das Vermögen nicht weiter ausgebaut werden, da bereits seit langer Zeit kaum Spenden zu verzeichnen waren und ein Großteil der Kurse von römischen Bürgern keine oder nur einmalig eine Gebühr erfordert. Aufgrund des verringerten Kursangebots und der damit zusammenhängenden geringeren Ausschüttung an Aufwandsentschädigungen für Lehrkräfte ist jedoch im Augenblick auch keine große Verringerung im Vermögen der Schola festzustellen. Anbei zu diesem Schreiben erhältst du einen ausführlichen Finanzbericht der Schola; dieser wird zudem auch an die Finanzabteilung deiner Kanzlei gehen, die einen solchen angefragt hat.


    Materialien und Bausubstanz
    Die Bibliothek der Schola ist gut ausgestattet mit Lehr- und Lernmaterial für Lehrer und Schüler; eine weitere Aufstockung wäre zwar sicherlich wünschenswert aus Sicht der Beteiligten, allerdings würde ich die derzeitige Lage als völlig hinreichend bezeichnen. Das gleiche gilt für die Ausstattung der Arbeitsräume von Mitarbeitern. Hier ist der Vorteil, dass insbesondere viele der Lehrkräfte lediglich für Kurse in die Schola kommen und entsprechend wenig Material und Raum hier benötigen. Die Gebäude der Schola selbst sind in einem guten Zustand. Kleinere Instandhaltungsarbeiten wurden und werden im laufenden Betrieb erledigt, die letzte größere Renovierung ist jedoch schon geraume Zeit her. Gegebenenfalls könnte im nächsten Jahr die Gelegenheit genutzt werden, die Gebäude von einem Architekten begutachten zu lassen, um eventuelle für das unkundige Auge noch nicht sichtbare Mängel feststellen und beheben zu lassen.


    Für Rückfragen stehe ich dir selbstverständlich gerne zur Verfügung. Mögen die Götter dich behüten.


    [Blockierte Grafik: http://img203.imageshack.us/img203/3245/ihu.png]



    Finanzübersicht der Schola Atheniensis




    Sim-Off:

    *Stand 1.10.2013
    **Sim-off-Jahr vom 1.10.2012 bis 1.10.2013

    Zitat

    Original von Marcus Decimus Livianus und Decius Germanicus Corvus
    [...]


    Auch Seiana hatte sich dazu durchgerungen, den Spielen des Duccius beizuwohnen. Eigentlich verspürte sie keine große Lust darauf... sie verließ in letzter Zeit kaum noch die Casa, fühlte sich unsicher auf den Straßen und ganz eindeutig unwohl in größeren Menschenmengen – sie hatte das noch nie sonderlich gemocht, aber es war nun anders als früher, schlimmer. Früher war es einfach nur nicht sonderlich angenehm gewesen. Jetzt musste sie sich manchmal konzentrieren, um weiter ruhig atmen zu können und ihre Gedanken nicht nur darum kreisen zu lassen, wann und wie sie am besten wieder weg kam.
    Trotzdem war sie heute hier. Sie konnte kaum weg bleiben von dieser Veranstaltung. Es war wichtig, dass Decimi hier waren, nicht nur weil einer der ihren als Tiro fori beteiligt war an der Organisation, sondern vor allem auch, weil sie mit dem Duccius nun verbunden waren. Wofür sie gesorgt hatte – was hieß: sie konnte sich nicht aus der Affäre ziehen. Die Decimi mussten zeigen, dass sie ihn unterstützten, gerade bei Gelegenheiten wie diesen, und Seiana musste dabei sein. Sie hatte es eingefädelt... und sie hatte bislang mit am meisten profitiert davon, wenn sie an ihre Zeit in der Castra dachte, die sie dankenswerterweise größtenteils nicht in einer Zelle hatte verbringen müssen.


    Allerdings: sie kam etwas zu spät. Nicht weil sie nicht rechtzeitig hier gewesen wäre... aber sie hatte es einfach nicht über sich gebracht, mitten im größten Ansturm in die Arena zu drängen, nicht einmal mit ihren beiden Leibwächtern um sich, die ihr ein wenig Platz verschafften. Also hatte sie gewartet, bis es ruhiger geworden war, und erst dann betrat sie die Publikumsränge, während der Duccius sich schon der Menge präsentierte. Während der Aedil begann, seine Spiele zu eröffnen, bahnten Seianas Leibwächter ihr einen Weg bis hin zu ihrem Onkel Livianus, den sie im Gespräch mit einem anderen Mann entdeckt hatte, und mit einem schmalen, etwas erzwungen wirkenden Lächeln grüßte sie, als sie angekommen war: „Salvete... verzeiht bitte die Unterbrechung. Darf ich mich zu euch gesellen?“

    Seiana nickte langsam. „Ich habe die Hoffnung, dass es mehr werden, wenn erst mal etwas Zeit vergangen ist.“ Sie seufzte und rieb sich über die Stirn. Das Problem war: die meisten Kontakte, die sie hatten, waren zu Familien, die in den vergangenen Jahren auch hier in Rom gewesen waren... die entsprechend Vescularius' Herrschaft zumindest toleriert und versucht hatten, das Beste daraus zu machen. Bei weitem nicht alle hatten unter dem Ausgang des Bürgerkriegs wirklich zu leiden, aber natürlich gehörte auch keiner von ihnen zu jenen, die jetzt großen Einfluss hätten.


    Auf Livianus' anschließende Frage hin schüttelte sie nach kurzem Überlegen den Kopf. „Nein... Varenus geht es so weit gut, er hat seine Anstellung in der Kanzlei behalten. Massa hat, so weit ich weiß, ebenfalls unbeschadet das Ende des Kriegs überstanden und ist weiterhin in Diensten der Classis. Messalina ist auch wohlauf, sich an den Vestalinnen zu vergreifen hat keiner gewagt. Aquila ist wohlbehalten hier in Rom angekommen und absolviert gerade ein Tirocinium fori bei Duccius Vala, und Dexter ist nach Ostia gegangen, um dort im Auftrag seines Vaters eine alte Handelsvereinigung wieder aufzubauen“, gab sie einen kurzen Überblick über die Lage der Verwandten. „Um die Casa müsste sich allerdings dringend gekümmert werden. Ich bin noch nicht allzu lange hier und hatte keine Gelegenheit bisher, mich wirklich damit auseinander zu setzen... aber ich denke, wir sollten eine grundlegende Renovierung ins Auge fassen.“

    http://img16.imageshack.us/img16/1551/ephialtesianitor.jpg






    Ephialtes
    Ein wenig misstrauisch lugte Ephialtes durch einen Spalt der Tür, als es heftig klopfte – dann allerdings öffnete er die Tür weit und zeigte sein strahlendes Grinsen, als er erkannte, wer da war. „Dominus Massa! Wie schön dich zu sehen. Komm doch herein!“ Er trat einen Schritt zur Seite, um den Decimus eintreten zu lassen. „Was kann ich für dich tun?“




    IANITOR - GENS DECIMA