Arbeit. Seiana kam nicht umhin, Venusia zu beneiden darum, dass sie das hatte. Sie selbst sehnte sich danach, endlich wieder etwas zu tun zu haben, etwas, das auch Tage füllend war. Seit sie den Carcer hinter sich gelassen hatte, seit ihre Unterkunft deutlich besser geworden war, gab es auch nichts mehr, was sie davon ablenkte, dass sie nichts zu tun hatte. Nicht, dass sie deswegen zurück in den Carcer wollte, das nicht... dennoch war das ein Nachteil daran, hier untergebracht zu sein.
Deswegen verabschiedete Seiana sich auch eher zögerlich. Ein bisschen Gesellschaft tat ihr gut, das merkte sie – aber sie wusste auch, dass sie nicht lange hier bleiben konnte. Sie wollte nicht zur Last fallen, wollte nicht dass Venusia merkte, wie sehr sie sich nach Gesellschaft und Ablenkung sehnte. Sie wollte stark wirken... wie immer. „Ich wünsche dir eine gute und sichere Reise... und lass von dir und den Kindern hin und wieder hören.“ Sie lächelte erneut, und dieses Mal ging es ihr leichter von den Lippen, auch wenn es fast ein bisschen traurig wirken mochte. Sie erhob sich ebenfalls, als Venusia aufstand, und stand dann für einen Moment beinahe unschlüssig da. Sie berührte selten andere Menschen, selbst zum Abschied nur dann, wenn es einem Akt der Unhöflichkeit gleich gekommen wäre, es nicht zu tun. Trotzdem reichte sie Venusia in einer ehrlichen Geste die Hand, und das nicht nur deshalb, weil sie sich vielleicht nicht wiedersehen würden, bevor die Duccia schließlich abreiste, sondern auch, weil das Gespräch Seiana gut getan hatte, mehr, als sie sich eingestehen wollte.
Beiträge von Decima Seiana
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„Danke“, erwiderte sie leise, und sie meinte es auch so. Sie glaubte Venusia, dass sie für Faustus beten würde, und Seiana war dankbar dafür – und flehte selbst inständig darum, dass die Götter sie erhören würden, auch wenn sie sich kaum erlaubte Hoffnung zu hegen. „Mögen die Götter geben, dass er die richtigen Worte findet.“ Was auch immer die richtigen Worte waren in einer solchen Situation. Sie wusste es ja selbst nicht – wenn der Cornelius wirklich nicht längst schon eine Entscheidung getroffen hatte über die Zukunft ihres Bruders, wer konnte dann schon wissen, was genau er würde hören wollen von ihm, damit er ihn verschonte? Selbst wenn Faustus gewillt wäre, ihm genau das zu sagen – und daran hatte Seiana Zweifel –, würde er das situationsbedingt abschätzen müssen. Was es nicht gerade einfacher machte...
Seiana seufzte lautlos und versuchte, diese Gedanken zu verdrängen. Sie grübelte ohnehin zu viel, jetzt, wo sie so viel Zeit hatte, mehr noch als früher – aber es brachte einfach nichts. Sie konnte dadurch weder die Zeit beschleunigen noch irgendetwas zu ihren Gunsten verändern. „Im Moment, denke ich, kann kaum jemand etwas für uns tun. Wir müssen einfach geduldig sein...“ Das Lächeln wurde tatsächlich ein wenig leichter, nicht mehr ganz so bemüht. „Es tut schon gut zu wissen, dass wir nicht ganz alleine da stehen. Ich danke dir dafür.“ Sie räusperte sich und machte eine verlegene Geste. Sie war eigentlich nur gekommen, um sicher zu stellen, dass der Kontakt nicht abriss, zu Magnus' Kindern und ihrer Mutter, wenn sie schon nichts mehr dagegen tun konnte, dass sie nach Germanien gingen... Deutlich zu machen, dass sie trotz allem da sein würde, dass sie Familie waren, dass sie helfen würde, wenn sie Unterstützung brauchten. Sie hätte nie erwartet, hier Trost zu finden. „Nun, ich... das war eigentlich alles, was ich wollte. Ich möchte dich nicht weiter stören, du hast sicher noch einiges vorzubereiten.“
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Seiana nickte erneut. Mehr als das, was er ihr zusagte, hatte sie ohnehin kaum erwartet. Wichtiger war, dass sie das Thema überhaupt hatte anbringen können und der Kaiser so nicht nur über ein Schreiben oder gar erst im Senat davon hörte. „Es ist mir vor allem wichtig, dass du vorab informiert bist über das Vorhaben, Imperator.“ Es sollte insbesondere nicht der Eindruck entstehen, sie würde derartige Dinge hinter seinem Rücken machen. Mal völlig unabhängig von dem, was ihr Bruder tun oder sagen würde: so wie die Decimi gerade da standen, konnte es sich keiner von ihnen leisten den Eindruck zu erwecken, sie würden irgendetwas hinterrücks machen. „Eine Einschätzung deinerseits wäre zwar sicher wünschenswert, aber es ist verständlich, dass weit wichtigere Dinge deine Zeit in Anspruch nehmen im Moment.“
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http://img261.imageshack.us/img261/6518/raghnall.png Nachdem Raghnall verschiedene Erkundigungen eingezogen hatte – was durchaus einige Zeit in Anspruch genommen hatte –, tauchte er Tage* später wieder vor der Tür des flavischen Senators auf und klopfte an, um Bericht zu erstatten.
Sim-Off: *Spielt noch vor der Rückkehr von Furianus und Gracchus Minor, würde ich vorschlagen
SKLAVE - DECIMA SEIANA -
http://img261.imageshack.us/img261/6518/raghnall.png Raghnall hatte sich selbstredend erst um den Teil des Auftrags des Flavius gekümmert, der ihn auch selbst interessierte: was war mit seiner Herrin und deren Bruder. Nachdem das allerdings erledigt war, hatte er begonnen sich auch um den anderen Teil zu kümmern: sich umzuhören, was wohl mit den verbliebenen Flaviern war. Flavius Furianus war, das war nicht schwer herauszufinden gewesen, verbannt worden und tummelte sich irgendwo im Exil. Bei anderen war das schon schwieriger, zumal der Flavier deutlich gesagt hatte, er solle nicht zu explizit fragen. Informationen über die engste Familie des Flavius Gracchus wären für Raghnall aber wohl sowieso nicht aufzutreiben gewesen, vermutete er, davon schien keiner auch nur irgendetwas zu wissen... außer, dass sie irgendwann einfach verschwunden waren, so wie Flavius Gracchus selbst verschwunden war. Die flavischen Landgüter dagegen waren durchaus Gegenstand vieler Gerüchte – aber es waren eben nur das: Gerüchte. Und je nachdem waren sie wahlweise ganz zerstört, einfach nur geplündert oder sogar unangetastet davon gekommen. Nur was die Besitzungen in Baiae betraf, wo der Einfluss der Flavier scheinbar recht groß war, stimmten die Gerüchte größtenteils überein, dass sie keinen Schaden davon getragen hatten – genauso wie jene auf Sizilien, wo der bei den Sklaven berüchtigte Flavius Felix hauste.
Blieb noch ein weiteres Familienmitglied, das in Rom gelebt hatte und ebenso verschwunden war: Flavia Nigrina. Und bei ihr hatte Raghnall allerdings immerhin etwas mehr Erfolg. Ein paar Fakten waren recht leicht herauszufinden gewesen: dass sie wohl Rom hatte verlassen wollen, dass sie erwischt und vom Vescularius gezwungen worden war, sich scheiden zu lassen und einen seiner Getreuen zu heiraten. Der mittlerweile auch tot war, und die Flavia – verschwunden. Raghnall beobachtete das Haus ein paar Tage lang, versuchte ein paar Informationen über die Sklaven zu bekommen, aber letztlich stellte sich heraus, dass das kaum nötig gewesen wäre: die Sklaven waren allesamt recht orientierungslos und langweilig ohne Herrschaften, vertrieben sich die Zeit damit, das Haus in Schuss zu halten und sonst nicht viel zu tun außer darauf zu warten, dass jemand zurückkam, und es wäre wohl egal gewesen, wen er sich am Ende herausgepickt hätte. So oder so: mit spendiertem Wein und ein paar zusätzlichen Münzen war der Mund des Sklaven, den er sich schließlich vornahm, locker genug, dass Raghnall nicht einmal wirklich fragen musste, und er erzählte schon alles mögliche, was er wusste. Und was er meinte zu wissen. Und was er gehört hatte. Und so. Nicht alles davon war brauchbar, aber trotzdem hatte Raghnall mehr erfahren, als er davor gehofft hätte. Zwangsheirat, ja; keine sonderlich schöne Ehe; keine sonderlich nette Domina, weswegen die Sklaven ihr durchaus gönnten, wie ihr Mann mit ihr umsprang; eine Domina, die in aller Regel nur Sklaven direkt um sich duldete, denen sie absolut trauen konnte. Und vor allem anderen, was in der Nacht passiert war, in der der Hausherr gestorben war, abseits von allem Tratsch und den Gerüchten, die der Sklave zu verbreiten wusste: dass sich die Herrschaften an jenem Abend in das Cubiculum der Flavia zurückgezogen hatten; dass dort nur Sklaven in der Nähe gewesen waren, die ihr treu ergeben waren; dass am nächsten Morgen keine Spur von der Flavia zu finden gewesen war, und auch nicht von ihren Sklaven... und dass der Hausherr, ein Mann in den besten Jahren und vorgeblich bei bester Gesundheit, tot in ihrem Cubiculum gefunden worden war.
Passiert war danach scheinbar wenig. Der Mann war bestattet worden, aber mit dem Bürgerkrieg vor der Tür hatte sich keiner mehr wirklich um das Verschwinden der Flavia gekümmert – und als die Nachricht gekommen war, dass Legionen auf Rom marschierten, so der Sklave, seien die Verwandten des Dominus geflüchtet. Und seitdem würden sie hier warten... war ja nicht das schlechteste Leben so. Raghnall trank noch ein bisschen mit dem Kerl, dann verabschiedete er sich und machte sich auf den Weg zurück zum Flavius.
SKLAVE - DECIMA SEIANA -
http://img853.imageshack.us/img853/2552/rheavilica.jpg Hatte Rhea in den vorigen Räumen immer das Zepter in die Hand genommen und dem Decimus sofort erläutert, was welchen Schaden erlitten hatte, hielt sie sich hier zunächst zurück. Er wirkte nicht so, als ob er hier sofort einen Bericht hören wollte, und was er tat, ließ darauf schließen, dass er etwas ganz anderes vorhatte als auch hier einfach nur durchzugehen, was ersetzt oder repariert werden musste. Und tatsächlich wollte er ein Opfer darbringen. „Ich werde sofort nachsehen, Dominus.“ Mit diesen Worten drehte Rhea sich um und verschwand.
Es dauerte ein bisschen, bis sie wieder auftauchte – und als sie es tat, war ihrem Gesichtsausdruck abzulesen, dass sie nicht ganz so erfolgreich war, wie sie es sich gewünscht hätte. „Weihrauch habe ich gefunden.“ Sie hielt ihm eine kleine Schale hin, in der der Weihrauch bereits fertig zum Anzünden bereit lag. „Wein leider nicht. Die Amphoren wurden entweder gestohlen oder sind zu Bruch gegangen. Aber der Garten blieb recht unberührt, dort sind einige schöne Blumen. Ich habe Amanirenas beauftragt, ein Gebinde daraus zu machen, aus allen, die sie finden kann.“ Blumen wurden zwar häufig geopfert, waren aber nur eine Beigabe, dessen war sich Rhea wohl bewusst. Nur: sie hatten im Moment einfach nichts anderes. Sie mussten sich mit dem behelfen, was hier war, wenn sie nicht warten wollten, bis sie auf den Märkten etwas anderes hatten besorgen können, hieß das. Ansonsten musste ausreichen, dass sie den kompletten Garten plünderten und dort nichts mehr stehen ließen, was Farbe und Schönheit dort hinein brachte. „Die Ahnen und Götter akzeptieren sicher auch das Versprechen eines größeren Opfers, sobald wir hier wieder etwas Ordnung schaffen und unsere Vorräte füllen konnten...“ fügte sie ein wenig hilflos hinzu.
VILICA - GENS DECIMA -
Seiana nickte leicht. „Wenn ich Kontakt mit den Mitarbeitern in der Schola aufnehmen darf, dürfte es kein Problem sein, dir Bericht zu erstatten.“ Sofern sie die notwendigen Informationen bekam, konnte sie auch in der Castra einen solchen Bericht schreiben. „Wenn ich gleich die Gelegenheit nutzen darf: ich würde die Struktur der Schola gerne grundlegend ändern.“ Eigentlich wollte sie die Schola in ihrer jetzigen Form abschaffen lassen, aber so direkt zu formulieren, hätte geheißen mit der Tür ins Haus zu fallen. Grundlegend sagte schon deutlich genug aus, dass ihr etwas Größeres vorschwebte. „Senator Duccius Vala, mit dem ich während meiner Haft sprechen konnte, hatte sich bereit erklärt dieses Projekt politisch zu vertreten und voranzutreiben. Zusammen mit dem Bericht über das Personal der Schola könnte ich dir einen Überblick darüber zukommen lassen... so dass du Senator Duccius oder mir mitteilen kannst, ob dies mit deinen Vorstellungen überein stimmt.“
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Decima Flaminina fehlt im Stammbaum. Könnte das bitte mitsamt der NSC-Eltern noch eingetragen werden? Danke
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Zitat
Ein wenig Zeit zum Überlegen, während dessen kam Rhea an die Reihe. An sie gewandt, im freundlichen Ton, fragte ich nach dem Stand der Dinge. „ Ich habe mir sagen lassen, dass du mir einen Überblick über den Zustand des Hauses und den Haushalt geben kannst. Was muss gemacht werden und was wird gebraucht? Putz erneuern, Möbel usw." Wir hatten Handwerker im Marschlager, die waren froh über jede Abwechslung. Wie es um Geldmittel stand, darüber sollte ich mit Varenus reden.
http://img853.imageshack.us/img853/2552/rheavilica.jpg Rhea nickte, als der Dominus sie ansprach. Die Listen, die sie bereits am Tag der Plünderung nach ihrer Rückkehr in die Casa angefertigt hatte, hatte sie auch danach stets auf dem aktuellsten Stand gehalten, hatte notiert, was bereits repariert oder ersetzt worden war, welche Schäden später noch aufgefallen waren, wo sich eine Reparatur im täglichen Gebrauch doch nur als Ersatzlösung herausgestellt hatte. „Ich habe Aufstellungen über alles, Dominus. Wenn du wünschst, können wir sie uns später ansehen“, antwortete sie rasch, bevor sie wieder verstummte und sich im Hintergrund hielt, solange die Herrschaften noch miteinander redeten.
VILICA - GENS DECIMA -
Während Seiana erzählte, folgte ihr Blick flüchtig den Bewegungen des Kaisers, hin zu den Abschriften, in denen er blätterte, sah dann allerdings wieder zu ihm. Es hätte einen schlechten Eindruck gemacht, sich ablenken zu lassen, und erkennen konnte sie ohnehin nicht wirklich etwas.
„Die Schola Atheniensis wurde in Ruhe gelassen. Ich gehe davon aus, dass Vescularius sie für bedeutungslos hielt... oder zumindest nicht so eingeschätzt hat, als würde es ihm viel bringen, wenn er dort Einfluss nimmt. Es gab keine Vorgaben, wie die Praeceptoren oder ich uns zu äußern haben, keine Anordnungen, dass die Schüler explizit auf Vescularius eingeschworen werden sollten.“ Was durchaus eine von mehreren Möglichkeiten gewesen wäre, sich den Nachwuchs zu sichern. Dass Salinator das nicht getan hatte, wunderte Seiana allerdings wenig – sie hatte nie den Eindruck gehabt, als ob der Mann Bildung sonderlich zugeneigt gewesen wäre. „Natürlich hat gerade in den letzten Jahren kaum jemand gewagt, allzu deutlich Dinge in Frage zu stellen oder gar Kritik zu üben. Aber die Schola war ein Ort, für den Vescularius sich einfach nicht interessiert hat. Man konnte... offener reden.“
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Seiana bemühte sich um ein Lächeln. „Nun, sollte es nicht reichen, hilft es vielleicht wenigstens dir, Kontakte für die Zukunft zu knüpfen.“ Im Gegensatz zu so häufig war ihrem Lächeln diesmal anzusehen, dass es bemüht war, und es gefror auch recht bald – und verschwand dann ganz. Sie wollte nicht hören, was der Duccius ihr zu sagen hatte. Sie wollte nicht hören, dass Flavius Gracchus womöglich gar keinen relevanten Einfluss haben könnte. Sie hatte sich diese Gedanken auch selbst schon gemacht... und trotzdem war er derjenige, von dem sie sich – abgesehen vom Duccius selbst – noch am meisten versprach. Er hatte auf der Liste der Proskribierten gestanden; auch wenn er sich keinem der Heere angeschlossen hatte, siedelte ihn das doch auf Seiten des Cornelius an. Andererseits: er war nach Rom zurückgekehrt... war zu Faustus gekommen. Und der hatte ihn nicht ausgeliefert, sondern beschützt. Hieß das nicht, dass zumindest ihr Bruder wohl geglaubt haben musste, dass der Flavius zu Unrecht auf dieser Liste gestanden hatte? Wenn es so war, hatte der Duccius freilich Recht: die Fürsprache des Flavius, wenn er sie denn überhaupt gewährte, würde kaum etwas bringen. Seiana schlang die Arme um ihren Oberkörper, als es sie unwillkürlich fröstelte, und starrte stur vor sich hin, während sie weiter durch das Lager gingen. Ihre Stimme klang stumpf, als sie weiter sprach. „Zumindest einen Versuch ist es wert. Und ich wüsste niemanden sonst, der sich in der momentanen Lage für meinen Bruder verwenden würde... und wenigstens die Chance hätte etwas zu bewirken.“ Und sie konnte kaum den Duccius bitten, seine Kontakte einzusetzen. Wenn sie glauben würde damit Erfolg zu haben, würde sie es sogar tun... würde ihn anflehen, wenn es sein musste. Aber sie glaubte nicht daran, dass es etwas bringen würde. Abmachung hin oder her – der Tribun würde kaum so dumm sein, sich auf so etwas einzulassen. Schon gar nicht in der jetzigen Lage, in der sich ihre Familie befand. Sie konnte sich vermutlich schon glücklich schätzen, wenn er selbst ein gutes Wort für Faustus einlegte.
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Seiana hörte, was der Kaiser sagte – ehrenwert, richtige Entscheidung –, aber zu hoffen wagte sie immer noch nicht wirklich. Schon gar nicht für ihren Bruder. Vielleicht sagte er das einfach nur, ohne es zu meinen, oder vielleicht meinte er es, dachte in Bezug auf Faustus aber völlig anders... So sehr sie auch hoffen wollte, verbot sie es sich schlicht selbst. Trotzdem spürte sie aber, dass ihre Anspannung geringer wurde. Das Gespräch immerhin verlief so weit ganz gut, hatte sie den Eindruck, und auf mehr hatte sie kaum hoffen können. Wie hatte sie zu ihrem Bruder gesagt? Dass sie glaubte, Cornelius wäre der bessere Kaiser. Und zumindest sein Verhalten in diesem Gespräch bewies das. Seiana wollte sich gar nicht vorstellen, wie das hier laufen würde, wäre Vescularius ihr Gegenüber.
„Bei den Berichten über die Proskribierten wurde darauf geachtet, dass sie so neutral wie möglich gehalten sind. Dass sie einfach nur die Fakten darlegen, höchstens noch Mutmaßungen darüber, welche Provinz sich wie positioniert... aber keine Bewertung. Nichts, was die Proskribierten oder deren Leistungen in der Vergangenheit verrissen hätte. Ebenso wenig wurde in Berichten über Senatswahlen positiv über die Günstlinge des Vescularius geschrieben, die er als Direktkandidaten durchgeschleust hatte“, antwortete Seiana. „Und auch über Vescularius selbst war die Berichterstattung zurückhaltend. Was er direkt sandte, wurde auch so veröffentlicht, aber Artikel, die von Acta-Mitarbeitern geschrieben wurden, waren so neutral wie möglich.“
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Nichts. Der Kaiser zeigte keine Regung, die Seiana irgendetwas verraten hätte. Wobei sie ehrlicherweise zugeben musste, dass sie zwar darauf gehofft, aber nicht wirklich damit gerechnet hatte. Und sie wollte auch keine Nachfrage stellen... sie war gar nicht in der Lage, in der sie sich so was hätte erlauben können. Wenn sie Glück hatte, hatte sie am Ende vielleicht die Chance ihn zu bitten, ob sie ihm auch eine Frage stellen durfte... und wenn der Kaiser daraufhin ja sagte, dann erst konnte sie ihn überhaupt das fragen, was ihr auf dem Herzen lag.
Sie nickte also nur leicht bei seiner Antwort, ohne etwas zu erwidern, und konnte nicht anders als ein weiteres Mal stumm darum zu bitten, dass sie den richtigen Weg gewählt, die richtigen Worte gefunden hatte. Dass sie mehr bewirkten als nur, dass er ihr für die Offenheit dankte. Sie hasste die Unsicherheit, die in diesen Tagen ein ständiger Begleiter war. Sie hasste es im Unklaren darüber zu sein, was sie zu erwarten hatte. Und sie hasste es vor allem nicht zu wissen, ob sie gerade wirklich das Richtige tat oder sagte... oder ob es nicht vielleicht doch besser gewesen wäre, rundheraus zu lügen. Aber immerhin hatte sie keine Ahnung, wie ihr Bruder sich verhalten würde, wenn er verhört werden würde. Sich größtenteils an der Wahrheit zu bewegen und diese nur... nun ja, zu beschönigen wo es ging, erschien ihr von allen Möglichkeiten immer noch als die beste. Sie hätte nur gerne einfach gewusst, woran sie war.Als die Rede nun wieder auf sie kam, zögerte sie ein wenig. Warum genau sie sich nicht zurückgezogen hatte, wusste sie auf Anhieb gar nicht – es war ihr einfach nie in den Sinn gekommen. Dazu kam die generelle Vorsicht in diesem Gespräch, die Überlegung, was am besten war. Aber auch hier entschloss Seiana sich für die Wahrheit... entsprechend schön formuliert. „Der Gedanke aufzuhören kam mir nie, um ehrlich zu sein. Es wäre mir vorgekommen, als würde ich aufgeben, und das zu tun, nur weil es schwierig wird... ist feige. Honor et fortitudo ist der Leitspruch meiner Familie, so bin ich erzogen worden. Dazu kam, dass ich die einzige Vertreterin der Decimi in Rom war zu jenem Zeitpunkt. Die einzige, die hier dafür gesorgt hat, unseren Namen in Erinnerung zu halten. Ich konnte mich nicht einfach zurückziehen.“ Nach einem weiteren, kurzen Zögern fügte sie noch hinzu: „Und ich bin schon lange bei der Acta tätig, ich habe angefangen kurz nachdem ich das erste Mal nach Rom kam, vor über zehn Jahren inzwischen. Ich mag die Arbeit. Und ich wollte auch nicht dabei zusehen, wie jemand anderes die Acta übernimmt und Rom und das Reich überflutet mit einseitigen Berichten und Lobliedern auf Vescularius. Ich habe wenigstens versucht, die Berichterstattung zurückhaltender zu gestalten.“
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http://img261.imageshack.us/img261/6518/raghnall.png „Ich wart drauf“, grinste der Gallier zurück und hob dann die Hand zum Gruß, als der Iunius sich verabschiedete und ging. „Machs gut...“ Einen Augenblick sah er ihm noch hinterher, dann setzte auch er sich in Bewegung, lief durch den leeren Teil des Lagers, in den sie sich zurückgezogen hatten, und verschwand in Richtung Rom.
SKLAVE - DECIMA SEIANA -
http://img261.imageshack.us/img261/6518/raghnall.png Sieh mal einer an, der Iunius konnte ja doch Witze machen. Und da hatte Raghnall sich mittlerweile endlich damit abgefunden, der Kerl wäre bei der Vergabe von Humor komplett übergangen worden. „Unaussprechlich nur für Zungen wie deine“, konterte er mit einem Grinsen, das sich nun auf seinem Gesicht ausbreitete, „aber römischer klingen sollte er allemal.“ Danach schüttelte er den Kopf. „Nein. Wenn du nichts mehr hast?“
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http://img853.imageshack.us/img853/2552/rheavilica.jpg Rhea hielt sich im Hintergrund, wie es sich gehörte, während sie aufmerksam zuhörte und die Anwesenden beobachtete – die Soldaten, die keinerlei Anstalten machten sich so aufzuführen, wie der letzte militärische Besuch, der hier gewesen war, woran Rhea aber dennoch denken musste; und die Decimer, von den jungen, die so unbekümmert schienen, bis hin zu Varenus, der an dasselbe zu denken schien wie sie beim Anblick der Uniformen, und den es noch viel mehr mitzunehmen schien. Wäre Varenus nicht bekannt dafür, von allen Decimern der zu sein, der zu Sklaven am strengsten war und sie auf einem ganz bestimmten Platz sah, hätte sie ihm vielleicht aufmunternd zugelächelt, aber so blieb sie nicht nur stumm, sondern regungslos – bis Massa sie zu sich winkte, einer Aufforderung, der Rhea sofort gehorchte, auch wenn sie weiterhin schweigsam blieb, nun eben nur an der Seite des Decimus und nicht mehr im Hintergrund.
VILICA - GENS DECIMA -
http://img261.imageshack.us/img261/6518/raghnall.png Zur Abwechslung mal hatte Raghnall den Anstand, den amüsierten Gesichtsausdruck zu unterdrücken, der sich ihm eigentlich aufdrängen wollte, als er die Antwort des Iunius hörte. Sie ist meine Tochter. Harr! Wenn er so bei Seiana ankam, schätzte der Gallier dass es nicht allzu lange dauern würde, bis die Decima einknickte.
„Wie du meinst“, erwiderte er nur, um einen neutralen Tonfall bemüht. „Ich wollte nur darauf hinweisen, was meiner Herrin wichtig war bei ihren Planungen.“ Bei den anschließenden Worten nickte er. „Hoffen wir das beste... und ich werde mich melden, wenn irgendwas ist.“ Wovon Raghnall allerdings nicht ausging. Die Verstecke der decimischen Finanzen immerhin waren unangetastet geblieben, so dass es keine Probleme darstellte, für das Nötigste zu sorgen – sofern es in Rom nicht generell Engpässe gab, aber daran würde dann auch der Iunius nichts ändern können. „Eins noch... sie hat langsam mal einen Namen verdient. Wenn du sie wirklich zu dir nehmen willst, solltest du ihr bald einen geben.“
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„Der Druck ließ nach, nachdem ich den damaligen Praefectus Praetorio geheiratet hatte und er, wie er es zu nennen pflegte, direkten Zugriff auf die Acta hatte dadurch. Mein Bruder war damals noch Tribunus angusticlavius der XXII... erst kurze Zeit später wurde er zu den Prätorianern versetzt.“ Seiana sah flüchtig auf ihre Hände hinunter. Welche Ironie, dass das, was sie getan hatte um sich und ihre Familie zu beschützen, ihr nun so vor die Füße fiel.
Als der Kaiser weiter sprach und nun nach ihrem Bruder fragte, presste sie kurz die Lippen aufeinander. Sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte, wusste nicht, was das Richtige war, für ihre Familie, ihren Bruder. Zugleich gehörte das nun aber genau zu der Sorte Fragen, die sie erwartet hatte. Jetzt fragte er nicht einfach nur, ob er ihr vertrauen konnte – was sie ihm gar nicht konkret beantwortet hatte, aber sie bezweifelte ohnehin, dass ein einfaches Ja von ihr auf diese Frage hin ausgereicht hätte –, er stellte die Sorte Fragen, die sie zwangen Farbe zu bekennen. „Mein Verhältnis zu meinem Bruder... er ist der einzige meiner engsten Familie, der mir noch geblieben ist. Ich liebe ihn“, gestand sie offen. In dieser einen Sache wollte sie nicht lügen, wollte nicht so tun, als wäre ihr Verhältnis distanzierter als es war, auch wenn es vielleicht klüger gewesen wäre, für sie persönlich jedenfalls.Was ihr Verhältnis zu ihrem Bruder betraf, war in ihren Augen damit alles gesagt – was seines zum Vescularius anging, musste sie nun allerdings wieder ausholen. „Sein Verhältnis zu Vescularius war, nach allem was ich weiß, kaum vorhanden. Er ist lange Zeit fort gewesen von Rom, zuerst als Tribun der XXII, später auch als Tribun der Prätorianer, als er einen Auftrag zu erfüllen hatte. Und auch als Praefectus Praetorio hatte er meines Wissens nach nur dienstlich mit ihm zu tun. Er war nie bei Festlichkeiten hier im Palast zu Gast, ich bin mir nicht einmal sicher, ob er je eine Einladung erhalten hat.“ Seiana hob den Blick, sah dem Kaiser ins Gesicht und versuchte irgendeine Regung festzustellen, die ihr einen Aufschluss darüber hätte geben können, was er von ihrem Bruder dachte. Ob es eine Chance gab für ihn. „Ich glaube, es war nicht einfach für ihn. Was mit unserem Onkel, seinem Adoptivvater, geschah, hat ihn erschüttert. Trotzdem... hat er sich geschmeichelt gefühlt, als er befördert wurde. Mein Bruder ist Soldat durch und durch. Bei seinen Treffen mit Vescularius hat dieser als Mann des Militärs offenbar Eindruck auf ihn gemacht.“ Seiana flehte zu allen Göttern, dass sie die richtigen Worte fand. Mochte ihr Bruder sie später dafür hassen, wenn er davon erfuhr, aber sie wollte, dass er lebte. „Und Faustus ist ein Mann von Ehre. Seinem Kaiser hätte er niemals geschadet.“ Ganz gleich was in Wahrheit passiert war: die offizielle Lesart hieß, dass Vescularius hinter dem Mord steckte. Und das wiederum hieß, dass man im Zweifel auch ihrem Bruder Mitwisserschaft unterstellen könnte, einfach um jemanden zu haben, den man noch hinrichten konnte. Seiana wollte dem vorbauen... und gleichzeitig deutlich machen, dass sie nicht so idiotisch war die offizielle Lesart anzuzweifeln. „Es hat ihn tief getroffen, dass der Kaiser ermordet wurde, ohne dass die Prätorianer, ohne dass er es hatten verhindert können. Umso erpichter war er darauf, wenigstens die Schuldigen zu finden und ihrer gerechten Strafe zuzuführen, weswegen er sich so in die Ermittlungen gestürzt hat... die ihn auf die falsche Fährte gebracht haben.“
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„Ich hoffe dass er überhaupt den Carcer verlassen kann. Lebend. Dass er in Rom bleiben darf...“ Lezteres war eher als Frage formuliert, und sie bezweifelte es, wenn sie ehrlich war. Jedenfalls wenn Faustus sich nicht tatsächlich zusammenriss und sagte, was gehört werden wollte. Auch wenn er noch jung und nicht lange Praefectus Praetorio gewesen war, würde man trotzdem kaum dulden, wenn er hinausposaunte, was er vom neuen Kaiser wirklich hielt. Wessen er ihn beschuldigte. Sie rieb sich über die Stirn. „So ist das Leben. Wir sind weder die ersten noch werden wir die letzten sein...“ Sie sah hoch, Venusia in die Augen, und bemühte sich um ein Lächeln. „Am Zusammenhalt wird es nicht scheitern, wir werden füreinander da sein. Für Faustus, wenn er... freikommen sollte. Und die Decimi werden hoffentlich auch wieder bessere Zeiten erleben. Wir werden nur Geduld brauchen.“ Und die Gnade eines Kaisers, der sich erst einmal etablieren musste. Seiana hoffte so sehr, dass er gnädig sein würde. Dass Faustus da sein würde, um die hoffentlich besseren Zeiten auch noch zu erleben.
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http://img261.imageshack.us/img261/6518/raghnall.png Raghnall runzelte flüchtig die Stirn, als er die Antwort hörte. „Naja... Seianas Plan sieht immerhin vor, dass das Mädchen als ein ehelich geborenes Kind aufwächst. Womit sie später mehr Chancen hätte.“ Der Gallier war sich bewusst darüber, dass später mehr Chancen zu haben nicht alles im Leben war, schon gar nicht im Leben eines Kindes. Und als Sklave, der er war, fand er spätere Chancen auch gar nicht so wichtig. Man kam auch so recht gut durch's Leben, wenn man nur wusste wie. Aber ihm war auch klar, dass die Decima Wert auf solche Dinge legte – dass sie lange überlegt hatte, wie sie es so hinbekam, dass das Kind nicht den Makel einer unehelichen Geburt trug. „Und nur so als Tipp: wenn du sie wirklich zu dir nehmen willst, solltest du vorher überlegen, welche Geschichte du erzählst...“ Raghnall bezweifelte, dass die Decima sonderlich glücklich sein würde über das Oder was weiß ich. „So weit ich weiß ja. Jedenfalls haben sie nichts gesagt, als ich vorhin da war.“
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